Karl Marx prägte den berühmten Satz: „Religion ist das Opium des Volkes.“ Dieser Satz entstand unter dem Eindruck der Industrialisierung in England, die zu dieser Zeit viele Familien in Armut stürzte. Zahlreiche Familien sahen sich gezwungen, ihre sehr jungen, minderjährigen Kinder zur Arbeit zu schicken, um das Überleben der Familie zu sichern. Viele Kinder kamen dabei ums Leben, und noch mehr wurden für den Rest ihres Lebens geschädigt.
Diese Erfahrungen haben Marx tief geprägt. Er träumte von einer anderen Gesellschaft und schrieb darüber. Dabei hatte er vermutlich weniger die Form des Kommunismus im Sinn, die im 20. Jahrhundert in Osteuropa entstand. Wahrscheinlich wäre eine Gesellschaft in Westeuropa seinen Vorstellungen näher gekommen. Dort hätten viele Menschen durch Aktienbesitz Mitbesitzer der Firmen sein können, in denen sie arbeiteten, und so vom Profit profitieren können.
Zu seiner Zeit sah Marx jedoch nur einen Weg, um eine solche Gesellschaft zu erreichen: den Klassenkampf, den Aufstand des Proletariats, also der Arbeiterklasse, gegen die herrschenden Klassen in Politik und Wirtschaft. Notfalls sollte dieser Aufstand auch mit Blutvergießen einhergehen.
Was die Religion betrifft, kannte Marx damals vor allem das Christentum aus erster Hand, insbesondere die christlichen Kirchen in England und Deutschland. Für ihn war Religion eines der großen Hindernisse auf dem Weg zu einer Revolution. Das Christentum lehrte nicht die Revolution, sondern forderte die Gläubigen auf, selbst extreme Schwierigkeiten auszuhalten und auf das Eingreifen eines lebendigen Gottes zu hoffen.
Marx hatte den Eindruck, dass diese Prägung durch das Christentum letztlich die notwendige Revolution verhinderte. Religion, insbesondere das Christentum, mache die Menschen passiv, ähnlich wie Opium. Sie hindere sie daran, einen Aufstand zu beginnen und aktiv mitzutragen.
Die politische und religiöse Situation im achten Jahrhundert vor Christus
Religion ist Opium für das Volk. Wahrscheinlich hätten einige einflussreiche Menschen in Juda im achten Jahrhundert vor Christus diesem Satz zugestimmt: Religion ist Opium für das Volk. Sie hätten gesagt, wir bräuchten eine ganz andere Politik. Doch dieser Glaube, der diese Nation prägt, verhindert an vielen Stellen genau diese andere Politik und deren Akzeptanz.
Ein bisschen davon, aber nicht nur auf dieser politischen Ebene, wollen wir heute anschauen. Es gibt ein Schema. Im Januar hatten wir die Kapitel eins bis zwölf von Jesaja, sozusagen seine Einleitung. Im Februar haben wir Kapitel dreizehn bis dreiundzwanzig behandelt, also elf Kapitel, in denen Jesaja über und zu allen möglichen Nationen des Nahen Ostens spricht und schreibt. Aber wir haben gesehen, dass er eigentlich nicht an diese Nationen schreibt. Er schreibt über diese Nation, über ihr Schicksal in dieser Zeit und manchmal auch in die fernere Zukunft. Aber er schreibt eigentlich an seine Landsleute.
Er möchte ihnen etwas vor Augen führen, ihnen etwas beibringen durch diese Sicht auf die umliegenden Nationen. Natürlich möchte der Heilige Geist uns über die Jahrhunderte den Weg dadurch etwas lehren. Heute fangen wir an mit dem Thema für März, dem dritten Teil von Jesaja, Jesaja Kapitel 24 bis 35, sozusagen der Abschluss der ersten Hälfte von Jesaja.
Die erste Hälfte von Jesaja besteht aus diesen drei Teilen. Dann gibt es einen kurzen geschichtlichen Einschub, den wir zum Teil auch schon betrachtet haben. Danach folgen noch einmal drei Teile im zweiten Teil von Kapitel 40 bis 66.
Ich habe versucht, ein Schema zu diesem dritten Teil zu erstellen. Jesaja 24 bis 27 ist der erste Block. Viele Ausleger nennen ihn die Apokalypse des Jesaja, im Vergleich zur Offenbarung des Johannes am Ende des Neuen Testaments. Warum? Weil hier anscheinend das Gericht Gottes, ein Endgericht Gottes, über die ganze Erde beschrieben wird, und letzten Endes die Aufrichtung seines Reiches auf dieser Erde – also eine sehr ähnliche Thematik wie in der Offenbarung des Johannes.
Was die meisten Ausleger nicht machen, ich aber schon, ist, das Ende, Jesaja 34-35, auch Apokalypse des Jesaja zu nennen. Denn es ist eigentlich direkt die Fortsetzung dessen, wie Jesaja diesen Abschnitt angefangen hat. Er schließt die erste Hälfte seines Buches mit dieser Aussicht in die ferne Zukunft ab. Beide Teile, sowohl Kapitel 27 als auch Kapitel 35, enden mit der Rückkehr Israels in das Land Palästina. Das verbindet diese beiden Teile vom Anfang und vom Ende.
Dazwischen, und das ist das, was wir heute anschauen, alles, was hier grün markiert ist, geht Jesaja noch einmal zurück in die Politik und in die Ereignisse seiner Zeit. Er erdet den Ausblick in die ferne Zukunft, den er immer wieder am Ende von jedem dieser Teile macht, in den Ereignissen seiner Zeit. Ich werde versuchen, heute mit euch da ein bisschen durchzugehen.
Der Abschnitt von Kapitel 28 insgesamt bis Kapitel 33 ist geprägt von Weherufen. Manche Ausleger haben das eingeteilt nach diesen Weherufen und sechs Teile daraus gemacht, weil es sechs Weherufe gibt. Das macht an anderen Stellen der Bibel Sinn, ich glaube aber, hier macht es innerlich nicht so viel Sinn. Trotzdem beginnt bei mir jeder Teil mit einem „Wehe“. Ich habe es in drei Teile eingeteilt. Ihr werdet verschiedene Schemata finden, die wahrscheinlich nicht in Büchern oder im Internet zu finden sind, weil ich glaube, das ist meines.
Es fängt an, und eigentlich packt Jesaja fast seinen ganzen Inhalt in Kapitel 28 und 29. Wir werden heute viel Zeit in diesen Kapiteln verbringen. Es läuft auf ein „Wehe“ hinaus, das fast am Ende dieses Abschnitts steht, das habe ich im Schema jetzt gar nicht drin. Aber es fängt an mit zwei anderen „Wehen“: ein Wehe über Samaria, die Hauptstadt von Nordisrael, und ein Wehe über Jerusalem, die Hauptstadt von Juda.
Dann kommt der zweite Teil, der tatsächlich ein Teil ist. Ihr seht oben eine gemeinsame Überschrift, Kapitel dreißig bis dreißig. Das Interessante ist nur, dass Jesaja hier alles, was er schreiben will, in Kapitel dreißig schreibt, und in Kapitel einunddreißig und zweiunddreißig alles noch einmal wiederholt. Von daher hätte ich das auch untereinander in einer Spalte schreiben können, weil es eigentlich ein Teil ist, aber ich habe es trotzdem in zwei Spalten aufgeteilt, weil er quasi alles, was er gesagt hat, noch einmal wiederholt.
Dann kommt der dritte Teil, fast ein Anhang, aber ein Gedanke, der Jesaja einfach noch sehr wichtig ist und den er seinen Zeitgenossen noch mitgeben möchte. Interessant ist, dass in allen drei Teilen am Schluss der Blick in die ferne Zukunft steht, natürlich hier im mittleren Teil zweimal, weil fast alles wiederholt wird. In den ersten drei Teilen wird jeweils noch einmal die Vernichtung der Assyrer vor den Toren Jerusalems mit sehr ausdrucksstarken Worten erzählt – dreimal erzählt Jesaja diese Geschichte nochmals in diesem Abschnitt.
Dieser letzte Teil, obwohl er es nicht mehr ausführlich erwähnt, beginnt eigentlich mit dem „Wehe den Zerstörern“ und bezieht sich auf die Zerstörung des assyrischen Belagerungsheers vor Jerusalem.
Das ist das Schema, um das es heute geht. Wir werden hauptsächlich mit Kapitel 28 und 29 beginnen und dann ein bisschen was über die anderen Teile anschauen.
In Jerusalem scheint es zur Zeit der syrischen Invasion verschiedene politische Strömungen gegeben zu haben. Wenn Jesaja in Kapitel 28 erstmals die Regierungspartei, die Regierungsströmung in Jerusalem erwähnt, dann ist es in Vers 14. Ich fange an der Stelle an, wir werden gleich in Vers 1 von Kapitel 28 zurückgehen, aber ich glaube, hier bekommen wir den Eindruck, warum er die ersten dreizehn Verse geschrieben hat.
Er wendet sich an die Führer seiner Zeit, an die Führer in Jerusalem. Jesaja 28, Vers 14: „Darum hört das Wort des Herrn, ihr Spötter, Beherrscher dieses Volkes, das in Jerusalem ist.“ Das ist eigentlich die Anrede in Kapitel 28 und 29: „Hört das Wort des Herrn, die ihr in Jerusalem herrscht.“ Er bezeichnet sie als Spötter. Wahrscheinlich waren sie zu dieser Zeit nicht Leute, die über Gott gespottet haben, sondern vielmehr haben sie hauptsächlich über die katastrophalen politischen und gesellschaftlichen Umstände gespottet, die sich in den letzten zwanzig Jahren im Nordreich Israel entwickelt hatten.
Sie kommentierten das mit viel Sarkasmus, was dort abging. Vermutlich verwendet Jesaja in den ersten Teilen von Kapitel 28 zum Teil ihre Worte oder zumindest ihre Gedanken und sagt mit anderen Worten: So unrecht haben sie nicht mit ihrer Analyse.
Jesaja beginnt sein Kapitel mit einem Wehe-Ruf, mit einem Gerichtsruf über Samaria, die Hauptstadt dieses Nordreiches, das hauptsächlich durch den großen israelischen Stamm Ephraim charakterisiert war und deswegen manchmal auch Ephraim genannt wird.
Er tut es hier in Jesaja 28, Vers 1: „Wehe der stolzen Krone“, also mit anderen Worten: Wehe der Monarchie der betrunkenen Ephraims und der welkenden Blume seiner herrlichen Pracht auf dem Haupt des fruchtbaren Tals, der vom Wein überwältigten.
In den letzten Jahren hatte sich, wie gesagt, das Nordreich katastrophal entwickelt. Es waren Bürgerkriege ausgebrochen, es gab eine assyrische Invasion, die große Verluste hervorgerufen hat. Die Assyrer haben einen Marionettenkönig, Hosea, in Samaria eingesetzt, den sie steuern wollten, wie fast immer. Damals hat das nur ein paar Jahre funktioniert, dann wollten diese Marionettenregierungen sich doch selbständig machen – so war das hier auch. Es herrschte einfach politisches Chaos.
Jesaja vergleicht es mit Betrunkenen. Nicht weil Alkoholismus ein Problem in diesem Land war, sondern als Bildersprache. Es ist vergleichbar mit einem Betrunkenen, bei dem man den Eindruck hat, er kann seine Bewegungen nicht koordinieren. Er hat keine Selbstbeherrschung und weiß nicht genau, was er tut.
Wenn Jesaja hier über die Regierung, über die Monarchie Samarias schreibt und sagt, man habe den Eindruck, als wären Regierungssitzungen und Regierungsberatungen eine Art Treffen zum Komasaufen – zumindest wenn man die Regierungserklärung hinterherliest, wirkt alles orientierungslos.
Die endgültige Übernahme dieses Staates durch die Assyrer geschah fast ohne Gegenwehr. Jesaja kündigt das in Kapitel 28, Vers 2 an: „Siehe, der Herr hat einen Starken und Mächtigen.“ Das ist in dem Fall der König von Assyrien.
Jesaja vergleicht ihn mit einem Hagelwetter, einem verderbenden Sturmwind, einem Regensturm – gewaltige, überflutende Wasser. Er reißt sie mit Macht zu Boden. Versucht euch die Wortwahl einzuprägen, wir werden ihr gleich noch einmal begegnen.
„Mit Füßen wird zertreten“, und jetzt verwendet er wieder die Bezeichnung aus Vers 1, die stolze Krone der betrunkenen Ephraims und der welkenden Blume seiner herrlichen Pracht auf dem Haupt des fruchtbaren Tals. Ihr ergeht es wie einer Frühfeige vor der Obsternte. Kaum ist sie in der Hand dessen, der sie erblickt, so verschlingt er sie.
Er sagt: Die Assyrer sehen das und pflücken es wie eine frische Frucht und verleiben sich ein. Das ist die ganze Mühe, die sie haben. Es ist ungefähr so viel Mühe, wie eine Feige vom Baum zu pflücken und zu schlucken. So viel Mühe macht es ihnen, dieses Land endgültig zu erobern, weil es ihnen ohnehin nur noch Chaos ist.
Diese chaotischen Zustände, diese Desorientierung ziehen sich offensichtlich bis in die untersten Ebenen der Verwaltung und der Justiz. Es werden Aussagen getroffen, Entscheidungen publiziert, die einfach niemand mehr versteht. Man kann es nicht einmal mehr mit Korruption erklären, nur noch mit dem Bild von Trunkenheit.
Jesaja beschreibt, wie abstoßend es wird, wenn solches Chaos herrscht. In den nächsten Versen schreibt er: „Und auch diese wanken vom Wein und taumeln vom starken Getränk; Priester und Prophet wanken vom Bier, sind verwirrt vom Wein, taumeln vom Bier; sie wanken beim Gesicht, sie schwanken beim Rechtsprechen. Und jetzt kommt das Abstoßende: Alle Tische sind voll Unflat gespeit, dass kein Platz mehr ist.“
Er sagt, es ist so viel Chaos, so viel Unlogik, so viel Desorientierung, dass eigentlich kein Platz mehr für irgendetwas anderes ist. Man hat keine Hoffnung mehr, noch irgendeinen vernünftigen Gedanken in diese Gesellschaft, in diese Verwaltung, selbst zu diesen sogenannten Propheten zu bringen.
Das ist seine Beschreibung und wahrscheinlich auch die Sicht auf das Nordreich prinzipiell von den Politikern und Verantwortlichen des Südreichs: einfach nur Chaos.
Im Vergleich dazu herrscht im Südreich in Jerusalem fast schon ein pragmatischer und auf den ersten Blick zumindest vernünftiger Politikstil. Ahas, der Vater von Hiskia, diesem gottlosen König Ahas, hat ein politisches Bündnis mit den Assyrern geschlossen und zahlt dieser Großmacht regelmäßig Tribute. In den Augen vieler ist das vernünftig.
Sein Sohn Hiskia führt diese Außenpolitik zunächst fort, als er an die Regierung kommt. Dass diese Politik moralisch mehr als zweifelhaft ist und zum großen Teil auf Selbstbetrug und Lügen beruht, wird in Jerusalem größtenteils verdrängt.
Wie gesagt, viele Politiker in Jerusalem sind arrogant. Sie schauen mit Sarkasmus nach Norden und kommen sich im Vergleich dazu sehr klug vor, sehr politisch klug.
Noch einmal Jesaja 28, Vers 14: „Darum hört das Wort des Herrn, ihr Spötter, Beherrscher dieses Volkes, die in Jerusalem seid, denn ihr sprecht: Wir haben einen Bund, einen Vertrag mit dem Tod geschlossen. Mit dieser Macht, die Tod über die ganze Region bringt, haben wir einen Vertrag gemacht. Einen Vertrag mit dem Scheol haben wir geschlossen. Wenn die überwältigende Geißel hindurchfährt, wird sie an uns nicht kommen.“
Sie sagen: Wir sind die Klugen. Die werden alles einnehmen, alles umbringen, alles zerstören. Aber weil wir rechtzeitig einen super Vertrag mit ihnen gemacht haben und jedes Jahr Tribut zahlen, wird das alles an uns vorbeigehen, was ansonsten die ganze Region trifft. Das war ihre politische Ansicht und ihre politische Botschaft.
Nun ja, trotz aller internationalen Verträge starten die Assyrer wenige Jahre später eine Invasion in Juda. Die Invasionsarmee kann durch nichts aufgehalten werden und erobert das ganze Land – bis auf Jerusalem.
Jeden Tag werden in Juda Zivilisten und jüdische Soldaten getötet. Jesaja schreibt – erinnert euch an die Wortwahl, die Jesaja bei der Einnahme Samarias verwendet hat – und beschreibt die Einnahme des Landes Juda.
Jesaja 28, Vers 17 am Ende: „Und der Hagel wird die Zuflucht der Lüge weggraffen, und die Wasser werden den Bergungsort wegschwemmen, und euer Bund mit dem Tod wird gelöst und euer Vertrag mit dem Scheol nicht bestehen, wenn die überwältigende Geißel hindurchfährt.“
Was haben sie gesagt? An uns wird sie nicht kommen. Jesaja sagt: So werdet ihr von ihr zertreten werden. So oft sie hindurchfährt, wird sie euch weggraffen, denn jeden Morgen wird sie hindurchfahren, bei Tag und bei Nacht.
Tag und Nacht sterben Menschen durch diese assyrische Invasionsarmee. Am Ende belagert diese Armee Jerusalem, die Hauptstadt, die letzte Bastion. Und Jerusalem hat überhaupt keine Chance. Schon ist jede Kommunikation nach außen abgeschnitten. Wenn eine Kommunikation durchkommt, ist es, als würden Tote aus ihrem Grab reden.
Jesaja drückt es sehr bildlich aus in Kapitel 29, Vers 3: „Und ich werde dich im Kreis umlagern und dich mit Wachposten einschließen und Belagerungswerke gegen dich errichten. Du wirst erniedrigt werden, vom Boden aus wirst du reden, und deine Sprache wird dumpf aus dem Staub ertönen, und deine Stimme wird wie die eines Geistes aus der Erde hervorkommen, und deine Sprache wird aus dem Staub flüstern.“
Das ist seine Beschreibung des Eingeschlossenen, der Eroberung ausgelieferten, des chancenlosen Jerusalems, der letzten Bastion in Juda.
Jesaja hat sein Kapitel mit dem Wort „Wehe“ begonnen – Wehe über Samaria. Er hat es genannt „Monarchie der Betrunkenen“. Auch für Jerusalem hat er, wenn er sein Wehe ausruft, eine interessante Wortwahl.
Kapitel 29, Vers 1: „Wehe Ariel, Ariel, Stadt, wo David lagerte.“
Ariel ist ein interessantes Wort, und ich glaube, Jesaja hat es absichtlich mehrdeutig gewählt. Es ist ein Wort, das sonst so für Jerusalem nicht verwendet wird. Man kann Ariel als zusammengesetztes Wort auffassen: Ari und El. El habt ihr vielleicht schon mal gehört als Gott. Ari kann „Löwe“ bedeuten. Dann heißt es „Löwe Gottes“ oder „Gott ist ein Löwe“ oder „jemand, der ein Kämpfer ist, ein Löwe Gottes“.
In diesem Kapitel vergleicht Gott sich mit einem Löwen, der letzten Endes für Jerusalem, für seine Stadt kämpfen wird. Aber Jesaja hat das Wort, glaube ich, absichtlich so gewählt, weil es auch eine spezielle Form, eine spezielle Rechtschreibform für „Herd“ oder „Altar“ sein kann.
Ezechiel wird Jahre später quasi diese Schreibweise für den Altar im Tempel verwenden. Noch öfter als auf „Löwe“ spielt Jesaja in den nächsten Versen in diesem Kapitel und in den nächsten Kapiteln auf diese Bedeutung „Herd“ oder „Altar“ an. Das ist nicht ganz überraschend, denn wir haben gelesen, dass seine Berufung in Jesaja 6 sehr viel mit einem Altar und mit Kohlen von einem Altar zu tun hatte.
Ich glaube, er macht hier absichtlich dieses Wortspiel, beide Bedeutungen in diesem Titel für Jerusalem unterzubringen: diesen Gott als Löwen und diesen Altar, diesen Herd Gottes, auf dem Feuer ist.
Ein kleines Beispiel: Wir werden gleich darauf zurückkommen. Es ist Jesaja 31, Vers 9, wo Jesaja sagt: „Der Herr, der sein Feuer in Zion und seinen Ofen in Jerusalem hat“ – in Rückbezug auf diese Bezeichnung Ariel für Jerusalem.
Jerusalem war die Stadt Gottes, die Stadt, in der sein Tempel stand, die Stadt, in der sein Altar stand. Erst kurz vorher hatte Hiskia den Gottesdienst in Juda überhaupt erst wieder eingeführt, nachdem sein Vater Ahas diesen Gottesdienst mehr oder weniger abgeschafft hatte.
Jesaja nennt es Ariel und nennt es die Stadt, wo David lagerte. Es ist die Stadt Davids, eines Königs, den Gott nicht vergessen hat.
Aber das ist interessant, oder? Jesaja sagt: „Wehe Ariel, Ariel, die Stadt, wo David lagerte, wo David seine Herde bewachte.“ Ich habe den Eindruck, dass Jesaja durch diese Wortwahl ein großes Fragezeichen hinter sein Wehe setzt.
Er hat gesagt: Wehe Samaria mit einem Ausrufezeichen. Ich glaube, hier sagt der Wehe Ariel mit einem Fragezeichen: Ist es wirklich denkbar, dass Gott sein Gericht, sein Wehe über Jerusalem, über seinen Tempel, über seinen Altar, über die Stadt Davids verhängt? Ist das wirklich denkbar? Das ist, glaube ich, die Frage, die Jesaja hier in den Raum stellt.
Das ganze Land bis auf Jerusalem hatte Gott den Assyrern ausgeliefert. Augenscheinlich für Beobachter kämpfte Gott eher auf Seiten der Assyrer als auf der Seite seines eigenen Volkes. Es gab so viel Leid für jede Familie.
Warum? Für viele fromme Juden war das natürlich mehr als unverständlich. Jesaja drückt es aus in Kapitel 28, Vers 21: „Ich werde jetzt ein bisschen hüpfen, ihr müsst nicht alles aufschlagen und mitlesen, ihr dürft gerne auch einfach zuhören.“
Er sagt: „Der Herr wird aufstehen, um sein Werk zu tun, befremdend ist sein Werk, und um seine Arbeit zu verrichten, außergewöhnlich ist seine Arbeit. Ich habe Vernichtung vernommen, und fest beschlossen ist vonseiten des Herrn der Herrscharen über das ganze Land.“
Es ist befremdlich, Gott scheint gegen dieses Land zu kämpfen. Wird es wirklich zu einem Wehe kommen, auch über Jerusalem, über diese Stadt der Königsdynastie Davids? Das ist die Frage, die für alle sichtbar im Raum stand.
Aber wie gesagt und wie wir schon wissen, Zerstörung ist hier nicht das letzte Wort Gottes. Jesaja formuliert es interessant, wie Gott sich letztlich dann doch noch gegen die Assyrer wendet und doch noch zumindest diese eine Stadt rettet, diese Königsstadt Davids, und wie das große Wunder in den Augen Jesajas das größte Wunder seiner Lebenszeit geschieht.
Interessant ist seine Formulierung in Jesaja 29, Vers 8: „Und es wird geschehen, wie der Hungrige träumt, und siehe, er isst, und er wacht auf, und seine Seele ist leer. Und so wie der Durstige träumt, und siehe, er trinkt, und er wacht auf, und siehe, er ist erschöpft, und seine Seele lechzt, so wird die Menge der Nationen sein, die Krieg führen gegen den Berg Zion.“
Sie dachten, sie hätten Jerusalem schon, so wie Samaria. Sie müssten die Feige nur noch pflücken und schlucken. Sie haben es schon vor ihren inneren Augen gesehen, wie schnell das gehen wird, wie einfach das sein wird. Und plötzlich greift Gott ein.
Es ist, als würden sie von einem Traum aufwachen, und alles, was sie sich ausgedacht und geplant haben, ist dahin. Jesaja sagt, es wird für sie sein wie jemand, der aufwacht, und es ist nicht mehr so wie vorher. Er merkt, es scheint ein Traum gewesen zu sein, dass sie Jerusalem im Griff haben.
Ich glaube, das ist die Parallele zu dem, wie es Samaria im Norden ergangen ist. Es war anders.
Okay, das war die Geschichte. Jesaja hat sie noch einmal erzählt. Wir haben sie von ihm schon mehrmals gehört. Jetzt hat er sie noch einmal mit anderen Worten erzählt.
Was möchte uns Jesaja in diesen Abschnitten sagen? Er möchte uns unter anderem etwas darüber sagen, wie die Menschen dieses Landes über Gott und über Religion dachten. Vielleicht ist es spannend für uns, zu sehen, wie sie damals gedacht haben.
Ich habe damit angefangen, wie Karl Marx über Religion dachte. Gehen wir ganz kurz zurück ins Nordreich, über das, was Jesaja da sagt. Ich werde es nicht mehr lesen, wir haben heute keine Zeit dafür. Aber es sieht so aus, als hätten sich die Menschen des Nordreichs über die Propheten Gottes einfach lustig gemacht.
Jetzt hätten sie gesagt: Was ihr da erzählt, ist Kindergeschichten. Die könnt ihr in der Krippe erzählen oder vielleicht noch im Kindergarten. Wer glaubt im achten Jahrhundert vor Christus noch an einen übernatürlichen Gott?
Jesaja fasst sehr kurz zusammen, Jesaja 28, Vers 12 am Ende: „Sie wollten nicht hören.“ Das war eine sehr klare Botschaft von der Bevölkerung, von der Gesellschaft im Norden.
Aber wie sieht es im Süden aus? Jesaja sagt, im Süden denken viele Menschen schon, dass es irgendwie Gott gibt. Sie haben den Tempeldienst wieder eingeführt, sie versuchen, ihn relativ treu durchzuführen. Sie versuchen, Opfer zu bringen. Sie versuchen, sich irgendwie nach der Ethik von Gottes Gesetz zu richten.
Aber es ist interessant, was Jesaja dazu schreibt, Kapitel 29, Vers 15: Das dritte Wehe in diesem ersten Abschnitt, in den Kapiteln 28 und 29. Ich glaube, es ist das Wehe, auf das der Abschnitt hinausläuft. Ich glaube, das ist es, was Jesaja uns sagen will in diesem Abschnitt:
„Wehe denen, die Pläne tief verbergen vor dem Herrn und deren Werke im Finstern geschehen und widersprechen: Wer sieht uns und wer kennt uns?“
Normalerweise werden bei den Propheten solche Formulierungen – auch im Neuen Testament – gebraucht, wenn Menschen moralisch Schlechtes tun und es verbergen oder heimlich in ihren Häusern Götzendienst ausführen und die Öffentlichkeit es nicht merken soll.
Aber das scheint hier nicht der Schwerpunkt von Jesaja zu sein. Der Schwerpunkt scheint zu sein: Was versteht Gott von Politik?
Wir haben unsere Pläne. Gott ist super im Gottesdienst, im Tempel, super, dass wir einen Glauben haben, super, dass wir Religion haben, super, dass wir ein Gesetz Gottes haben, das uns ethisch weit über unsere Nachbarvölker erhebt. Super, dass wir christliches Abend an ein jüdisches Morgenland sind.
Aber Politik? Gott gehört in den Tempel. Was hat Gott mit dem Palast zu tun? Was hat Gott mit unserem Leben zu tun? Mit unseren persönlichen Plänen, die wir haben – politisch, wirtschaftlich, für unsere Familie, für unsere Karriere?
Jesaja sagt in Vers 16: „O eure Unlogik! Sollen nur in den Töpfen dem Ton gleichgeachtet werden, dass das Werk von seinem Hersteller spricht: Er hat mich nicht gemacht? Er ist nicht der, der mein ganzes Leben gemacht hat?“
Das Gefäß von seinem Bildenden spricht: Er versteht es nicht.
Sie versuchen, Gott zu reduzieren auf Religion.
Ich frage mich, ob wir das manchmal unbewusst auch machen. Gott ist unser Gott in den Gemeindestunden. Gott ist vielleicht Gott in der Zeit, in der wir stille Zeit mit ihm machen. Aber oft haben wir unser Leben aufgeteilt.
Ich meine, wie viel Einfluss hat Gott, wenn wir beruflich an den nächsten Karriereschritt denken? Versteht Gott überhaupt unsere existenziellen Fragen? Versteht Gott unseren Alltag? Interessiert er sich dafür? Und wenn ja, versteht er das überhaupt, was jeden Tag im Berufsleben auf uns zukommt?
Hat Gott Einfluss darauf, was wir mit unserem Geld machen? Ich meine, wir haben doch am Zehnten schon abgegeben – das ist sein Geld. Okay, 90 Prozent sind unseres, und wir haben Bedürfnisse. Was hat Gott mit den 90 Prozent zu tun?
Versteht Gott, wie viel Erholung wir brauchen im Alltag? Hat Gott Einfluss? Hat er ein Recht darauf, Einfluss zu nehmen?
Ich meine, was versteht Gott davon, welche Versicherungen wir nötig haben?
Übertragen war das die Haltung, die die Menschen damals hatten. Sie hatten ihr Leben aufgeteilt zwischen Religion – super – und im Rest: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Assyrer uns nicht schlucken. Wir müssen sinnvolle Verträge machen, die halten.“
Nun ja, Jesaja sagte ihnen, sie haben nicht gehalten.
Und dieses Thema: Welche Rolle spielt Gott eigentlich selbst in einem religiösen Volk, selbst in einem Volk, wo der Tempeldienst wichtig ist? Welche Rolle spielt Gott im Alltag des Einzelnen? Welche Rolle spielt Gott in der Politik, in der Außenpolitik?
Dieses Thema nimmt Jesaja jetzt in seinen zweiten Block mit rein, den zweiten Block, von dem ich gesagt habe, dass er alles zweimal sagt.
Denn es gab eine zweite politische Strömung damals in Jerusalem. Sie waren von Anfang an sehr skeptisch in Bezug auf diese Regierungspolitik, Verträge mit Assyrien zu machen. Sie glaubten nicht, dass die Assyrer sich jemals an diese Verträge halten würden.
Die Assyrer hatten ganz andere geopolitische Ambitionen. Und wenn die Assyrer diese Verträge brechen würden, war es so klar, dass niemand sie zur Verantwortung ziehen konnte. Es gab kein Gericht, und es gab keine Macht, die ihnen Grenzen setzen konnte. Warum sollten sie sich an ihre Versprechen halten?
Diese Realpolitiker waren der Meinung, dass man anders vorsorgen muss. Es gab nur eine Macht – Assyrien war die Supermacht – und es gab nur eine Macht, mit der man sich vielleicht verbünden konnte, mit der man als Bündnis vielleicht einer solchen Invasion etwas entgegensetzen könnte.
Diese Macht war Ägypten.
Wie so oft in der Geschichte verfolgt Jesaja diese Aktivitäten dieser Gruppe mit wenig Begeisterung. Er schreibt in Kapitel 30, Vers 1: „Wehe den widerspenstigen Kindern, spricht der Herr, die Pläne machen, aber nicht von mir aus, und Bündnisse schließen, aber nicht nach meinem Geist, um Sünde auf Sünde zu häufen, die hingehen, um nach Ägypten hinabzuziehen, aber meinen Mund haben sie nicht befragt, um sich zu flüchten unter den Schutz des Pharaos und Zuflucht zu suchen unter dem Schatten Ägyptens.“
Vers 6: „Durch ein Land der Bedrängnis und der Angst tragen sie auf dem Rücken der Eselsfohlen ihren Reichtum und auf den Höckern der Kamele ihre Schätze zu einem Volk, das nichts nützt.“
Jesaja sagt: Ihr macht euch so viel Mühe. Ihr exportiert so viel von eurem persönlichen Reichtum, von eurem nationalen Reichtum nach Ägypten. Die Ägypter, der Pharao, werden euch nicht helfen.
Und ich habe gesagt, in diesen Kapiteln schreibt Jesaja alles zweimal. Im zweiten Durchgang, Kapitel 31, Vers 1, schreibt er: „Wehe denen, die nach Ägypten hinabziehen, um Hilfe, die sich auf Pferde stützen, die Vertrauen auf Wagen setzen, weil es viele sind, und auf Reiter, weil sie sehr zahlreich sind, und die nicht auf den heiligen Israel schauen und nicht nach dem Herrn fragen.“
Vers 3: „Und die Ägypter sind Menschen und nicht Gott, und ihre Pferde sind Fleisch und nicht Geist, und der Herr streckt seine Hand aus, und es strauchelt der Helfer, also die Ägypter, und es stürzt der, dem geholfen wird – Israel, Juda – und sie werden alle miteinander zunichte.“
Jesaja sagt: Ja, wahrscheinlich hattet ihr Recht, es war dumm, mit den Assyrern Verträge zu machen, darauf zu hoffen, dass sie sich daran halten. Aber eure Politik mit den Ägyptern, Verträge zu machen, wird auch zu nichts führen, außer dass eure Schätze weg sind.
Welche Haltung hatten diese Leute zur Religion? Eine ganz ähnliche wie die Regierungsfraktion.
Kapitel 30, Vers 9: Jesaja sagt: „Es ist ein widerspenstiges Volk, betrügerische Kinder, Kinder, die dem Gesetz des Herrn nicht gehorchen wollen, die zu den Sehern sprechen: Seht nicht! Und zu den Schauern: Schaut uns nicht das Richtige, sagt uns Schmeicheleien, schaut uns Täuschungen!“
Am Ende des Verses, Vers 11: „Schafft den Heiligen Israels vor unserem Angesicht weg!“
Religion stört.
Sie hatten gesagt: Gott kümmert sich nicht um Politik, das ist nicht sein Gebiet. Aber diese Leute wussten – Jesaja kommentiert das kritisch –, dass sie nach Ägypten gehen. Die Propheten hatten Verbindungen zu Ägypten, immer kritisch kommentiert.
Aber es ist politisch notwendig, es ist ihr einziger politischer Ausweg. Und wenn die Religionsvertreter dagegen sind, dann ist Religion einfach im Weg. Die politischen Notwendigkeiten werden nicht beachtet, wenn man zu sehr auf den Tempel und seine Stimme hört.
Das war ihre Meinung zu Religion und Glauben: politisch gefährlich. Karl Marx hätte sich gefreut.
Was möchte Jesaja? Offensichtlich nicht das Bündnis mit Syrien, und offensichtlich nicht die Hilfesuche in Ägypten. Was möchte Jesaja?
Immer wieder in diesen Kapiteln hat er Bemerkungen eingestreut, was Gott möchte.
Drei Bemerkungen, die ich euch vorlesen möchte:
Jesaja 28, noch an das Nordreich, Vers 5: „An jenem Tag wird der Herr der Heerscharen dem Überrest seines Volkes zur prächtigen Krone und zum herrlichen Kranz sein.“
Am Ende von Vers 6: „Und zur Heldenkraft denen, die den Kampf zurückdrängen am Tor.“
Also schon zum Nordreich sagt er: Leute, ihr haltet die Propheten Gottes für albern, aber Gott wäre der Schlüssel für euer Problem.
Nicht ihr Syrer, nicht ihr Ägypter, Gott wäre der Schlüssel.
Und dann zu den Verantwortlichen des Südreichs, Kapitel 28, Vers 16: „Darum spricht der Herr Yahweh: Siehe, ich gründe einen Stein in Zion, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, aufs Festeste gegründet. Wer glaubt, wird nicht ängstlich eilen.“
Natürlich denken wir daran, dass es der Messias ist, dass dieser Satz mehrmals im Neuen Testament zitiert wird. Aber hier geht es um diese Zeit.
Er sagt, es gibt Stabilität in Jerusalem. Es ist der einzige Ort, wo es Stabilität gibt. Und wenn du glaubst an diesen lebendigen Gott, der seinen Altar in Jerusalem hat, wirst du nicht in Panik verfallen.
Wenn du glaubst, dass Gott mächtig ist, dass er sein Land und seinen Staat beschützen kann – und er kann das – wirst du nicht panisch eilen.
Und er spricht noch einmal zu denen, die in diplomatischer Mission in Ägypten unterwegs waren, Kapitel 30, Vers 15: „Denn so spricht der Herr Yahweh, der Heilige Israels: Durch Umkehr und durch Ruhe würdet ihr befreit werden; im Stillsein und im Vertrauen würde eure Stärke sein.“
Boah, hier hätte Karl Marx geschüttelt: durch Ruhe, durch Stillsein, durch Vertrauen.
Und hier hat es die Politiker damals geschüttelt. Das war genau das, was sie nicht wollten. Das war genau das, weswegen sie den Gott Israels aus den Augen bekommen wollten.
Sie wollten etwas tun, sie wollten nicht still sein und vertrauen.
Jesaja sagt: Aber ihr habt nicht gewollt.
Und dann ist etwas passiert: Hiskia, in dieser Situation, als das Belagerungsheer tatsächlich vor den Mauern Jerusalems stand, geht mit der Botschaft des assyrischen Verantwortlichen zu wem? Zu Jesaja.
Und als es dann noch schriftlich kommt von Sanherib, dem König der Assyrer, die Bedrohung, die Aufforderung aufzugeben, geht er mit diesem Brief wohin? In den Tempel.
Er befolgt nicht mehr den Rat derer, letzten Endes den Rat seines Vaters, auf weitere Verhandlungen mit den Assyrern zu setzen. Er hört nicht auf den Rat derer, die Verhandlungen mit den Ägyptern favorisieren.
In seiner Verzweiflung geht er zu dem Propheten Gottes und in den Tempel.
Der Herr des Palastes geht in den Tempel, und plötzlich hat Gott etwas mit Politik zu tun.
Und was passiert?
Wie gesagt, Jesaja beschreibt es dreimal:
Jesaja 29, Vers 5: „Aber wie feiner Staub wird die Menge deiner Invasoren sein, und wie dahinfahrende Spreu die Menge der Gewalttätigen!“
Und in einem Augenblick wird es geschehen, dass vom Herrn der Heerscharen heimgesucht werden mit Donner und Erdbeben und großem Getöse, Sturmwind und Gewitter und einer Flamme verzehrenden Feuers.
Jesaja benutzt bildhafte Sprache, was Gott mit den Assyrern tut: eine Flamme verzehrenden Feuers.
Ariel, Kapitel 30, Vers 30: „Und der Herr wird hören lassen die Majestät seiner Stimme und sehen lassen das Herabfahren seines Armes mit Zornesschnauben und mit einer Flamme verzehrenden Feuers.“
Ariel, der Herd mit dem Feuer Gottes, Wolkenbruch und Regenguss und Hagelsteine, denn vor der Stimme des Herrn wird Assur zerschmettert werden.
Vers 33: „Denn längst ist eine Grabstätte zugerichtet, auch für den König ist sie bereitet.“
Und weil in Kapitel 30 und 31 alles doppelt kommt, können wir noch lesen:
Jesaja 31, Vers 8: „Assur wird fallen durch ein Schwert, nicht eines Mannes, und ein Schwert, nicht eines Menschen, wird es verzehren, und es wird vor dem Schwert fliehen.“
Vers 9: „Und seine Fürsten werden vor dem Banner verzagen, spricht der Herr, und sein Feuer, der sein Feuer in Zion und seinen Ofen in Jerusalem hat – Ariel, der Ofen Gottes.“
Für lange Zeit wollte keiner der Verantwortlichen Jerusalems wirklich auf Gott setzen. War dieser Gott wirklich unfähig zu retten? Gott hat eine beeindruckende Antwort parat.
Okay, und jetzt stehen noch zwei Fragen im Raum.
Viele dachten damals, Gott versteht uns nicht. Gott versteht unsere Lebensrealität nicht. Gott geht es nur um Anbetung, Gott geht es nur um Religion. Unsere Lebensrealität ist für ihn zu weit weg.
Gott hatte bewiesen, dass er das versteht und im Griff hat. Aber trotzdem blieb für viele eine Frage.
Sie sagten: „Okay, Gott versteht uns vielleicht doch, aber ehrlich gesagt, in vielem, was Gott da gemacht hat, verstehen wir Gott nicht. Warum hat er zugelassen? Ich meine, Jesaja, du sprichst von dieser tollen Errettung Jerusalems, aber warum hat er zugelassen, dass dieses ganze Land erobert wird? Dass in fast jeder Familie die alten Leute weinen, weil ihre Kinder und jungen Leute deportiert worden sind, dass so viele umgekommen sind? Gott, du hast gezeigt, dass du Politik verstehst, aber wir verstehen dich nicht.“
Jesaja sagt: Ja, vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass euer Herz weit entfernt ist von Gott – steht in diesem Abschnitt.
Und er sagt: Ja, manchmal ist es so.
Ich möchte noch diese interessanten Verse vorlesen, das ist Jesaja 29, Vers 11: „Und jedes Gesicht ist solch geworden wie die Worte eines verschlüsselten Textes. Gibt man sie einem, der lesen kann, und sagt: Lies es doch! sagt er: Ich kann nicht, es ist verschlüsselt. Und gibt man die Schrift einem, der nicht lesen kann, und sagt: Lies es doch! sagt er: Ich kann nicht lesen.“
Er sagt: Ihr seid so klug, viele von euch haben so viel Erfahrung mit Religion, mit Politik, mit was auch immer. Und manchmal schaut man das Handeln und Reden Gottes an und muss sagen: Ich verstehe genauso viel wie ein Analphabet.
Er sagt: Wenn Gott seinen Text, sein Handeln verschlüsselt hat, dann werdet ihr es nicht entschlüsseln können. Dann versteht ihr davon so viel wie jemand, der gar nicht lesen kann. Es hat für euch genau den gleichen Informationsgehalt.
Und wie gesagt, manchmal liegt es daran, dass unser Herz weit entfernt ist von Gott. Manchmal ist es einfach so, dass Gott uns nicht alles erklärt.
Manche sagen, wir werden es im Rückblick verstehen. Ehrlich gesagt, manche Dinge in meinem Leben verstehe ich nicht mal im Rückblick, vielleicht im Himmel mal im Rückblick.
Ihr habt auf dem Arbeitsblatt so einen Text, Jesaja 28, und ich habe keine Zeit, ihn jetzt mit euch intensiver zu betrachten. Aber lest nur ein Stück vom Ende dieses Textes, da geht es von Jesaja 28, Vers 23 bis 29.
Jesaja sagt: Ist es nicht so, wenn er, der Landwirt – und er vergleicht diesen Landwirt mit Gott – wenn er die Fläche geebnet hat, so streut er Kümmel und sät Kreuzkümmel und wirft Weizen rein, Weiß und Gerste auf das abgesteckte Stück und den Hartweizen an seinen Rand?
Und ein Stück weiter sagt er, wie das alles geerntet wird: Kümmel wird nicht mit dem Dreschflegel ausgetroschen, das Wagenrad nicht über Kreuzkümmel gerollt. Kümmel wird mit dem Stab ausgeschlagen, Kreuzkümmel mit dem Dreschflegel. Brotkorn wird zermalmt, aber es wird nicht endlos getroschen. Das Rad seines Wagens wird darübergerollt, aber seine Pferde zermalmen es nicht.
Auch dies geht von dem Herrn der Heerscharen aus. Er ist wunderbar in seinem Rat, groß in seinem Verstand.
Wisst ihr, sagt Jesaja, selbst wenn ihr Gott nicht versteht, er ist weiser als jeder Bauer. Er weiß, was du für eine Feldfrucht bist. Er weiß, wo du hingesät werden musst – an den Rand vom Feld oder in der Mitte. Er weiß, wie er dich ernten muss. Er weiß, welche Behandlung du wie lange aushältst, so wie der Bauer das von jeder einzelnen Frucht weiß, die er aussät und erntet.
Leute, sagt Jesaja, selbst wenn ihr Gott nicht versteht, nicht mal im Rückblick versteht, vertraut darauf, dass Gott genau weiß, wie man mit jedem Individuum umgeht und wie lange man was jedem Individuum zumuten kann.
Vielleicht ist das eine Botschaft für uns.
Okay, aber bevor wir schließen, muss ich noch ganz, ganz kurz vier Sätze zu Kapitel 33 sagen, dem Anhang, den Jesaja macht.
Es fängt an mit „Wehe, wehe du Verwüster! Wehe, du Verräter!“ Der Verwüster war aus Syrien, und der Verräter war auch aus Syrien. Sie hatten die Verträge gebrochen.
Aber na ja, die Leute, die die Verträge von Juda aus befürwortet hatten, vielleicht waren sie irgendwie auch Verräter in ihrem Volk. Die Leute, die die Schätze nach Ägypten getragen haben, vielleicht waren sie auch irgendwie Verräter in ihrem Volk.
Ich meine, sie haben am Anfang gejubelt, als Jerusalem befreit wurde. Aber irgendwann wurden wahrscheinlich manche nachdenklich.
Jesaja schreibt in Kapitel 33, Vers 14: „Die Sünder in Zion sind erschrocken, Beben hat die Ruchlosen ergriffen. Wer von uns kann sich bei verzehrendem Feuer aufhalten?“
Durch das Eingreifen Gottes vor den Toren Jerusalems ist manchen plötzlich bewusst geworden, dass ein lebendiger Gott in diesem Tempel wohnt – nicht nur Gegenstand einer alten Religion.
Und dass dieser Gott etwas mit Feuer zu tun hat. Feuer, das, wenn man es nicht unter Kontrolle hat, für jeden gefährlich werden kann, der in der Nähe ist.
Gott konnte man offensichtlich nicht unter Kontrolle halten.
Wer kann sich aufhalten bei verzehrendem Feuer? Wer von uns kann bei ewigen Glut leben?
Jesaja gibt eine ganz kurze, einfache Antwort: „Du musst nur gerecht leben. Nur.“
Okay, und dann gibt er eine zweite Antwort, die ich euch noch vorlesen möchte – ein paar Verse aus Jesaja 33:
Wenn Jesaja seinen Blick in die Zukunft richtet, wie Jerusalem einmal sein wird, lest nur einzelne Abschnitte, Vers 17:
„Deine Augen werden einen König schauen in seiner Schönheit. Deine Augen werden Jerusalem sehen, eine ruhige Wohnstätte, ein Zelt, das nicht wandern wird, dessen Pflöcke niemals herausgezogen werden und von dessen Seilen keines je losgerissen werden wird. Dort ist ein Mächtiger, der Herr bei uns.“
Aber er endet diesen ganzen Abschnitt mit dem letzten halben Vers von Jesaja 33, der zweiten Hälfte von Vers 24:
„Dem Volk, das darin wohnt, wird die Schuld vergeben sein.“
Das ist die Aussicht.
Okay, das war dieser lange Abschnitt.
Jesaja stellt uns in diesem Abschnitt drei herausfordernde Fragen:
Die erste Frage ist: Haben wir Gott in den frommen Teil unseres Lebens verbannt? Oder bestimmt er wirklich die ganz praktischen Entscheidungen unseres Lebens? Versteht Gott uns? Trauen wir ihm zu, dass er eingreift? Das ist die erste Frage.
Die zweite Frage ist: Vertrauen wir seiner Weisheit auch dann noch, wenn wir sein Handeln nicht verstehen? Das ist die zweite Frage, die er in den Raum stellt.
Und die dritte Frage, die er in den Raum stellt, ist: Sind wir uns bewusst, wie nah wir an einem verzehrenden Feuer leben?
Die politische Lage in Jerusalem und Samaria zur Zeit Jesajas
In Jerusalem gab es zur Zeit der syrischen Invasion offenbar verschiedene politische Strömungen. Wenn Jesaja in Kapitel 28 erstmals die Regierungspartei oder Regierungsströmung in Jerusalem erwähnt, geschieht dies in Vers 14. Ich beginne an dieser Stelle, wir werden gleich zu Vers 1 von Kapitel 28 zurückgehen. Aber ich glaube, hier bekommen wir einen Eindruck, warum er die ersten dreizehn Verse geschrieben hat.
Jesaja wendet sich an die Führer seiner Zeit, an die Herrschenden in Jerusalem. Kapitel 28, Vers 14: „Darum hört das Wort des Herrn, ihr Spötter, Beherrscher dieses Volkes, das in Jerusalem ist.“ Das ist eigentlich die Anrede in den Kapiteln 28 und 29. Er sagt: „Hört das Wort des Herrn, ihr, die ihr in Jerusalem herrscht.“ Dabei bezeichnet er sie als Spötter.
Wahrscheinlich waren diese Personen zu jener Zeit nicht solche, die direkt über Gott gespottet haben. Vielmehr spotteten sie vermutlich hauptsächlich über die katastrophalen politischen und gesellschaftlichen Umstände, die sich in den letzten zwanzig Jahren im Nordreich Israel entwickelt hatten. Sie kommentierten das Geschehen mit viel Sarkasmus.
Vermutlich verwendet Jesaja in den ersten Teilen von Kapitel 28 zum Teil ihre Worte oder zumindest ihre Gedanken. Er sagt mit anderen Worten: So unrecht haben sie mit ihrer Analyse nicht. Jesaja beginnt sein Kapitel mit einem Wehruf, einem Gerichtsruf über Samaria, die Hauptstadt dieses Nordreiches. Dieses Reich war hauptsächlich durch den großen israelitischen Stamm Ephraim charakterisiert und wird deswegen manchmal auch Ephraim genannt.
Jesaja schreibt hier in Kapitel 28, Vers 1: „Wehe der stolzen Krone, der welkenden Blume seiner herrlichen Pracht auf dem Haupt des fruchtbaren Tals, der vom Wein überwältigten.“ Mit anderen Worten: Wehe der Monarchie der betrunkenen Ephraims. In den letzten Jahren hatte sich das Nordreich katastrophal entwickelt. Es waren Bürgerkriege ausgebrochen, und es gab bereits eine assyrische Invasion, die große Verluste verursacht hatte.
Die Assyrer hatten einen Marionettenkönig namens Hosea in Samaria eingesetzt, den sie steuern wollten, wie es damals oft der Fall war. Doch diese Marionettenregierungen versuchten meist nach kurzer Zeit, sich selbständig zu machen. So war es auch hier. Es herrschte einfach politisches Chaos.
Jesaja vergleicht die Situation mit Betrunkenen. Nicht weil Alkoholismus ein Problem in diesem Land war, sondern als Bildersprache. Es ist vergleichbar mit einem Betrunkenen, bei dem man den Eindruck hat, er könne seine Bewegungen nicht koordinieren. Er hat keine Selbstbeherrschung und weiß nicht genau, was er tut.
Wenn Jesaja hier über die Regierung, über die Monarchie Samarias schreibt, entsteht der Eindruck, als wären Regierungssitzungen und Beratungen eher Treffen zum Komasaufen. Zumindest wirkt das, wenn man die Regierungserklärungen hinterherliest. Alles wirkt orientierungslos. Die endgültige Übernahme dieses Staates durch die Assyrer geschah fast ohne Gegenwehr.
Jesaja kündigt dies in Kapitel 28, Vers 2 an: „Siehe, der Herr hat einen Starken und Mächtigen.“ Das ist in diesem Fall der König von Assyrien. Jesaja vergleicht ihn mit einem Hagelwetter, einem verderbenden Sturmwind und einem Regensturm mit gewaltigen, überflutenden Wassermassen, die mit Macht alles zu Boden reißen.
Versucht euch ein wenig die Wortwahl einzuprägen, wir werden ihr gleich noch einmal begegnen. „Mit Füßen wird zertreten“ – Jesaja benutzt wieder die Bezeichnung aus Vers 1, die „stolze Krone der betrunkenen Ephraims“ und „der welkenden Blume seiner herrlichen Pracht auf dem Haupt des fruchtbaren Tals“. Es ergeht ihr wie einer Frühfeige vor der Obsternte: Kaum ist sie in der Hand dessen, der sie erblickt, so verschlingt er sie.
Jesaja sagt, die Assyrer sehen das Land und pflücken es wie eine frische Frucht. Das ist die ganze Mühe, die sie haben. Es ist ungefähr so viel Aufwand, wie eine Feige vom Baum zu pflücken und zu verschlingen. So leicht fällt ihnen die endgültige Eroberung des Landes, weil es ohnehin nur noch Chaos ist.
Diese chaotischen Zustände und die Desorientierung ziehen sich offensichtlich bis in die untersten Ebenen der Verwaltung und Justiz. Es werden Aussagen getroffen und Entscheidungen veröffentlicht, die niemand mehr versteht. Man kann das nicht einmal mehr mit Korruption erklären, sondern nur noch mit dem Bild von Trunkenheit.
Jesaja beschreibt, wie abstoßend es wird, wenn solches Chaos herrscht. In den nächsten Versen schreibt er: „Und auch diese wanken vom Wein und taumeln vom starken Getränk, Priester und Propheten wanken vom Bier, sind verwirrt vom Wein, taumeln vom Bier. Sie wanken beim Gesicht, sie schwanken beim Rechtsprechen. Alle Tische sind voll Unflat gespeit, dass kein Platz mehr ist.“
Er sagt, es ist so viel Chaos, so viel Unlogik und Desorientierung, dass eigentlich kein Platz mehr für etwas anderes ist. Man hat keine Hoffnung mehr, noch irgendeinen vernünftigen Gedanken in diese Gesellschaft, in die Verwaltung oder zu den sogenannten Propheten zu bringen.
Das ist seine Beschreibung und vermutlich auch die Sicht der Politiker und Verantwortlichen des Südreichs auf das Nordreich: einfach nur Chaos. Im Vergleich dazu herrscht im Südreich in Jerusalem, wie Jesaja tatsächlich sagt, fast schon ein pragmatischer und auf den ersten Blick vernünftiger Politikstil.
Ahas, der Vater von Hiskia, dieser gottlose König Ahas, hatte ein politisches Bündnis mit den Assyrern geschlossen und zahlte dieser Großmacht regelmäßig Tribute. Aus der Sicht vieler war das vernünftig. Sein Sohn Hiskia führte diese Außenpolitik zunächst fort, als er an die Regierung kam.
Dass diese Politik moralisch mehr als zweifelhaft war und zum großen Teil auf Selbstbetrug und Lügen beruhte, wurde in Jerusalem größtenteils verdrängt. Viele Politiker in Jerusalem waren arrogant. Sie schauten mit Sarkasmus nach Norden und hielten sich im Vergleich dazu für sehr klug, sehr politisch geschickt.
Nochmal Kapitel 28, Vers 14: „Darum hört das Wort des Herrn, ihr Spötter, Beherrscher dieses Volkes, die in Jerusalem seid, denn ihr sprecht: ‚Wir haben einen Bund, einen Vertrag mit dem Tod geschlossen.‘ Mit dieser Macht, die Tod über die ganze Region bringt, haben wir einen Vertrag gemacht. Einen Vertrag mit dem Scheol haben wir geschlossen. Wenn die überwältigende Geißel hindurchfährt, wird sie an uns nicht kommen.“
Sie glaubten, sie seien die Klugen. Sie würden alles einnehmen, alles umbringen und zerstören, aber weil sie rechtzeitig einen super Vertrag mit der Großmacht gemacht und jedes Jahr Tribut gezahlt hätten, würde all das an ihnen vorbeigehen, was sonst die ganze Region trifft. Das war ihre politische Ansicht und Botschaft.
Trotz aller internationalen Verträge starteten die Assyrer wenige Jahre später eine Invasion in Juda. Die Invasionsarmee konnte durch nichts aufgehalten werden und eroberte das ganze Land – bis auf Jerusalem. Jeden Tag wurden in Juda Zivilisten und jüdische Soldaten getötet.
Jesaja beschreibt, und erinnert euch an die Wortwahl, wie er die Einnahme Samarias schildert, ebenso die Einnahme des Landes Juda. Kapitel 28, Vers 17 am Ende: „Und der Hagel wird die Zuflucht der Lüge weggraffen, und die Wasser werden den Bergungsort wegschwemmen, und euer Bund mit dem Tod wird gelöst, und euer Vertrag mit dem Scheol nicht bestehen, wenn die überwältigende Geißel hindurchfährt.“
Was hatten sie gesagt? „An uns wird sie nicht kommen.“ Jesaja sagt: So werdet ihr von ihr zertreten werden. So oft sie hindurchfährt, wird sie euch weggraffen. Denn jeden Morgen wird sie hindurchfahren, bei Tag und bei Nacht.
Tag und Nacht sterben Menschen durch diese assyrische Invasionsarmee. Am Ende belagert diese Armee Jerusalem, die Hauptstadt, die letzte Bastion. Und Jerusalem hat kaum eine Chance. Schon ist jede Kommunikation nach außen abgeschnitten. Wenn doch eine Nachricht durchkommt, ist es, als würden Tote aus ihrem Grab sprechen.
Jesaja drückt das sehr bildlich aus in Kapitel 29, Vers 3: „Und ich werde dich im Kreis umlagern und dich mit Wachposten einschließen und Belagerungswerke gegen dich errichten. Du wirst erniedrigt werden, vom Boden aus wirst du reden, und deine Sprache wird dumpf aus dem Staub ertönen, und deine Stimme wird wie die eines Geistes aus der Erde hervorkommen, und deine Sprache wird aus dem Staub flüstern.“
Das ist seine Beschreibung des Eingeschlossenen, des Eroberung Ausgelieferten, des chancenlosen Jerusalem, der letzten Bastion in Juda.
Jesaja hat sein Kapitel mit dem Wort „Wehe“ begonnen, „Wehe über Samaria“, die er „Monarchie der Betrunkenen“ nennt. Auch für Jerusalem wählt er, wenn er sein Wehe ausspricht, eine interessante Wortwahl. Kapitel 29, Vers 1: „Wehe Ariel, Ariel, Stadt, wo David lagerte.“
Die Bedeutung des Namens Ariel und die doppelte Symbolik Jerusalems
Ariel ist ein interessantes Wort, und ich glaube, Jesaja hat es absichtlich mehrdeutig gewählt. Es ist ein Begriff, der sonst kaum für Jerusalem verwendet wird. Man kann Ariel als zusammengesetztes Wort auffassen: Ari und El. Ich spreche das wahrscheinlich falsch aus, weil ich kein Hebräisch kann.
Ein zusammengesetztes Wort mit „El“ haben viele von euch sicher schon gehört, denn „El“ bedeutet Gott. „Ari“ kann Löwe heißen. Somit bedeutet Ariel „Löwe Gottes“ oder „Löwe Gott“. Gott ist ein Löwe – oder es beschreibt jemanden, der ein Kämpfer ist, ein Löwe Gottes. Tatsächlich vergleicht Gott sich in diesem Kapitel mit einem Löwen, der letztlich für Jerusalem, für seine Stadt, kämpfen wird.
Aber Jesaja hat das Wort, glaube ich, absichtlich so gewählt, weil es auch eine spezielle Form oder Schreibweise für „Herd“ oder „Altar“ sein kann. Jahre später wird Ezechiel quasi dieselbe Schreibweise für den Altar im Tempel verwenden. Noch häufiger als auf den Löwen spielt Jesaja in den nächsten Versen dieses Kapitels und in den folgenden Kapiteln auf diese Bedeutung „Herd“ oder „Altar“ an. Das ist nicht ganz überraschend, denn wir haben gelesen, dass seine Berufung in Jesaja 6 sehr viel mit einem Altar und mit Kohlen von einem Altar zu tun hatte.
Ich glaube, Jesaja macht hier absichtlich ein Wortspiel, indem er beide Bedeutungen in diesem Titel für Jerusalem unterbringt: diesen Gott als Löwen und zugleich diesen Altar, diesen Herd Gottes, auf dem Feuer brennt. Ein kleines Beispiel, auf das wir gleich noch zurückkommen, ist Jesaja 31,9. Dort sagt Jesaja: „Der Herr, der sein Feuer in Zion und seinen Ofen in Jerusalem hat.“ Das ist ein Rückbezug auf die Bezeichnung Ariel für Jerusalem.
Jerusalem war die Stadt Gottes, die Stadt, in der sein Tempel stand, die Stadt, in der sein Altar stand. Erst kurz zuvor hatte Hiskia den Gottesdienst in Juda überhaupt erst wieder eingeführt, nachdem sein Vater Ahas diesen Gottesdienst mehr oder weniger abgeschafft hatte. Jesaja nennt Jerusalem Ariel und bezeichnet es als die Stadt, wo David lagerte. Es ist die Stadt Davids, eines Königs, den Gott nicht vergessen hat.
Das ist interessant, oder? Jesaja sagt: „Wehe Ariel, Ariel, die Stadt, wo David lagerte, wo David seine Herde bewachte.“ Ich habe den Eindruck, dass Jesaja durch diese Wortwahl ein großes Fragezeichen hinter sein „Wehe“ setzt. Er hatte zuvor „Wehe Samaria“ mit einem Ausrufezeichen gesagt. Hier aber scheint das „Wehe Ariel“ eher eine Frage zu sein: Ist es wirklich denkbar, dass Gott sein Gericht, sein Wehe über Jerusalem verhängt – über seinen Tempel, seinen Altar, über die Stadt Davids? Ist das wirklich vorstellbar? Das ist, glaube ich, die Frage, die Jesaja hier in den Raum stellt.
Das ganze Land, bis auf Jerusalem, hatte Gott den Assyrern ausgeliefert. Für Außenstehende schien es, als kämpfe Gott eher auf Seiten der Assyrer als auf der Seite seines eigenen Volkes. Es gab so viel Leid in jeder Familie. Für viele fromme Juden war das natürlich mehr als unverständlich. Jesaja drückt das in Kapitel 28, Vers 21 aus. Ich werde jetzt ein bisschen springen, ihr müsst nicht alles nachlesen, ihr könnt auch einfach zuhören.
Jesaja sagt dort: „Der Herr wird aufstehen, um sein Werk zu tun. Befremdlich ist sein Werk, und um seine Arbeit zu verrichten, außergewöhnlich ist seine Arbeit. Ich habe Vernichtung vernommen, und fest beschlossen ist vonseiten des Herrn, des Herrn der Heerscharen, über das ganze Land.“ Es ist befremdlich: Gott scheint gegen dieses Land zu kämpfen. Wird es wirklich zu einem Wehe kommen, auch über Jerusalem, über diese Stadt der Königsdynastie Davids? Das war die Frage, die für alle sichtbar im Raum stand.
Aber wie gesagt und wie wir schon wissen: Zerstörung ist hier nicht das letzte Wort Gottes. Jesaja formuliert es interessant, wie Gott sich letztlich doch noch gegen die Assyrer wendet und zumindest diese eine Stadt rettet – die Königsstadt Davids. Das große Wunder, das in den Augen Jesajas das größte Wunder seiner Lebenszeit ist, geschieht.
Interessant ist seine Formulierung in Jesaja 29, Vers 8: „Und es wird geschehen, wie der Hungrige träumt, und siehe, er isst; und er wacht auf, und seine Seele ist leer. Und so wie der Durstige träumt, und siehe, er trinkt; und er wacht auf, und siehe, er ist erschöpft, und seine Seele lechzt, so wird die Menge der Nationen sein, die Krieg führen gegen den Berg Zion.“
Sie dachten, sie hätten Jerusalem schon wie Samaria. Sie meinten, die Feige nur noch pflücken und schlucken zu müssen. Sie hatten es schon vor ihren inneren Augen gesehen: wie schnell das gehen würde, wie einfach das sein würde. Doch plötzlich greift Gott ein. Es ist, als würden sie von einem Traum aufwachen. Alles, was sie sich ausgedacht und geplant hatten, zerfließt.
Jesaja sagt, es wird für sie sein wie jemand, der aufwacht und merkt, dass es nicht mehr so ist wie vorher. Es scheint ein Traum gewesen zu sein, dass sie Jerusalem im Griff hatten. Ich glaube, das ist die Parallele zu dem, wie es Samaria im Norden ergangen ist. Es war anders.
Die Haltung der Menschen zu Gott und Religion in Nord- und Südreich
Okay, das war die Geschichte. Jesaja hat sie noch einmal erzählt. Wir haben sie von ihm schon mehrmals gehört, und jetzt hat er sie noch einmal mit anderen Worten wiedergegeben.
Was möchte uns Jesaja in diesen Abschnitten sagen? Unter anderem möchte er uns zeigen, wie die Menschen in diesem Land über Gott und Religion dachten. Vielleicht ist es spannend für uns zu sehen, wie sie damals dachten.
Ich habe damit begonnen, wie Karl Marx über Religion dachte. Gehen wir jetzt ganz kurz zurück ins Nordreich, zu dem, was Jesaja dort sagt. Ich werde den Text nicht noch einmal lesen, denn heute haben wir keine Zeit dafür. Aber es sieht so aus, als hätten sich die Menschen im Nordreich über die Propheten Gottes einfach lustig gemacht.
Sie hätten gesagt: „Was ihr da erzählt, sind Kindergeschichten. Die könnt ihr vielleicht in der Krippe oder im Kindergarten erzählen.“ Wer glaubte im achten Jahrhundert vor Christus noch an einen übernatürlichen Gott? Jesaja fasste das sehr kurz zusammen: Jesaja 28,12 am Ende sagt, sie wollten nicht hören. Das war eine sehr klare Botschaft der Bevölkerung und der Gesellschaft im Norden.
Aber wie sieht es im Süden aus? Jesaja sagt, im Süden denken viele Menschen schon, dass es irgendwie Gott gibt. Sie haben den Tempeldienst wieder eingeführt und versuchen, ihn relativ treu durchzuführen. Sie bringen Opfer dar und versuchen, sich nach der Ethik von Gottes Gesetz zu richten.
Doch es ist interessant, was Jesaja dazu schreibt, in Kapitel 29, Vers 15. Das dritte Wehe in diesem ersten Abschnitt, in den Kapiteln 28 und 29, ist meiner Meinung nach das, worauf der Abschnitt hinausläuft. Ich glaube, das ist es, was Jesaja uns sagen will: Wehe denen, die ihre Pläne tief vor dem Herrn verbergen und deren Werke im Finstern geschehen, während sie sagen: „Wer sieht uns, und wer kennt uns?“
Normalerweise werden solche Formulierungen bei den Propheten und auch im Neuen Testament verwendet, wenn Menschen moralisch Schlechtes tun und es verbergen oder heimlich in ihren Häusern Götzendienst ausüben, ohne dass die Öffentlichkeit es merkt. Aber hier scheint das nicht der Schwerpunkt von Jesaja zu sein.
Der Schwerpunkt scheint zu sein: Was versteht Gott von Politik? Wir haben unsere Pläne. Gott ist super im Gottesdienst, im Tempel, super, dass wir einen Glauben haben, super, dass wir Religion haben. Super, dass wir ein Gesetz Gottes haben, das uns ethisch weit über unsere Nachbarvölker erhebt. Super, dass wir christliches Abend- an ein jüdisches Morgenland sind.
Aber Politik? Gott gehört in den Tempel. Was hat Gott mit dem Palast zu tun? Was hat Gott mit unserem Leben zu tun? Mit unseren persönlichen Plänen, die wir haben – politisch, wirtschaftlich, für unsere Familie, für unsere Karriere?
Jesaja sagt in Vers 16: „O eure Unlogik! Sollen nur die Töpfe dem Töpfer gleichgeachtet werden? Spricht das Werk von seinem Hersteller: Er hat mich nicht gemacht? Oder: Er versteht es nicht?“ Sie versuchen, Gott auf Religion zu reduzieren.
Ich frage mich, ob wir das manchmal unbewusst auch machen. Gott ist unser Gott in den Gemeindestunden. Gott ist vielleicht Gott in der Zeit, in der wir stille Zeit mit ihm verbringen. Aber oft haben wir unser Leben aufgeteilt.
Ich meine, wie viel Einfluss hat Gott, wenn wir beruflich den nächsten Karriereschritt machen wollen? Versteht Gott überhaupt unsere existenziellen Fragen? Versteht Gott unseren Alltag? Interessiert er sich dafür? Und wenn ja, versteht er überhaupt, was jeden Tag im Berufsleben auf uns zukommt?
Hat Gott Einfluss darauf, was wir mit unserem Geld machen? Wir haben doch am Zehnten schon abgegeben, das ist sein Geld. Okay, die restlichen 90 Prozent sind unseres, und wir haben Bedürfnisse. Was hat Gott mit den 90 Prozent zu tun?
Versteht Gott, wie viel Erholung wir im Alltag brauchen? Hat Gott Einfluss? Hat er ein Recht darauf, Einfluss zu nehmen? Ich meine, was versteht Gott davon, welche Versicherungen wir brauchen?
Übertragen war das die Haltung, die die Menschen damals hatten. Sie hatten ihr Leben aufgeteilt: Religion ist super, aber im Rest müssen wir dafür sorgen, dass die Assyrer uns nicht verschlingen. Wir müssen sinnvolle Verträge machen, die halten. Nun ja, Jesaja sagte ihnen, sie hätten das nicht gehalten.
Die politische Opposition und die Kritik an Bündnissen mit Ägypten
Und dieses Thema: Welche Rolle spielt Gott eigentlich, selbst in einem religiösen Volk, in einem Volk, in dem der Tempeldienst wichtig ist? Welche Rolle spielt Gott im Alltag des Einzelnen? Welche Rolle spielt Gott in der Politik? Welche Rolle spielt Gott in der Außenpolitik?
Dieses Thema nimmt Jesaja jetzt in seinem zweiten Block mit auf, dem zweiten Block, von dem ich gesagt habe, dass er alles zweimal sagt. Denn es gab damals in Jerusalem eine zweite politische Strömung. Diese war von Anfang an sehr skeptisch gegenüber der Regierungspolitik, Verträge mit Assyrien zu schließen. Sie glaubten nicht, dass die Assyrer sich jemals an diese Verträge halten würden.
Die Assyrer hatten ganz andere geopolitische Ambitionen. Und wenn die Assyrer diese Verträge brechen würden, war klar, dass niemand sie zur Verantwortung ziehen konnte. Es gab kein Gericht und keine Macht, die ihnen Grenzen setzen konnte. Warum sollten sie sich also an ihre Versprechen halten?
Diese Realpolitiker waren der Meinung, dass man anders vorsorgen müsse. Es gab nur eine Macht – Assyrien war die Supermacht. Es gab nur eine Macht, die zumindest eine Großmacht war, mit der man sich vielleicht verbünden konnte. Mit der man als Bündnis vielleicht einer solchen Invasion etwas entgegensetzen könnte. Diese Macht war Ägypten.
Wie so oft in der Geschichte verfolgt Jesaja die Aktivitäten dieser Gruppe mit wenig Begeisterung. Er schreibt in Kapitel 30, Vers 1: „Wehe den widerspenstigen Kindern“, spricht der Herr, „die Pläne machen, aber nicht von mir aus, und Bündnisse schließen, aber nicht nach meinem Geist, um Sünde auf Sünde zu häufen; die hingehen, um nach Ägypten hinabzuziehen, aber meinen Mund haben sie nicht befragt, um sich zu flüchten unter dem Schutz des Pharaos und Zuflucht zu suchen unter dem Schatten Ägyptens.“
In Vers 6 heißt es: „Durch ein Land der Bedrängnis und der Angst tragen sie auf dem Rücken der Eselsfohlen ihren Reichtum und auf den Höckern der Kamele ihre Schätze zu einem Volk, das nichts nützt.“ Jesaja sagt: Ihr macht euch so viel Mühe, ihr exportiert so viel von eurem persönlichen Reichtum, von dem nationalen Reichtum nach Ägypten. Und die Ägypter, der Pharao, werden euch nicht helfen.
Ich habe gesagt, in diesen Kapiteln schreibt Jesaja alles zweimal. Im zweiten Durchgang, Kapitel 31, Vers 1, schreibt er: „Wehe denen, die nach Ägypten hinabziehen, um Hilfe, die sich auf Pferde stützen, die Vertrauen auf Wagen setzen, weil es viele sind, und auf Reiter, weil sie sehr zahlreich sind, und die nicht auf den heiligen Israel schauen und nicht nach dem Herrn fragen.“
Vers 3: „Und die Ägypter sind Menschen und nicht Gott, und ihre Pferde sind Fleisch und nicht Geist. Und der Herr streckt seine Hand aus, und es strauchelt der Helfer, also die Ägypter, und es stürzt der, dem geholfen wird – Israel, Juda –, und sie werden alle miteinander zunichte.“
Jesaja sagt: Ja, wahrscheinlich hattet ihr Recht, es war dumm, mit den Assyrern Verträge zu machen und darauf zu hoffen, dass sie sich daran halten. Aber eure Politik, mit den Ägyptern Verträge zu machen, wird auch zu überhaupt nichts führen, außer dass eure Schätze weg sind.
Welche Haltung hatten diese Leute zur Religion? Eine ganz ähnliche wie die Regierungsfraktion. In Kapitel 30, Vers 9, sagt Jesaja: „Es ist ein widerspenstiges Volk, betrügerische Kinder, Kinder, die dem Gesetz des Herrn nicht gehorchen wollen, die zu den Sehern sprechen: 'Seht nicht!' und zu den Schauern: 'Schaut uns nicht das Richtige, sagt uns Schmeicheleien, schaut uns Täuschungen!'“
Am Ende des Verses, Vers 11, heißt es: „Schafft den Heiligen Israels vor unserem Angesicht weg!“ Religion stört.
Sie hatten gesagt: Gott kümmert sich nicht um Politik, das ist nicht sein Gebiet. Aber diese Leute wussten, wie Jesaja kritisch kommentiert, dass sie nach Ägypten gehen. Die Propheten hatten Verbindungen zu Ägypten, und diese wurden immer kritisch kommentiert.
Aber es war politisch notwendig, es war ihr einziger politischer Ausweg. Und wenn die Religionsvertreter dagegen waren, dann war Religion einfach im Weg. Die politischen Notwendigkeiten würden nicht beachtet, wenn man zu sehr auf den Tempel und seine Stimme hörte.
Das war ihre Meinung zu Religion und Glauben: politisch gefährlich. Karl Marx hätte sich gefreut.
Gottes Antwort auf politische Krisen und der Ruf zum Vertrauen
Was möchte Jesaja? Offensichtlich nicht das Bündnis mit Syrien und auch nicht die Hilfesuche in Ägypten. Was möchte Jesaja stattdessen? Immer wieder hat er in diesen Kapiteln Bemerkungen eingestreut, die zeigen, was Gott Gutes möchte.
Drei Bemerkungen möchte ich euch vorlesen:
Jesaja 28 richtet sich noch an das Nordreich. In Vers 5 heißt es: „An jenem Tag wird der Herr der Heerscharen dem Überrest seines Volkes zur prächtigen Krone und zum herrlichen Kranz sein.“ Am Ende von Vers 6 steht: „Und zur Heldenkraft denen, die den Kampf zurückdrängen am Tor.“ Schon hier sagt Jesaja an das Nordreich gerichtet: Leute, ihr haltet die Propheten Gottes für albern, aber Gott wäre der Schlüssel für euer Problem. Nicht ihr Syrer, nicht ihr Ägypter – Gott wäre der Schlüssel.
Dann wendet sich Jesaja an die Verantwortlichen des Südreichs. In Kapitel 28, Vers 16 heißt es: „Darum spricht der Herr, Jahwe: Siehe, ich gründe einen Stein in Zion, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, aufs Festeste gegründet. Wer glaubt, wird nicht ängstlich eilen.“ Natürlich denken wir daran, dass es der Messias ist, und dass dieser Satz mehrmals im Neuen Testament zitiert wird. Aber hier geht es um diese Zeit. Jesaja sagt, es gibt Stabilität in Jerusalem. Es ist der einzige Ort, wo es Stabilität gibt. Wenn du an diesen lebendigen Gott glaubst, der seinen Altar in Jerusalem hat, wirst du nicht in Panik verfallen. Wenn du glaubst, dass Gott mächtig ist und sein Land sowie seinen Staat beschützen kann, dann wirst du nicht panisch eilen. Und Gott kann das.
Dann spricht Jesaja noch einmal zu denen, die in diplomatischer Mission in Ägypten unterwegs waren. In Kapitel 30, Vers 15 heißt es: „Denn so spricht der Herr, Jahwe, der Heilige Israels: Durch Umkehr und durch Ruhe würdet ihr befreit werden. Im Stillsein und im Vertrauen würde eure Stärke sein.“
Hier hätte Karl Marx wohl geschüttelt: durch Ruhe, durch Stillsein, durch Vertrauen. Und damals haben es die Politiker ebenfalls geschüttelt. Das war genau das, was sie nicht wollten. Deshalb wollten sie den Gott Israels aus den Augen bekommen. Sie wollten etwas tun. Sie wollten nicht still sein und vertrauen. Jesaja sagt: Aber ihr habt nicht gewollt.
Dann ist etwas passiert. Hiskia, in dieser Situation, als das Belagerungsheer tatsächlich vor den Mauern Jerusalems stand, geht mit der Botschaft des assyrischen Verantwortlichen zu wem? Zu Jesaja. Und als es dann noch schriftlich kommt, von Sanherib, dem König der Assyrer, die Bedrohung und die Aufforderung aufzugeben, geht Hiskia mit diesem Brief wohin? In den Tempel.
Er befolgt nicht mehr den Rat derer, letzten Endes den Rat seines Vaters, auf weitere Verhandlungen mit den Assyrern zu setzen. Er hört nicht auf den Rat derjenigen, die Verhandlungen mit den Ägyptern favorisieren. In seiner Verzweiflung geht er zum Propheten Gottes und in den Tempel. Der Herr des Palastes geht in den Tempel, und plötzlich hat Gott etwas mit Politik zu tun.
Was passiert? Jesaja beschreibt es dreimal. In Jesaja 29, Vers 5 heißt es: „Aber wie feiner Staub wird die Menge deiner Invasoren sein, und wie dahinfahrende Spreu die Menge der Gewalttätigen!“ Und in einem Augenblick, plötzlich wird es geschehen, dass „der Herr der Heerscharen heimgesucht wird mit Donner und mit Erdbeben und großem Getöse, Sturmwind und Gewitter und einer Flamme verzehrenden Feuers.“
Jesaja benutzt bildhafte Sprache, um zu beschreiben, was Gott mit den Assyrern tut: eine Flamme verzehrenden Feuers, Ariel. In Kapitel 30, Vers 30 heißt es: „Und der Herr wird hören lassen die Majestät seiner Stimme und sehen lassen das Herabfahren seines Armes mit Zornesschnauben und mit einer Flamme verzehrenden Feuers.“ Ariel, der Herd mit dem Feuer Gottes, Wolkenbruch und Regenguss und Hagelsteine, denn „vor der Stimme des Herrn wird Assur zerschmettert werden“ (Vers 33).
Denn „längst ist eine Grabstätte zugerichtet, auch für den König ist sie bereitet.“ Und weil in Kapitel 30 und 31 alles doppelt kommt, können wir noch lesen: Jesaja 31, Vers 8: „Assur wird fallen durch ein Schwert, nicht eines Mannes, und ein Schwert nicht eines Menschen wird es verzehren, und es wird vor dem Schwert fliehen.“ Vers 9: „Und seine Fürsten werden vor dem Banner verzagen, spricht der Herr, und sein Feuer, der sein Feuer in Zion und seinen Ofen in Jerusalem hat.“ Ariel, der Ofen Gottes.
Für lange Zeit wollte keiner der Verantwortlichen Jerusalems wirklich auf Gott setzen. War dieser Gott wirklich unfähig zu retten? Gott hat eine beeindruckende Antwort parat.
Die Herausforderung des Verstehens göttlichen Handelns
Okay, und jetzt stehen noch zwei Fragen im Raum. Viele dachten damals, Gott versteht uns nicht. Gott versteht unsere Lebensrealität nicht. Gott geht es nur um Anbetung, Gott geht es nur um Religion. Unsere Lebensrealität ist für ihn zu weit weg. Gott hatte bewiesen, dass er das versteht und im Griff hat. Aber trotzdem blieb für viele eine Frage.
Sie sagten: „Okay, Gott versteht uns vielleicht doch, aber ehrlich gesagt, in vielem, was Gott da gemacht hat, verstehen wir Gott nicht. Warum hat er zugelassen? Ich meine, Jesaja, du sprichst von dieser tollen Errettung Jerusalams, aber warum hat er zugelassen, dass dieses ganze Land erobert wird? Dass in fast jeder Familie die alten Leute weinen, weil ihre Kinder und jungen Leute deportiert worden sind, dass so viele umgekommen sind. Gott, du hast gezeigt, dass du Politik verstehst, aber wir verstehen dich nicht.“
Und Jesaja sagt: Ja, vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass euer Herz weit entfernt ist von Gott. Das steht in diesem Abschnitt, und er sagt: Ja, manchmal ist es so.
Ich möchte noch diese interessanten Verse vorlesen. Das ist Jesaja 29, Vers 11: „Und jedes Gesicht ist solch geworden wie die Worte eines verschlüsselten Textes. Gibt man sie einem, der lesen kann, indem man sagt, liest es doch, sagt er, ich kann nicht, es ist verschlüsselt. Und gibt man die Schrift einem, der nicht lesen kann, und sagt, liest es doch, sagt er, ich kann nicht lesen.“
Er sagt: Ihr seid so klug, viele von euch haben so viel Erfahrung mit Religion, mit Politik, mit was auch immer. Und manchmal schaut man das Handeln und Reden Gottes an und muss sagen, ich verstehe genauso viel wie ein Analphabet. Er sagt: Wenn Gott seinen Text, sein Handeln verschlüsselt hat, dann werdet ihr es nicht entschlüsseln können. Dann versteht ihr davon so viel wie jemand, der gar nicht lesen kann. Es hat für euch genau den gleichen Informationsgehalt.
Und wie gesagt, manchmal liegt es daran, dass unser Herz weit entfernt ist von Gott. Manchmal ist es einfach so, dass Gott uns nicht alles erklärt. Manche sagen, wir werden es im Rückblick verstehen. Ehrlich gesagt, manche Dinge in meinem Leben verstehe ich nicht mal im Rückblick, vielleicht erst im Himmel im Rückblick.
Ihr habt auf dem Arbeitsblatt so einen Text aus Jesaja 28, und ich habe keine Zeit, ihn jetzt mit euch intensiver zu betrachten. Aber lest nur ein Stück vom Ende dieses Textes, da geht es von Jesaja 28, Vers 23 bis 29.
Jesaja sagt: Ist es nicht so, wenn er, der Landwirt – und er vergleicht diesen Landwirt mit Gott – die Fläche geebnet hat, so streut er Kümmel und sät Kreuzkümmel und wirft Weizen rein, Weiß- und Gerste auf das abgesteckte Stück und den Hartweizen an seinen Rand? Und ein Stück weiter sagt er, wie das alles geerntet wird: Kümmel wird nicht mit dem Dreschflegel ausgetroschen, das Wagenrad nicht über Kreuzkümmel gerollt. Kümmel wird mit dem Stab ausgeschlagen, Kreuzkümmel mit dem Dreschflegel. Brotkorn wird zermalmt, aber es wird nicht endlos getroschen. Das Rad seines Wagens wird darübergerollt, aber seine Pferde zermalmen es nicht.
Auch dies geht aus von dem Herrn der Heerscharen: Er ist wunderbar in seinem Rat, groß in seinem Verstand. Wisst ihr, sagt Jesaja, selbst wenn ihr Gott nicht versteht, er ist weiser als jeder Bauer. Und er weiß, was du für eine Feldfrucht bist. Er weiß, wo du hingesät werden musst, an den Rand vom Feld oder in die Mitte. Er weiß, wie er dich ernten muss. Er weiß, welche Behandlung du wie lange aushältst, so wie der Bauer das von jeder einzelnen Frucht weiß, die er aussät und die er erntet.
Leute, sagt Jesaja, selbst wenn ihr Gott nicht versteht, nicht mal im Rückblick versteht, vertraut darauf, dass Gott genau weiß, wie man mit jedem Individuum umgeht und wie lange man was jedem Individuum zumuten kann. Vielleicht ist das eine Botschaft für uns.
Abschlussbetrachtung: Das Gericht Gottes und die Zukunft Jerusalems
Okay, aber bevor wir schließen, muss ich noch ganz kurz vier Sätze zu Kapitel 33 sagen, dem Anhang, den Jesaja macht. Es beginnt mit: „Wehe, wehe, du Verwüster!“
„Wehe, du Verräter!“ Der Verwüster war aus Syrien, und der Verräter ebenfalls aus Syrien. Sie hatten die Verträge gebrochen. Aber die Leute, die die Verträge von Juda befürwortet hatten, waren vielleicht auch irgendwie Verräter in ihrem Volk. Diejenigen, die die Schätze nach Ägypten getragen haben, waren vielleicht ebenfalls Verräter in ihrem Volk.
Am Anfang jubelten sie, als Jerusalem befreit wurde. Doch irgendwann wurden wahrscheinlich manche nachdenklich. Jesaja schreibt in Kapitel 33 bis 14: „Die Sünder in Zion sind erschrocken, Beben hat die Ruchlosen ergriffen; wer von uns kann sich bei verzehrendem Feuer aufhalten?“
Durch das Eingreifen Gottes vor den Toren Jerusalems wurde manchen plötzlich bewusst, dass ein lebendiger Gott in diesem Tempel wohnt – nicht nur als Gegenstand einer alten Religion. Und dass dieser Gott etwas mit Feuer zu tun hat. Feuer, das, wenn man es nicht unter Kontrolle hat, für jeden gefährlich werden kann, der in der Nähe ist.
Und Gott konnte man offensichtlich nicht unter Kontrolle halten. Wer kann sich bei verzehrendem Feuer aufhalten? Wer von uns kann bei ewigen Gluten leben? Jesaja gibt eine ganz kurze, einfache Antwort: Du musst nur gerecht leben. Nur.
Dann gibt er eine zweite Antwort, und die möchte ich euch noch vorlesen – ein paar Verse aus Jesaja 33. Wenn Jesaja seinen Blick in die Zukunft richtet, wie Jerusalem einmal sein wird, lest nur einzelne Abschnitte:
Vers 17: „Deine Augen werden einen König schauen in seiner Schönheit. Deine Augen werden Jerusalem sehen, eine ruhige Wohnstätte, ein Zelt, das nicht wandert, dessen Pflöcke niemals herausgezogen werden und von dessen Seilen keines je losgerissen wird; denn dort ist ein Mächtiger, der Herr bei uns.“
Aber er beendet diesen Abschnitt mit dem letzten halben Vers von Jesaja 33, der zweiten Hälfte von Vers 24: „Dem Volk, das darin wohnt, wird die Schuld vergeben sein.“ Das ist die Aussicht.
Drei herausfordernde Fragen für unser Leben heute
Okay, das war dieser lange Abschnitt. Jesaja stellt uns darin drei herausfordernde Fragen.
Die erste Frage lautet: Haben wir Gott nur in den frommen Teil unseres Lebens verbannt? Oder bestimmt er wirklich die ganz praktischen Entscheidungen unseres Alltags? Versteht Gott uns, und trauen wir ihm zu, dass er eingreift?
Die zweite Frage ist: Vertrauen wir seiner Weisheit auch dann noch, wenn wir sein Handeln nicht verstehen?
Die dritte Frage, die Jesaja stellt, lautet: Sind wir uns bewusst, wie nah wir an einem verzerrten Feuer leben?
