Einführung und kulturelle Beobachtungen zum Christsein
Und jetzt kommt das Anspiel von Sabine Knirnschild und ihrem Team. Sie haben es genau getroffen, oder? Kammer Christ sein mit Sommerkurzer Regle, oder? Und Kammer Christ Gemeindepraktikantin sein mit Jeans, oder?
Schon zur Zeit Jesu war es so, dass gesagt wurde: „Herr Jesus, das wollen deine Jünger sein.“ Und die, die am Rand vom Weg Körner gepickt haben, holen sich vom Weizen ein paar Körner und essen sie mit ungewaschenen Händen. Man muss alles, was man isst, vorher mit den Händen waschen, sonst ist man kein rechtes Glied des Volkes Gottes. Außerdem müssen die Schüsseln vorher gereinigt werden. Das gab es in Israel und gibt es bis heute – ganz bestimmte Gebote.
Jesus sagte jedoch: „Darauf kommt es doch nicht an, was in den Menschen hineingeht. Das macht ihn nicht unrein.“ Vielmehr zählt, was aus den Menschen herauskommt: Mord, Ehebruch, Hurei – das, was in uns drinsteckt.
Auch beim Apostel Paulus war es schon so, dass es Leute gab, die sagten: „Das darf man nicht essen, und Leberwurst und Blutwurst ganz bestimmt nicht, ebenso bestimmte andere Speisen.“ Der Apostel Paulus sagte jedoch: „Gott hat es wachsen lassen in seiner Freude, damit es mit Danksagung genossen wird. Lasst euch doch kein schlechtes Gewissen machen.“
Freiheit im Glauben und Umgang mit Geboten
In Amerika habe ich es erlebt: Damals gehörte es mindestens noch zum guten Stil in jeder richtigen Gemeinde, dass die Frauen natürlich ein Kopftuch trugen. Oft war es ein wunderbares Gebilde aus Pfauenfedern, das ein bisschen wie ein Hauch von Hut auf dem Kopf wirkte. Wer das nicht auf dem Kopf hatte, dem wurde gesagt, dass er kein richtiger Christ sei.
Dabei war viel entscheidender, was unermüdlich im Kopf vorging während der Gottesdienststunde.
Das lese ich Ihnen mal aus dem Kolosserbrief vor. Ich habe ja gesagt, Sie sollen die Bibel mitbringen. Einige haben das auch gemacht, danke dafür. Denn man kann einfach schlecht Bibelabende ohne Bibel halten. Nicht, dass Sie mir nicht zutrauen, dass ich richtig lese, sondern damit Sie die Stellen auch später wiederfinden können.
Epheser, Philipper, Kolosser – das sind ein bisschen schwierig zu findende Briefe, ziemlich weit hinten in der Bibel. Im Kolosserbrief steht schwarz auf weiß vom Apostel Paulus in Kolosser 2,16:
"Lasst euch von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank."
Ich würde sagen: Lasst euch von niemandem ein schlechtes Gewissen machen. Jetzt ist "Sieben Wochen ohne" und du trinkst ein Glas Bier – aber warum nicht? Das sind doch Gesetze von Menschen.
Es ist ganz gut, wenn man mal überprüft, ein paar Wochen lang, wer Herr im Haus ist: ob es der Alkohol ist oder ob ich noch Herr im Haus bin. Aber lasst euch doch von niemandem ein schlechtes Gewissen machen.
Zurzeit werden so viele neue Gesetze aufgestellt wie zur Zeit des Paulus. Wegen Speise und Trank oder wegen eines bestimmten Feiertags. Was für eine Aufregung gibt es unter Christen wegen des Bußtages! Wie viele sind am Bußtag in die Kirche gegangen?
Lasst euch doch kein schlechtes Gewissen machen. Macht jeden Tag Buße – das ist wichtig. Buße ist wichtig, nicht aber der Bußtag am 16. November oder ein Neumond oder Sabbat.
Das ist bloß der Schatten, den Jesus wirkt. Aber leibhaftig ist, dass wir mit Jesus verbunden sind.
Warnung vor selbst erfundener Frömmigkeit
Ein paar Verse später, im gleichen Kapitel Kolosser 2, heißt es in Vers 21: „Du sollst das nicht anfassen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren.“ Doch das soll doch alles verbraucht und verzehrt werden. Das sind Gebote und Lehren von Menschen, die eine selbst erfundene Frömmigkeit haben.
Man sollte aufpassen, dass das Entscheidende am Christsein nicht irgendwelche Gebote sind. Man darf das nicht, und man soll sich für das Umweltliche einsetzen – alles recht und gut. Aber dafür braucht man nicht Christ zu sein.
Was ist also entscheidend am Christsein? Davon steht im Kolosserbrief, an dem wir gerade sind, unheimlich viel. Kapitel 1 lasse ich mir jetzt nur kurz durch den Kopf gehen, wir machen es nur überfliegend.
In Kapitel 1, Vers 13 steht: Jesus hat uns errettet von der Macht der Finsternis und uns in sein Reich versetzt. In ihm haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden (Vers 14). Vers 16 sagt: Denn in ihm ist alles geschaffen. Vers 17: Es besteht alles in ihm. Vers 19: Es hat Gott wohlgefallen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte.
Jetzt geht es weiter. Springen Sie mal hinüber zu Vers 27: „Das Geheimnis Gottes ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.“ Den verkündigen wir und lehren alle Menschen, damit wir jeden Menschen in Christus vollkommen machen.
Im Kapitel 2, Vers 3 steht: „In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis.“ Vers 7: „In ihm sollt ihr verwurzelt und gegründet sein.“ Vers 9: „In ihm…“
Sie merken, wenn das Thema „in ihm“ auftaucht, wird es immer wieder betont. Wenn Sie Kolosser 1 und 2 lesen, hören Sie förmlich ein „brrrtma, brrrtbrrrt“ – das ist das Thema, „in ihm“ und nicht anders.
Neumond, Sabbate, was man anfasst oder essen darf oder nicht – das sind nebensächliche Dinge.
Was ist gemeint mit diesem „in ihm“, das dem Apostel Paulus so wichtig war? Uns hat es ja die letzten Tage schon beschäftigt: Prüft euch, erforscht euch, ob ihr im Glauben steht, ob Christus Jesus in euch wirkt, ob ihr mit ihm verbunden seid.
Zeugnis von gelebtem Glauben und persönlicher Erfahrung
In Schörndorf hatten wir ein Gemeindeglied, Frau Krauter, eine Kriegerwitwe, die mit ihren Kindern sehr viel Schweres erlebt hat. Dann kam der Krebs über sie. Sie hat jahrelang gekämpft, mit Bestrahlungen und Operationen. Einmal sagte sie zu mir: „Herr Chefbuch, ich habe nur vor einem Angst – wenn der Morgen kommt, an dem ich beim Oberarzt oder Professor merke, dass keine Hoffnung mehr besteht.“
Dieser Morgen kam tatsächlich. Der Stationsarzt rief sie an und bat sie, ganz rasch zu kommen, weil der mürbe Knochen durch einen Muskelzug in der Nacht unwillkürlich gebrochen war. Ich machte mir Sorgen und fragte mich, was ich als Seelsorger sagen sollte. Doch als ich sie traf, war sie strahlend. Sie wollte mir nur mitteilen: „Ich hatte Angst vor diesem Tag, aber jetzt bin ich – ich kann es kaum sagen – eingehüllt, wie in einem Mantel. Das ist alles voll von Jesu Gegenwart.“
Mir fielen Bibelworte ein, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie im Kopf habe. Verse aus dem Gesangbuch erwachten in mir. Sie sagte: „Ich bin eingehüllt, wie schützend in die Gegenwart Jesu.“ Das hat sie erlebt.
Vor einer Woche habe ich etwas Ähnliches erlebt. Ich hatte gerade das gestrige Thema ein wenig vorüberlegt: Wer ist der Liebe würdig? Jesus will in uns seine Liebe weitergeben, auch an Menschen, die uns vielleicht komisch oder fremd erscheinen.
Am Dienstagabend musste ich einen Vortrag vor sehr kritischen Pfarrern halten. Ich hatte ständig den Eindruck, sie wollten mich aufs Kreuz legen. Es gab Diskussionen mit einem Theologen, der sehr anders dachte als ich. Ich hatte eigentlich mehr Angst als Vaterlandsliebe, bis ich dachte: „Wenn du in Malmsheim sagen sollst, dass die Liebe Christi in uns wirkt, auch zu Menschen, vor denen wir vielleicht Angst haben, dann ist das gar nicht würdig. Aber du machst es doch wahr.“
Dann bin ich hineingegangen – und hatte keine Angst mehr. Schon die Begrüßung war schön. Ich hatte den Eindruck, die Zuhörer waren sehr aufgeschlossen. Es gab ein Gespräch, wie ich es schon lange nicht mehr mit Theologen erlebt habe.
Das Schönste war, dass am Schluss ein Pfarrer aus Siebenbürgen kam. Er sagte: „Ich war immer so einsam, aber was Sie zu Beginn gesagt haben, dieser Satz, hat mich neu in den Glauben hineingeworfen.“ Mir war gar nicht bewusst, dass ich diesen Satz gesagt hatte. Vielleicht hat er ihn auch nur herausgehört.
Da wurde mir klar: Jesus kann sogar unser ängstliches Reden benutzen, um diesem armen Kollegen aus Siebenbürgen etwas zu geben. Wir sollten vielmehr damit rechnen, dass Jesus wirklich in uns wirken will. Durch uns kann er Liebe wecken und uns die Worte auf die Lippen legen, die der andere braucht.
In ihm und er in uns. Prüft euch, ob Jesus Christus wirklich in euch ist oder ob nur Platz ist, damit Jesus bei euch etwas tun kann. Wir sollten uns nur vor eines hüten: dass die Beziehung zu Jesus nicht erkaltet, nicht abstirbt und nicht verdorrt.
Warnung vor geistlicher Erstarrung und Ermutigung zum Glaubensleben
Es hat mich einmal jemand gefragt: Wenn du predigst, sind oft viele ältere Leute da, so wie du. Hättest du nicht lieber auch junge Leute dabei?
Mit der Jugend habe ich viel zu tun gehabt. Aber bei uns Alten besteht die Gefahr, dass etwas abstirbt. Damit meinen wir: Wir haben das Gefühl, wenn alle so christlich wären wie wir, wenn alle ihr Leben so christlich bestanden hätten wie wir, dann wäre alles gut. Doch Jesus will nicht, dass wir, um es schwäbisch zu sagen, auf der faulen Haut weitermachen. Er möchte, dass es weitergeht und nichts verdorrt.
Deshalb bin ich froh, dass ich auf die siebzig zugehe und meinen Gleichaltrigen sagen kann: Auf, los, wir packen es noch einmal an – mit Jesus. Es soll eine neue Kraft und eine neue Gegenwart Jesu in unser Leben kommen.
Jetzt wollen wir aufschlagen: Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung, genauer gesagt Offenbarung 2 und 3. Die Offenbarung ist ein sehr geheimnisvolles Buch. Sie beginnt mit Briefen, die der Apostel Johannes im Auftrag des erhöhten, zu Gott erhöhten Jesus an Gemeinden schreibt. Fast in allen Gemeinden – großen, wichtigen kleinasiatischen Gemeinden wie Pergamon, Thyatira, Laodizea und Philadelphia – sagt Jesus: Wach doch auf! Stärke das Andere, das sterben will! Los, bleib nicht sitzen! Halte fest, was du erreicht hast!
Wir fangen mit dem ersten Schreiben an, an die schöne, große Gemeinde Ephesus.
Offenbarung 2, dem Engel – wahrscheinlich dem Vorsteher der Gemeinde in Ephesus – schreibe ich jetzt. Wir überspringen einiges und gehen gleich zu Vers 2:
„Ich kenne deine Werke, was du schaffst, deine Mühsal und deine Geduld. Ich weiß, dass du die Bösen nicht erträgst. Du hast die geprüft, die sagen, sie seien Apostel und sind es nicht, und hast sie als Lügner entlarvt.“
Da hört man Mut. Das war an Leute gerichtet, die gesagt haben, sie seien Jesusleute. Jesus sagt: Entschuldigung, davon merken wir nicht viel. Du hast sie geprüft.
„Und du hast Geduld, und du hast um eines Namens willen die Last getragen und bist nicht müde geworden.“
Aber dann sagt Jesus: „Ich habe gegen dich, dass du die erste Liebe verlässt.“
In der Bibel spielt jedes Wort eine Rolle. Es geht nicht nur darum, dass deine erste Liebe zu mir, zu Jesus, erkalte – das gibt es auch. Jesus ist brennend voll Liebe und hat Pläne, was er in meinem Leben machen will. Doch ich sage ihm im Augenblick: Keine Lust, ich brauche das gerade nicht.
Du verlässt die erste Liebe. Es ist eine Liebe, die auch Singles erfahren können, Verwitwete und Menschen, die erst auf die Ehe zugehen – diese Liebe Jesu.
Erinnerung an die Liebe Gottes und Aufforderung zur Rückkehr
In Amerika, wenn manche Leute klagen und sich fragen, ob Jesus überhaupt noch an sie denkt, sagt man oft: Hol dir mal ein Blatt Papier vor. Schreib dir alles auf, was Jesus dir Gutes getan hat – nur in den letzten drei Jahren.
Oft brauchst du schnell ein zweites Blatt, weil so viel Gutes zusammenkommt: dass wir fünf Jahrzehnte Frieden hatten, dass wir vor Krankheiten bewahrt wurden, dass es mit unserem Enkelkind nicht so schwierig war und dass damals, als ich ins Auto hineingelaufen bin, kein Unfall passiert ist. Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Jesus ist voll und ganz große Liebe. Was er schon in uns getan hat, das möchte er noch viel mehr tun. Warum läufst du weg? Warum verlässt du die erste Liebe?
Bei Israel war es immer so, dass Gott, der ewige Gott, so viel für Israel bereitgehalten hat – und Israel hat gesagt: Wir wollen es mal mit ein paar anderen Göttern und mit den Ascheras probieren. „Bin ich dir denn eine Wüste und ein trockenes Land? Meinst du, bei mir sei nichts mehr zu holen?“
Der Glaube der Christen besteht nicht in erster Linie aus Denkarbeit oder Theologie, sondern ist eine Emotion.
Ich habe mein erstes Semester in Bethel studieren dürfen und wohnte im Quellenhof, wo ganz schwache geistig Behinderte leben. Dort war einer, der Thomas, der abends besonders bei Vollmond immer gesungen hat – bis tief in die Nacht hinein: „Jesus ist schön, Jesus ist lieb, Jesus ist schön, Jesus ist...“
Das hat er begriffen. Er hätte keine Theologie verstanden, aber das hat er mitbekommen, was wir singen: „Schönster Herr Jesu, und der hat mich lieb.“ Die Liebe Jesu ist etwas, das auch der Schwächste mitbekommen kann, wenn jemand für mich etwas übrig hat an Jesus.
Jetzt lauf doch nicht einfach weg, sondern lass dich volltanken mit dieser Liebe Jesu.
Das Bild der Ehe als Sinnbild für die Beziehung zu Jesus
In menschlichen Ehen, aber auch bei Singles und Verwitweten unter uns, möchte ich ein Bild gebrauchen, das vielleicht entschuldigt werden muss. Die Bibel sagt, dass das Verhältnis zwischen Jesus und seinen Leuten am besten mit dem Bild der Ehe verglichen werden kann. Dort heißt es: Ihr werdet ein Fleisch sein, ich in dir und du in mir. Dieses Bild geht weit über das Körperliche hinaus.
Heute wird das Körperliche oft zu sehr betont, dabei geht es um viel mehr. Schön in der Ehe ist zum Beispiel, dass meine Frau und ich lachen und sagen: „Das, was du gerade sagst, das ist wohl die Wahrheit.“ Man gleicht sich an, zum Beispiel im Geschmack. Früher hätte ich nie Krawatten getragen, aber wenn es meiner Frau gefällt, dann tue ich das plötzlich doch. Man sieht Dinge mit den Augen des anderen. Manche sagen sogar, wenn Menschen glücklich verheiratet sind, werden sie sich äußerlich ähnlich. Meine Frau meint dazu: „Oh, da sind wir noch weiter weg, obwohl wir glücklich verheiratet sind.“ Aber bei manchen stimmt es wirklich, dass sie sich äußerlich ähneln.
Paulus sagt: Ein Fleisch sein, das meint er nicht nur körperlich, sondern er spricht von Christus und seinen Leuten, von seiner Gemeinde. Dass wir plötzlich unsere Gedanken und unsere Phantasie auf Jesus ausrichten. Prüft euch, ob Christus in euch wirkt und ob ihr im Glauben so steht, dass das geschieht.
Das Tragische bei der Ehe kann sein, wenn ich morgens die Zeitung lese und meine Frau sagt: „Ist dir gar nicht mehr wichtig, was ich dir zu sagen habe.“ Früher hat man gesagt: „Du bist mein Ein und Alles.“ Schlimm ist es, wenn man aneinander vorbeiredet, sich missversteht und am Ende nur noch auf die Nerven geht. Das gibt es auch in Ehen.
Und jetzt übertragen wir das auf das Verhältnis zu Jesus: Es gibt Zeiten, da hat man keine Lust auf Jesus. Man hat nichts gegen ihn, aber im Moment ist etwas anderes wichtiger. Doch wenn es einem schlecht geht, wenn man zum Beispiel auf der Intensivstation liegt, dann ruft man wieder nach ihm. Dann braucht man ihn. Prüft euch, ob es nur eine vorübergehende Situation ist, in der ihr ihn nicht braucht, oder ob es wie bei Magersucht ist.
Magersucht ist eine schlimme Zivilisationskrankheit. In Ulm gab es einmal einen Kongress von Ärzten aus aller Welt, ein paar Hundert, die wollten eine Münsterführung machen, weil das ihr Spezialgebiet war. Magersucht ist schlimmer als Krebs, sagt man. Bei der Magersucht beginnt es damit, dass man meint, man braucht nicht alles zu essen. Ein Rübchen hier, zwei Erbsen da, und man denkt, ich brauche es ja nicht. Am Ende kann man nicht mehr essen, der Magen ist zu, und die Leute verhungern und fühlen sich dabei noch toll.
Herr Jesus, ich möchte mich selbst prüfen: Kann ich überhaupt noch beten, oder denke ich nur, ich brauche es gerade nicht? Bin ich bibelmagersüchtig, gebetsmagersüchtig? Prüft euch selbst. Wir müssen uns nicht vor einem Seelsorger prüfen lassen. Schön, wenn wir jemanden haben, der mit uns darüber sprechen kann. Aber der Apostel Paulus sagt: Jesus ist immer gegenwärtig, ihr dürft jederzeit mit ihm reden.
Und wenn euch das Beten schwerfällt, schreibt doch einen Brief an Herrn Jesus. Schreibt: „Hier bin ich, du kennst mich, und ich weiß nicht, wie es mit mir steht.“ Und plötzlich wird daraus ein Gespräch mit Jesus.
Erfahrungen von Glaubenskrisen und Ermutigung zum Durchhalten
Natürlich gibt es das. Dietrich Bonhoeffer hat in „Widerstand und Ergebung“, kurz vor seinem Tod, geschrieben:
„Ich gehe im Augenblick wieder durch Tage und Wochen, da ich die Bibel und das Losungsbüchlein und das Gesangbuch gar nicht brauche. Aber da sind Augenblickserscheinungen. Die schwankende Nadel des Kompasses wird sich schon wieder einnorden, und es wird wieder kommen. Das ist nicht gesagt, ob es wiederkommt.“
Der Professor Lüdemann, der immer wieder mit seinem Namen durch die christlichen Gassetten geht, ist bei einer EC-Evangelisation zum Glauben gekommen. Er beschreibt heute, er sei zwei Jahre lang mit der Bibel unter dem Arm herumgelaufen, aber das sei nur ein Strohfeuer gewesen.
Meine Brüder und Schwestern, an Stroh ist der Teufel nicht interessiert. So hat mal Jesus gesagt: Die Spreu hat er sicher, aber am Weizen ist er interessiert. Der Teufel hat sich für diesen frommen jungen Herrn Lüdemann interessiert, so wie Jesus zu Petrus sagt: „Der kämpft um dich.“
Wenn einer von Gott nichts wissen will, der kann fröhlich leben, da es den Gottlosen so wohl geht. Als Christ ist man im Kampf und merkt da unten, wie man abgezogen wird, dass immer noch mal was dazwischenkommt, wenn man sich seine stille Zeit vorgenommen hat.
Prüft euch, ob ihr in diesem Kampf drinsteht und ob ihr erlebt, dass Jesus der Stärkere ist, der euch durchhilft. Das Schlimmste wäre, wenn unser Glaube absterben würde – die Jesusgegenwart.
Die Bedeutung der Verbindung mit Jesus
Johannes: Eine Stelle, die wir schon vorgestern gelesen haben: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; wer nicht in mir bleibt, der verdorrt.“ Das ist Christsein-Routine. Und dann hört es auch auf, wie die Blätter, die jetzt von den Bäumen fallen und verdorren.
Herr, hilf mir doch hinein. Bewahr mich davor, dass ich in meinem Glauben, in meiner Beziehung zu Jesus, verdorre. Was kann ich tun, damit ich im Glauben bleibe?
Unser Vater hat nie viel Zeit für uns gehabt, aber manchmal hat er gesagt: „Jetzt habe ich wieder einen Vers gefunden. Den müssen wir miteinander auswendig lernen.“ Und so haben wir den Vers gelernt: Es sei alle Tage, alle meine Tage, meine Sorge, meine Frage, ob der Herr in mir regiert. Es sei alle meine Tage meine Sorge, meine Frage, ob der Herr in mir regiert, ob ich in der Gnade stehe, ob ich auf das Ziel zugehe, ob ich folge, wie er führt.
Man kann sich das so vorstellen: Das ist die Grundfrage. Prüft euch, erforscht euch, ob Jesus regieren kann, ob Jesus euch Befehle gibt oder ob euer Glaube bloß in Äußerlichkeiten besteht – wie man angezogen ist, was man isst, was man tut, wo man hingeht oder wo nicht.
Manche haben größere Freiheit, nicht irgendwo hinzugehen, andere Leute haben Hemmungen. Da muss ich sehen, wie der Herr Jesus mich führt. Ich muss selbst ein Gespür dafür bekommen, was gut tut oder nicht.
Aber bewahrt euch vor den „Päpstleinen“, die sagen, was man am Freitag essen darf und was am Donnerstag bloß menschliche Gesetze sind.
Praktische Tipps für den Glaubensalltag
Wie kann ich mir selbst helfen, hineinzukommen und im Glauben zu bleiben? Wovon müssen wir uns hüten? Wir müssen uns davor hüten, dass der Glaube abstirbt.
Ich habe schon gesagt: Formuliert euer Gebet auch einmal als Brief und schreibt es nieder. Wir müssen unser Gebet wieder in Zucht bekommen, sonst gibt es kleine Schwierigkeiten. Wir sind ja auch müde, und auf uns stürmt so viel ein. Die Konzentration zum Beten ist schwierig. Doch bei keinem Telefongespräch mit dem noch so nebensächlichsten Menschen schweifen meine Gedanken so sehr ab wie beim Beten mit dem unsichtbaren Jesus.
Dann schreibt es auf und probiert es wieder, damit es hineinkommt. Es ist mir wichtig, dass ich im Gespräch mit Jesus bleibe.
Das Bibellesen ist so, dass Jesus ja die Bibel, das Wort seiner Apostel und Propheten, benutzen will als eine Membran – so wie beim Telefon. Da ist ein Stück Metall, das durch elektrische Impulse in Schwingung gerät. Hans Sieberger beschreibt es so: Ich weiß auch nicht genau, wie es funktioniert, aber durch diese Schwingungen höre ich die Stimme so deutlich, dass ich beim anderen sagen kann: „Dann hast du heute Schnupfen, du redest so komisch, gell?“
So kann der lebendige Jesus durch den Petrusbrief oder den Kolosserbrief in Schwingung versetzt werden, sodass es für mich wie ein Reden Jesu ist. Und da tut es gut, wenn wir manchmal auch Bibelworte auswendig lernen.
Am Montag war in Hülben die große traditionelle Kirchweih-Montagstunde mit zwölfhundert Leuten. Da muss man jedes Jahr einen Psalm auswendig lernen. Diesmal war es Psalm 57: „Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig, denn auf dich traut meine Seele, und unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorübergehe. Ich rufe zu Gott.“
Es hat Wochen gebraucht, bis das in meinen Kopf eingegangen ist. In Jugendjahren lernt man schneller. Aber ich merke seitdem, wie dieses Wort, das ich auswendig gelernt habe, ganz anders in mir wirkt, als wenn ich es bloß gelesen hätte.
Dazu lernt man ein Lied auswendig, zum Beispiel „Jesu, meine Freude“. Ihr habt mich schon gefreut – nicht ganz, aber er hat im Auto noch mal gefragt: „Gute Nacht, o Wesen, das die Welt erlesen.“ Mir gefällt’s, du hast es nie mehr in der Schule gelernt.
Seitdem kann ich sagen: „Gute Nacht, o Wesen, das die Welt erlesen, mir gefällst du nicht.“ Damit ist schon vieles, was mich reizt, weg. Denn Jesus sagt: „Mir brauche doch nicht, mir gefällt es nicht.“
Lernt auch Bibelworte auswendig! Das Gesangbuch ist eigentlich eine komprimierte Bibel. Und auch wenn heute oft gesagt wird, die alten Choräle hätten komische Melodien und komisches Deutsch – liebe Freunde, das ist komprimierte, verdichtete Bibel.
Da heißt es nicht bloß „Halleluja, ich folge dir, und ich werde dir folgen und übermorgen auch noch mal und noch mal Halleluja“ – das ist eine komprimierte Bibel: „Ich hatte nichts als Zorn verdient und sollte bei Gott in Gnaden sein, er hat sie mit mir selbst versöhnt.“ Sehen Sie das? Bibelworte!
Beim Bibellesen können solche Worte hervorkommen. Weil wir heute Schnellleser sind, vergessen wir vieles schnell. Die Zeitung darf man morgen vergessen – das ist Schnee von gestern, was heute drinsteht. Aber weil wir Schnellleser sind, sollten wir immer wieder einmal bewusst sagen: Was habe ich denn gestern gelesen in meiner Bibellese? Was war gestern dran? Ach ja, gut, nur mal.
So machen wir uns das Wort Gottes bewusst und schärfen es ein.
Ermutigung zum gemeinschaftlichen Glaubensleben
Und weil wir beim Kolosserbrief waren, darf ich Sie noch einmal bitten, dass wir den Kolosserbrief aufschlagen. Hochachtung vor allen, die die Bibel mitgebracht haben. Morgen lobe ich Sie noch mehr, wenn Sie sie mitbringen.
Kolosser 3,16 und 17: Lass das Wort Christi reichlich unter euch wohnen. Auch jedes Wort sei von Bedeutung. Es ist nicht nur das Wort Gottes, die Bibel, sondern das Wort Christi. Er möchte reichlich mit euch reden.
Wir denken oft, es reicht, die Losung am Morgen zu lesen, gerade wenn wir die letzte Tasse Kaffee trinken. Es tropft dann an euch ab, wie ein Regentropfen am Regenschirm. Aber ihr habt Gottes Wort nicht wirklich in euch wohnen.
Wenn ein Gast da ist, können wir fragen: Wann geht denn dein lieber Zug wieder? Und wenn er sagt um halb vier, sagen wir: Bis dann, noch früher. Aber wenn jemand bei uns wohnt, frage ich nicht, wann er wieder geht. Stattdessen freue ich mich, dass er da ist.
Lasst das Wort Gottes reichlich unter euch wohnen und ermahnt einander in aller Weisheit. So macht man keine Vorhaltungen und schwätzt nicht über Leute, wie wir es vorher im Anspiel gehört haben. Ermahnt euch, wer es nötig hat.
Erzähl mir auch, wie du es eigentlich in deinem Leben schwer gehabt hast. Vielleicht verstehen wir dann, warum du plötzlich noch eine Zigarette rauchst und doch jung bleiben willst. Nicht gleich verurteilen, sondern ermahnt euch in Weisheit!
Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. Nicht nur David hat erfahren, dass man den bösen Geist vertreiben kann, den Teufel, durch ein Lied. Auf, ermann dich und sprich: Fliehe, du alte Schlange! Was erneuerst du deinen Stich? Du machst mir Angst und Bange.
Singen Sie einfach einmal, wenn Sie die Depression schier in den Boden drückt. Das kommt bei Christen auch vor: In dir ist Freude in allem, ach ja, sogar im Leide. Oh, du süßer Jesu Christ, in dir haben wir himmlische Gaben. Plötzlich haben wir einen neuen Horizont.
Ermahnt euch mit Psalmen und geistlichen Liedern. Das sagt Paulus. Wichtig ist, dass wir wachsen in der Gegenwart Jesu und nicht verdorren.
Das sei alle Tage meine Sorge, meine Frage: Dass der Herr in mir regiert.
Persönliche Empfehlungen und Rückblick auf Gemeindearbeit
Sie haben hinterlistig ein paar wichtige Bücher mitgebracht. Ich möchte heute nur kurz darauf hinweisen: Michiaki und Hildegard Hori, „Verstehen und verstanden werden“; von Christa Mewes das „ABC der Lebensberatung“, ein schönes Buch in der siebzehnten Auflage; „Glaubt“ von Johannes Busch, sechzehnte Auflage; sowie „Stille Gespräche“, das sich mit Seelsorge an unserer Seele im Auftrag Jesu beschäftigt.
Manche von Ihnen wissen, dass ich wahrscheinlich die schönsten Jahre meines Lebens in Schorndorf verbringen durfte. Vierzehn Jahre war ich dort als Pfarrer und Dekan tätig. Dort sind meine Kinder groß geworden und sind hineingewachsen in die Gemeinde Jesu. Deshalb ist Jugendarbeit so wichtig. Wir Eltern können oft den Kindern nichts Entscheidendes weitergeben, denn die Kinder sehen auch zu Hause, wenn der Haussegen schiefhängt. Aber in Kreisen, wo sie wachsen können, finden sie Halt.
Schorndorf hat eine lange, traditionsreiche Geschichte. Wenn ich an Gottlieb Daimler denke, frage ich mich, was wäre ohne ihn und seinen schnell laufenden Benzinmotor geschehen. Er hatte einen Konfirmator, bei dem er nicht viel mitbekommen hat: Pfarrer Frank, der später Dekan in Geislingen wurde. Dem war nur das Politische wichtig, wie es ja heute in manchen Fragen auch der Fall ist.
Im Jahr 1848, zur Zeit der Revolution, als Gottlieb Daimler konfirmiert wurde, hielt Pfarrer Frank auf dem Schorndorfer Marktplatz eine Rede bei der Weihe der Fahne für die Bürgerwehr, die es damals gab. Er sagte: „Der Auferstehungsgeist ist unter uns aufgebrochen, und neues Leben ist in das deutsche Volk hineingekommen. Wir erheben uns gegen alle Gewalten!“ – ein echter Revolutionär!
Dagegen gab es einen einfachen Weber in Schorndorf, Christian Rhein, der laut sagte, als Pfarrer Frank seine feurige Ansprache hielt: „Ich habe das mit der neuen Sache nicht so gern. Wir haben doch die Hauptsache in der Gemeinschaft mit Jesus.“
Ah ja, versehen Sie die Hauptsache in der Gemeinschaft mit Jesus. Das ist ein Vorrecht, das Sie sich nirgends erkaufen können. Es gibt keine Schule, in der Sie lernen, wie Sie mit dem ewigen Gott persönlich Verbindung haben und wie er Sie gestaltet.
Wir müssen nur darauf achten, dass uns das nicht von Leuten madig gemacht oder als nebensächlich dargestellt wird.
Schlussgebet und Bitte um lebendige Jesusbeziehung
Ich möchte im Glauben feststehen und nicht verloren gehen. Treuer Heiland, Lebensfürst, halte mich, bis du wiederkommst. Sei in mir gegenwärtig.
Das dürfen wir gemeinsam beten: Herr Jesus, darum bitten wir dich. Du hast schon so viel für uns bereitgestellt. Durchdringe uns, wirke in uns und gestalte uns.
Wir, die wir das gar nicht verdient haben, bekommen einen Ekel davor, dass unser Glaube verdorren könnte. Das soll nicht geschehen, Herr Jesus. Stattdessen gib uns einen Hunger nach noch mehr deiner Gegenwart, nach mehr Gegenwart deiner heiligen Person in uns.
Regiere uns, erfülle unser ganzes Sehnen, Denken, Empfinden und Reagieren. Halte uns in deiner Zucht.
Wir warten darauf, dass du das Wunder tust – nicht eine große Erweckung, sondern dass du jeden von uns persönlich wachsen lässt. Du siehst jeden von uns auch heute Abend, der jetzt in der Stille sagt: Ja, Herr, ich brauche dich. Hilf mir!