Einführung: Die Bedeutung des Bewahrens und des Glaubens
Unser Predigttext steht in Johannes 1,29: "Des anderen Tages sieht Johannes Jesus kommen und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt."
Herr, mach uns dein Wesen. Deine Gabe jetzt ganz groß! Amen!
Liebe Gemeinde, bei uns gibt es eine wichtige Behörde: den Denkmalschutz. In einer Zeit, in der bei vielen nur noch das Geschäftsinteresse überwiegt – Hauptsache, wie kann man alles in kurzer Zeit zu Geld machen – ist es wichtig, dass große Werte der Vergangenheit geschützt werden. Ganz gleich, um was es sich handelt.
Ob es eine kostbare Giebelhausfassade in einem Fachwerkgebäude des Mittelalters ist, die jemand abreißen will, um dort einen Betonbau hinzustellen, oder ob es ein Stück Landschaft ist, auf dem jemand eine stinkende Fabrik errichten möchte – es gibt Menschen, die sagen: "Erhalte doch das Alte!" Natürlich passt es nicht in unser Jahrhundert, aber es ist wichtig, dass solche kostbaren Dinge aus der Vergangenheit auch unseren Nachkommen übermittelt werden können.
Oder es handelt sich um ein Stück Landschaft, wo jemand eine stinkende Fabrik bauen will, und man sagt: "Lass doch noch dieses schöne Fleckchen Erde." Natürlich liegt es brach, aber es ist doch auch noch etwas. "Es passt nicht in unser Jahrhundert", sagt man, "aber es muss erhalten bleiben."
Es gibt genau denselben rührenden und eifrigen Einsatz, wenn es um die Verteidigung des Christentums geht. Es gibt Leute, die sagen: "Nun sicher, das Christentum passt nicht so ganz in unser zwanzigstes Jahrhundert. Es hat sich ja viel zu viel verändert, wir leben in einer Zeit, die ganz andere Fragen aufwirft." So sagt man.
Aber wir wollen doch schließlich noch dieses Christentum wenigstens in seinen äußeren Umrissen erhalten. Das ist vielen Menschen heute wichtig: es zu archivieren wie in einem Museum, die Gestalt wenigstens der Nachwelt noch zu überliefern.
Manche Eltern sagen mir das recht freimütig, wenn sie ihre Kinder zum Konfirmandenunterricht anmelden, und dann sagen sie: "Nun ja, Schlechtes lernen sie ja schließlich auch nicht. Und warum sollen wir es dann nicht machen? Dann sollen sie eben mitmachen." Und schließlich, vielleicht nehmen sie auch noch etwas Gutes dabei mit. "Uns ging es ja früher auch nicht besser, wir haben es ja auch machen müssen, dann also mit."
Die wahre Botschaft des Johannes: Mehr als nur äußere Formen bewahren
Ich bin so froh, dass uns Johannes etwas anderes zeigt und sagt: Es geht nicht darum, dass wir etwas Äußeres am Christentum bewahren. Dafür hat er nicht gekämpft, dafür hat er nicht gesprochen. Ihm geht es um eine Sache, und diese eine Sache bietet er uns Menschen heute an.
Das ist der Grund eines Glaubens, nichts anderes. Nicht um den Menschenwillen neben dir, nicht um den Traditionswillen, nicht um den kirchlichen Organisationswillen, sondern allein um diesen einen Willen, auf den er mit seinem Finger jetzt hinzeigt.
Für uns ist die Frage, ob wir diesen Johannes mit seiner Botschaft heute verstehen, die er uns sagen will. Er hat diese Predigtreihe gewählt: das Einzigartige an Jesus. Johannes, der das Evangelium als Apostel geschrieben hat, will uns das zeigen, was er hier zum ersten Mal an Johannes dem Täufer gesehen hat.
Wie dieser dort die Hand ausstreckt und auf einen schlichten Menschen hinweist und sagt: Lasst euch nicht abstoßen und lasst euch nicht in eurem Bild verwirren, weil ihr an dieser Gestalt nichts Großes seht, nichts, was in der Welt bedeutend wäre, nichts, was Schlagzeilen macht. Sondern behaltet diese Niedrigkeit dieses Menschen, der da kommt, diesen Galiläer.
Doch dieser eine trägt ein Geheimnis mit sich. Und dieses Geheimnis hat unser Leben gebunden, das haben nachher die Apostel bezeugt. Um dieses eine lohnt es sich, sein ganzes Leben an ihn hinzuhängen. Das ist der Grund, dass wir heute Christen sind. Es gibt keinen anderen Grund, und es darf keinen anderen geben.
Wenn der eine Grund hinfällt – dass ich das Geheimnis dieses Jesus entdeckt habe –, wenn dieser Grund hinfällt und ich ihn nicht mehr entdecke, dann gibt es auch keinen Grund mehr, Christ zu sein in dieser Welt. Es hängt allein daran, dass wir ihn erkennen.
Johannes verwendet so viel Mühe in seinem Evangelium darauf, uns immer wieder zu zeigen, was es mit diesem Jesus Besonderes hat, was einzigartig an ihm ist. Er zeigt es von verschiedenen Seiten, indem er sagt: Alles, was die Menschen an großen Hoffnungen in der Welt getragen haben, was die Sehnsüchte waren, was diese Welt nur lösen kann – das liegt alles, alles, alles hier in ihm.
Suche bei ihm Klarheit über ihn, anders findest du nichts. So wie er hier ausruft: „Der ist’s, das ist es, darin liegt’s, hier ist er.“ Und dann streckt er seine Hand aus und weist auf Jesus von Nazaret hin. Er ist kein anderer, nichts anderes – er allein.
Das Geheimnis Jesu: Das Elend der Welt tragen
Ich muss Ihnen das begründen, und ich versuche es meiner Gewohnheit entsprechend, indem ich es in drei Teile zerlege.
Ich weiß nicht, ich leide oft in der Vorbereitung vor einer Predigt, aber an dieser Predigt habe ich lange gelitten, weil ich nicht sicher bin, ob ich Ihnen das größte Geheimnis des Evangeliums klar machen kann. Gottes Geist soll es tun.
Das Erste: Er trägt das Elend der Welt. Wenn Johannes hier auf diesen Nazarener hinweist, sagt er: Schau doch her, da ist es, in ihm liegt es.
Warum sehen so viele Menschen Jesus nicht? Warum sehen heute so viele Menschen nur das Christentum, nur Tradition, nur Christen – aber Christus nicht? Weil Johannes darauf zeigt und sagt: Ihr müsst auf ihn sehen, wie er das Elend der Welt trägt. Das ist seine Eigenart: Er ist ein Lastträger.
Er ist keiner, der oben steht, an der Spitze des Menschengeschlechts. Er ist keiner dieser großen Redner, der große Sprüche macht oder Ideologien erzählt. Sondern er ist einer, der die Last der Welt trägt. Deshalb verstehen viele Menschen Jesus nicht.
Ich muss sagen, dass mich das oft am Evangelium abgestoßen hat – dass Jesus immer vom Elend der Welt spricht. Ich bin ein Mensch, der sich gern an der Schönheit der Welt freut, an ihren Farben, am Genießen. Was ist das, was wir in dieser Welt an Freude erleben?
Schauen Sie doch hinaus in die Welt mit ihrer wunderbaren Schönheit, sehen Sie die Menschen, sehen Sie, was Menschen geistig fertigbringen, was Kunst und Wissenschaft in der Welt vollbringen. Und dann redet das Evangelium von Jesus, der die Lasten der Welt trägt.
Ach, rede doch nicht immer davon! Wir wollen das immer wieder wegschieben und sagen: Das geht mich doch gar nichts an. Wir wollen nicht immer dieses Predigtthema haben.
Und dann kommt auf einmal in unserem Leben der Augenblick, in dem uns diese herrliche Welt mit ihrer ganzen Schönheit gar nichts mehr wert ist. Wir gehen durch die Häuser, machen Besuche und reden mit Menschen. Sie erleben das in Ihrem Freundeskreis, dass plötzlich Menschen zu Ihnen sagen: Ich will keinen Tag mehr weiterleben.
Wir sagen: Schau doch die Welt an, das Alpenpanorama, die Blätter, die Blumen, die Menschen. Und dann sagt jemand aus der Bitterkeit seines Lebens: Es bedeutet mir nichts mehr.
Warum bewegen wir uns eigentlich immer zwischen diesen zwei Extremen? Wir verlieren uns an dieser Welt in großer Freude – oder wir zerbrechen an dieser Welt.
Gehen Sie doch jetzt einmal hinein in die Krankenstuben, wo Menschen liegen und zum ersten Mal damit konfrontiert werden, dass wir alle das ganze Leben lang nie wahrhaben wollen, dass es letztlich vor dem Tod kein Heilmittel mehr gibt.
Und wie dann alles zusammenbricht, was uns bisher in dieser Welt groß war, und wie deutlich wird: Ich habe gar nichts mehr, was ich bringen kann. Ich kann mich nicht darüber hinweg betrügen, ich kann mich nicht darüber hinweg lügen über das, was jetzt in meinem Leben kommt. Dann kommt diese grenzenlose Verzweiflung.
Und dann steht wieder der Bote des Evangeliums da und sagt einem Menschen: Du, jetzt ist Jesus da, der das Elend der Welt trägt und die Last der Welt. Und dann erntet er in dieser Welt hohes Gelächter.
Dann sagen die Menschen: Haha, dein Jesus! Das sind die Verhungernden, schau sie doch an! Das sind die Erdbebenkatastrophen, das sind die Menschen, die im Tod kaputtgehen.
Und wir sagen: Habt ihr es denn nie gehört? Davon redet doch das Evangelium! Von einer Welt, die krank ist in all ihren Folgen und dass hinter der ganzen Schönheit der Welt der Todeshauch liegt.
Nicht, dass wir Freudverderber sind, sondern dass Jesus uns von Anfang an etwas zeigt in dieser Welt, was nur er zeigen kann. Johannes sagt: Das ist das Einzigartige. Schau doch auf ihn hin, wie er diese Welt in ihrer großen Leidenslast ernst nimmt.
Wenn Jesus von der Welt sprach und die Welt sah, dann jammerte es ihn. Er sah die Menschen in ihrer grenzenlosen Enttäuschung.
Und wenn Jesus irgendwo in dieser Welt zu finden war, dann ging er vorbei in den lärmenden Häusern. Nicht, dass er dort nicht auch einkehren würde. Er ging zu Zeiten auch zu fröhlichen Festen, er war auch bei der Hochzeit zu Kana, was wir nächsten Sonntag haben werden.
Aber ihn hat es doch hinausgezogen dorthin, wo Menschen nichts mehr hatten, wofür sie leben konnten, wo ihnen alles überdrüssig war, wo sie am Leben verzagten.
Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochene Herzen haben. Bei denen ist er besonders nahe, ganz bestimmt, ganz nah daran.
Die Sünde als Ursache des Elends und Jesu tragende Rolle
Was ist das, was Jesus dort trägt? Dieses Elend der Welt, das er tragen will – warum zieht es ihn hierhin?
Hier steht ein Wort, das ich bisher nicht erwähnt habe. Dieses Wort, das ich mit Elend umschrieben habe, ist "Sünde". Es steht nicht im Plural, sondern im Singular: Sünde. Jesus ist derjenige, der die Sünde der Welt trägt.
Lassen Sie mich ein anderes Wort verwenden: Jesus trägt die Disharmonie der Welt, die Zerrissenheit der Welt. Es ist eine Welt, die keine Ruhe und keinen Frieden mehr findet. Eine Welt, die sich müht und strebt, auf allen Gebieten Frieden und Heil zu schaffen, aber keinen Frieden mehr findet. Denn diese Welt liegt unter der einen Last, dass sie den lebendigen Gott weggestoßen hat.
Viele Menschen widmen sich dem Elend der Welt und wollen es an der Wurzel bekämpfen. Wir erleben gerade, wie heute große Ideologien, voran der Marxismus und der Leninismus, mit Spott sagen: "Ihr Christen, ihr könnt zum Elend der Welt nichts sagen. Wir sind diejenigen, die das Elend der Welt wegnehmen."
Wir machen es uns nicht leicht. Wir sagen das nicht, weil wir Miesmacher sind, sondern weil wir etwas von der Macht der Sünde wissen. Wir sagen: In allem idealistischen Aufbruch steht am Ende, dass ein Mensch nicht zum Frieden findet und dass eine Welt sich nur immer wieder neu in Krieg, Unterdrückung und Unterjochen stürzt.
Warum? Weil Gott seinen Frieden von dieser Welt weggenommen hat. Weil eine Welt unter dieser Zerrissenheit leben muss und unter dem Fluch Gottes steht.
Und da geht Jesus in diese Welt hinein. Wer will diese Welt haben? Diese Welt mit ihrem Leiden und ihrer Gottlosigkeit? Wo ich an der Welt zerbreche, keine Hoffnung mehr habe und leide, da darf ich wissen: Mich meint dieser Jesus. Das ist sein Ziel.
Wenn Sie fragen, wie ich Jesus erkennen kann, seine Göttlichkeit, worin er mir mein Geheimnis erschließt, dann schauen Sie immer dorthin, wo Johannes hinweist: Er ist der, der die Sünde der Welt meint, der dorthin zielt.
Das war mein erster Punkt: Jesus trägt die Sünde der Welt, zieht sie an sich und meint sie. Das ist seine Zielrichtung.
Jesu Ertragen des Elends und die menschliche Erfahrung von Leid
Das zweite ist, dass er das Elend der Welt ertragen hat. Das erste war, dass er sie trägt; nun erträgt er sie.
Ich habe mich schon oft am Evangelium geschämt, wenn ich vor einem Menschen stehe, der in großer körperlicher Schwäche lebt. Dann denke ich: Wie arm stehst du jetzt da! Du hast nichts in der Hand. Wenn du wenigstens eine Flasche Bio Vital mitbringen würdest, wäre das etwas für den Körper, etwas Sichtbares, das dich aufrichten könnte. Doch du kannst jetzt nur das Wort von Jesus sagen. Das wirkt doch, als ob es nur eine Vertröstung wäre. Und so viele reden auch immer darüber, als ob wir Christen gegen materielle Hilfe wären. Wo denn? Wer will denn nicht mit seinem Leben überall helfen, wo er Not sieht?
Das wird doch unsere Aufgabe sein: Angesichts des Elends der Welt zu helfen, so gut wir können. Es macht mir große Beschwer, dass wir trotz aller Diakonie und einer Diakonisse, die sich in unserer Gemeinde ungeheuer einsetzt, doch entscheidend schuldig bleiben bei denen, die in Krankheit gekommen sind, bei Einsamen, Alten und Bedrückten in unserer Nähe. Das sehen wir doch. Das ist doch unsere Aufgabe, dass wir ganz materiell mit unseren Händen hier da sind und helfen. Und doch spüren wir, dass die Not der Welt so letztlich nicht gelöst werden kann.
Auch das ganze äußere Elend bleibt bestehen. Über dieser Welt liegt der Tod, und niemand kann ihn wegnehmen. Über dieser Welt liegt die Krankheit. Trotz aller medizinischen Forschung gelingt es nicht, die Krankheitsmächte zurückzudrängen. Über dieser Welt liegt das Böse, das Menschen gegeneinander aufhetzt und Streit stiftet. Wir bekommen das Elend aus dieser Welt nicht weg. Es liegt da. Und noch viel schlimmer: Ich suche in dieser Welt mein Heil, obwohl sie mich nicht befriedigen kann.
Ich habe in mir eine Gier nach Leben. Ich will glücklich werden, ich will zufrieden sein. Und dann hänge ich mich an diese Welt. Mein Leben, mein irdisches Leben – jetzt bin ich 37 Jahre alt – ich muss es doch mit vollen Zügen genießen, was mein Leib als Recht braucht, was ich genießen muss. Und am Ende zerrinnt mir alles unter den Händen. Warum denn?, fragen Menschen. Warum zerbricht mir das?
Weil Gott markiert, dass du an seiner Schöpfung ohne ihn nicht glücklich wirst. Nicht, weil Gott der Freudverderber ist, sondern weil diese Welt ohne Gott nur Tod und Enttäuschung in sich trägt. Und das hat Jesus nicht bloß an sich genommen, sondern er hat das ertragen. Sein ganzes Leben in dieser Welt war ein Durchstehen für uns.
Er hat Freunde um sich gesammelt, um dann zu erleben, wie einer dieser Freunde ihnen das Messer liefert und ein Stich durch sein Herz geht. Das ist Freundschaft. Er hat tiefer gelitten, als ich es je durchlitten habe. Er hat irdisches Leben auf sich genommen. Er hat die Versuchungen gespürt: „Nimm doch das Leben, verschaff dir das Leben ohne Gott! Du kannst doch sprechen, dass aus diesen Steinen Brot wird, dass du wenigstens die irdischen Nöte für kurze Zeit beseitigen kannst.“
Und Jesus hat widerstanden. Er hat dieses Leben getragen bis zur letzten bitteren Neige. So wie wir es gar nicht wahrhaben wollen, dass das mein Leben ist, nämlich ein Leben unter der Sünde, getrennt von Gott, allein für mich. Und dort in der Todesnot hat er noch einmal gerufen: „Vater, kann das nicht an mir vorübergehen?“ Weil er spürt, dass Gott Sünde richten will, Sünde markieren, Sünde verurteilen, Sünde darstellen will – dieses Leben ohne Gott deutlich machen will.
Brandmarken als ein Leben, das nur zum Tode führt. Und da kriecht Jesus am Kreuz unter diese ganze Last eines irdischen Lebens und trägt diesen Fluch in seinem Sterben.
Das Bild des Lammes und die persönliche Bedeutung Jesu
Jesus hat es ertragen. Wenn Jesaja in dieser großen Vision das Bild des Lammes sieht, möchte man sagen: Keiner von uns hätte Gott mit dem Bild eines Lammes verglichen. Es gibt andere Tiervergleiche, aber wir würden Gott nicht in dieses schwache und arme Tier hineinzeichnen wollen.
Das Evangelium erlaubt uns jedoch dieses Wort „Lamm“. Es ist uns ganz fremd, weil es ungewohnt ist, die Herrlichkeit Gottes darin zu sehen, dass er die Leiden dieser Welt trägt.
Nun ist das so wichtig. Es hat mir sehr am Herzen gelegen, Ihnen das so zu übersetzen, dass Sie verstehen, dass Jesus Ihr Leben kennt – mit seiner ganzen Not, mit seiner ganzen Enttäuschung, mit den Wunden, die das Leben Ihnen geschlagen hat. Und das waren ja nicht nur Zufälle, nicht nur Enttäuschungen, bei denen Menschen Ihnen übel mitgespielt haben. Es war auch Ihr eigenes Wählen eines Lebens ohne Gott.
Wie trotzig sind wir hingestanden und haben Gott von uns weggeschoben. Wir brauchten ihn nicht und sind in dieses Leben gekommen, das uns dorthin geführt hat, wo wir keinen Schritt mehr weitersehen konnten.
Er hat deine Sünde getragen. Er lädt deine Sünde auf sich. Dieses ganze leere Leben hat er getragen.
Die Verheißung der Befreiung und der Trost im Glauben
Nun kommt das Letzte: Er trägt das Elend der Welt weg. Er trägt es, er erträgt es und er trägt es weg.
Ich habe als Thema der Predigt formuliert: Das enträtselte Elend der Welt. Wir haben uns gefragt, wie es uns gelingt, nicht wie die vielen Zweifler an den Schmerzen hängen zu bleiben, die das Leben uns zugefügt hat. Dass wir nicht schreien: Warum, warum, warum? Warum der Tod in meiner Familie? Warum muss ich dieses Tragen auf mich nehmen, weil ich als Körperbehinderter durchs Leben gehe? Warum ist mir das in meinem Berufsleben versagt geblieben? Warum muss ich mit diesen Menschen leben?
Nein, Jesus geht viel umfassender vor. Er konzentriert die ganze Welt auf sich. Und da zeigt er mir die Welt in ihrer ganzen Unruhe und Friedlosigkeit. Johannes sagt: Er ist es, der das Elend getragen hat, ertragen hat und es wegträgt!
Ich wundere mich, mit welch einer Kühnheit Jesus den Menschen das irdische Heil plötzlich versagt hat. Jesus konnte große Wunder tun. Er hat fünf Menschen gespeist. Dann kamen die Leute und sagten: Jesus macht das doch überall, es gibt doch so viele Hungrige. Und plötzlich zieht sich Jesus zurück. Warum will er das nicht mehr tun? Er kann es doch.
Das Thema der nächsten Predigt heißt: Bei ihm ist kein Ding unmöglich. Er will die Not der Welt an ihrer tiefsten Stelle heilen. Nicht, dass dein Glück darin besteht, dass dir alle Sorgen weggenommen sind. Oh, das ersehnen wir uns, und das ist Betrug!
Wie wird es sein, wenn ich einmal nicht mehr krank bin? Oh, das ist Betrug! Nicht, dass Jesus dir das nicht gönnen würde. In der Ewigkeit wird es kein Leid und kein Geschrei mehr geben. Aber er weiß: Dort kannst du nicht glücklich werden, wenn nicht das Erste geheilt ist in deinem Leben.
Unter der Krankheit, unter den Enttäuschungen mit Menschen, unter der wirtschaftlichen Not musst du eines wissen: Du musst eine Gewissheit haben. Ob du mit Gott versöhnt bist, ob du sein Kind bist.
Und das sagt mir dieses Lamm Gottes, das meine Sünde wegträgt, auf das ich Frieden habe, dass das Alte getragen ist. Im Evangelium stehen so große Zeugnisse, wie Menschen plötzlich in großer äußerer Not sagen: „Gott ist für mich, was kann jetzt noch gegen mich sein?“ Er hat seinen eingeborenen Sohn für mich dahingegeben. Wie sollte er mir nun nicht alles schenken, was Jesus ist?
Das war der Apostel Paulus, der seine Sünde auf Jesus geladen hat und der wusste: Ich darf jetzt seine Hand fassen und mich mit meinem Leben ganz fest an ihn binden.
Wir gehen davon aus, dass Johannes der Täufer bei diesem Hinweis sagt: Er ist es, der da ist. Suchst du ihn? Dann musst du dort suchen, wo er die Sünde der Welt wegträgt. Wo das Elend der Welt, das Leiden, die Vergänglichkeit und die ganze Not in ihrer tiefsten Stelle aufgenommen werden. Dort musst du suchen, dort musst du hingehen, dort findest du ihn.
Das Beispiel Hiobs: Glaubensgewissheit inmitten von Leid
Denk an einen Mann, der schon im Alten Testament etwas vom Geheimnis der Glaubensgewissheit geahnt hat: Hiob. Er verliert alle seine Kinder durch Katastrophen, seinen gesamten Besitz und nicht nur das – auch sein körperliches und äußeres Leben wird von einer schweren Krankheit gezeichnet. So sehr, dass ihn seine Hausgenossen ausstoßen und ihn zur unerträglichen Person erklären.
Und nun sitzt er da. Menschen kommen, um ihm Trost zu spenden. Sie versuchen, ihm Worte zu sagen – gute Worte. Machen wir es manchmal nicht ein wenig oberflächlich, wenn wir den Leuten sagen: „Kopf hoch, es wird schon wieder werden“, oder „Vielleicht wirst du doch wieder gesund und bald springst du wieder“? Ist das alles, was Christen anderen sagen können, die in der Welt leiden?
Hiob hat geschrien: „Ihr seid mir leidige Tröster, ihr fallet mir auf die Nerven mit eurem Reden.“ Doch dann ruft er aus: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Und als der Letzte wird er sie aus dem Staub erheben.“ Das ist der einzige Trost im Leben und im Sterben.
Diesen Trost will Jesus Ihnen heute geben: dass Sie durch all den Schutt und das Elend Ihres Lebens heute sich eine Gasse bahnen dürfen, auf der Sie zu ihm kommen.
Die Hoffnung trotz der Herausforderungen des Lebens
Wie wir nach Arosa hinaufgefahren sind zu unserer Sommerfreizeit, da gab es in der Nacht zuvor einen schweren Gewitterregen. Dieser führte in der Nähe zu einem Eisenbahnunglück. Die Straße war dadurch völlig zugeschüttet, und man musste warten, bis Baumaschinen den Weg wieder freigeräumt hatten.
Im Gebirge kommt es oft vor, dass Steinlawinen von den großen Bergen heruntergehen. Das ist nichts Besonderes, sondern gehört zu den Bergen dazu. Es gehört zum Wesen dieser vergänglichen Welt, dass all unsere große Freude an der Schönheit dieser Welt immer wieder durch solche Steinlawinen, durch die Todesmacht und durch Enttäuschungen zerbrochen wird.
Das Wichtige ist jedoch, dass die Straße immer wieder freigeräumt wird. So wie sie Jesus, ihren Herrn und Erlöser, vor sich sehen – ähnlich wie Hiob. Sie sagen: Ich habe ihn erkannt, er hat mein Leben getragen und meine Sünde gekannt. Auch wenn ich mich an dieses vergängliche Leben gehängt habe und ihm nicht vertraut habe, darf ich das jetzt von ihm annehmen und dankbar sein, dass er mich liebt.
In vielen Liedern wird dies groß ausgesprochen. Zum Schluss möchte ich Sie nur an ein Lied erinnern, das dies am kühnsten ausdrückt:
„Und wenn mir gleich mein Herz zerbricht,
und wenn jetzt mein Herz auch zerbricht,
wenn mein Leib und mein Leben draufgeht,
bist du doch meine Zuversicht.
Dich will ich haben, dich will ich fassen, Amen!“