Herr, du hast deine Gemeinde gebaut. Manchmal fällt es uns schwer, den anderen wahrzunehmen oder ihm Gemeinschaft zu schenken.
Vielen Dank für alles, was du uns an diesem Ort geschenkt hast. Für die Gemeinschaft und die Liebe, die wir von Menschen empfangen durften, die nicht mehr unter uns sind.
Lass es geschehen, dass wir Einheit finden. Vielen Dank, dass du uns Frieden schenkst und bewahrst.
Lass uns heute Abend verstehen, was dir wichtig ist. Amen.
Einführung: Die Bedeutung von Einheit in Jesu Gebet
Johannes 17, 20-23 – Einheit: Was meinte Jesus wirklich?
Vor einigen Wochen war ich in Bad Blankenburg in dem großen Saal, in dem die Allianzkonferenzen stattfinden. Dort fiel mir zum ersten Mal auf, dass das Wort Jesu dort nur verkürzt wiedergegeben ist. An der Wand steht: „Damit sie alle ein seien, damit die Welt glaube.“ Jesus hat jedoch etwas anderes gesagt. Wenn wir das Wort verkürzt zitieren, entstehen immer wieder Missverständnisse.
Gehen wir nun einfach den Bibeltext durch. Zuerst werde ich allgemein über Einheit sprechen und anschließend genauer auf das Bibelwort eingehen. Jesus sagt: „Ich bitte aber nicht allein für euch, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden.“ Es ist ganz klar, für wen Jesus bittet: für die, die noch zum Glauben kommen.
Dann folgt das Wort: „Damit sie alle ein seien.“ Dazwischen schiebt Jesus ein, welche Einheit er meint: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein.“ Erst danach kommt wieder das Ziel: „Damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“
Jesus fährt fort: „Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.“
Jeder Mensch ist anders. Zunächst denkt man: Warum denken die anderen nicht alle so wie ich? Doch dann merkt man, dass sie anders denken, an ihren Gedanken hängen und schwer zu überzeugen sind. Interessante Erlebnisse gibt es zum Beispiel bei Ehepaaren, wenn eine Krise ausbricht und sie merken, wie verschieden sie sind.
Es wäre schrecklich, wenn Ehepartner gleich wären. Meine Frau ist Frau, ich bin Mann – das ist der Reiz der Ehe: die Verschiedenheit. Diese Verschiedenheit zeigt sich im Denken, in Meinungen und Ansichten, die grundverschieden sein können. Verschiedenheit gehört zu unserer Welt. Eine Ehe, in der man nicht verschieden denkt und empfindet, ist langweilig.
Doch an dieser Verschiedenheit zerbricht die Welt oft. Viele Spannungen entstehen, weil wir verschieden denken. Eltern können nicht mehr mit ihren Kindern reden, und es bricht etwas auseinander. Das erleben wir auch in christlichen Kreisen, wo an verschiedenen Meinungen alles zerbricht.
In der Bibel wird das eindrücklich dargestellt: Die Menschheit beschloss, gemeinsam eine große Aktion zu starten – den Bau einer Stadt mit einem Turm, der bis an den Himmel reicht. Doch Gott richtete diese Aktion, indem er die Sprachen verwirrte. Die Menschen wollten sich einen Namen machen, doch die Verschiedenheit der Sprachen ließ sie zerbrechen.
Es ist interessant, dass wir mit Sprachen so schwer umgehen. Selbst wenn jemand in Zungen redet, muss er die Sprache der Menschen lernen, zu denen er missioniert. Die Sprachen bleiben ein Problem und sind ein Symbol dafür, dass wir an Verschiedenheit zerbrechen, solange diese Welt besteht.
Politiker haben immer wieder Visionen von einer multikulturellen Welt, vergessen aber, dass es oft zu Konflikten kommt. So ist es traurig, dass sich im Balkan verschiedene Volksgruppen so stark voneinander entfernen, dass sie kaum noch miteinander auskommen. Das ist eine menschliche Eigenart, eine Krankheit, die uns mitgegeben ist, nichts Positives. Es ist auch ein Gericht Gottes, dass wir in Europa an den Nationengrenzen Spannungen erleben.
Das kennen Sie aus Spanien oder England. Sagen Sie einem Schotten oder Waliser, er sei Engländer – das führt zu Streit. Sie sind vielleicht Briten, aber keine Engländer. Die Bedeutung von Nationen versteht man oft nicht. Uneinigkeit und Trennung gehören dazu, und wir müssen mit dieser Verschiedenartigkeit leben.
Auch als Christen haben wir diese Schwierigkeiten. Ich merke, dass Menschen aus anderen Völkern, Rassen oder Hautfarben oft Schwierigkeiten haben, sich in unserer Gemeinde einzuleben, weil unser kultureller Stil ihnen fremd ist. Das können wir nicht einfach ändern, damit müssen wir leben.
Wer das bestreitet, kennt das Problem nicht. In Amerika bilden sich Gemeinden, in denen Schwarze zusammenkommen, auch wenn man das nicht will, weil Menschen sich temperamentvoll zueinander hingezogen fühlen. In Berlin gibt es Stadtteile, in denen viele Türken wohnen – keine von der Stadtregierung erzwungene Ghettoisierung, sondern eine Selbstabgrenzung.
Auch in unseren Gruppen und Kreisen ist es so, dass jeder sich selbst sieht und seine eigene Sicht hat. Deshalb stellt sich die Frage: Wie können wir das überwinden? Wie kann Einheit überhaupt gelingen?
Die Einheitsbestrebungen sind groß. In der Bibel steht, dass es am Ende der Zeit eine große Macht geben wird, dargestellt im Bild einer Frau. Wenn man die Offenbarung richtig liest, bedeutet das Wort Babel nicht eine säkulare Weltmacht, sondern eine Religionsmacht, eine Kirche. Am Ende der Zeit wird es eine Welteinheitskirche geben, aber die Offenbarung sagt, dass es eine antichristliche Macht ist.
Auch die Geschichte zeigt das, etwa was das Papsttum versucht hat. Das Papsttum wollte in der christlichen Gemeinde das Führungsprinzip durch einen Elitemann an der Spitze einführen. Die Päpste waren oft große Geisteshelden mit herausragenden Sprach- und Denkfähigkeiten. Sie wollten die Kirche einen und hierarchisch von oben nach unten führen.
Sie wissen, wie schrecklich viele Versündigungen, Unrecht und sogar Mord durch diese teuflische Diktatur entstanden sind. Das betrifft nicht immer nur einzelne Päpste, sondern das System der hierarchischen Leitung. Viele träumen von einer Welteinheitskirche mit einer Pyramide, einer Integration, Vernetzung und straffen Führung – entweder durch ein Kollektiv oder eine Spitze, die den anderen sagt, wo es langgeht.
Die Reformation hat dagegen aus der Bibelerkenntnis gesagt, dass es nicht so sein darf. Wenn man die beiden Modelle vergleicht, steht gegen die spitze Pyramide eine Blütenwiese. Auf dieser Wiese blühen verschiedenste Blumen nebeneinander. Für ordnungsdenkende Menschen ist das eine grauenvolle Vorstellung. Aber wenn Gott Verschiedenartigkeit zulässt, warum nicht?
Warum muss alles gleich geordnet sein? Wenn wir verschiedene Menschen sind, dürfen es auch verschiedene Kirchen geben. Für viele verantwortliche Funktionäre, etwa in den evangelischen Kirchen, ist es undenkbar, dass jemand austritt und sich einer anderen Kirchengemeinschaft anschließt. Warum nicht?
Wenn wir verschieden sind und unterschiedliche Ansichten haben, trennt uns das doch nicht. Es wird nur schwierig, wenn sich jemand absolut setzt und sagt, nur unsere Gemeinde ist die allein selig machende. Das macht eine Gruppe zur Sekte. Aber bei unserer Verschiedenartigkeit ist das herrlich: Es gibt viel Nebeneinander.
Wenn man das entdeckt hat, sieht man, dass Gott, der diese Welt geschaffen hat – ich bin kein Biologe –, viele Arten geschaffen hat. Gott hätte auch nur einen Baum, eine Gras- und Blumensorte schaffen können, und es wäre eine schöne Welt gewesen. Aber er hat Artenvielfalt geschaffen. Warum soll das in seiner Gemeinde nicht auch so sein?
Dann kommt das Argument: Aber dann sind wir nicht eins. Warum nicht? Wir können in äußerer Verschiedenheit trotzdem die Einheit leben, die Jesus gemeint hat. Das ist eine wichtige Erkenntnis, weil sie uns von Machtdenken befreit, das heute überall vorhanden ist.
Ich leide darunter, wie viele heute in Strukturen denken und organisatorischen Bindungen, ohne zu sehen, dass die Einheitskirche in der Offenbarung eine schreckliche Gefahr birgt. Ich halte die Blütenwiese für wunderbar: Da gibt es Methodisten, Eidlinger, Apis, Hansche Gemeinschaften – eine ungeheure Vielfalt, solange sich keine Gruppe absolut setzt, wie Zeugen Jehovas oder Apostolische, die sich allein als wahre Gemeinde sehen.
In der evangelischen Allianz sagt man: Nein, wir geben uns frei, auch wenn ihr eine andere Tauferkenntnis habt. Über solche Fragen wollen wir nicht mehr streiten. In den wesentlichen Punkten unserer Christus-Erkenntnis und in evangelistischen, missionarischen Dingen sind wir eins und wollen zusammenarbeiten – bewusst ohne Struktur oder Organisation, weil das nicht nötig ist.
Jesus zeigt uns nirgends, dass wir Satzungen oder Strukturen brauchen, um Gemeinde zu bilden. Wie hat sich die Gemeinde Gottes gebildet? Gott rief Abraham, ohne Statuten oder Mitgliedschaften. Gott segnete Abraham, und aus ihm entstand eine Völkerfamilie. Gott ist der Herr, der seine Gemeinde baut.
Das Einende ist nicht die Struktur, sondern der wirkende Herr, der in allen wirkt. Das war auch die Erkenntnis der Gründerväter der evangelischen Allianz: Wir sind doch schon eins, weil Christus in unseren Gruppen wirkt, auch wenn wir es nicht gemerkt haben. Wir haben uns abgeschottet und die anderen als fremd angesehen, dabei wirkt Christus überall.
Das ist eine entdeckte Einheit, die uns verbindet. Ein gutes Bild dafür ist ein Orchester: Die Instrumente sind grundverschieden – Flöte, Kontrabass, Pauke, Posaune – doch sie spielen die gleichen Noten. Die Verschiedenartigkeit ist ein großer Reichtum der Gemeinde Jesu.
Wie in der Ehe, wo Gegensätze sich ergänzen, so ist es in der Gemeinde. Wenn der eine dem anderen herrschen will, ist die Gemeinschaft kaputt. Jesus sprach von Schwestern und Brüdern. Wichtig ist nicht Uniformität, sondern dass alle nach denselben Noten spielen – nach dem Wort Gottes.
Unser Lob soll erklingen, und der Dirigent kann nur Jesus Christus sein, von dem wir unsere Befehle empfangen und dem wir verantwortlich sind. Dann ist die Vielfalt wunderbar. Verschiedene Musikempfindungen zeigen sich schon in Gemeinden.
Früher bot ein Kirchenmusiker an, Konfirmanden Kirchenmusikunterricht zu geben. Wir sagten: Kommen Sie lieber nicht, es wird eine bittere Erfahrung. Man kann jungen Leuten kaum den Geschmack verändern. Es gibt viele Dinge, die wir nicht beeinflussen können.
So gibt es Verschiedenartigkeit, und wir können andere nicht erziehen oder verändern. Lasst uns diese Vielfalt entdecken und die Einheit begreifen, die Jesus meint.
Jesus betet in Johannes 17, dass seine Gemeinde eins sei. Nicht, dass alle einer Kirche beitreten und Mitgliedsbeiträge zahlen müssen – das steht nirgends in der Bibel. Jesus war die Einheit so wichtig, dass es ihn vor seinem Sterben noch bewegte.
Auch in der Passionsgeschichte heißt es, dass Jesus die zerstreuten Schafe zusammenbringt. Paulus kämpfte ebenfalls für die Einheit im Geist. Er sprach nie von Komitees oder Untergruppierungen, sondern überließ uns die Flexibilität, wie wir Dinge strukturieren.
Ihm war die Einheit im Geist wichtig. Wir sollen die Einigkeit durch das Band des Friedens halten, mit allen, die seinen Namen anrufen. Wir sollen den fernsten Christen suchen – jenseits von Volks- und Kirchengrenzen.
Zinzendorf suchte immer wieder die Nähe zu Juden, weil er zeigen wollte, wie eng er mit dem Volk der Verheißung verbunden war. Die Einheit gilt nicht nur unter Christen, sondern auch in Verbindung mit Israel, dem Volk Abrahams, Isaaks und Jakobs.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Unsere jungen Leute meinen oft, sie müssten ein neues Christentum für das dritte Jahrtausend erfinden. Das müssen sie nicht. Wir sollen mit den Aposteln und Propheten einig sein. Unser Evangelium darf nicht anders sein als das der Väter.
Gerhard Meyer betont in seinem Johanniskommentar, dass Einheit nicht nur unter den Lebenden gilt, sondern auch mit denen, die vor uns gelebt haben. Das ist mir seit Kindertagen wichtig. Ich möchte in der Spur bewährter Frauen und Männer leben, von ihnen lernen, auch wenn die Sprache anders ist.
Ich will die Offenbarung Gottes verstehen, die ihnen wichtig war, und mit ihnen eins sein – sogar mit den Vätern der alten Kirche wie Augustinus, Athanasius und Thomas von Aquin. Diese Einheit will ich bewahren.
Jesus zeigt, wie diese Einheit aussehen muss: Sie soll so sein, wie sie zwischen ihm und dem Vater besteht – „wie du in mir bist und ich in dir.“ So sollen wir Jesus in unserem Leben Raum geben. Das ist die Einheit, die Jesus meint.
Wenn wir diese Einheit in unserer Stadt hätten, würde ich mich freuen, Menschen zu finden, die sagen: „Jesus, erfülle mein Leben.“ Dann stört es mich nicht, wenn sie in einigen Punkten anders denken – politisch, gesellschaftlich oder kulturell.
Was mich fasziniert, sind Menschen, die ihre Hände ausstrecken und sagen: „Christus, komm, ich will dein Wort gehorchen und dir mit meinem Leben dienen.“ Christus soll in uns sein, damit wir eins sind.
Eine Einheit, die nicht in dieser Tiefe wurzelt, ist keine echte Einheit. Es ist schön, wenn es Spannungen gibt – in Ehen, Gremien oder Jugendwerken – solange wir uns wiederfinden in dem einen Punkt: Wir dienen Jesus. Jesus allein ist Herr unseres Lebens.
Ich wehre mich gegen Uniformierung und Einförmigkeit. Ich wehre mich dagegen, alles glatt zu schneiden und zu sagen, es muss alles so sein. Wir brauchen das Reden miteinander, um in Fragen Einigung zu finden.
Man kann nicht immer sagen, wir müssen alle einverstanden sein. Manchmal haben wir auch verbohrte Ansichten. Aber wir müssen sehen, wo uns der Herr leitet und was wir tun können.
Es ist schön, wenn man zurückdenkt, wie 1978/79 in diesem Saal über Hilfe für Brüder gesprochen wurde. Plötzlich war klar, was zu tun ist, und zwei Jahre später gab es eine Satzung. Das geschah nicht übers Knie gebrochen, sondern weil Christus uns gemeinsam zu einer Aufgabe führte.
Diese Einigkeit ist wunderbar. Paulus kämpfte für die Einheit im Geist. Das bedeutet: Durch den Heiligen Geist ist Christus in unserem Leben präsent.
Wenn jemand nicht das Kind Gottes ist, also keine Neugeburt erlebt hat, ist es schwierig, mit ihm über Einheit zu sprechen. Aber in Vers 21 steht: Die Einheit ist wie die zwischen Vater und Christus.
So sollen wir Christus in unserem Leben wirken lassen. Dadurch kommt die Welt zum Glauben – nicht durch die Einheit an sich.
Meine Mutter erzählte, wie die SA marschierte oder wie die siegreiche Armee vom Frankreichfeldzug durch die Straßen zog. Das ist nicht Gemeinde Jesu, sondern Diktaturen der Welt.
Bei uns gibt es eine große Verschiedenartigkeit. Ich finde es immer wieder einen großen Reichtum, dass wir nie auf eine Führergestalt angewiesen sind. Gott ist selbst der Führer und Herr.
Er kann seine Personen leicht auswechseln, wenn die Gemeinschaft einig ist und Christus sucht, über alle Trennungen hinweg. Die Heilsarmee hat einen kühnen Schritt getan: Sie feiern kein Abendmahl und keine Taufe, weil sie sagen, das führt nur zu Streit.
Das ist eine bittere Erfahrung, obwohl es ein Gebot Jesu war. Sie wollen Menschen bekehren und zu Jesus führen, ohne sich an Tauf- oder Abendmahlsdiskussionen aufzuhalten.
Ich habe große Liebe zu diesen Leuten, weil sie Christus in ihrem Leben wirken lassen. Bei einem Krankenbesuch war eine Frau von der Heilsarmee bei einer Patientin unserer Gemeinde im Zimmer. Da waren wir sofort verbunden in der Einheit des Geistes.
Ich bin froh, wenn diese Christusbezogenheit sichtbar wird, denn sie führt die Welt zum Glauben – nicht straffe Kirchenorganisationen. Die Welt hat nie den Eindruck von Einheit durch Organisation bekommen.
In Gemeinden gibt es oft Streit, selbst bei zwei Pfarrern in einer Gemeinde. Das ist menschliche Eigenart. Deshalb ist es wichtig, Arbeitsweisen zu finden, in denen Kräfte sich frei entwickeln können, aber die Christusgemeinschaft sichtbar wird.
Jesus hat dafür gebetet. Im Johannes-, Petrus- und Epheserbrief wird die Einheit betont – immer die Einheit im Geist. Es gab nie eine andere echte Einheit. Wo sie gegeben war, war sie von Anfang an eine Diktatur.
Denken Sie an die Verfolgung der Waldenser oder Johannes Hus, der verbrannt wurde, weil er das Evangelium brachte. Organisationen entfernen sich oft von der Einheit.
Wir müssen in Organisationen leben, denn ohne Organisation können wir nicht arbeiten. Ich bewundere Gruppen wie den Brüderverein, der keine Mitgliedschaft hat. Das ist sicher ideal, aber in unserer Welt brauchen wir oft Strukturen.
Wir wissen, dass selbst kleine Vereine wie Bienenzüchter oder Kaninchenvereine Strukturen brauchen, um sich zu organisieren. Christus war aber nie an Organisationen interessiert.
Ein Missverständnis ist, dass die Kirchenspaltung durch die Reformation kam. Das stimmt nicht. Im dritten Jahrhundert spalteten sich schon die Kopten ab. Die Syrer und andere Kirchen im Nahen Osten sind ebenfalls früh entstanden.
Die große Kirchenspaltung 1050 brachte die orthodoxe Kirche hervor. Diese Spannung besteht bis heute. Der Papst hat sie nicht zurückgerufen. Die orthodoxen Kirchen entfernen sich gerade vom ökumenischen Weltrat der Kirchen aus theologischen Gründen.
Eine Einheit durch Organisation ist ein wahnsinniges Unterfangen. Am Ende der Zeit wird sie gelingen, aber als antichristliches Instrument. Für uns kann das keine Bedeutung haben.
Wichtig ist die geistliche Einheit, von der Jesus spricht. Auf ökumenischen Konferenzen war oft der Geist der evangelischen Allianz spürbar – ein freier Geist.
1910 in Edinburgh wurden die Schwierigkeiten auf Missionsfeldern diskutiert. Es ist schlimm, wenn Christen einander die Schafe stehlen. Das ist eine schlimme Sache in der Weltchristenheit.
Viele Gemeindeneugründungen basieren auf Schafestählen. Das sind oft keine Kirchenfremden, und darauf kann kein Segen liegen.
In den Konferenzen, wenn Spannungen aufbrechen und Christen sich schlimmer bekämpfen als Ungläubige, gibt es oft den Ruf von Deed He Niles: „Don't look on us, look on him.“ Blickt nicht auf euch, sondern auf Jesus. Das ist der Grund, um weiterzukommen.
Es ist heute Abend ein lehrhafter Punkt, den ich wichtig finde. Diese Einheit bringt eine feste Bindung an die Schwestern und Brüder, weil sie aus der Tiefe der Jesusverbundenheit kommt – nicht aus organisatorischer Bindung.
Ich sage von Herzen: Ja, ich bin gerne in dieser Kirche, auch in der württembergischen Landeskirche, weil sie mir diesen Raum gibt. Es gibt wenige Freikirchen, wo man so etwas sagen dürfte.
Das darf ich in der evangelischen Kirche, wenn sie auf das Evangelium gegründet ist. Dann bin ich froh und gern dabei, auch wenn viele anders denken.
Die gültige Lehre unserer Kirche bleibt: Wir glauben nicht an Organisationen, sondern an die eine christliche Kirche – nicht die württembergische, sondern die eine Jesusgemeinde.
Diese wird einmal im Himmel sichtbar werden, aus verschiedenen Nationen, Völkern und Gruppen, die sich dort treffen. Wir haben keine allein selig machende Kirche, sondern die Gliedschaft am Leib Christi ist wichtig.
Diese sollen wir suchen und uns um sie bemühen. Wir sollten uns fragen: Wie können wir Jesus am besten ehren? Dabei müssen wir auch Prioritäten setzen und Distanz wahren, wenn andere sehr viel Wert auf formelle Dinge legen.
Wir wollen, dass Jesus geehrt wird und dass immer mehr Licht Jesu unser Leben durchdringt. Das ist der beste Beitrag, den wir leisten können, damit sich die Jesusgemeinde findet.
Es ist herrlich, wenn Menschen sich treffen und begegnen. Vor vielen Jahren war ich mit Freunden in der Schweiz. Ein Mann kam auf uns zu, gab uns ein Traktat und gehörte zu einer kleinen Splittergruppe.
Wir sprachen miteinander und freuten uns, dass wir Jesus gehört hatten. Das war das Wichtigste. Leider gibt es in kleinen Gruppen oft Leute, die mit größerer Feurigkeit als der Papst in Rom auf ihre Organisation pochen.
Das ist sektiererisch. Viele Menschen werden dort unter ungeistlichen Zwängen gehalten. Wenn man sagt, du bist ein Kind der Hölle, wenn du in eine bestimmte Bibelstunde gehst, ist das nicht christlich.
Ich habe Sie nie abgeworben oder gebeten, zu mir zu kommen. Sie gehören zum Leib Christi, und das ist wichtig. Menschliche Bindungen sind wichtig, aber sie ersetzen nicht die Gliedschaft am Leib Christi.
Wir wollen heute keinen Konzern bilden, auch keinen evangelikalen Konzern, der uns zusammenhält. Der Herr wird uns zusammenführen, aber er kann uns auch wieder zerbrechen.
Im Moment habe ich den Eindruck, dass wir bei bibeltreuen Leuten kaum mehr Einigkeit haben, um einen Gemeindetag zu machen. Charismatische Fragen sind plötzlich wichtig geworden: Redest du in Zungen? Kannst du mitreden?
Es gibt viele Dinge, die Blödsinn sind. Wo steht das in der Schrift? Hast du Visionen, was kommt? Wichtig ist, dass wir Jesus lieben und dass in unserem Volk das Evangelium verkündigt wird.
Jesus war es in Leiden und Sterben wichtig, die zerstreuten Schafe zusammenzubringen. Das ist mir auch für unsere Stadt wichtig. Wir wollen Zeichen setzen und dabei sein, wenn es gemeinsam getan wird – als Zeugnis für die ganze Stadt.
Damit die Welt glaube, dass Christus durch uns verherrlicht wird. Das ist auch ein schönes Grüßen und Wissen um Verbundenheit. Es stört uns nie, wenn sich eine Gruppe trifft und Gott gelobt.
Es ist nicht so, dass nur eine Gruppe allein Recht hat. Der Herr kann hier und dort segnen. Es kann sein, dass eine Gruppe mehr gesegnet wird. Da muss ich nicht neidisch sein.
Zinzendorf sagte einmal in einem Lied, dass ich nicht neidisch blicken soll, wenn anderen Gnade widerfährt. Das steht im alten Gesangbuch und ist wichtig.
Manche machen Hauskreise, in denen die Zahl zurückgeht, andere wachsen. Wir sollten nicht auf Lob angewiesen sein, sondern in der Spur bleiben, beim Herrn.
Wir wollen keinen babylonischen Turm bauen. Das ist nie gelungen. Der Herr baut seine Gemeinde in allen Nationen und Völkern.
Zum Schluss noch ein Wort zur Spaltung: Oft wird Spaltung als schlimm angesehen. Aber es gab viele heilsame Spaltungen, etwa als William Booth aus der Methodistenkirche austrat.
Man wollte ihm verbieten, seine Arbeit weiterzuführen, und forderte Unterwerfung unter die Kirchenleitung. Susanne Catherine stand auf, trampelte und verließ die Synode. William Booth folgte ihr.
Das war eine tolle Frau, und die Methodistenkirche war zu klein für so einen genialen Straßenmissionar mit Liebe zu den Verlorenen.
Bei Missionen gibt es die Gefahr, dass jede Mark nur für die eigene Organisation gegeben wird. Große Missionen entstanden oft, weil bestehende Missionen das Herz nicht hatten.
William Carey, der große Indienmissionar, wurde von der Leitung der Baptistenkirche als Schwärmer abgetan. Er gründete seine eigene Mission, und Gott bestätigte sie.
Das zeigt, dass neue Werke oft aus Notwendigkeit entstehen, nicht aus Machtstreben. Auch in Hauskreisen gibt es manchmal Ehrenfragen, die zu Spaltungen führen.
Wir sollten prüfen, ob Spaltungen aus echten geistlichen Gründen entstanden sind. Oft waren sie heilsam, weil die alte Organisation nicht mehr tragen konnte.
So war es auch bei den Pietisten: Altpietisten und Neupietisten gingen nebeneinander, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber beide Wege Gottes.
Wir müssen ein weites Herz haben und fragen: Was dient der Gemeinde Jesu? Wie bewahren wir die Einheit im Geist?
Es ist schön, wenn wir uns zusammensetzen, beten und trotz Verschiedenheit Gemeinschaft suchen. Ich habe über Jahre mit einem charismatischen Leiter in Stuttgart wöchentlich eine Stunde gebetet, obwohl wir in vielen Dingen verschieden waren.
Er glaubte, Tote auferwecken zu können, ich hielt das für Schwärmerei. Doch wir waren in Jesus eins. Es ist schön, Brücken zu bauen und Bindungen zu leben.
Im Diakonischen Krankenhaus gab es einen adventistischen Oberarzt, mit dem man sich herrlich verstand, trotz unterschiedlicher Überzeugungen. Die Jesusliebe verband uns.
Es ist herrlich, diese Verbindung in der Jesus-Einheit zu suchen.
Jetzt ist es spät geworden. Wir singen noch „Herz und Herz vereint zusammen“ – das Zinzendorf-Lied.
Die biblische Perspektive auf Zerstreuung und Spaltung
In der Bibel wird oft eindrucksvoll dargestellt, wie die Menschheit in den ersten Jahrhunderten spürte, dass sie auseinanderzubrechen droht. Daraufhin beschlossen die Menschen, gemeinsam eine große Aktion zu starten. Es ist immer beeindruckend, wenn alle zusammen an einem Projekt arbeiten, das sie eint.
Die Idee war, eine Stadt zu bauen, deren Turm bis an den Himmel reicht. Dieses Vorhaben war ein großes Unternehmen. Doch Gott richtete diese Aktion, indem er über diese Tat des Zusammenwirkens sprach: Die Menschen wollten sich einen Namen machen. Gerade deshalb ließ Gott die Menschheit an etwas zerbrechen, das man sonst kaum versteht – an den Sprachen.
Es ist bemerkenswert, wie schwer uns die verschiedenen Sprachen fallen. Dieses Problem lässt sich nicht einfach überwinden. Selbst wenn jemand in Zungen redet und charismatisch ist, muss er die Sprache der Indianer lernen, wenn er dort als Missionar tätig sein will. Die Sprachen bleiben eine Herausforderung, weil wir unterschiedliche Sprachen sprechen.
Dieses Sprachproblem ist ein Symbol dafür, dass wir in dieser Welt, solange sie besteht, an dieser Verschiedenheit zerbrechen. Unsere Politiker haben immer wieder große Visionen, zum Beispiel von einer multikulturellen Welt. Dabei vergessen sie jedoch, dass es oft so verläuft, dass eine Nation sich erhebt und eine andere zurückgedrängt wird.
Ein trauriges Beispiel dafür ist der Balkan. Dort ist es so, dass die verschiedenen Volksgruppen sich in einer Weise gegenüberstehen, dass sie in den nächsten 200 Jahren kaum noch miteinander zu Tisch sitzen können. Das ist eine traurige Eigenart der Menschheit, eine Krankheit, die uns mitgegeben ist und nichts Positives darstellt.
Diese Verschiedenheit ist Teil dieser Welt und auch ein Gericht Gottes. So erleben wir Menschen auch in Europa immer wieder Spannung an den Nationengrenzen. Das sieht man etwa in Spanien oder in England. Selbst innerhalb einzelner Nationen gibt es große Unterschiede: Wenn man einem Schotten oder einem Bewohner von Wales sagt, er sei Engländer, reagiert er sehr heftig. Er ist vielleicht Brite, aber kein Engländer. Das zeigt, wie wichtig Nationen für die Menschen sind – etwas, das oft nicht verstanden wird.
Uneinigkeit und Trennung gehören also dazu. Wir müssen lernen, mit dieser Verschiedenartigkeit zu leben.
Verschiedenheit in der christlichen Gemeinde
Wenn wir als Christen zusammenkommen, haben wir genauso Anteil an diesen Schwierigkeiten. Ich stelle immer wieder fest, dass zum Beispiel Menschen aus anderen Völkern, aber auch aus unterschiedlichen Rassen oder mit verschiedenen Hautfarben große Schwierigkeiten haben, sich in unserer Gemeinde einzuleben. Das liegt daran, dass wir einfach einen kulturellen Stil pflegen, der ihnen sehr fremd ist.
Das können wir nicht einfach ändern, damit müssen wir leben. Wer meint, das sei nicht so, der sollte bedenken, dass dieses Problem auch in Amerika existiert. Dort bilden sich Gemeinden, in denen Schwarze zusammenkommen, auch wenn man das eigentlich nicht will. Menschen fühlen sich aufgrund ihres Temperaments und ihrer Empfindungen zueinander hingezogen.
Warum gibt es in Berlin ganze Stadtteile, in denen überwiegend Türken wohnen? Das ist keine Gettosierung durch die Stadtregierung, sondern ein Ausdruck dessen, dass sich Menschen von anderen absetzen. Ähnlich ist es in unseren Gruppen und Kreisen, wenn wir zusammenkommen. Es ist automatisch so, dass jeder sich selbst sieht und seine eigene Sichtweise hat.
Daher stellt sich die Frage: Wie kann man das überwinden? Und wie kann man das überhaupt erreichen?
Die Gefahr einer antichristlichen Welteinheitskirche
Die Einheitsbestrebungen sind groß. Es ist wichtig, dass in der Bibel steht, dass es am Ende der Zeit eine große Macht geben wird. Diese wird im Bild einer Frau dargestellt. Wenn man die Offenbarung richtig liest, erfährt man, was das Wort Babel bedeutet. Babel ist nicht eine säkulare Weltmacht, sondern eine Religionsmacht, eine Kirche.
Am Ende der Zeit wird es eine Welteinheitskirche geben. Doch die Offenbarung sagt, dass diese eine antichristliche Macht ist. Das sollte immer wieder zum Nachdenken anregen. Auch die Geschichte zeigt uns einiges, etwa was das Papsttum versucht hat.
Das Papsttum hat versucht, in der christlichen Gemeinde ein Führungsprinzip durch eine einzelne Führungsperson an der Spitze einzuführen. Dabei handelte es sich oft um herausragende Persönlichkeiten. Die Päpste waren immer wieder große Geisteshelden, wenn man bedenkt, welche Sprachqualitäten und welches philosophische Denken sie mitbrachten, um die Kirche zu einen und nach einem hierarchischen Prinzip von oben nach unten zu organisieren.
Sie wissen, wie furchtbar und schrecklich diese Struktur in der Kirche zu Versündigungen, Unrecht und sogar Mord und Tod geführt hat. Diese teuflische Diktatur trifft nicht immer nur den Mann an der Spitze. Vielleicht kann man das bei Gregor VII. oder manchen Renaissancepäpsten so sagen, aber allgemein gilt das nicht. Ich glaube, dass viele von ihnen sicher sehr ehrenwerte Christen waren.
Das System der hierarchischen Leitung, das vielen Menschen immer noch vorschwebt, wäre es wirklich toll, wenn man sich das wie eine Pyramide vorstellt, in der alle integriert werden. Wenn man mit Menschen spricht, hört man immer wieder, dass dies der Traum der Welteinheitskirche ist.
Ich habe den Eindruck, dass unsere Zeit sehr an diesem Bild arbeitet. Die Ökumene hatte sicher immer wieder das Ziel, eine solche Pyramide, eine Integration, Vernetzung und eine straffe Führung zu schaffen. Ob dies dann durch ein Kollektiv, einen Führungszirkel oder eine einzelne Spitze geschieht, die den anderen sagt, wo es langgeht, bleibt offen. Klar ist nur, dass es eine Spitze geben soll, die das Kommando übernimmt.
Unterschiedliche Modelle von Einheit: Pyramide versus Blütenwiese
Sie wissen, dass die Reformation aus der Bibelerkenntnis hervorgegangen ist und gesagt hat: So darf es nicht sein. Wenn man die beiden Modelle gegenüberstellt, steht der Pyramide mit der Spitze und der Hierarchie an der Spitze in der Reformation eine Blütenwiese gegenüber.
Auf dieser Wiese blühen die verschiedensten Blumen nebeneinander, jede so, wie sie will. Das ist für einen ordnungsdenkenden Menschen natürlich eine grauenvolle Sache. Wie soll das denn gehen? Warum eigentlich nicht? Wenn Gott Verschiedenartigkeit zulässt, warum dann nicht auch in der Kirche? Warum muss alles gleich geordnet sein?
Wenn wir verschiedene Menschen sind, darf es doch verschiedene Kirchen geben. Wenn ich so etwas ausspreche, muss man sich bewusst machen, dass es für viele verantwortliche Funktionäre, etwa auch in unseren evangelischen Kirchen, ein undenkbarer Gedanke ist, dass jemand austritt und sich einer anderen Kirchengemeinschaft anschließt. Warum denn nicht? Wenn wir verschiedene Menschen sind und unterschiedliche Ansichten zu verschiedenen Fragen haben, warum soll das nicht möglich sein? Es trennt uns doch nicht.
Schwierig wird es nur, wenn sich jemand absolut setzt und sagt: Nur unsere Gemeinde ist die allein selig machende. Das Wort „allein selig machend“ macht eine Gruppe zur Sekte – nur unsere Mitgliedschaft führt in den Himmel. Aber bei unserer Verschiedenartigkeit ist das doch herrlich. Da gibt es unheimlich viel nebeneinander.
Wenn man das einmal entdeckt hat: Der Gott, der diese Welt geschaffen hat – ich bin jetzt kein Biologe – wie viele Arten es überhaupt in der Schöpfung gibt. Gott hätte sagen können, es gibt nur Kastanien, Pappeln und Apfelbäume, und das war’s. Oder er hätte gesagt, es gibt nur einen Baum, eine Grasart und eine Blumensorte. Es wäre trotzdem sicher eine schöne Welt gewesen, wenn Gott sie so geschaffen hätte. Aber Gott hat eine Artenvielfalt geschaffen.
Warum soll das in seiner Gemeinde nicht auch so sein? Dann kommt oft das Argument: „Aber dann sind wir nicht eins.“ Warum nicht? Wir können in äußerer Verschiedenheit trotzdem die Einigkeit leben, die Jesus gemeint hat. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis, weil sie uns von einem Machtdenken befreit, das heute überall vorhanden ist.
Ich leide darunter, wie viele heute in Strukturen denken, in organisatorischen Bindungen, und nicht gesehen haben, dass in der Zukunftsvision des Johannes, in der Offenbarung, gerade die Einheitskirche eine schreckliche Gefahr in sich trägt.
Ich halte das Bild mit der Blütenwiese für ganz wunderbar. Da gibt es alles Mögliche: da unten sind die Methodisten, da unten sind die Eidlinger, da unten die Apis, da unten die Hansche Gemeinschaft – so wunderbar eine ungeheure Vielfalt. Vorausgesetzt, eine Gruppe setzt sich nicht absolut, wie etwa die Zeugen Jehovas mit ihrem Anspruch „wir allein“.
Das ist ja interessant: Die Apostolischen haben immer noch den Anspruch, die allein wahre Gemeinde zu sein, während in der evangelischen Allianz gesagt wird: Nein, wir geben uns frei. Auch wenn ihr eine andere Tauferkenntnis habt, über diese Fragen wollen wir nicht mehr streiten. Wir sind in den wesentlichen Punkten unserer Christus-Erkenntnis und in evangelistischen, missionarischen Dingen eins und wollen zusammenarbeiten.
Ganz bewusst verzichten wir darauf, eine Struktur oder Organisation zu bilden, weil das nicht nötig ist.
Die Gemeinde als lebendiger Organismus, nicht als Organisation
Wir finden bei Jesus nirgends den Versuch, eine Satzung zu erstellen oder eine Struktur zu schaffen. Sonst hätte er uns wesentliche Dinge gezeigt, die dafür nötig sind, um eine solche Gemeinde zu bilden.
Wie hat sich denn dann die Gemeinde Gottes gebildet? Wenn wir noch einmal davon ausgehen und den biblischen Zusammenhang betrachten, wie hat Gott sein Volk Israel aufgebaut? Er hat einen Mann gerufen, Abraham. Dabei wurden keine Statuten aufgestellt und keine Mitgliedschaften geregelt. Gott sagte einfach: „Ich will dich segnen.“
Der wirkende Gott stellt sich in das Leben eines Mannes und einer Frau, nämlich Abraham und Sarah, und sagt: „Durch dich will ich alle Menschen segnen.“ Aus Abraham wird ein Isaak, dann ein Jakob, und daraus entsteht eine Völkerfamilie. Es ist immer der Gott und Herr selbst, der seine Gemeinde baut.
Das Einende ist also nicht die Struktur oder ein äußeres Kennzeichen, sondern der wirkende Herr, der in allen sein Werk tut.
Diese Erkenntnis führte einst zur Gründung der Evangelischen Allianz. Die Gründerväter sagten damals: „Wir sind doch schon eins, weil Christus schon lange in unseren Gruppen wirkt. Nur haben wir es nicht gemerkt, wir haben uns abgeschottet und die anderen als fremd angesehen. Dabei ist Christus dort schon tätig, bei uns schon tätig und auch dort drüben. Wir sind doch schon eins im Beten, im Reden mit ihm. Lasst uns das doch miteinander praktizieren als eine entdeckte Einheit, die da ist und die uns verbindet.“
Einheit als Vielfalt im Orchester der Gemeinde
Es ist ein gutes Beispiel, wenn man es neben der Blütenwiese noch mit einem anderen Bild vergleichen möchte: etwa mit einem Orchester. Das ist immer wieder schön und eindrücklich.
Die Instrumente eines Symphonieorchesters sind grundverschieden. Eine Flöte ist kein Kontrabass, jedes Instrument ist einzigartig. Eine Pauke ist völlig anders als eine Posaune. Wir dürfen Verschiedenheit haben. Das ist der Reichtum der Gemeinde Jesu, die Verschiedenartigkeit. Diese Vielfalt ist ein großer Schatz.
So wie ich sage, dass es in der Ehe ganz wunderbar ist, wenn Gegensätze heiraten. Wenn ich es jedoch mit der nötigen Sorgfalt betrachte und sage: „Meine Frau gehorcht mir nie“ oder „Mein Mann gehorcht mir nie“, dann ist die Ehe natürlich kaputt. Das ist keine Gemeinschaft, die Gott gemeint hat. Dort, wo der eine über den anderen herrschen will, kann keine echte Gemeinschaft entstehen.
Das gilt auch für die Gemeinde Jesu. Jesus sprach von Schwestern und Brüdern, die wir sein sollen. Beim Sinfonieorchester ist nicht die Uniformität wichtig, dass alle das gleiche Instrument haben, sondern dass sie die gleichen Noten spielen. Nur so wird es harmonisch.
Was sind die Noten? Es ist das Wort Gottes. Nach diesem Wort kann unser Lob erklingen. Der Dirigent kann nur Jesus Christus sein, von dem wir unsere Befehle empfangen und dem wir verantwortlich sind.
Wenn wir das tun, ist es wunderbar, dass es eine Vielfalt und einen großen Reichtum aus den verschiedenen Völkern gibt. Das fängt schon bei den unterschiedlichen Musikempfindungen an.
Ihr habt das nie ganz begreifen können. Früher hat ein Kirchenmusiker angeboten, zu meinen Konfirmanden zu kommen und sie im Kirchenmusikunterricht zu unterrichten. Wir haben gesagt: „Kommen Sie lieber nicht, es wird eine bittere Erfahrung.“ Man kann so wenig jungen Leuten ihren Geschmack verändern. Da muss man froh sein, wenn man noch ein bisschen Trittbrett fahren und ein wenig beeinflussen kann.
Das ist immer die Idee, als könnte man den Leuten etwas antrainieren. Aber das kann man nicht.
Ich habe in diesen Tagen gelesen, dass das Lied „Macht hoch die Tür“ lange Zeit nicht gesungen wurde. Erst 1704 kam die Melodie dazu, und auf einmal wurde das Lied gesungen – heute ist es ein großer Renner.
Das sind manchmal Dinge, die ich nicht verstehe: Warum läuft das so? In musikalischen und geschmacklichen Fragen gibt es viele Dinge, die wir nicht beeinflussen können.
Deshalb gibt es hier Verschiedenartigkeit, und ich kann den anderen nicht erziehen oder verändern. Lasst uns diese Vielfalt entdecken, aber auch die Einheit begreifen, auf die es ankommt und von der Jesus spricht.
Die geistliche Einheit als Kern der Gemeinde
Zunächst beginnt es in Vers 20 damit, dass Jesus für seine Jünger betet. Im gesamten Kapitel wird deutlich, wie wichtig ihm das war. Er tritt beim Vater für sie ein. Für Jesus hat das eine ganz besondere Bedeutung: die Einheit seiner Gemeinde.
In welchem Sinn diese Einheit gemeint ist, werden wir noch sehen. Auf jeden Fall bedeutet es nicht, dass alle unserer Kirche beitreten und Mitgliedsbeiträge zahlen müssen. Das steht nirgendwo in der Bibel. Punkt, genug dazu.
Aber Jesus war es wichtig, dass wir eins sind. Diese Einheit, die ihr meint, war Jesus so wichtig, dass sie ihn vor seinem Sterben noch bewegte. Wir finden das nicht nur in seinen Worten. In der Passionsgeschichte heißt es, dass Jesus die zerstreuten Schafe zusammenbringt.
Es war Jesus sogar in seinem Sterben noch wichtig, eine große Einheit zu schaffen – aller seiner Kinder, aller seiner Schafe, die dem Hirten folgen.
Auch bei Paulus finden wir dieses Anliegen. Ich weiß nicht, ob Sie alle Stellen einmal nachschlagen möchten. In jedem seiner Briefe finden Sie vielfach, wie Paulus um die Einigkeit gerungen hat. Dabei sagt er immer wieder: im Geist.
Wenn er „im Geist“ sagt, meint er gerade nicht auf dem Papier oder durch Strukturen oder Organisation. Paulus hat nie davon gesprochen, dass man zuerst ein Komitee bilden oder Untergruppierungen schaffen müsse. Das hat er uns überlassen.
Es ist nicht schlecht, dass wir das tun; wir brauchen das in unserer Welt. Aber Paulus hat es unserer Flexibilität und Fantasie überlassen, wie wir Dinge strukturieren. Es gibt eine große Vielfalt.
Ihm war die Einheit wichtig – die Einheit im Geist. Wir sollten die Einigkeit durch das Band des Friedens halten, mit allen, die seinen Namen anrufen.
Es muss uns drängen, auch den fernsten Christen zu suchen. Das heißt jetzt: jenseits der Volksgrenzen und auch jenseits unserer Kirchengrenzen sollen wir ihn suchen.
Einheit mit der Geschichte und den Vätern des Glaubens
Wenn man die Biografie von Zinzendorf liest, ist es sehr eindrücklich, wie er immer wieder die Nähe zu Juden gesucht hat. Das war für ihn von großer Bedeutung. Auf der Rückfahrt mit einem kleinen Segelschiff hatte er am Schluss einen Kabinenplatz, während er selbst auf dem Boden schlief. Die Dacostas ließ er in seiner Hängematte schlafen, weil sie Juden waren. Damit wollte er ihnen zeigen, wie eng er mit dem Volk der Juden verbunden ist – um Gottes Willen und wegen der Verheißung des Wortes Gottes.
Das ist sehr wichtig. Die Einigkeit gilt nicht nur unter Christen. Paulus sagt ja, dass wir in diesen Ölbaum eingepfropft sind, der Israel ist. Mit diesem Volk verbindet uns etwas, was uns mit keinem anderen Volk auf der Welt verbindet, denn es sind die Kinder Abrahams, Isaaks und Jakobs. Es ist also eine Einheit, die wir unter dem Gottesvolk in großer Liebe und Güte suchen. Die Kapitel Römer 9 bis 11, die davon handeln, wie wir mit Israel zusammengehören, gehören ebenfalls zur Einigkeit dazu.
Einen weiteren wichtigen Punkt zur Einigkeit möchte ich gleich voranstellen: Unsere jungen Leute heute haben oft den Eindruck, sie müssten ein neues Christentum für unser drittes Jahrtausend erfinden. Das ist aber nicht nötig. Müssen wir nicht mit den Aposteln und Propheten einig sein? Kann unser Evangelium ein anderes sein als das Evangelium der Väter? Es geht doch um Einheit.
Gerhard Meyer betont das in seinem Johanniskommentar sehr schön: Die Einheit gilt nicht nur unter den Lebenden, sondern wir sollen auch die Einheit mit denen suchen, die vor uns gelebt haben. Das ist mir seit Kindertagen ganz wichtig. Ich suche immer wieder in Biografien nach diesem Zusammenhang. Ich möchte in der Spur dieser bewährten Frauen und Männer leben. Ich will nichts anderes als das, was sie damals in ihrer Zeit gelebt haben – sei es in der Erweckungsbewegung oder in der Reformation.
Ich will von ihnen lernen. Das mag sich sprachlich etwas unterscheiden, aber ich kann dennoch hören, was sie sagen. Ich möchte die Sache begreifen, die ihnen wichtig war. Wenn sie ein Stück der Offenbarung Gottes verstanden haben, will ich auch davon lernen. Ich will nichts Neues erfinden. Ich möchte in der Tradition bleiben und mit ihnen eins sein – sogar mit den Vätern der alten Kirche, mit Augustinus, Athanasius und Thomas von Aquin. Das ist für mich sehr wichtig, und ich lese das gerne. Das waren von Gott gesegnete Menschen. Sie waren in ihrer Zeit nicht einfach fertig, sondern haben auch heute noch viel zu sagen.
Die Einheit Jesu mit dem Vater als Vorbild für die Gemeinde
Die Einheit, damit sie alle eins sind. Jesus zeigt nun, wie diese Einheit aussehen muss. Er meint eine Einheit, wie sie zwischen ihm und dem himmlischen Vater besteht, wie du in mir und ich in dir. Es ist die Wirkungsweise, wie Gott in Jesus von Nazareth gewirkt hat. So sollen wir Jesus in unserem Leben Raum geben. Nichts anderes ist die Einheit, die Jesus gemeint hat.
Ich möchte jetzt nicht mehr so argumentieren: Wenn wir diese Einheit in unserer Stadt hätten, dann suche ich die Menschen, die sagen: „Ich möchte, dass Jesus mein Leben erfüllt.“ Dann stoße ich mich nicht daran, wenn sie in einigen Punkten anders denken, ob sie politisch andere Meinungen haben oder gesellschaftlich beziehungsweise kulturell einiges anders sehen. Was mich fasziniert, ist doch, dass es Menschen sind, die ihre Hände ausstrecken und sagen: „Christus, komm! Ich will dein Wort gehorchen, ich will dir mit meinem Leben dienen.“ Christus soll nun in unserem Leben sein, damit wir eins sind.
Eine Einheit, die nicht in dieser Christustiefe wurzelt, ist keine echte Einheit. Deshalb ist es auch schön, wenn ich vorher sagte, dass es in einer Ehe Spannungen geben mag oder in Gremien und Jugendwerken. Das ist gar nicht schlimm, wenn wir dann sagen: Wir finden uns wieder an dem einen Punkt, dass wir mit unseren verschiedenen Ansichten und Meinungen Jesus dienen. Jesus allein ist der Herr unseres Lebens.
Dabei wehre ich mich gegen Uniformierung und Einförmigkeit. Ich wehre mich dagegen, alles wie mit der Heckenschere glatt zu schneiden und zu sagen: „Es muss jetzt alles so sein.“ Ich wehre mich dagegen, dass einer das Kommando übernehmen will. Das kann doch gar nicht stimmen. Wir brauchen das Reden miteinander. Wir müssen überlegen, wie weit wir in dieser oder jener Frage möglichst weitgehend eine Einigung erzielen können.
Man kann doch nicht sagen, es muss immer so sein, dass wir alle einer Meinung sind. Wir haben ja manchmal auch verbohrte Ansichten. Aber wir müssen sehen, wo uns der Herr leitet und was wir tun können. Es ist etwas Schönes, wenn ich zurückdenke: Als wir 1978/79 in dem Saal dort hinten saßen und über Hilfe für Brüder sprachen, wurde der Name erfunden. Zwei Jahre später gab es dann die Satzung. Wie plötzlich in dem Moment unter ganz verschiedenen Leuten, ob Missionsleiter oder andere, klar war: Das ist jetzt dran. Oder wie man die Gemeindetage organisiert hat.
Das wurde nicht übers Knie gebrochen, und es gab keine großen Konzeptionen oder Visionen. Man hat gespürt: Hier will uns Christus gemeinsam zu einer Aufgabe führen. Diese Einigkeit ist etwas ganz Wunderbares. Auch Paulus hat um diese Einigkeit im Geist gerungen. Das heißt: Nur im Geist, durch den Heiligen Geist, ist Christus in unserem Leben präsent und gegenwärtig.
Wenn jemand aber nicht das Kind Gottes ist, also keine Neugeburt durch Christus erfahren hat, dann ist es schwierig, mit ihm darüber reden zu können. Aber hier steht im Vers 21 ganz deutlich: Die Einheit ist eine Einheit, wie der Vater in Christus wirkt. So sollen auch wir Christus in unserem Leben wirken lassen. Und das ist es, wodurch die Welt zum Glauben kommt – nicht durch die Einheit.
Einheit als Zeugnis in der Welt trotz menschlicher Schwächen
Meine Mutter hat immer erzählt, wie es damals war. Ich habe es nicht mehr so bildhaft in Erinnerung, wenn die SA marschierte oder wenn die siegreiche Armee vom Frankreichfeldzug zurückkam und stundenlang die rote Bühelstraße hinunterzog – das Bild der marschierenden Kolonnen.
Das ist nicht Gemeinde Jesu. Solche Szenen kennt man von den Diktaturen dieser Welt. Bei uns gibt es eine große Vielfalt, und ich sehe darin immer wieder einen großen Reichtum. Es geht nie darum, sich auf einzelne Personen zu konzentrieren und zu sagen: „Der ist eine Führergestalt, den brauchen wir.“ Das braucht Gott gar nicht. Er ist selbst der Führer und Herr. Deshalb kann er seine Personen auch ganz leicht austauschen, solange Einigkeit in der Gemeinschaft herrscht und wir Christus suchen – über alle Trennungen hinweg.
Die Heilsarmee hat einen kühnen Schritt getan: Sie feiert kein Abendmahl und keine Taufe, weil sie sagt, dass es sonst nur Streit gibt. Dahinter steckt eine bittere Erfahrung, obwohl es doch ein Gebot Jesu war. Aber als sie diese Fragen erlebten, begann sofort der Streit. Sie wollen doch Menschen bekehren und zu Jesus führen. Da wollen sie sich nicht mit Taufdiskussionen oder Fragen aufhalten, wie das Abendmahl zu verstehen ist oder wer welche Realpräsenz im Brot oder im Kelch glaubt oder nicht glaubt. Ihnen war die Bußbank wichtig, und das ist bis heute so.
Ich habe eine große Liebe zu diesen Leuten, weil sie einfach wollen, dass Christus in ihrem Leben wirken kann. Einmal war ich bei einem Krankenbesuch, und eine Frau von der Heilsarmee war bei einer Patientin aus unserer Gemeinde im Zimmer. Da spürten wir sofort diese Einheit des Geistes, und ich bin so froh, wenn das zum Ausdruck kommt. Gerade diese Christusbezogenheit führt die Welt zum Glauben, nicht eine straffe Kirchenorganisation.
Es stimmt nämlich auch nie, dass eine straffe Organisation der Welt Eindruck macht – es gibt sie nämlich nicht. In den Kirchengemeinden ist es oft so, dass es im kleinsten Gremium Streit gibt. Ich sage ja schon: Zwei Pfarrer in einer Gemeinde, und es gibt Streit. Das ist unsere menschliche Eigenart.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir sagen: Nein, lasst uns lieber Arbeitsweisen finden, in denen die Kräfte sich frei entwickeln können in ihrer Verschiedenartigkeit. Aber die Christusgemeinschaft soll sichtbar werden. Dafür hat Jesus gebetet. Darin liegt eine große Verheißung.
Im Johannesbrief, im Petrusbrief, im Epheserbrief – überall finden wir diese große Betonung der Einheit. Aber es ist immer die Einheit im Geist gemeint. Es hat in der Christenheit noch nie eine andere Einheit gegeben. Wo es sie scheinbar gab, war sie von Anfang an eine furchtbare Diktatur.
Denken Sie nur daran, mit welcher blutigen Gewalt die Waldenser verfolgt wurden, die im Mittelalter abwichen. Bedenken Sie, dass Johannes Hus verbrannt wurde, weil er das Evangelium gebracht hat. Es ist immer wieder so, dass sich Organisationen von dieser geistlichen Einheit entfernen.
Wir müssen in Organisationen leben, denn ohne Organisation können wir nicht arbeiten. Ich bewundere das immer wieder, wenn ich an Gruppen denke, wie ich sie beim Brüderverein kenne, die gar keine Mitgliedschaft haben. Das ist sicher ideal, aber in unserer Welt braucht man oft gewisse Strukturen.
Wir wissen von jedem noch so kleinen Verein – sei es ein Bienenzüchterverein oder ein Kaninchenverein –, dass eine gewisse Struktur notwendig ist, um solche Vereinigungen zu organisieren. Aber Christus war das gar nicht wichtig.
Ein großes Missverständnis ist, dass die Kirchenspaltung durch die Reformation entstanden sei. Das stimmt überhaupt nicht. Schon im dritten Jahrhundert haben sich die Kopten abgespalten. Wann sind denn die Syrer und andere Kirchen im Nahen Osten entstanden? Dort gibt es viele verschiedene Kirchen.
Dann kam die große Kirchenspaltung im Jahr 1054 mit der orthodoxen Kirche. Das ist eine enorme Spannung. Der Papst hätte sie zurückrufen können, hat es aber nicht getan. Die orthodoxen Kirchen entfernen sich gerade in großer Geschwindigkeit, zum Beispiel aus dem ökumenischen Weltrat der Kirchen, aus theologischen Gründen.
Die Einigkeit durch eine Organisation herzustellen, ist ein wahnsinniges Unterfangen. Am Ende der Zeit wird es gelingen, aber es wird ein antichristliches Instrument sein. Für uns kann das niemals eine Bedeutung haben.
Wichtig für uns ist die geistliche Einheit, von der Jesus spricht.
Ökumenische Erfahrungen und die Suche nach Gemeinschaft trotz Differenzen
Es war oft schön, wenn auf diesen ökumenischen Konferenzen viel vom Geist der evangelischen Allianz spürbar war – von diesem freien Geist. Die Gespräche liefen etwa 1910 in Edinburgh sehr konkret über die Schwierigkeiten, die man auf dem Missionsfeld hatte.
Es ist ja ganz schlimm, wenn man eigentlich draußen Menschen für Jesus gewinnen will, und dann stiehlt man einander die Schafe. Das Schafestählen ist in der Weltchristenheit eine furchtbare Sache. Es steckt hinter vielen Gemeindeneugründungen. Das wird immer wieder im Moment so verherrlicht: „Wir gründen eine neue Gemeinde, die hat kein Erbe.“ Das ist Schafestählen.
Die Vorstellung, dass es immer Kirchenfremde sind, die Schafe stehlen, stimmt in den wenigsten Fällen. Darauf kann kein Segen liegen, wenn man dem anderen sagt: „Die kommen da rüber.“
Dass in diesen Konferenzen, wenn dann die großen Schwierigkeiten im Umgang miteinander aufgebrochen wurden, die Spannungen sichtbar wurden und oft Christen sich schlimmer bekämpfen als mit den Ungläubigen, gerade in Verfolgungssituationen, war in der Ökumene oft ein Ruf zu hören. Zum Beispiel von Deed He Niles: „Don't look on us, look at him“ – blickt nicht auf euch, sondern auf Jesus. Das ist der Grund. Dann kommen wir weiter von unseren Schwierigkeiten.
Haben diese Schwierigkeiten dann noch die Bedeutung, die wir ihnen zumessen? Das ist heute Abend ein etwas lehrhafter Punkt. Ich halte es für wichtig, dass wir darüber reden, denn viele Konsequenzen lassen sich davon ableiten.
Es bringt eine noch festere Bindung an die Schwestern und Brüder, eben weil es keine organisatorische Bindung ist, sondern weil sie aus der Tiefe meiner Jesusverbundenheit kommt. Darum sage ich auch von Herzen: Ja, ich bin gern in dieser Kirche, auch in der württembergischen Landeskirche, weil sie mir diesen Raum gibt.
Es gibt sicher wenige Freikirchen, in denen man so etwas sagen dürfte, wie ich es heute Abend gesagt habe. Das darf ich in der evangelischen Kirche, wenn sie auf das Evangelium gegründet ist. Dafür bin ich immer wieder dankbar. Und da bin ich gern drin, auch wenn viele anders denken.
Es bleibt nach wie vor gültige Lehre unserer Kirche, dass wir nicht an Organisationen glauben, sondern an die eine christliche Kirche. Das ist nicht unsere württembergische Kirche, sondern die eine Jesusgemeinde. Wir glauben, dass sie einmal im Himmel sichtbar werden wird, aus verschiedenen Nationen und Völkern und auch von ganz verschiedenen Gruppen, die sich dort zusammentreffen.
Wir haben keine allein selig machende Kirche, sondern die Gliedschaft am Leibe Christi ist das Entscheidende. Diese brauchen wir, und diese sollen wir suchen und uns um sie bemühen.
Praktische Konsequenzen für das Leben in der Gemeinde
Wir sollten uns jetzt fragen: Wie können wir Jesus am besten ehren?
Es gibt auch bei unserer Rangfolge Dinge, die uns nicht mehr so wichtig sind. Dabei wollen wir eine gewisse Distanz wahren, zum Beispiel wenn andere Menschen großen Wert auf formelle Dinge legen. Nein, unser Ziel ist, dass Jesus geehrt wird. Wir wollen, dass in unserem Leben immer mehr vom Licht Jesu durchdringt. Das ist der beste Beitrag, den wir leisten können, damit sich die Jesusgemeinde findet.
Es ist etwas ganz Herrliches, wenn man sich trifft und begegnet. Ich erinnere mich, vor vielen Jahren war ich als junger Mann in der Schweiz mit Freunden unterwegs. Dort kam ein Mann auf dem Parkplatz auf uns zu und drückte uns ein Traktat in die Hand. Wir kamen ins Gespräch, und er gehörte zu einer kleinen Splittergruppe. Doch die Freude, Jesus gehört zu haben, war spürbar. Er sagte, das sei das eigentlich Wichtigste.
Leider gibt es bei kleinen Gruppen oft Leute, die mit noch größerer Feurigkeit als der Papst in Rom auf ihre Organisation pochen. Das ist sektiererisch. Das wird man immer wieder erleben. Ich weiß, wie viele Menschen dort in einem ungeistlichen Zwang gehalten werden. Wenn man sagt: „Wenn du in die Bibelstunde in Hofhagen gehst, bist du ein Kind der Hölle und des Teufels.“ Dann hört man oft: „Ja, es gibt ja Kirchensteuer und alles, sicher.“ Aber da wird mit allen ungeistlichen Mitteln argumentiert.
Ich möchte Ihnen sagen: Sie sind frei von jeder menschlichen Bindung. Ich habe Sie nie abgeworben und nie jemanden gebeten zu kommen. Sie gehören zum Leib Christi, und das ist wichtig. Deshalb nehmen wir gewisse menschliche Bindungen auch noch als wichtig wahr. Aber Sie haben nie die Bedeutung meiner Gliedschaft am Leib Christi.
Wir wollen heute auch keinen Konzern bilden, auch keinen evangelikalen Konzern, wo wir meinen, das sei etwas. Daher wird es uns im Not zusammenschlagen. Nein, der Herr wird uns im Nu zusammenschlagen, wenn er will. Er hat uns Aufbrüche geschenkt und vieles gelingen lassen. Aber wenn der Herr will, ist alles wieder zerbrochen.
Im gegenwärtigen Augenblick habe ich den Eindruck, dass wir vielleicht keinen Gemeindetag mehr machen könnten. Bei den bibeltreuen Leuten herrscht so wenig Einigkeit wie im Moment. Auch die ganzen charismatischen Fragen sind plötzlich so wichtig geworden: Redest du in Zungen? Aber in den Zungenrennen kannst du auch nicht mitreden. Es gibt so viele Dinge, die Blödsinn sind. Wo steht das in der Schrift? Hast du schon Visionen gehabt, was alles kommt? Viel wichtiger ist, dass wir Jesus lieb haben und sagen: In unserem Volk soll das Evangelium von Jesus noch einmal verkündigt werden.
Jesus war es in seinem Leiden und Sterben wichtig, dass er die zerstreuten Schafe zusammenbringt. Das ist mir auch für unsere Stadt wichtig. Wir wollen das als Zeichen tun, dass wir immer wieder dort dabei sind, wo das gemeinsam geschieht. Das soll ein Zeugnis für die ganze Stadt sein, damit die Welt glaubt, dass Christus durch uns verherrlicht wird.
Das ist dann auch ein schönes Grüßen und ein Wissen um die Verbundenheit. Es stört uns nie, dass sich dort eine Gruppe trifft, und Gott sei Lob und Dank. Es ist so, dass nicht eine Gruppe allein dasteht. Der Herr kann hier und dort segnen. Es kann einmal sein, dass eine Gruppe mehr gesegnet wird. Da muss ich nicht neidisch sein.
Zinzendorf hat einmal in einem Lied gesagt – wie heißt es noch einmal? –, dass ich nicht neidisch blicken soll, wenn anderen Gnade widerfährt. Das steht im alten Gesangbuch noch drin, und das ist wichtig.
Manche machen einen Hauskreis und sagen: Bei uns nimmt es immer ab, bei anderen nimmt es zu. Sind wir so auf Lob angewiesen? Es kann auch eine besondere Segenszeit sein, wenn die Zahl zurückgeht. Lass mich doch hier in dieser Spur bleiben, dass ich beim Herrn bin.
Wir wollen nicht einen babylonischen Turm bauen. Das ist noch nie gelungen in dieser Welt. Der Herr baut seine Gemeinde, und er ist in allen Nationen und Völkern bei seiner Gemeinde.
Ich möchte noch ein Wort zur Spaltung sagen. Ich habe oft erlebt, dass bei Spaltungen sofort gesagt wird: Das ist Spaltung, also ganz schlimm. Nein, es gab schon viele Spaltungen, die heilsam waren. Zum Beispiel die Spaltung, als William Booth aus der Methodistenkirche austrat.
Man wollte William Booth verbieten, seine Arbeit weiterzuführen, und er sollte sich dem Kommando der Kirchenleitung unterwerfen. Doch William Booth schaute nur zu Susanna Catherine auf der Empore. Sie stand mit großen Schritten auf, trampelte und verließ die Synode. William Booth folgte ihr gerade noch hinterher. Das war eine tolle Frau, diese Catherine.
Die Methodistenkirche war einfach zu klein für so einen genialen Straßenmissionar wie William Booth mit seiner Liebe zu den Verlorenen.
Bei den Missionen ist es ganz ähnlich: Missionen haben auch die Gefahr, dass sie sagen, jede Mark, die für unsere Organisation gegeben wird, sei richtig. Sie haben große Angst, wenn irgendwo für eine andere Arbeit etwas gegeben wird.
Die großen Missionen sind alle erst gegründet worden, weil keine der bestehenden Missionen selbst bei William Carey das Herz aufbrachte. William Carey, der die große Vision hatte, war Schuhmacher und wurde der große Indienmissionar um 1800.
Die Leitung der Baptistenkirche sagte damals: „Hören Sie auf mit Ihren unrealen Visionen, das hat keinen Wert, Sie sind ein Schwärmer!“ Er musste seine eigene Sache gründen, und Gott hat sie bestätigt.
So können wir es bei den großen Missionen sehen, etwa bei der Sudan Interior Mission. Wir müssen genau aufpassen, ob eine Mission oder neue Arbeit nur gegründet wurde, weil der Leiter eitel ist und sich eine Hausmacht sucht.
Das kann auch beim Hauskreis so sein. Es geht oft um Ehrenfragen: Komme ich richtig zur Geltung? Da ist keiner von uns frei.
Wir wollen das deutlich prüfen. Oft gab es Spaltungen, bei denen man einfach sagte, da hat etwas weitergedrängt. Die alte Organisation konnte das nicht halten, und dann musste etwas Neues entstehen. So sind neue gute Dinge entstanden.
Natürlich hat die alte Gruppierung immer gesagt: „Wir sind doch genügend da.“ Das hat man oft bei den Pietisten gesehen, etwa in der Gemeinschaftsbewegung.
Die Altpietisten sagten: „Warum? Wir sind doch die Altpietisten, wir haben die alte Sache.“ Die Neupietisten, liebe Zelle und süddeutsche Gemeinschaft, gründeten sich und sagten: „Wir wollen die Einflüsse aus Amerika mit dem neuen Betonen der evangelistischen Entscheidung mehr in die Mitte rücken.“
Es hat sich bestätigt, dass das ein Weg Gottes war und dass beides nebeneinander gehen kann.
Wir müssen ein weites Herz haben und immer wieder fragen: Was dient der Gemeinde Jesu? Wie können wir die Einigkeit im Geist bewahren?
Es ist schön, wenn man sagt: Bei aller Verschiedenheit wollen wir uns zusammensetzen und miteinander beten über diese Dinge.
Wir haben uns gefreut, dass ich über Jahre hinweg mit einem charismatischen Leiter in Stuttgart einmal in der Woche eine Stunde miteinander beten und uns austauschen konnte, obwohl wir in vielen Dingen verschieden waren.
Er glaubte zum Beispiel, Tote auferwecken zu können. Das konnte ich nicht akzeptieren und hielt es für Schwärmerei. Aber wir waren uns in Jesus eins. Es ist schön, wenn wir uns dennoch treffen und Gemeinschaft suchen, auch wenn wir sie im Großen vielleicht gar nicht darstellen können.
Wir sollten Brücken bauen und Bindungen leben. Im Diakonischen Krankenhaus gab es immer einen lieben adventistischen Oberarzt, einen wunderbaren Christen, mit dem man sich herrlich verständigen konnte. Auch wenn manche adventistische Überzeugungen nicht unsere sind, hatten wir doch eine gemeinsame Jesusliebe.
Es ist herrlich, wenn wir diese Verbindung in der Jesus-Einheit suchen.
Jetzt ist es aber spät geworden, und wir singen noch „Herz und Herz vereint“ zusammen, das Zinzendorf-Lied.
Gedanken zur Spaltung und deren Bedeutung
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