Einführung und Überblick über das Vaterunser
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 222: Das Vaterunser, Teil vier
Ein kurzer Rückblick: Die Jünger kommen in Lukas 11 zu Jesus und bitten ihren Meister, ihnen das Beten beizubringen. Die Antwort von Jesus kennen wir als das Vaterunser.
Das Vaterunser ist im eigentlichen Sinn kein Gebet, sondern eine Struktur für unsere Gebetsanliegen. Es umfasst fünf Themen, die man sich gut anhand der fünf Finger merken kann.
Der Daumen steht für Anbetung, der Zeigefinger für die Fürbitte, der Mittelfinger für die eigenen Anliegen, der Ringfinger für das Thema Sünde und der kleine Finger für den Segen, den wir brauchen.
Anbetung ist die Bewunderung Gottes in Form von Worten. Beim Thema „Dein Reich komme“ haben wir gesehen, dass es sich um die Herrschaft Gottes handelt. Unsere Anliegen drehen sich dann darum, dass Menschen zum Glauben kommen oder Gläubige den Willen Gottes für ihr Leben besser erkennen und danach leben.
Das tägliche Brot als Ausdruck der Abhängigkeit und des Vertrauens
Der dritte Aspekt des Gebets verbirgt sich hinter der Formulierung „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Bei Lukas heißt es in Lukas 11,3: „Unser nötiges Brot gib uns täglich“.
Wir merken schon, jetzt kommen wir zum Wesentlichen: Erst kommt Gott, dann sein Reich, das faktisch viel mit anderen Menschen zu tun hat, und anschließend kommen wir mit unseren Bedürfnissen, mit dem, was wir täglich nötig haben.
Diese Bitte macht deutlich, dass das Vaterunser unser tägliches Gebetsleben strukturieren soll. Hier steht nicht „Unser wöchentliches Brot gib uns heute“ oder „Unser jährliches Einkommen gib uns heute“, sondern es geht um das tägliche Brot. Jeden Tag dürfen wir zu Gott mit den Bitten kommen, die uns selbst betreffen, mit den Nöten und Anliegen, die heute vor uns liegen.
Das Bild, das Jesus hier verwendet, ist das eines Tagelöhners, der am Anfang des Tages Gott darum bittet, ihm alles zu geben, was er zum Leben braucht. Mit diesem Gebet bringen wir unsere Abhängigkeit und unser Vertrauen zum Ausdruck.
Wir sind jeden Tag davon abhängig, dass Gott uns gibt, was wir brauchen. Es reicht nicht aus, nur zu planen, uns anzustrengen und darauf zu vertrauen, dass es schon irgendwie wird. Wir brauchen Gott Tag für Tag.
Die Bedeutung des täglichen Bittens: Antworten auf Einwände
Aber Jürgen, kommen die Heiden nicht auch durch den Tag? Und lässt Gott nicht seine Sonne über die Gerechten und Ungerechten aufgehen? Warum sollen wir dann für die Dinge beten, die wir täglich brauchen?
Ich hätte auf diesen Einwand vier Antworten.
Erstens: Meine Bitte um das tägliche Brot ist ein Ausdruck von Beziehung. Ich lege Gott täglich alle meine Bedürfnisse hin – meine Aufgaben, die anstehenden Gespräche, meine Versagensängste, meine Zeitplanung, den Wunsch, dass die Technik durchhält, dass ich mich gut konzentrieren kann, nicht krank werde und so weiter.
Indem ich meinen ganzen Tag mit seinen unterschiedlichen Herausforderungen Gott hinlege, geschehen zwei Dinge: Ich werde ruhig, weil ich weiß, dass jetzt alles bei Gott in guten Händen liegt. Was jetzt passiert, das ist seine Sache. Und indem ich meine Bedürfnisse Gott jeden Tag hinlege und dann morgen für die Dinge danke, mit denen er mich beschenkt hat, wächst die Beziehung.
Es mag sein, dass der Heide auch überlebt, aber ich will meine Seele an Gott binden. Ich will seine Güte schmecken und nicht einfach nur abgreifen. Ich will hautnah und praktisch erfahren, was es heißt, mit Gott zu leben.
Das Erfahren und Genießen meiner Beziehung mit Gott stellt sich ein, wenn ich mir jeden Tag durch die gute Gewohnheit des Bittens vor Augen halte, dass ich einen guten Hirten habe, dem ich folge.
Wisst ihr, wir müssen unser Leben nicht allein meistern. Das ist der erste Punkt: Ruhe und Beziehung.
Bitten als Ausdruck von Weisheit und Gehorsam
Zweiter Punkt: Bitten ist natürlich auch ein Ausdruck von Weisheit. Bei Jakobus lesen wir: „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet“ (Jakobus 4,2). Gott will tatsächlich gebeten werden. Er weiß, was wir brauchen, aber er freut sich daran, auf unsere Gebete zu reagieren.
Es ist einfach klug, dass wir bitten. Klug, weil es sein kann, dass Gott uns bestimmte Dinge nur dann gibt, wenn wir danach verlangen. Warum ist das für uns wichtig? Weil wir nur auf diese Weise lernen, klug zu leben. Klug leben heißt nämlich zuallererst, klug zu bitten.
Vielleicht denkst du jetzt: Nein, klug leben heißt kluge Entscheidungen treffen. Ich möchte die Wichtigkeit kluger Entscheidungen nicht infrage stellen. Aber ich muss darauf hinweisen, dass kluge Entscheidungen nicht alles sind. Du kannst noch so kluge Entscheidungen fällen, doch wenn Gott deine Entscheidungen nicht segnet, nützen dir deine klugen Gedanken nichts.
Ohne Gebet wird aus Weisheit nicht zwingend ein weises Leben. Zur Weisheit muss immer der Segen hinzukommen, damit aus klugen Gedanken ein erfolgreiches Leben wird. Persönlich kann ich nur bezeugen, dass die klügsten Gedanken oft erst dann entstehen, wenn man für eine Sache bittet.
Wenn ich bitte, schaffe ich Beziehung. Wenn ich bitte, schaffe ich die Voraussetzungen für ein erfülltes Leben.
Drittens: Bitten ist schlicht und ergreifend Ausdruck von Gehorsam. Ich bitte, weil Gott mich dazu auffordert, ihn zu bitten. Man muss das Leben nicht unnötig kompliziert machen. Man kann einfach tun, was Gott sagt, weil er weiß, was richtig ist.
In den Sprüchen heißt es dazu: „Befiehl dem Herrn deine Werke, und deine Gedanken werden zustande kommen“ (Sprüche 16,3). Und David rät uns: „Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn, so wird er handeln“ (Psalm 37,5).
Bitten als Ausdruck von Vertrauen und Glauben
Und damit sind wir beim vierten Punkt angekommen. Bitten ist ein Ausdruck von Vertrauen. Ich bitte, weil ich glaube. Und ich glaube, indem ich bitte.
Jedes Mal, wenn ich bitte, predige ich meiner Seele das Evangelium von einem Vater im Himmel, der es gut mit mir meint und dem es sich zu vertrauen lohnt.
Wir sollen Gott täglich darum bitten, dass er uns versorgt. Indem wir das tun – Tag für Tag – legen wir ihm unsere Bedürfnisse, unsere Aufgaben und die einzelnen Schritte auf unserem Lebensweg hin.
Dadurch wächst die Beziehung, das Leben gelingt, Jesus wird Herr, und unser Glaube reift.
Merkt ihr, ein kleines Gebot mit ganz großen Auswirkungen.
Abschluss und Ausblick
Was könntest du jetzt tun, wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen? Du könntest dir die Frage stellen, ob du dir täglich genug Zeit nimmst, um deine Bedürfnisse und anstehenden Aufgaben mit Gott zu besprechen.
Das war es für heute. Nimm dir doch noch ein paar Minuten extra Zeit, um für Politiker und für deinen Wohnort zu beten.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.