Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Thomas Povileit und Jörg Lackmann.
Unser Podcast möchte dazu anregen, das Christsein praktisch zu leben und zugleich zum theologischen Nachdenken einladen.
Auseinandersetzungen kommen in den besten Ehen vor. Durch sie können Verletzungen und manchmal auch tiefe Gräben entstehen. Auf der anderen Seite können sie aber auch wie ein reinigendes Gewitter wirken und beide Partner wieder näher zueinander bringen.
Heute wollen wir darüber sprechen, wie man fair in einer Ehe streiten kann. Jörg, ist es das höchste Ziel, fair zu streiten? Oder sollte man eher danach streben, sich überhaupt nicht zu streiten und zu sagen: „Wir haben uns noch nie gestritten“? Ist das nicht das höchste Ziel?
Das hängt ein bisschen davon ab, wie man Streit definiert. Ich denke, verschiedene Auffassungen und auch Auseinandersetzungen – wie gesagt, das ist ein bisschen eine Definitionssache – kommen in der Ehe vor, wie in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen auch.
Ich habe meine Schwester gehört, das fand ich interessant. Sie hat gesagt: „Wir hatten noch nie einen Streit in unserer Ehe.“ Mir wurde über drei Ecken erzählt, dass die andere Schwester meinte: „Du willst doch nicht behaupten, dass ihr nie einen Streit hattet.“ Doch, doch, wir hatten noch nie einen Streit.
Das kann doch gar nicht sein, man hat doch immer mal irgendwas. Doch, sie hat Streit wirklich so definiert: Beim Streit wird man gewalttätig.
Ich denke, es kann nicht das Ziel sein, dass man sich gegenseitig anbrüllt und verletzt. Aber man kann ja auch auf eine faire Art und Weise streiten und eine Auseinandersetzung haben. So möchte ich verstanden werden: Meinungsverschiedenheiten austauschen.
Je nachdem hat das halt auch einen Unterton, das ist schwierig. Ich glaube, wenn das höchste Ziel wäre, gar keinen Streit zu haben, würde ich mal behaupten, dass 95 Prozent der Menschen, bei denen das der Fall ist, die Sachen runterschlucken. Und dann kommt es irgendwann doch hoch.
Es gibt ein paar Ehepaare, die nach vielen Jahren sehr harmonisch zusammenleben. Bei manchen ist es aber auch nur ein Burgfrieden, weil man die Sachen nicht mehr anspricht.
Also ich bin schon für eine gute Streitkultur. Wollen wir es mal so stehen lassen – vielleicht als eine erste Definition.
Okay, ja, ich weiß, dass du in der Gemeinde immer wieder aus dem Hohen Lied einige Grundlagen der Ehe deutlich gemacht hast. Ich vermute, dass es auch in unserem Podcast eine Quelle sein wird, auf die du dich stützt. Das wäre super, wenn es Gottes Wort ist.
Was ist dir denn zum Thema Streit im Hohen Lied wichtig geworden?
Das Hohelied hat acht Kapitel. Zwei davon, nämlich Kapitel 5 und 6, handeln von einem Streit. Das sind 25 Prozent des Buchs. Spannend ist, dass das Hohelied insgesamt 107 Verse hat. Die Mitte liegt bei Kapitel 5, Vers 2, wo Gott sagt: „Es trinkt, berauscht euch in eurer Liebe.“ Ob es wirklich Gott ist, darüber müssen wir diskutieren, aber das machen wir dann im Seminar.
Vor und nach diesem Vers, also am Ende von Kapitel 4 und in Kapitel 4 selbst, geht es um die Hochzeit und die Hochzeitsnacht. Das Ganze ist literarisch sehr kunstvoll, symmetrisch aufgebaut. Es sind Liebeslieder, Poesie.
Vor der Hochzeit wird ein Albtraum berichtet, ein Traum von Sulamit. Und nach der Hochzeit folgt ebenfalls ein Albtraum, direkt im Anschluss. Das ist so herrlich realistisch. Man kommt aus der Hochzeitsnacht direkt in den Streit hinein. Das finde ich wunderbar.
Ich lese das jetzt mal ganz kurz vor und werde es dann auslegen, denn es sind zwei volle Kapitel. Wir gehen da ein bisschen drüber, mit der Brille auf, also mit der Frage: Wo kommen denn Streit oder Meinungsverschiedenheiten vor?
Generell gibt es verschiedene Auslegungen des Hohen Lieds. Eine Auslegung sieht Christus und die Gemeinde, eine andere Gott und Israel, und dann gibt es die Auslegung als Salomo und Sulamit, ein Ehepaar, dem wir folgen.
Die dritte Auslegung ist die, die wir hier nehmen. Die Ehe ist ja nach Epheser 5 ein Bild für die Beziehung von Christus zur Gemeinde. Wie Christus mit der Gemeinde umgeht, so soll es auch in der Ehe sein.
Das heißt, wenn ich über Ehe rede, kann man das in großen Teilen auch auf Christus übertragen, nicht in allem. Aber hier gehen wir jetzt vom Bereich Ehe aus, das ist heute unser Thema.
Und jetzt fangen wir mal mit Kapitel 5 Vers 2 an. Vers 1 handelte von Gott, da habe ich mich um einen Vers vertan. Fangen wir also an, wie es ist, und schauen, ob ein Prediger das so predigen würde. Ich glaube nicht, aber das Beispiel ist sehr interessant.
Sie hat einen Traum. Sulamit sagt: „Ich schlief, aber mein Herz war wach. Horch, mein Geliebter klopft. Öffne mir, meine Schwester, meine Freundin, meine Taube, meine Vollkommene, denn mein Kopf ist voller Tau, meine Locken voll von Tropfen der Nacht. Ich habe meinen Leibrock schon ausgezogen, wie sollte ich ihn wieder anziehen? Ich habe meine Füße gewaschen, wie sollte ich sie wieder beschmutzen?“
Ihr Geliebter streckte seine Hand durch die Öffnung, da wurden ihre Gefühle für ihn erregt. Hintergrund: eine Palastanlage. Sie wohnt in einem eigenen Haus, Salomo kommt erst zu Besuch. Tropfen der Nacht, Mitternacht, tauchen in den Haaren auf – es ist spät. Er klopft, sie soll aufmachen. Er schaut durch die Öffnung und streckt die Hand hinein. Sie sagt jedoch, dass sie schon umgezogen ist, ihre Füße gewaschen hat – damals war es staubig, also geht das nicht mehr.
In Vers 5 steht: „Ich stand auf, um meinem Geliebten zu öffnen.“ Doch sie überlegt es sich anders. Da tropften ihre Hände von Myrrhe und ihre Finger von flüssiger Myrrhe, als sie sie an die Griffe des Riegels legte. Sie hat also die Türklinke mit flüssiger Myrrhe bestrichen, einem parfümierten Duft.
Sie öffnete ihrem Geliebten, doch dieser hatte sich abgewandt und war weitergegangen. Sie war außer sich, dass er weg war. Sie suchte ihn, fand ihn nicht. Sie rief ihn, doch er antwortete nicht. Dann fanden sie die Wächter, die nachts die Stadt durchstreiften. Sie schlugen sie, verwundeten sie. Die Wächter der Mauern nahmen ihr den Überwurf weg.
Sie beschwört die Töchter Jerusalems – das sind die Freundinnen: „Wenn ihr meinen Geliebten findet, was wollt ihr ihm ausrichten? Dass ich krank bin vor Liebe.“
Das ist Poesie, nur ganz knapp umrissen. Es ist ein Traum, sagt sie zu Beginn, auf ihrem Lager. Vor der Hochzeit ist das auch ein Traum. Er will in der Nacht kommen, und sie sagt – modern übersetzt – „Ich möchte dich jetzt nicht empfangen, ich habe Kopfschmerzen.“ So würde man das heute ausdrücken. Sie weist ihn also ab und braucht eine ganze Weile, bis er im Traum näherkommt. Dann ist er weg, hat aber seinen kleinen Gruß dagelassen.
Dann schlagen sie die Wächter sie. Überall kann man Parallelen zum Traum vor der Hochzeit sehen. Dort haben die Wächter ihr geholfen, hier schlagen sie sie. Sie sagt jetzt, sie sei krank vor Liebe, und das ist ein Albtraum, in dem sie Streit mit ihm hat.
Sie war wahrscheinlich sauer, dass er so lange weg war – wegen Regierungsgeschäften, Reisen oder Ähnlichem. Er kommt erst nach Mitternacht. Was soll das? Er hatte auch schon andere Frauen, obwohl das ein Liebeslied ist. Ja, 120 Frauen waren es damals, noch keine tausend, aber schon 120, wie wir im Hohenlied lesen.
Was wir hier ganz kurz über Streit lernen können: Er steht jetzt nicht die ganze Zeit vor der Tür. Wie gesagt, es ist ein Traum. Er begegnet seinem Partner mit Liebe, auch wenn sie abweisend war. Sie hat nicht aufgemacht, war sauer auf ihn und abweisend. Er hat ihr einen Liebesgruß dagelassen. Manchmal ist es vielleicht nicht das Dümmste, nicht sofort einen Streit vom Zaun zu brechen, sondern einfach wegzugehen – je nach Situation.
Normalerweise gilt nach Epheser 4, dass die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen soll. Aber das habe ich in der Ehe gelernt: Davor war immer klar, sofort alles zu klären. In der Ehe habe ich gelernt, dass es manchmal gut ist, Dinge stehen zu lassen. Man sollte versuchen, Streit sofort zu klären, aber manchmal geht das nicht.
Er hat es ihr gelassen, hat nicht versucht, seinen Partner im Zorn zu ändern. Und sie wird dann im Bild geschlagen, was zeigt, dass dieser Streit falsch war. Das sind vier Kapitel davor. Ich kann jetzt nicht alles aus dem Hohenlied auslegen, auch nicht die Bilder und andere Dinge. Wir beschränken uns mal auf das Wesentliche.
Sie spricht jetzt mit ihren Freundinnen: „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, wo ist mein Geliebter?“ Da ist jetzt ein Streit, also ein Konflikt. Sie haben zwar nicht mit Worten gestritten, aber es gibt einen inneren Konflikt. Irgendetwas war wahr: Sie wollte nicht mit ihm zusammen sein. Die Frage dahinter lautet: Was mache ich jetzt?
Und was macht man dann? Im Kapitel geht es weiter, Vers 9: Sie hat zuerst mit ihren Freundinnen gesprochen, und diese haben eine Frage gestellt: „Was hat ein Geliebter einem anderen Geliebten voraus, du Schönste unter den Frauen? Was hat ein Geliebter einem anderen Geliebten voraus, dass du uns so beschwörst?“
Das finde ich enorm wichtig – diese Blickrichtung bei Streitigkeiten. Interessanterweise geht es heute wenig um Konfliktmanagement oder darum, wie man miteinander redet. Vielmehr dreht sich das Gespräch um die Dinge drumherum. Ihre Freundinnen fragen sie, was denn Positives an ihrem Mann ist.
Oft geht das in Auseinandersetzungen verloren: die Wertschätzung. Da wird nur das Negative gesehen. Nun folgt ein ganzes Lied: „Mein Geliebter ist weiß und rot, hervorragend usw.“ – ich lese das nicht vor, aber es enthält lauter Bilder. Insgesamt sind es zehn Verse, ein sogenanntes Beschreibungslied, in dem sie von Kopf bis Fuß positive Eigenschaften und Äußerlichkeiten sowie den Charakter ihres Mannes beschreibt.
Angeregt durch die Freundinnen überlegt sie also: Was schätze ich denn an meinem Mann? Die Basis dafür muss natürlich schon vorher gelegt worden sein, dass man sich kennt und weiß, was das Gute am anderen ist. Das ist die Grundlage.
Das Problem bei Streit ist oft, dass verletzende Bemerkungen fallen. Wenn du aber merkst, dass du viel sagen kannst, weil der andere weiß, dass du ihn liebst und akzeptierst, dann ist das etwas anderes. Vielleicht redet man gerade mal ein bisschen lauter, je nach Temperament. Manche sprechen im Normalfall schon mit hoher Lautstärke, da kann es schon mal lauter werden.
Wenn aber diese Basis stimmt – wenn man weiß, was man am anderen hat, und sich nicht nur auf das Negative konzentriert – dann kann man sich viel sagen. Ich schaue also, was bei mir im Streit tabu ist. Beleidigungen sind tabu, das wird nicht gesagt. Es wird nicht über Scheidung gesprochen; das ist für mich keine Option, schon bei der Heirat war das klar. Das gibt es für mich nicht, Punkt.
Damit wird nicht gedroht, auch nicht mit den Kindern. Es wird nicht über die Kinder gespielt. Die Basis ist die Wertschätzung, und die Basis ist das Positive, das man am anderen hat. Man muss natürlich lange vor dem Streit daran arbeiten, damit das im Streit nicht verloren geht. Das ist eine Frage der Fairness.
Wenn diese Basis stimmt, kannst du sehr viel sagen. Das wird hier in poetischer Sprache beschrieben. Die Freundinnen helfen ihr dabei, denn natürlich sieht man oft nur das Negative: „Oh, schau mal, wie er mich in letzter Zeit vernachlässigt hat. Kein Wunder, dass ich keinen Sex mehr mit ihm haben will.“ Das war der Hintergrund.
Das kann man relativ schnell sehen, aber so einfach ist das nicht. Frauen sind da gefühlsmäßiger unterwegs und sagen: „So nicht.“ Aber die Freundinnen erinnern sie daran, was an ihm Positives ist. Das ist das Erste bei der Wertschätzung.
Also: Du solltest nichts Verletzendes sagen, nie über Scheidung reden, keine Beleidigungen aussprechen und Respekt sowie Liebe im Blick behalten. Das ist ganz wesentlich.
Da sie selbst nicht darauf kam – sie war ja sauer – haben die Freundinnen ihr geholfen. Jetzt stellen die Freundinnen noch eine zweite Frage.
Kapitel 6, Vers 1: Wer es nachlesen will: „Wohin ist dein Geliebter gegangen, du Schönste unter den Frauen? Wohin hat dein Geliebter sich gewandt, dass wir ihn mit dir suchen?“
Sie ermöglichen ihr jetzt, nachzudenken. Übertragen auf heute würde ich sagen: Wo steht er innerlich? Denn er wird ja noch im Haus sein. Aber damals war er eben weg. Ein König hat viel zu tun, große Ländereien. Sie wusste ganz genau, wo er ist. Sie kannte ihn, sie wusste, wie er tickt. Sie weiß, wie das nach dem Streit funktioniert.
Auch in unserer Ehe brauchten wir zwei, drei Jahre, bis wir eine Streitkultur entwickelt hatten. Wir kamen einfach aus ganz verschiedenen Richtungen, was den Umgang mit Konflikten angeht. Ich habe zum Beispiel lernen müssen, nicht immer alles sofort klären zu wollen. Früher war ich so, dass ich sofort loslegen wollte. Dabei überrennt man manchmal Leute – wie eine Dampfwalze. Man muss manchmal zurückhaltender sein. Andere müssen lernen, nicht zu fliehen und die Dinge nicht unter den Teppich zu kehren. Das ist ganz verschieden.
Aber sie kannten sich, und sie wusste ganz genau, wo er hingegangen war. Da halfen ihr auch die Freundinnen. „Wie findet ihr einen Weg zueinander?“ fragte sie sich. Und sie sagte dann: „Mein Geliebter ist in seinen Garten gegangen, zu den Balsam-Bäumen, um in den Gärten zu weiden und Lilien zu pflücken.“
„Ich gehöre meinem Geliebten, und mein Geliebter gehört mir, er, der ihn weidet.“ Das ist so die dritte Basis. Die erste Basis war die Wertschätzung, die zweite, dass man einander kennt und weiß, wie man reagiert. Und die dritte ist die Zusammengehörigkeit. „Ich gehöre meinem Geliebten“, und zwar auch in dieser Situation.
Das muss sie wissen. Sie muss diese Sicherheit haben, egal was jetzt war, worüber sie gestritten haben, wie abweisend sie war. Er hat sich nur zurückgezogen und einen lieben Gruß dagelassen. Er hat keinen Streit vom Zaun gebrochen. Aber egal wie sie war: „Ich gehöre ihm, und er gehört mir.“
Der, der ihn in den Lilien weidet – das erläutere ich jetzt nicht näher, was das bedeutet – hat auch eine Bedeutung. Man kennt sich, man schätzt sich auch in solchen Situationen. Man ruft sich das wieder hervor, denn das geht ja logischerweise verloren und wird vom ganzen Negativen überdeckt.
Ich weiß aus der Seelsorge, dass manche Leute einfach fragen: „Was ist denn Positives an meinem Partner?“ Dann kommt zum ersten Mal wieder: „Ach ja, da war ja etwas.“ Es gab ja Gründe, warum man ihn geheiratet hat. Aber wenn man im Stress ist, wenn immer nur das Negative kommt, verflüchtigt sich das irgendwann.
Daran muss man arbeiten. Diese Basis verliert sich sonst und erodiert. Und genau das haben sie gemacht. Auch diese Zusammengehörigkeit muss natürlich immer da sein. Sie muss wissen, dass er hinter ihr steht, zum Beispiel. „Ich bin die Nummer eins“ – auch ein großes Thema im Hohenlied. Sein Banner, also sein Feldzeichen, ist Liebe über mir. Jeder weiß: Ich bin die Nummer eins.
Wenn jemand anders kommt, dann redet er nicht mit denen – oder nur auf ordentliche Weise. „Ich bin immer die Nummer eins.“ Da passt kein Platz zwischen uns. Und das ist eine Basis für faire Streits.
Und trotzdem war es in diesem Konflikt oder in dieser Abweisung so, dass sie noch nicht miteinander gesprochen hatten.
Ja, interessant, erst einmal ein ganzes Kapitel ohne Reden. Genau, wie siehst du das?
Ich finde es toll, weil es zeigt, wie viel innerlich in der ganzen Sache vor sich geht. Ich habe mal gehört – und ich finde, dass es wahr ist – jemand hat gesagt: „Ich habe mich noch nie so entfernt von einem Menschen gefühlt wie von meiner Frau, die neben mir lag.“
Also, sie lagen abends zusammen im Bett nebeneinander, und die Entfernung war innerlich meilenweit. Es muss erst einmal innerlich etwas passieren, bevor man wieder so miteinander reden kann.
Da haben die Freundinnen geholfen: Was ist denn gut an ihm? Wie tickt er? Wie kommt man wieder aufeinander zu? Gehört ihr zusammen? Das ist Arbeit, da muss man wirklich dran arbeiten.
Wenn die Basis natürlich zerstört ist, dann werden Streitigkeiten ziemlich schwierig und können auch sehr unangenehm werden. Wenn die Basis aber gepflegt wurde, ist das wie ein Garten.
Ich habe ein Ehebuch, das heißt „Das Ehegartenbuch“. Dort ist immer das Bild von Beeten, die gepflanzt werden müssen. Das wissen wir: Wenn der Garten nicht gepflegt wird, vertrocknen bei dem Wetter die Pflanzen, oder das Unkraut wuchert, oder die Bäume sind nicht beschnitten.
Das ist Grundlagenarbeit, das ist die Basis. Und das läuft innerlich ab. Hier ist es in poetischer Sprache ein ganzes Kapitel, das beschreibt, was innerlich passiert.
Einiges habe ich übersprungen, zum Beispiel diese Beschreibungslieder, die auch total wichtig sind. Aber es ist ja dann doch so, dass sie es nicht einfach so stehen lassen, sondern sie suchen einander.
Und dann ist es schlussendlich so, dass sie ihn ja findet, oder?
Ja, genau, sie weiß, wo er ist, und sie geht zu ihm hin. Dann lesen wir als nächstes ein Liebeslied, in dem er sie nun preist: „Schön bist du, meine Freundin, wie Tirza, anmutig wie Jerusalem, furchterregend wie Kriegsschan.“
Tirza ist eine Stadt in Israel, und anmutig wie Jerusalem bedeutet hier eine besondere Schönheit. Furchterregend wie Kriegsschan beschreibt eine beeindruckende, starke Ausstrahlung.
Er sagt weiter: „Wende deine Augen von mir ab, denn sie verwirren mich. Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die vom Gileadgebirge herunterhüpfen.“ Das ist keine Beleidigung, sondern ein Kompliment. Ebenso sagt er: „Deine Zähne sind wie eine Herde Mutterschafe, die aus der Schwemme heraufkommen“ und so weiter.
Diese Bilder stammen aus dem Alten Testament und waren den Menschen damals gut verständlich. Heutzutage sagen wir zum Beispiel, jemand habe „Schmetterlinge im Bauch“ und wissen, dass diese Person verliebt ist. Dabei fragt man sich manchmal, was ein Schmetterling damit zu tun hat und was das bedeuten soll. Genauso war es damals mit dem Bild vom Haar, das wie eine Herde Ziegen vom Gebirge Gilead herunterhüpft. Das Gebirge Gilead besteht aus sanften Hügeln, die sich wellen. Wenn eine schwarze Ziegenherde in der Sonne vorbeizieht, sieht das aus wie langes, wallendes Haar. Das ist einfach eine bildhafte Beschreibung.
Auch die Zähne und andere Vergleiche sind solche poetischen Komplimente. Er macht ihr diese Komplimente, und das Spannende daran ist, dass man das mit Kapitel 3 oder 4 vergleichen muss. Denn er hat die Komplimente schon einmal in der Hochzeitsnacht gemacht, aber sie unterscheiden sich etwas. Dies zu vergleichen ist sehr interessant.
Letztendlich sagt er: „Ich liebe dich noch genauso wie damals“, allerdings in poetischer Sprache. Einige Dinge beschreibt er jetzt anders. Zum Beispiel war sie damals einfach die Schöne, und jetzt ist sie wie Jerusalem – also wie eine Festung. Das soll den Charakter ausdrücken, nichts Negatives. Furchterregend wie Kriegsschan bedeutet, dass sie eine starke, gefestigte Frau ist.
Ich habe meiner Frau einmal zum Geburtstag gesagt: „Du bist furchterregend wie Kriegsschan.“ Das heißt, sie ist eine gestandene Frau. Sie ist wie eine befestigte Hauptstadt oder wie Tirza, eine sehr schöne Gartenstadt. Eine Frau, die im Leben weiß, was sie will. Und so gehe ich auch mit dir um. Du bist nicht mehr die Frau von damals, sondern die Liebe hat sich entwickelt.
Die Komplimente sind immer noch da, und wir haben immer noch dieselbe Basis. Das sehen wir hier in poetischer Sprache, aber jetzt auf die Situation angepasst. Er ist auch in manchen Dingen sehr vorsichtig.
Zum Beispiel gehen die Komplimente in der Hochzeitsnacht auch ins Sexuelle, etwa: „Deine Brüste sind wie Kitze, wie Rehkitze.“ Das lässt er jetzt weg. Das ist verständlich, denn wenn man im Streit ist, fängt man nicht mit solchen Komplimenten an. Da ist er vorsichtig. Das wäre eher blockierend. Er weiß, was er sagen darf und was nicht.
So kommen sie wieder zusammen. Die Basis ist einfach da. Sie überlegt, was an ihm positiv ist, und er sagt ihr: „Unsere Liebe ist wie damals. Ich schätze dich genauso, vielleicht sogar mehr.“ Aber er passt natürlich auf im Streit. Das ist kein Überstülpen oder eine Masche, sondern ein vorsichtiges Annähern.
Wir kommen uns beide in Liebe und Respekt wieder näher. Das Ganze ist natürlich sehr poetisch, wie du vorhin auch gesagt hast. Es ist aber noch keine konkrete Anleitung, wie man ein Konfliktgespräch führt. So etwas findet man hier nicht.
Und mir gefällt das. Du kannst eine Anleitung woanders hernehmen, aber ich würde an der Basis arbeiten, an diesen Grundprinzipien. Denn wie man miteinander redet, das hat ein Ehepaar irgendwann gelernt. Aber man muss an der Basis arbeiten, damit Streitigkeiten fair bleiben.
Wenn du diese innere Liebe hast und daran arbeitest, werden deine Worte auch richtig sein. Dann hast du kein Problem damit, nicht beleidigt zu werden oder andere Schwierigkeiten zu vermeiden. Du entwickelst das Feingefühl, nicht zu überstülpen, nicht zu intim zu werden, sondern zu wissen: „Jetzt muss erst noch etwas geklärt werden.“
Klar, das sind Liebeslieder und eine poetische Sprache. Aber in anderen Bereichen des Hoheliedes lernt man auch, wie man schön miteinander redet. Er weiß, sich auszudrücken und macht ihr Komplimente in Bildern, die damals die Leute verstanden haben. Nicht plump, sondern auf eine gute Art.
Er hat den Partner beobachtet, kennt ihn und sagt ihm nette Dinge über seine Persönlichkeit. Er geht tief in die Persönlichkeit hinein und kann seine Liebe ausdrücken. Das finde ich gut, dass es poetisch ist. So lernt man, seine Liebe auszudrücken, was viele schwerfinden.
Man kann auch die Klagelieder zu Hilfe nehmen. Das ist zwar sehr plakativ, aber oft fällt es Männern schwerer, poetisch Liebe auszudrücken. Das Hohelied kann man also als Grundlage nehmen, um zu sehen, wie er das gemacht hat, und es natürlich anpassen.
Vielleicht kommen die Ziegen heute nicht so gut an. Ich habe das meiner Frau tatsächlich mal geschrieben, und sie hat sich sehr darüber gefreut. Sie wusste es aber schon vorher von mir.
Ich weiß nicht, ob ich damals ein Seminar gehalten habe. Nein, ich habe immer nur davon geredet. Es würde mich überraschen, wenn es nicht so wäre, dass das, was sich bewegt, einfach am Küchentisch auch bewegt wird. Das war vor unserer Ehe und auch danach.
Jetzt sind wir im Kapitel 6, Vers 11. Die Töchter sagen: Wer ist sie, die da hervorglänzt wie die Morgenröte, schön wie der Mond, klar wie die Sonne, furchterregend wie Kriegsscharen?
Und sie geht jetzt in den Nussgarten. In Vers 11 heißt es: „In den Nussgarten ging ich hinab, um die jungen Triebe des Tages zu besehen, um zu sehen, ob der Weinstock treibt, ob die Granatapfelbäume blühen. Da setzte mich, wie ich nicht weiß, mein Verlangen auf die Prachtwagen meines edlen Volkes.“
Das ist ein sehr schwieriger Vers, was die Übersetzung angeht. Jetzt sagen die Freundinnen wieder: „Dreh dich um, dreh dich um, Sulamit, dreh dich um, dreh dich um, das werde ich anschauen.“
Und Salomo fragt: „Was wollt ihr an Sulamit schauen beim Reigen von Mahanaim?“
Das ist natürlich der Hammer. Wir wissen als Nichtisraeliten nicht genau, was das bedeutet, aber Mahanaim ist ein Ort mit Geschichte, an dem jedes Jahr ein Fest stattfand. Dort begegneten sich Jakob und Esau und versöhnten sich wieder.
Sie geht jetzt in den Nussgarten, wo sie genau weiß, dass ihr Mann ist. Er war ja nicht nur König, sondern auch Hirte und in der Natur sehr verbunden. Sie weiß, wo sie ihn finden muss. Er weiß, wie er mit ihr umgehen soll, und sie weiß auch, wie sie Zugang zu ihm findet.
Wenn ich das übertragen will, geht sie in diesen Nussgarten im Frühling – das hat auch eine Bedeutung, die aber nicht so wichtig ist. Dort passiert etwas Interessantes: Plötzlich ist sie im Prachtwagen des Volkes. Gefühlsmäßig merkt sie wieder: „Ach, ich bin wieder die Königin.“
Sie hatten jetzt einen Streit, aber sie ist in den Garten gekommen und auf einmal wieder in dieser prachtvollen Prozession mit dem König als Königin unterwegs. Das ganze Volk schaut sie an. Die Freundinnen sagen: „Oh, dreh dich um, dreh dich um, das werde ich anschauen.“
Irgendwie haben die gar nicht mitbekommen, dass sie an ihnen vorbeigefahren ist. So wird in poetischer Sprache in Kurzform die Versöhnung dargestellt.
Salomo sagt: „Was wollt ihr schauen beim Reigen, also beim Volkstanz von Mahanaim?“ Sie haben sich also wieder versöhnt.
Hier wird zum ersten Mal der Name Sulamit im Hohelied erwähnt. Vorher kommt er, wenn ich mich recht erinnere, nicht vor. Sulamit ist das weibliche Pendant zu Salomo – Frau Salomon, würden wir heute sagen. Das ist ein Ehrenname, nicht ihr richtiger Name, meiner Überzeugung nach.
Sie haben sich wiedergefunden, weil sie auf den Partner zugegangen ist. Es gab Versöhnung, und das sehen wir an diesem Ort, der Bildsprache nach, wo Jakob und Esau sich versöhnten. Es ist eine neue Beziehung, denn sie bekommt einen neuen Namen – den Namen von Salomo. Das drückt die Verbundenheit aus.
Das ist faires Streiten. Es ging nicht um Konfliktgespräche im eigentlichen Sinn. Ich finde es trotzdem gut, dass die Bibel hier einen anderen Ansatz wählt.
Man kann darüber nachdenken, warum es hier nicht um Konfliktgespräche geht und nicht darum, wie man es genau macht. Der Bibel scheint diese Grundlagenarbeit, wie ich es nennen möchte, deutlich wichtiger zu sein – zumindest in diesem Text – als die anderen Sachen.
Man könnte das modern auch so ausdrücken: Was ist deine Einstellung gegenüber deinem Partner? Das Hohelied zeigt das ganz deutlich. Wie drückt man es aus? Wie lernt man einander kennen? Wie kommt die Versöhnung wieder zustande? Nicht zurückschlagen, trotzdem freundlich sein – diese Lektion haben wir alle gelernt.
Oder man denkt darüber nach, wie man überhaupt Zugang zum Partner findet und was man auf keinen Fall tun sollte, weil sonst von vornherein die Tür zugeschlagen ist.
Das sieht man in diesen sogenannten Beschreibungsliedern. Es gibt vier Beschreibungslieder, in denen ein Partner den anderen positiv beschreibt. Eins habe ich ein bisschen vorgelesen, ein anderes nur angetippt, und zwei sind im Streit. Zwei Beschreibungslieder also.
Eins war in der Hochzeitsnacht, eins kommt später noch. Das bedeutet: Auch im Streit gibt es Wertschätzung füreinander, das Ausdrücken der Liebe zueinander, das Kennen und Schätzen des Partners – im Äußeren, im Charakter, in der Beziehung zueinander. All das wird in poetischer Sprache thematisiert.
Das ist auch im Streit noch da. Und das macht die Fairness aus und ist das Wesentliche, um darauf zurückzukommen. Dann kann man sich auch mal streiten.
Das wäre für mich die Quintessenz aus diesen zwei Kapiteln – zwei volle Kapitel im Buch Hohelied, die das einfach ausdrücken.
Ja, ich denke, wir haben jetzt einiges aus dem Hohelied mitgenommen – nicht aus dem Klagelied. Aus dem Hohelied wird kein Klagelied. Ich nehme mit, dass es um die grundsätzliche Einstellung dem anderen gegenüber geht.
Du hast uns einige wichtige Dinge gezeigt, die ich beim Streit beachten sollte. Besonders motivierend ist, dass du sagst, es ist nicht notwendig, jeden Streit zu vermeiden. Im Gegenteil: Streit kann mich weiterbringen.
Manchmal gibt es sicher auch Punkte, bei denen man, obwohl man zwanzig Jahre verheiratet ist, immer noch unterschiedliche Ansichten hat. Oder man erfährt nach zwanzig Jahren plötzlich, was man falsch macht. Das habe ich auch schon erlebt. Nach zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren habe ich Dinge erfahren, die ich vorher nie gehört habe. Ganz komisch.
Das Tolle an diesem Streit ist, dass danach sie plötzlich wieder im Prachtwagen sitzt und einen neuen Ehrennamen bekommt. Das heißt, letztendlich ist die Beziehung sogar tiefer geworden. Das kann durch gute Auseinandersetzung in Wertschätzung passieren, sodass am Ende die Beziehung noch intensiver wird.
Also sollte man dem Streit nicht aus dem Weg gehen, sondern mit dem Herrn in diesen Streit gehen – und wahrscheinlich auch nach dem Streit gemeinsam vor dem Herrn stehen.
Wenn ich die Sache einfach mal zusammenfasse:
Ja, das war wieder der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet viele Impulse mitnehmen, die ihr konkret im Blick auf den Streit mit eurem Partner, eurer Ehefrau oder eurem Ehemann umsetzen könnt.
Falls ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast allgemein, schreibt uns gerne unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und einen wertschätzenden Umgang miteinander – auch im Streit.