In unserer Predigtreihe durch das Lukas-Evangelium kommen wir heute zum Bericht von der Verhaftung Jesu. Diese fand am späten Abend des Grünen Donnerstags statt.
Nach dem Abendmahl war Jesus mit seinen Jüngern nach Gethsemane gegangen. Letzte Woche haben wir gehört, wie er im Gebet mit seinem himmlischen Vater rang und sich dann ganz bewusst dem Willen seines Vaters ausgeliefert hat.
Bereits zuvor hatte er seine Jünger dazu aufgerufen, zu beten, damit sie nicht in Anfechtung fallen. Danach kehrte er zurück. Er stand vom Gebet auf, kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend vor Traurigkeit. Er sprach zu ihnen: „Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Anfechtung fallt.“ So endete der Predigttext von letzter Woche.
Dann geht es weiter: „Als er aber noch redete, siehe, da kam eine Schar, und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas, ging vor ihnen her und näherte sich Jesus, um ihn zu küssen.“
Verrat in der Dunkelheit
So beginnt unser heutiger Predigttext. Wenn wir es nicht besser wüssten, könnte man denken, dass hier zumindest ein treuer Jünger Jesu zu sehen ist. Einer, der nicht einfach wegschläft, sondern Jesus seine Liebe erweist und auch andere mit sich bringt, hin zu Jesus.
Aber natürlich wissen wir, dass Judas etwas anderes im Sinn hat. Er führt Jesu Feinde mit sich, hat Jesus verraten und liefert ihn hier aus, damit er verhaftet und am nächsten Tag gekreuzigt wird.
Was wir hier sehen, ist die Stunde seiner Feinde und die Macht der Finsternis. So lesen wir es in Vers 53, mitten in unserem Predigttext. Ich denke, das ist eine gute Beschreibung für all das, was wir im gesamten Predigttext heute sehen: Lukas 22,47-62.
Diese Finsternis inmitten aller Not zeigt, wer wirklich treu ist. Das sehen wir hier in aller Klarheit. Ich möchte für uns beten, dass der Herr uns bereit macht, uns durch sein Wort herausfordern zu lassen. Vor allem möchte ich beten, dass wir inmitten all der Finsternis – der ganzen Finsternis, die uns hier gezeigt wird – die Treue, die Barmherzigkeit und die Liebe des Herrn Jesus erkennen. Dass sie hell hervorleuchten aus dieser Finsternis und wir uns zu ihm hingezogen wissen.
Ich bete mit uns: O Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg. So bitten wir dich, dass dein Wort uns nun zurüstet, gerade auch für die Zeiten, wenn du uns durch finstere Täler führst. Sprich du, o Herr, deine Knechte hören. Amen.
Ich möchte uns den Predigttext lesen: Lukas 22,47-62. In den ausliegenden Bibeln findet ihr das ganz unten auf Seite 102, im Neuen Testament, im hinteren Teil. Dann geht es weiter auf Seite 103.
Für die, die sich in der Bibel nicht gut auskennen: Kapitel 22 heißt die große Zahl 22, und die Verse sind durchnummeriert. Wir kommen zu der kleinen Zahl 47, das ist Kapitel 22, Vers 47.
Da heißt es nun:
Als er aber noch redete, siehe, da kam eine Schar, und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas, ging vor ihnen her und näherte sich Jesus, um ihn zu küssen.
Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss?
Als aber die, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: Herr, sollen wir mit den Schwertern hineinschlagen?
Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab.
Da sprach Jesus: Lasst ab, nicht weiter! Und er berührte sein Ohr und heilte ihn.
Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern, Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die zu ihm hergekommen waren:
Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und Stangen ausgezogen.
Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen, und ihr habt nicht Hand an mich gelegt.
Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.
Sie ergriffen ihn, führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters.
Petrus aber folgte von ferne.
Da zündeten sie ein Feuer an mitten im Hof und setzten sich zusammen, und Petrus setzte sich mitten unter sie.
Da sah ihn eine Magd am Feuer sitzen, sah ihn genau an und sprach: Dieser war auch mit ihm.
Er aber leugnete und sprach: Frau, ich kenne ihn nicht.
Nach einer kleinen Weile sah ihn ein anderer und sprach: Du bist auch einer von denen.
Petrus aber sprach: Mensch, ich bin’s nicht.
Und nach einer Weile, etwa nach einer Stunde, bekräftigte es ein anderer und sprach: Wahrhaftig, dieser war auch mit ihm, denn er ist ein Galiläer.
Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst.
Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn.
Der Herr wandte sich um und sah Petrus an.
Petrus gedachte des Wortes des Herrn, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.
Vier Begegnungen und ihre Bedeutung
Dieser Text zeigt uns, wie nacheinander vier verschiedene Menschen beziehungsweise Menschengruppen mit Jesus in Kontakt treten und wie sie sich ihm gegenüber verhalten.
Dabei sehen wir, dass Jesus verraten wird, dass er verkannt wird, dass er verhaftet wird und schließlich verleugnet wird.
Dies sind die vier zentralen Punkte dieser Predigt.
Verrat durch Judas (Verse 47-48)
Und so wollen wir beginnen mit den Versen 47 und 48. Dort sehen wir, wie Jesus verraten wird. Wir haben gerade schon den ersten Vers, Vers 47, gelesen. Dort sehen wir, wie Jesus kommt und von Judas mit einem Kuss an seine Feinde verraten wird.
Judas war, das wissen wir aus dem Johannesevangelium, von Anfang an für Jesus als der Jünger bekannt, der ihn verraten würde. Jesus hatte das bereits in Johannes 6 angekündigt. Für ihn war von vornherein klar: Dieser, den ich berufe, berufe ich zum Zweck, dass er mich später an meine Feinde verrät.
Jesus wusste das, aber Judas war sich dessen sicher nicht bewusst. Judas war anfänglich zu Jesus gekommen, um ihm nachzufolgen. Er hätte das sonst nicht drei Jahre lang getan. Er war fast drei Jahre mit Jesus unterwegs gewesen. Wie die anderen Jünger auch war er sicherlich begeistert von Jesus.
Irgendwann wurde er von Jesus ausgesandt. In der Kraft des Herrn tat er Wunder, heilte Menschen und verkündete das Evangelium. Judas war sicherlich bis vor nicht allzu langer Zeit voller großer Erwartungen gewesen. Wenn Jesus jetzt noch nach Jerusalem geht und den Thron besteigt, dann würde auch Judas ganz groß herauskommen. Er gehörte schließlich zum innersten Zirkel dieses, wie viele dachten, zukünftigen Königs.
Doch dann ließ Jesu Popularität nach. Menschen fingen an, sich von Jesus abzuwenden und damit auch von den Jüngern, so wie Judas. Jesus redete immer häufiger von kommendem Leiden. Er rief sogar seine Jünger dazu auf, ihm dann noch treu zu folgen, wenn es durch das tiefe Tal des Leidens geht.
Ja, er machte deutlich, dass die Jünger bereit sein sollten, selbst ihr Kreuz auf sich zu nehmen. Das entsprach überhaupt nicht den Vorstellungen von Judas. So fing Judas wohl an, sich innerlich von Jesus zu distanzieren.
Anstatt Jesus weiter treu zu dienen, begann er, sich aus der Reisekasse zu bereichern. Als dann die Gelegenheit kam, gab Judas nach und verriet Jesus für dreißig Silberlinge an seine Feinde.
Was wir hier lesen, ist natürlich etwas Einmaliges. Doch ich fürchte, dass sich die Geschichte von Judas in gewisser Weise immer wieder wiederholt. Manche Menschen lernen Jesus kennen. Sie sind anfänglich von ihm begeistert, aber dann kommt alles nicht so, wie sie es sich erhofft haben.
Diese Menschen, die einen guten Anfang gemacht haben, fangen an, sich innerlich von Jesus zu distanzieren, bis sie sich eines Tages komplett von ihm abwenden.
Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere unter uns gerade auf dem gleichen Weg ist, auf dem Judas einst war: einen guten Anfang hatte, gebrannt hat für Jesus, begeistert war von Jesus, aber jetzt enttäuscht ist, weil sich Dinge nicht so entwickelt haben, wie erhofft.
Vielleicht bist du enttäuscht von Jesus. Hattest du andere Erwartungen für dein Leben als Christ? Bist du enttäuscht von dem, was Jesus dir zugeteilt hat, von dem, was er dir zumutet?
Ich möchte dich ermutigen: Sei ehrlich zu dir selbst und zu anderen. Komm mit anderen darüber ins Gespräch, damit wir dir helfen können. Treu an Jesus’ Seite zu bleiben, das ist mein Wunsch für jeden unter uns, gerade auch für die, die vielleicht durch Zeiten gehen, in denen Enttäuschung da ist.
Wir wollen dir helfen, zu verstehen, was Jesus dir wirklich versprochen hat. Wir wollen dir helfen, zu erkennen, dass Jesus wirklich treu ist.
So flehe ich dich an: Geh nicht den Weg des Judas. Wende dich nicht vollkommen von Jesus ab. Bedenke, der Weg des Judas führt ins Verderben.
Als Judas hier zu Jesus kommt und ihn mit einem Kuss verrät, spricht Jesus zu ihm: „Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss?“ Diese Worte verdeutlichen, dass Jesus ganz genau weiß, was Judas hier im Schilde führt.
Es wirkt fast so, als würde Jesus Judas hier noch eine letzte Chance geben. Er bekennt Judas gegenüber, wer er wirklich ist. Er ist wahrhaftig der vom Propheten Daniel angekündigte Menschensohn.
Jesus sagt nicht: „Judas, verrätst du mich mit einem Kuss?“ oder „Judas, verrätst du Jesus mit einem Kuss?“ Nein, Jesus sagt: „Verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss?“ Das ist ein Titel, ein Titel für den Messias, den der Prophet Daniel einst gebraucht hat.
Wir lesen davon im Buch des Propheten Daniel, Kapitel 7, Vers 13: „Ich sah in diesem Gesicht, also in einer Vision, einer Zukunftsvision, in der Nacht. Und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschensohns. Und gelangte zudem, der uralt war, und wurde vorhin gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende.“
Jesus sagt zu Judas hier: Ich bin der Menschensohn. Du verrätst den Menschensohn, diesen Menschensohn, den ewigen Regenten.
Noch war das nicht sichtbar. Das, was Daniel hier sieht, würde erst einige Zeit später geschehen. Daniel sieht hier aus himmlischer Perspektive Christi Himmelfahrt, wie Jesus nach seinem Sterben und seiner Auferstehung zu Gott dem Vater zurückkehrt und dort Macht, Ehre und Reich empfängt.
Wir dürfen wissen: Jesus regiert. Auch wenn es hier auf Erden oft nicht so aussieht. Hier herrscht noch die Macht der Finsternis. Aber Jesus regiert. Eines Tages wird der Menschensohn wiederkommen. Dann wird er sein Reich hier auf Erden aufrichten. Es wird herrlich sein und wunderbar für jeden, der zu ihm gehört.
Es wird besser sein als all das, was Judas sich in seinen kühnsten Träumen ausmalen konnte. Judas hatte also in gewisser Weise Recht mit seinen Erwartungen. Er hat sie nur zeitlich falsch platziert.
So möchte ich uns Mut machen, auf diesen Menschensohn zu vertrauen. Judas hatte das nicht verstanden, und so verriet er Jesus.
Falsche Reaktion der Jünger (Verse 49-50)
In den Versen 49 und 50 lesen wir, wie die anderen Jünger reagieren, als sie erkennen, was in der Finsternis geschieht. Als die Feinde aufmarschieren, bleiben diese Jünger an Jesus’ Seite. Doch es scheint, als ob sie eine gewisse Panik erfasst. Sie suchen bei Jesus Rat, Orientierung und Hilfe. Was sollen wir tun? Sie fragen, wie es hier heißt: „Herr, sollen wir mit den Schwertern dreinschlagen?“
So ist ihr Reflex: Kämpfen oder was? Einer von ihnen kann es gar nicht abwarten. Da heißt es, dass einer von ihnen nach dem Knecht des Hohenpriesters schlug und ihm das rechte Ohr abhieb. Dabei verkennt dieser Jünger – ja, alle Jünger verkannten –, wer Jesus wirklich ist. Jesus hat es nicht nötig, von seinen Jüngern mit Gewalt verteidigt zu werden.
Wenn Kämpfen angesagt wäre, könnte Jesus eine Legion Engel herbeirufen oder sprechen, und sie würden tot umfallen. Nein, Jesus ist der Allmächtige! Er braucht nicht den kopflosen Kampf seiner panischen Jünger, um seinen himmlischen Plan auszuführen. So weiß er seine Jünger zu Recht an: „Lasst ab, nicht weiter!“
Die Jünger verkannten, dass Jesus es wahrlich nicht nötig hatte, mit Schwertern verteidigt zu werden. Sie verkannten dabei auch, was ihre Berufung jetzt war. Sie sollten nicht mit Schwertern für Jesus kämpfen, sondern bereit sein, mit Jesus zu leiden. Jesus würde seinen Kampf nicht mit Schwertern gewinnen, nicht mit Gewalt, sondern durch seinen stellvertretenden Sühnetod am Kreuz und durch seine Auferstehung am dritten Tag.
Ihr Lieben, auch wir tun gut daran, uns darauf zu besinnen. Unser Herr hat alles im Griff. Er ist der Allmächtige. Er kann und wird das tun, was nötig ist, um seinen guten Plan auszuführen. Dieser Plan sieht manchmal anders aus, als wir uns das gerade vorstellen. Aber sein Plan ist gut, und er führt zu einem guten Ziel.
Deshalb ist es für uns nicht angesagt, panisch zu werden, wenn um uns herum alles finster ist. Wir müssen nicht zu Gewalt greifen, wir müssen nicht verzweifelt losschlagen. Das heißt nicht, dass wir immer passiv bleiben sollen. Nein, der Herr ruft uns zu allen möglichen Dingen auf, und das, was er uns sagt, sollen wir tun. Aber wir sollen eben nicht in kopfloser Panik auf eigene Faust losschlagen.
Ich weiß nicht, wie es dir geht und wie du in Notsituationen handelst. Kennst du solche Zeiten, in denen du ein bisschen Panik bekommst und aus dem Blick verlierst, dass Jesus im Regiment sitzt? Dann lass dir das als Erinnerung dienen: Jesus weiß genau, was geschieht. Er hat alles im Griff, und wir dürfen uns ihm anvertrauen.
Ja, es erfordert oft viel mehr Mut, und es ist viel schwieriger, willig zu leiden als zu kämpfen. Aber als Christen ist es unsere Berufung, Christus nachzufolgen. Er zeigt uns hier, welchen Weg er gehen wird. Er ist bereit, in aller Demut und völliger Konsequenz durch das finstere Tal des Leidens zu gehen.
Schon einige Zeit vorher hat er seine Jünger dazu aufgerufen und ihnen gesagt: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich. Folge mir nach.“ So ist meine Einladung an dich: Vertrau auf Jesus, gerade inmitten von Notzeiten. Vertrau auf Jesus inmitten der Finsternis. Er führt uns zum Ziel.
Ja, der Weg wird nicht immer leicht sein. Er wird uns nicht finstere Täler ersparen. Aber so, wie wir es vorhin gemeinsam in Psalm 23 gelesen haben: Auch im finsteren Tal ist er an unserer Seite. In der Tat, er ist uns vorangegangen durch das finsterste Tal und führt uns dahin, wo er ist – hin zur Herrlichkeit, zu frischen und grünen Auen, wo er uns voll einschenken wird.
Barmherzigkeit in der Bedrängnis (Verse 51-52)
Und so ruft Jesus hier seine Jünger dazu auf, ihre Waffen niederzulegen.
Erstaunlich ist, dass wir auch inmitten der Finsternis und all des Bösen sehen, wie Jesus nicht nur seine Jünger zurechtweist. Vielmehr leuchtet er in dieser Dunkelheit als ein Mann voller Barmherzigkeit, Allmacht und Liebe auf.
Ihm ist nichts unmöglich, und das zeigt er, indem er das Ohr eines Soldaten heilt – eines Soldaten, der gekommen war, um ihn zu verhaften.
So offenbart sich unser Herr als voller Liebe, selbst gegenüber seinen Feinden.
Verhaftung und die Macht der Finsternis (Verse 52-53)
Und dann wird er verhaftet. Wir sehen das in den Versen 52 und 53, wie die Männer, die gekommen sind, um Jesus zu verhaften, von ihm direkt angesprochen werden. Da heißt es: „Ihr seid ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und Stangen. Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen, und ihr habt nicht Hand an mich gelegt. Aber das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“
Jesus verdeutlicht, wie feige seine Feinde agieren. Es war ja nicht so, als ob es nicht genügend Gelegenheiten gegeben hätte, ihn zu verhaften. Er war tagtäglich seit einer Woche im Tempel gewesen und hatte dort immer wieder gepredigt. Er war anwesend und leicht greifbar. Doch seine Feinde standen im Hintergrund, tuschelten vielleicht miteinander, ließen ihn aber gewähren. Sie hatten sich nicht getraut, ihn im Licht der Öffentlichkeit zu verhaften.
Nun kommen sie im Schutz der Dunkelheit. Jesus macht das hier ganz deutlich durch seine Worte. Interessant ist, was er betont: Ist es nicht eigentlich andersherum? Ist es nicht so, dass die Bösen im Finstern agieren und die Guten im Licht? Jesus macht das ganz klar. Ich kann mir vorstellen, dass das von besonderer Bedeutung ist, weil vielleicht nicht alle, die gekommen sind, um ihn zu verhaften, das aus tiefstem Herzen taten. Manche sind wahrscheinlich einfach mitgekommen, andere haben vielleicht nur ihren Job getan.
Jesus fordert sie in gewisser Weise heraus, sich selbst zu hinterfragen und auch zu hinterfragen, wer dieser Jesus eigentlich wirklich ist. Ist er wirklich ein so gefährlicher Verbrecher? Warum haben sie ihn denn nicht schon viel früher aus dem Verkehr gezogen? Sie hatten doch jede Möglichkeit dazu. Warum müssen seine Feinde im Schutz der Dunkelheit gegen ihn vorgehen? Das macht Jesus hier ganz deutlich, wenn er sagt: „Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“
Wenn du heute hier bist und dich vielleicht noch nicht so ganz klar zu Jesus positioniert hast, wenn du noch am Abwägen bist, ob es sich wirklich lohnt, ihm nachzufolgen, ob er wirklich so gut ist, dann kann das eine ganz hilfreiche Stelle sein. Schau hin, schau darauf, wie Jesus sich hier verhält. Inmitten der Finsternis begegnet er sogar seinen Feinden in Liebe und heilt sogar einen seiner Feinde.
Sieh ihn, wie er im Licht, in der Liebe, in Wahrheit und Barmherzigkeit wandelt. Und sieh, wie seine Feinde agieren: hinterlistig, voll Hass, in der Finsternis. Das möchte ich einleiten: Lerne diesen Jesus besser kennen. Wir sind dazu da. Unser Ziel als Gemeinde ist es, dass Menschen Jesus kennenlernen und ihn immer besser kennenlernen. Wir würden dir gerne dabei helfen.
Bedenke dabei, was Jesus hier zu seinen Feinden sagt. Wenn er sagt: „Dies ist eure Stunde, die Stunde der Macht der Finsternis“, dann tickt die Uhr. Diese Stunde wird bald ein Ende haben. Dann wird eine größere Macht, die Macht Gottes, diese Macht der Finsternis zur Rechenschaft ziehen.
An dem Tag, an dem die Stunde der Finsternis vorbei ist und das Licht aufstrahlt, wird jeder zur Rechenschaft gezogen. Die Frage ist: Bist du dann auf der Seite des Lichtes oder stehst du noch in der Finsternis? Es gibt keinen Zwischenraum. Entweder du stehst bei Jesus oder du stehst noch in der Finsternis.
So ist meine Einladung: Wenn du dich noch nicht klar positioniert hast, komm zum Licht! Jesus ist das Licht der Welt. Er wird die Finsternis besiegen. Darauf darfst du vertrauen. So sicher, wie nach der finstersten Nacht die Sonne am Morgen aufgeht, so sicher wird das Licht der Welt die Finsternis überwinden.
Verleugnung durch Petrus (Verse 54-62)
Aber noch ist es nicht so weit. So lesen wir hier, dass Jesus, nachdem er von Judas verraten, von seinen eigenen Jüngern verkannt und von seinen Feinden verhaftet wurde, nun ergriffen und abgeführt wird in das Haus des Hohenpriesters.
Was Lukas hier nicht erwähnt, aber in den Parallelberichten beschrieben wird, ist, wie Jesus nun auch noch verlassen wird. Das könnte ein schöner fünfter Punkt sein, auch mit „v“ für verlassen. Doch da dies hier nicht im Text steht, haben wir diesen Punkt nicht aufgenommen.
Wir schauen stattdessen auf den einen, der ihn nicht verlässt. Das sehen wir ab Vers 54, wo nur ein Jünger von ferne folgt. Streng genommen wissen wir, dass noch ein anderer auch mit dabei war, aber hier ist der Blick auf Petrus gerichtet.
Aus den Parallelberichten bei Matthäus, Markus und Johannes wissen wir, warum Petrus nun folgt. Es ist eine Mischung aus Hingabe und Neugier. Er will sehen, wie die Sache ausgehen wird.
Doch wir sehen, und das ist der letzte Punkt dieser Predigt, dass auch Petrus nicht wirklich treu an der Seite seines Herrn bleibt. Im letzten Abschnitt lesen wir, dass Petrus Jesus gleich dreimal verleugnen wird.
Nachdem er nun in den Hof des Hauses des Hohenpriesters gekommen war, setzt er sich dort an ein wärmendes Feuer. Dort wird er von einer Magd erkannt, die dabei sitzt. Wir lesen: Sie sagt, „Dieser war auch mit ihm.“ Er aber leugnete und sprach: „Frau, ich kenne ihn nicht.“
Dann lesen wir weiter: Nach einer kleinen Weile sah ihn ein anderer und sprach: „Du bist auch einer von denen.“ Petrus aber antwortete: „Mensch, ich bin’s nicht.“
Nach einer weiteren Zeit, etwa einer Stunde, bekräftigt wieder ein anderer: „Wahrhaftig, dieser war auch mit ihm, denn er ist ein Galiläer.“ Und wiederum wehrt Petrus ab: „Mensch, ich weiß nicht, was du sagst.“
So verleugnet Petrus seinen Herrn dreimal. Dreimal distanziert er sich von ihm: „Ich kenne ihn nicht, ich bin kein Jünger, ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest.“
Das sagt der gleiche Petrus, der nur wenige Stunden vorher am gleichen Abend noch vollmundig erklärt hatte: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“ Erstaunlich – wenige Stunden vorher, am gleichen Abend.
Bevor wir Petrus vorschnell verurteilen, möchte ich uns einladen, uns selbst zu prüfen. Wie sieht es bei dir aus, lieber Christ? Bekennst du dich immer mutig zu deinem Herrn? Oder verleugnen wir Jesus nicht auch immer mal wieder – mit dem, was wir sagen oder auch mit dem, was wir nicht sagen?
Nehmen nicht auch wir immer mal wieder gegenüber Jesus im Gebet den Mund viel zu voll? Petrus hatte das getan, und dann wurde er mit seinem eigenen Versagen konfrontiert.
Wir lesen hier weiter: „Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn. Der Herr wandte sich und sah Petrus an, und Petrus gedachte des Herrnwortes, wie er zu ihm gesagt hatte: ‚Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.‘“
In diesem Moment kommt alles zusammen. So wie angekündigt kräht der Hahn. Und in diesem Augenblick, nicht nur dass der Hahn kräht, nun schaut Jesus wohl aus dem Haus des Hohenpriesters, wo er geschlagen wird, hinaus – wie auch immer wir uns das vorstellen müssen, durch eine Öffnung oder durch ein Fenster.
Er schaut hinaus und sieht Petrus an. Genau in seine Augen.
Der Hahn kräht, Jesus schaut ihn an, und ihm wird klar: Er hat den Mund viel zu voll genommen, er hat seinen geliebten Herrn verraten.
Er bricht zusammen, geht hinaus und weint bitterlich.
Was wir dabei aber bedenken sollten: Wenn Jesus ihn hier ansieht, dann sieht Jesus ihn sicherlich nicht rechthaberisch an – nicht mit einem „Ich hab’s dir ja gesagt“ oder verächtlich mit einem „Ach du Schlappschwanz!“
Nein, so ist Jesus nicht.
Jesus sieht ihn sicher voller Liebe und Barmherzigkeit an.
Dieser Jesus hatte Petrus vorher gesagt, diesem Petrus, der den Mund so voll nahm: „Simon, Simon“ – der andere Name des Petrus – „Siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie Weiz. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhört.“
So sieht Jesus ihn an. Er sieht dieses Verleugnen, und er kanzelt ihn nicht ab. Er verurteilt ihn nicht, sondern schaut ihn in Liebe an.
Und wahrscheinlich bricht gerade das Petrus zu erleben: Geliebt zu sein inmitten seines eigenen Versagens.
Ja, ich glaube, viele von uns kennen solche Momente, in denen uns klar wird: Wir haben unseren Herrn mal wieder verleugnet. Wir haben uns gegen ihn gestellt. Trotz aller Beteuerung haben wir wieder gesündigt – an der einen Stelle, wo wir gesagt haben: Das will ich nie wieder tun.
Und manchmal könnten wir denken: Jetzt mag er mich bestimmt nicht mehr.
Aber wenn uns dann bewusst wird, dass er uns trotzdem liebt, dass er uns weiter liebt durch dieses Tal der Sünde hindurch, dann bricht das unser Herz.
Weil es eine Liebe ist, die uns überwältigt.
Petrus ist überwältigt. Er geht hinaus und weint bitterlich.
Die Stunde der Finsternis und die Hoffnung im Licht
Das ist also die Stunde der Finsternis. Alles hier ist finster. Ein Jünger wendet sich von Jesus komplett ab und verrät ihn. Andere handeln kopflos und verkennen, wer er wirklich ist und dass das, was geschieht, doch geschehen muss. Wieder andere Menschen sind Handlanger der Macht der Finsternis und verhaften den ewigen König, der als Retter der Welt gekommen ist. Petrus, der Felsen, zerbröselt und verleugnet seinen geliebten Herrn gleich dreimal. Keiner, keiner ist treu.
Ich denke, wenn Gottes Wort heute Morgen irgendwie in unsere Herzen eingedrungen ist, dann müssen wir erkennen: Das gilt auch für uns. Keiner ist treu. Wir alle versagen immer mal wieder. Umso wichtiger ist es für uns, Jesus immer klar im Blick zu haben. Ihn immer wieder klar zu sehen, gerade inmitten der Finsternis, auch der Finsternis unseres eigenen Lebens. So erkennen wir, dass dieser Jesus alles im Griff hat.
Ich hoffe, wir staunen darüber, wie Jesus inmitten der Finsternis so gut, so liebevoll und so barmherzig handelt. Genau deswegen geht er durch dieses Tal der Finsternis. Das war nötig. Er musste diesen Weg gehen. Er war gekommen, um diesen Weg zu gehen – durch das finstere Tal dieser Nacht und der Kreuzigung am nächsten Tag. Er war gekommen für all die, die nicht treu sind, für jeden von uns.
Und dann überwand er die Macht der Finsternis. Am Ostermorgen fand die Stunde der Finsternis ihr Ende. Der Herr überwand das Grab, den Tod. Er stand auf, ist nun aufgefahren und sitzt im Regiment.
Doch noch herrscht hier auf Erden Finsternis. Wir erleben das, wenn wir in die Ukraine schauen. Die Macht der Finsternis hat ihre Stunde. Unsere Geschwister aus Afghanistan sind geflohen – von der Macht der Finsternis. Wir erleben die Macht der Finsternis auch in unserem eigenen Leben: in schwierigen Beziehungen, in belastenden Arbeitssituationen, in gesundheitlichen Krisen und in psychischen Nöten. Die Macht der Finsternis ist real.
Aber Jesus macht deutlich: Der Weg geht durch dieses Tal, und er wird uns sicher hindurchführen. Er wird uns hinführen zur Herrlichkeit. So vertraue dich ihm an, folge ihm nach, steh wieder auf, wo du gefallen bist, und geh den Weg bis ans Ziel – bis ans lohnende Ziel. Denn auf die Finsternis folgt das Licht.
Ich bete: Himmlischer Vater, wir wollen dir danken, dass du deinen einen lieben Sohn Jesus Christus, unseren Herrn, in diese Welt gesandt hast. Dass er den Weg der Erniedrigung gegangen ist. Dass er all die Herrlichkeit, die er bei dir hatte, aufgegeben hat, um in die Niederungen dieser Welt zu kommen. Wir danken dir, dass er hier auf Erden durch alle Finsternis gegangen ist – den schweren Weg bis hin zum Kreuz, ja, zu seinem Tod am Kreuz.
Aber wir danken dir auch, dass du deinen lieben Sohn am dritten Tag auferweckt hast, dass er der Herr ist, der regiert. Wir danken dir, dass wir in seinem Leben und Sterben sehen können, dass er voller Liebe und Barmherzigkeit ist. Das ist unsere einzige Hoffnung im Leben und im Tod: dass du unser Herr bist, dass du der Herr bist über Leben und Tod, dass du der Herr bist, der die Finsternis vertreibt.
Und so beten wir: Komm, Herr Jesus, komme bald! Amen!