Gebet um geistliche Erneuerung und Reformation
Lieber Herr Jesus, du Heiland unserer Seelen, der du uns als Hirte weidest und unsere Seelen versorgst. Du bist der, der uns reinigt, unsere Sünden vergibt und unsere Herzen reinigt.
Danke, dass wir in diesen Tagen davon hören dürfen. Danke auch, dass wir uns jeden Tag in deine Gnade hüllen dürfen, wie in eine warme Decke. Diese Gnade ist einfach so über uns ausgesprochen und liegt durch dich auf uns. Vielen Dank dafür!
Danke auch, dass wir heute Morgen wieder von den Grundsätzen der Reformation hören dürfen. Ich bitte dich, dass du in unseren Herzen und in unserer Generation eine neue Reformation schenkst, Herr Jesus. Dass wir eine neue Reformation erleben dürfen zur Heilung unserer Herzen, zur Heilung unseres Volkes und unserer Gesellschaft.
Wo in der Geschichte Reformation geschah, da ist auch Heilung im Volk geschehen, Herr. Das kann auch heute passieren. Dafür bitten wir dich und segnen jetzt diese Predigt oder auch die Kinderstunde im Namen Jesu. Amen.
Vergänglichkeit der Weltreiche und bleibende Verheißung des Wortes Gottes
Wenn man einen Blick in die Weltgeschichte wirft, ist es sehr bewegend zu sehen, wie die großen Weltreiche in relativ kurzer Zeit zerbrochen sind. Wenn man zum Beispiel nach Ägypten reist, die großen alten Tempel besichtigt und die biblische Geschichte liest, wird deutlich, wie reich die Pharaonen einst waren.
Auch die babylonische Herrschaft ist beeindruckend. Wenn man in Berlin auf der Museumsinsel die gewaltigen Mauern sieht, die in Babel standen, und an den Herrscher Nebukadnezar denkt, wird die Größe dieser Reiche spürbar. Nebukadnezar sagte: „Das kleine Jerusalem wie die Spotten, was willst du denn? Du kannst dich doch nicht auf Gott verlassen.“ Ninive und viele andere Reiche sind untergegangen.
Diese Ereignisse sind so gewaltig, dass man sich ihre Größe kaum vorstellen kann. Gestern sprachen wir davon, wie schade es ist, dass so wenige Menschen in den Libanon reisen. Es ist ein ganz wunderbares Land. Dort kommt man an die Stelle, wo einst Tyrus stand – eine sehr große Weltstadt. In Hesekiel steht geschrieben: „Du wirst nur ein nackter Felsen übrig bleiben, und die Fischer werden dort stehen und angeln.“ Genau so ist es heute. Tyrus wurde nie wieder aufgebaut.
Im Gegensatz dazu wurden viele andere Städte wieder aufgebaut. Rom zum Beispiel wurde oft wieder errichtet, ebenso Sidon und Kapernaum. Interessant ist, dass in den Weltreichen, die zerfallen sind, immer eine fehlende Beständigkeit zu erkennen ist.
Das Wort, das Jesus gesprochen hat, ist in diesem Zusammenhang besonders bedeutend. Er sagte zu Chorazin und Bethsaida, zwei Städten in Galiläa, dass sie nie mehr wieder aufgebaut werden würden. Wenn man dort steht, wird einem die Tragweite dieser Worte bewusst. Besonders empfehlenswert ist es, in Galiläa zuerst nach Chorazin zu gehen und die Ausgrabungen zu besichtigen.
Warum wurde Kapernaum nicht wieder aufgebaut? Im Gegensatz dazu wurde Tiberias neu errichtet. Das Wort des Herrn ist eine Konstante, die sich durch die gesamte Weltgeschichte hindurchzieht.
Endzeitreden Jesu und aktuelle Herausforderungen
Es ist deshalb interessant, in diesen Tagen die Endzeitreden von Jesus zu lesen. Das ist vielleicht das Aktuellste, was wir haben. Jesus sagt darin, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird, alles zerfallen wird und eine Nation sich gegen die andere erheben wird.
Es wird keine Geldwertstabilität geben. Ich habe dummerweise geglaubt, dass der Euro so stabil ist wie die D-Mark. Aber wer will schon die Schulden Griechenlands übernehmen? Ein großer Kenner sagte neulich in den Wirtschaftsnachrichten im Fernsehen: Natürlich ist der Euro nicht mehr zu retten, und man kann aus der Nullzinspolitik gar nicht mehr herauskommen.
Mit einem Prozent Zins sind die vielen überschuldeten Staaten gar nicht mehr in der Lage, ihre Schulden zu bezahlen. Der Staat braucht das ja, damit er keine neuen Schulden macht. Aber ich rede jetzt nicht über politische Dinge.
Jesus hat gesagt, dass wirtschaftliche Unsicherheit bleiben wird. Inflation, Hunger und Teuerung werden da sein. Das ist eigentlich rätselhaft, denn die Teuerung macht die Menschen immer ärmer. Neulich sagte meine Enkelin, die noch im Studium ist, sie wolle auch sparen. Ich habe es nicht über die Lippen gebracht, aber innerlich dachte ich, du bist ein Esel. Es ist so gemein, was den jungen Menschen hier angetan wird, weil die Teuerung alles entwertet.
Natürlich muss man sparen und so weiter. Jesus sagt in einer seiner Reden auch, dass in der Gemeinde falsche Christusse verkündet werden. Es wird Zerteilung geben zwischen Jungen und Alten. Die Kinder werden sich gegen ihre Eltern empören, es wird Zwietracht geben.
Dann sagt Jesus aber auch, dass das Evangelium gepredigt wird. Das ist etwas, das in den Christenheiten immer wieder bekannt ist: Das Evangelium bleibt durch alle Zeiten das eine. Man hört heute an vielen Stellen, dass das Evangelium an unsere Zeit angepasst werden müsse. Viele haben versucht, es zu aktualisieren, wie man an der Flut der Bibelübersetzungen sieht, die kaum noch jemand überblickt.
Doch das Evangelium bleibt immer das eine. Und das Tolle ist, dass die Bibel in all den Jahren nie verändert wurde. Die Mormonen haben zwar ein Buch hinten an die Bibel angefügt, aber die Bibel selbst wurde nie verändert.
Beständigkeit des Evangeliums durch alle Kulturen und Zeiten
Es ist so gewesen, dass das Evangelium von Jesus in den ersten Jahrhunderten der alten Christenheit bis ins Mittelalter gleich geblieben ist. Obwohl sich in der Aufklärung viele daran gestoßen haben, haben die Klugen und Weisen dieser Welt sich empört über das Evangelium gezeigt und dagegen gekämpft.
Was mich immer wieder beeindruckt hat, ist, dass in allen Kulturen – ob die Pescheren in Patagonien, im Eis am Kap Horn in Südamerika, die Eskimos oder die Indianer – alle das eine Evangelium, die eine Bibel, angenommen haben. Trotz völlig verschiedener Kulturen blieb das Evangelium dasselbe.
Auch in allen Jahrhunderten, etwa im Mittelalter, war das so. Philipp Friedrich Hiller hat mit seiner Frau aus einem Teller gegessen. Die Kultur hat sich zwar verändert, und es gab verschiedene Lebensgewohnheiten, doch die Bibel blieb immer dieselbe. Sie war oft die verachtete, beiseitegelegte Bibel.
Was mich in meiner Generation am meisten überrascht hat, war die bekämpfte Bibel. Die großen Staaten der Welt im Ostblock, der Kommunismus, haben sie mit großer Leidenschaft bekämpft. Da hatte man Angst vor der Bibel. Was sollte die Bibel denn tun? Im Westen hat sie doch kaum Unruhe gestiftet, sie stand verstaubt im Bücherschrank.
Das russische Sowjetregime hatte große Angst vor der Bibel. Es gab keine Möglichkeit, eine Bibel legal zu importieren oder zu drucken, weil das System fürchtete, dass sie Erschütterungen verursachen könnte. Ähnlich war es in Kuba.
Für uns ist heute ganz wichtig zu erkennen, dass die Bibel eine ungeheure Kraft besitzt. Das war die größte Entdeckung Martin Luthers. Er hat das gar nicht gewollt oder gesucht. Er hat alle kirchlichen Praktiken geprüft, um herauszufinden, ob es in dieser Welt eine Gewissheit gibt.
Die Suche nach Gewissheit und die Autorität der Schrift
Letztlich kommen wir beim letzten Mal, im vierten Teil, noch auf die Frage nach der Gewissheit zu sprechen. Diese Frage ist zentral für die Reformation: Gibt es eine absolute Gewissheit?
Ingenieure sagen natürlich, dass es keine absolute Gewissheit gibt. Schaut man sich den Berliner Flughafen an und fragt, wann er fertig wird, gibt es auch bei den Ingenieuren keine Gewissheit. Ich will sie nicht auslachen, das ist unsere Welt: Es gibt keine Gewissheit, keine Sicherheit.
Paulus hat gefragt, ob es denn etwas gibt. Er wollte in der Angst seines Lebens, in der Todesangst und im Wissen um den Zorn Gottes eine Antwort finden. Der Zorn Gottes liegt über dieser Welt, sagt Paulus im Römerbrief 1. Deshalb gelingt nichts. Europa ist auf Sand gebaut. Die nächsten Staaten werden bald austreten, so der Wahn, Europa bis nach Georgien auszuweiten. Aber das ist auf Sand gebaut. Die großen Pläne sind alle gut gemeint, aber eben auf Sand gebaut.
Luther hat gesucht, wo es Gewissheit gibt. Ein Vorgesetzter im Kloster sagte ihm: Die ganze Möncherei gibt keine Gewissheit. Luther hatte die ganze Gesetzlichkeit ausprobiert, doch dann las er die Bibel. Nun, dass die Bibel irgendwo in der Christenheit vorhanden war, das war klar. Aber er las sie als Suchender, als Verlangender und entdeckte, was das Wort Gottes heute für uns bedeutet.
Im Wort Gottes fand er diesen Frieden. Darum gilt das Prinzip "sola scriptura" – allein die Schrift. Das war von Anfang an umkämpft. Neulich sagte ein großer Mann der Evangelikalen in Idea: Die Bibel ist kein papierener Papst. Aber das, was er sagte, war ein Wort der Schwärmer. Genau das haben die Schwärmer Martin Luther vorgeworfen.
Natürlich ist die Bibel kein Papst, aber die Bibel ist wach und gewiss. "Dein Wort ist wahr und trüget nicht und hält gewiss, was es verspricht im Tod und nach dem Leben."
Wir müssen ertragen, dass in frommem Gewand manchmal gesagt wird, die Bibel könne man heute nicht mehr wörtlich nehmen. Das ist das Hohnwort vom papierenen Papst. Die Bibel ist etwas anderes, und das werden Sie entdecken, wenn Sie die Bibel lesen.
Ich wäre vergangen in meinem Elend, wenn dein Wort nicht gewesen wäre. Das ist der große Trost meiner Seele.
Die doppelte Wirkung des Wortes Gottes: Gesetz und Evangelium
Die Reformatoren haben entdeckt, dass die Bibel auf zweifache Weise wirkt. Das ist etwas, was heute nicht mehr alle wissen: Die Bibel wirkt in einer doppelten Weise als Gesetz und als Evangelium. Diese Erkenntnis war für Martin Luther von großer Bedeutung.
Das Wort Gottes erschreckt uns zuerst und zeigt uns die heilige Majestät Gottes. Vor dem Wort Gottes will man fliehen. Deshalb ist es verständlich, dass viele sagen: „Ich schlage die Bibel gar nicht auf. Ich lese die Bibel nicht.“ Es erfordert Mut, die Bibel zu lesen.
Deshalb verstehe ich, dass heute so viele Wohlfühlgottesdienste angeboten werden. Denn mit der Bibel gibt es kein Wohlfühlen. Die Bibel deckt die Sünde auf und zerbricht unser hartes Herz. So stehen wir im Licht Gottes. Ich bitte immer wieder darum, dass wir diesen Ernst beachten, wenn wir das Wort Gottes lesen. Selbst bei den schönsten Stellen erschrecken wir, weil wir erkennen, wie weit wir von Gott entfernt sind.
Man findet das wunderbar an vielen biblischen Geschichten. Zum Beispiel erlebt Petrus ein großes Wunder: Er fährt mit Jesus hinaus auf den See Genezareth, wirft die Netze aus und fängt viele Fische. Doch als er zurückkommt, kann er das Netz kaum ziehen. Jeder von uns wäre ausgestiegen und hätte gesagt: „Toll, Herr Jesus, vielen Dank! Jetzt eröffne ich einen Kiosk und verkaufe Bratheringe am See Genezareth. Ich bin ein gemachter Mann.“
Doch was sagt Petrus? „Herr, gehe vor mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch.“ Das Wort Gottes deckt die Sünde auf. Niemand kann einem anderen Menschen Sünde zeigen, außer durch das Wort Gottes. Auch eine bloße Gesetzespredigt reicht nicht aus – das ist ein Irrtum.
Es ist immer der Heilige Geist, der durch Gesetz und Evangelium wirkt: im Erschrecken und im Trösten, in dieser doppelten Funktion. Das Wort Gottes muss uns zuerst aus dem Schlaf der Sicherheit aufwecken. Das ist für jede Evangelisation und jede Bibelstunde wichtig. Ein Mensch muss erschrecken. Das geschieht heute leider nur noch selten.
Deshalb leben wir in einer toten Zeit. Viele entdecken den Trost des Evangeliums nicht, weil sie nie die Heiligkeit Gottes und den Ernst des Gerichts Gottes begriffen haben. Das Wort Gottes wirkt bei jedem Bibelleser, und es muss immer dieser doppelte Aspekt enthalten sein, den Martin Luther so wichtig war.
Dieser Gedanke zieht sich durch das gesamte Werk Luthers und auch durch die Schriften der anderen Reformatoren wie Calvin und Melanchthon. Melanchthon schrieb einmal in der Apologie des Augsburger Bekenntnisses, das 1530 zur Verteidigung des evangelischen Glaubens verfasst wurde, dass alle Lehre durch den Kampf des erschrockenen Gewissens hindurchgehen muss.
Das bedeutet nicht, dass man jemandem Angst machen soll. Vielmehr verbreitet das Wort Gottes Ehrfurcht und Ernst. Ohne diesen Ernst kann man Jesus, den Heiland, nicht erkennen. Diese Erfahrung war für Martin Luther sehr groß, denn er erlebte sie selbst. In seinen Liedern spricht er davon, besonders in Zeiten der Todesangst.
Für Luther wurde die Bibel zur alleinigen, absoluten Autorität. Nichts durfte ohne die Bibel gelten. 1521 stand er vor dem Reichstag zu Worms und sollte widerrufen. Er sagte: „Ich kenne die Bücher nicht, ich kann den Haufen Bücher nicht beurteilen. Ich muss noch darüber nachdenken, ob die Bücher von mir sind. Wenn sie von mir sind, stehe ich dazu.“
Er gab eine kurze Erklärung ab und sagte: „Wenn mir niemand aus dem Wort Gottes das widerlegen kann, dann kann ich nicht anders.“ Daraufhin erklärte er: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Entscheidend war für ihn das Wort Gottes.
Es ist nicht entscheidend, was Menschen sagen oder wie die Mode der Zeit aussieht. Heute hört man oft: „So kann man bei jungen Leuten nicht mehr kommen. Man kann doch nicht mehr mit der Bibel kommen.“ Doch die Wahrheit bleibt: Das Wort Gottes ist maßgeblich und unveränderlich.
Herausforderungen in der Jugendarbeit und Umgang mit der Bibel
Es war mein großes Erlebnis in den sechziger Jahren, als wir in Schrambeis-Schulgen waren und ich Bezirksschulgenfahrer war. Abends hatten wir eine Bezirksbibliostunde in Rödenberg mit jungen Leuten. Der Schwarzwälder Bote brachte damals eine ganze Seite über die Oberndorfer Kirchengemeinde. Diese Gemeinde galt als sehr modernistisch, geprägt von Bad Boll und der Akademie Bad Boll. Die Überschrift lautete: „Man kann heute nicht mehr mit der Bibel Jugendarbeit treiben.“
Wir beschlossen damals mit den jungen Leuten eine Resolution, die der Zeit treu war. Darin stand: Wer heute den jungen Leuten nicht die Bibel bringt, wird schuld an der Verführung junger Menschen von rechts und von links sein, weil er nicht mehr die Klarheit des Wortes Gottes hat. Diese Resolution machte einen großen Siegeslauf und überraschte uns völlig. Es war naiv, wie wir das als junge Leute gemacht haben, aber für mich war es ein schönes Erlebnis. Es zeigte, dass die Kernfrage unseres Dienstes in der Jugendarbeit nur mit der Bibel zu tun hat.
Wir sagen ja oft, es gibt in der Bibel dunkle Stellen. Natürlich gibt es solche Stellen, die ich selbst nicht immer erklären kann. Diese kann man auch einfach stehen lassen. Ich habe so viele helle Stellen. Ein Freund, der Marketender, sagte einmal: „Halte dich doch an die hellen Stellen, die du verstehst.“ Es gibt nur wenige Stellen, die ich nie verstehe, zum Beispiel im Garten Gethsemane, wo die Jünger sagen, sie hätten zwei Schwerter, und Jesus antwortet: „Das ist genug.“ Diese Stelle habe ich nie verstanden und auch nie eine Auslegung dazu gefunden. Der Papst meinte einmal, die zwei Schwerter stünden für die staatliche und die kirchliche Gewalt, aber das war bestimmt nicht von Jesus so gemeint.
Es gibt also Stellen in der Bibel, die wir heute nicht verstehen. Vielleicht versteht sie eine Generation nach uns. Aber es sind ganz wenige Stellen, die wir nicht verstehen. Wir haben genug helle Stellen, die wir verstehen können. Wir müssen ja nicht alles verstehen. Jesus selbst sagte, er wüsste nicht den Tag seiner Wiederkunft. Nur der Vater im Himmel wisse das. Wie könnten wir es also wissen? Es gibt Dinge, die wir nicht unbedingt erhellen müssen. Das, was uns die Bibel sagt, genügt uns.
Für Martin Luther war das eine große Erkenntnis: „Die Bibel allein.“ Was stand denn neben der Bibel? Die Tradition, die christliche Tradition der Kirchen. Für Luther war das eine große Gefahr. Diese Rituale und Formalismen, die sich überall eingebürgert hatten und als wesentlich und wichtig zum Heil angesehen wurden, waren für ihn problematisch. Es ist gut, einmal reinen Tisch zu machen und zu fragen: Was ist nach der Schrift allein nötig, um selig zu werden? Wie komme ich in den Himmel?
Martin Luther entdeckte all das in seinem Bibelstudium. Ganz früh stieß er auf eine Stille, die beim Bibellesen vielleicht gar nicht so wichtig erscheint, nämlich im Propheten Habakuk. Habakuk ist nicht gerade das Zentrum des Alten Testaments. Dort geht man eher zu den Geschichten von Abraham, Joseph, David, Samuel und Salomo. Doch die Aussage „Der Gerechte wird seines Glaubens leben“ ist zentral. Der von Gott gerecht Gemachte, der diese Gerechtigkeit aus Gnade empfängt, kann leben. Ich kann nur leben unter dieser geschenkten Gerechtigkeit, die mir Gott schenkt.
Neben diesen Stellen gibt es auch die Stillen in Römer 1 bis 3, wo es um die Rechtfertigung aus Glauben geht. Das ist ganz wunderbar: „Ich bin nie ein Gerechter, ich bin ein sündiger Mensch.“ Ich erschrecke immer unter dem Wort Gottes und sehe meine Sünden klar vor mir. Aber ich sehe auch Jesus, der für meine Schuld bezahlt hat. Das ist das Wunderbare: Das Wort Gottes hat diese Kraft.
Historischer Kontext der Reformation und die Kraft des Wortes
Man muss immer wieder betonen: Damals war das Reich Karls des Großen faszinierend. Er lebte ungefähr um das Jahr 1500 – ein sogenannter „00-Jahrgang“. Er wurde in Gent geboren, einer wunderschönen Stadt, die ich aus eigener Erfahrung kenne. Brüssel und Gent sind herrliche Ausflugsziele, besonders die alte Stadt Gent. Man kann sich kaum vorstellen, was der arme Mann auf seinem Gaul geleistet hat. Sein Reich erstreckte sich von Spanien bis weit nach Böhmen hinein und reichte sogar bis nach Sizilien. Dieses riesige Reich zu managen und zu führen, mit all den Grafen und Herrschaften, war eine gewaltige Aufgabe. Zudem musste er sich um religiöse Fragen kümmern.
Es ist beeindruckend, dass es Luther gelungen ist, als kleines Mönchlein – er war nicht einmal Prior oder Ordensvorsteher – mit seiner Bibelkenntnis ganz Europa durcheinanderzubringen. Der Kaiser musste das auf dem Reichstag verhandeln, weil die Menschen dadurch aufgewühlt wurden. Das vergessen wir oft: Das Wort der Bibel hat eine ganz große Kraft.
Natürlich erleben wir auch, dass das Wort Gottes manchmal an uns abprallt, wie Regen, der an einem Poncho herunterläuft. Aber wir erleben auch immer wieder, wie das Wort Gottes Menschen ergreift, formt, prägt, herausreißt und in die Nachfolge Jesu ruft. Denn das Wort des Herrn ist mächtig, stark und kraftvoll.
Man müsste eigentlich alle entsprechenden Bibelstellen heraussuchen, zum Beispiel Jesaja 55,1. Es kann nicht leer zurückkommen, wenn Gott es sendet. Gott ist ursprünglich das lebendige, gesprochene Wort. Jetzt, in der Schrift festgehalten, wird es wieder zu einem lebendigen Wort. Das Wort des Herrn ist voller Dynamik und Kraft.
Gott hat gesprochen: „Es werde!“ Und dann entstanden die Planeten im Weltall. Man kann sich vorstellen, welche Kraft und Energie das Wort Gottes hat. Es ist die Energie Gottes selbst. Vor vielen Jahren erklärte Hans Rohbach, ein großer Mathematikprofessor aus Mainz, der im hohen Alter zum Glauben kam, Naturwissenschaft und Glaube. Für ihn als physikalisch denkenden Menschen war es gewaltig zu verstehen, dass alles aus Energie besteht – nämlich aus dem Wort Gottes. Die ganze Welt, wie wir sie kennen, ist bewegte Energie.
Für diejenigen, die naturwissenschaftlich denken, gilt: Wenn Gott spricht, so geschieht es; wenn er gebietet, so steht es fest. Das sagt Psalm 33, ein herrlicher Psalm über die Effektivität und Energie des Wortes Gottes.
Ein großes Problem ist die Glaubenslosigkeit vieler Christen. Wir vertrauen mehr auf unsere Bauten, Bücher, Weisheit und Theologie, die oft alles zerreden und in Frage stellen, statt auf das Wort Gottes zu hören, das Glauben wirkt.
Es ist wunderbar, dass das in allen Generationen und unter allen Völkern so geschehen ist. Ich habe es immer wieder erzählt: Man kann in das letzte Indianerdorf ziehen oder zu den Mursi im Süden Äthiopiens, die Nacktgottesdienste feiern und Tellerlippen tragen. Doch jeder hat eine Bibel in der Hand. Die Bibel ist das Allerwichtigste bei den Aufbrüchen in Nordkorea, Laos, Kabutschay und Usbekistan, wo Gemeinden zusammenkommen – immer mit dem Wort Gottes.
Bei uns ist das oft eine Gewohnheit. Aber es wäre gut, öfter zu prüfen, ob das, worüber wir sprechen, wirklich vom Wort Gottes gedeckt ist. Die Menschen in Beröa forschten täglich in der Schrift, ob sich alles so verhielte, wie es gesagt wurde (Apostelgeschichte 17,11). Das ist so wichtig.
Das Wort Gottes erfüllt sich, wie es in Jesaja 40 beschrieben ist: Alles vergeht, die Vergänglichkeit der Welt ist erschütternd beschrieben. In zehn Jahren werden viele von uns nicht mehr da sein, wahrscheinlich auch ich nicht mehr. Wir müssen die Vergänglichkeit dieser Welt erkennen.
Was wir aufbauen, planen und machen, vergeht schnell. Vielleicht wird der Schönblick irgendwann verkauft, weil es keine Christen mehr gibt, die Tagungen halten. Diese Welt vergeht unheimlich schnell. Aber das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit.
Das Wort Gottes kann nicht revidiert oder zurückgenommen werden. Gott hat sich verbürgt, dass dieses Wort sich erfüllt. Deshalb zieht sich durch die ganze Bibel die Geschichte, dass alles „nach dem Wort des Herrn“ geschah, damit erfüllt wurde, was geschrieben steht.
Die Menschen haben immer gestaunt: „Das ist wirklich so!“ Das war auch bei der Kreuzigung so, die schon in Psalm 22 angekündigt wurde. Schon im Alten Testament war diese Verheißung enthalten. Wer die Bibel liest, merkt, wie sich alles ergänzt und wie das Wort Gottes buchstäblich erfüllt wird.
Liberale Theologen behaupten oft das Gegenteil. Sie sagen, die Autoren hätten Dinge erfunden, weil sie im Alten Testament so standen. Aber das ist ein Zeugenbericht von Menschen, die fasziniert waren, dass sich alles nach dem Wort des Herrn erfüllte.
Man muss die Tricks der liberalen Theologie durchschauen. Es gibt keinen Ort, an dem sich die biblischen Aussagen nicht bestätigen lassen. Das war unsere große Erkenntnis.
Wir haben den Israelführern über 400 Seiten geschrieben und festgestellt, dass es heute, wenn man durch Israel reist, keine einzige Stelle gibt, wo man sagen müsste, das stimme nicht mit der Bibel überein. Es gibt nur eine kleine Sache mit Jericho: Die Bibel sagt, die Israeliten seien 1400 ausgezogen, nicht wie in manchen Bibeln 1200. Das sind kleine Widersprüche, die sich schnell erklären lassen.
Dann löst sich vieles in der Bibel auf. Es gibt keine Widersprüche, wenn man genau nachfragt. Das ist auch schön bei Diskussionen, wenn selbst Kritiker auf den Hasen als Wiederkäuer kommen. Theologe Mann sagt dann oft: „Schlag mal nach in Brems Tierleben, da steht es drin.“ Tatsächlich steht in „Brems Tierleben“, dass der Hase ein Wiederkäuer ist, weil er seinen eigenen Kot wieder frisst.
So ist es mit der Bibel: Manchmal sind wir zu schnell mit Urteilen. Wir wollen nicht streiten, weil daraus keine Frucht entsteht. Aber wir sollten uns wieder bewusst werden, wie groß die Kraft des Wortes Gottes ist.
Die Bedeutung des Lebensbezugs zum Wort Gottes
Eine Not ist vielleicht immer wieder, dass wir das Wort Gottes nur theoretisch besprechen. Und sie wissen, wenn es das Leben nicht berührt, hat es für die Menschen keinen Wert. Deshalb müssen wir das Wort Gottes immer zu einem Lebenszeugnis machen. Wir dürfen keine verstiegenen Theorien daraus machen.
Man weiß, dass es auch in gewissen frommen Gemeinschaften eine Gefahr gibt, dass man irgendwo über das Wort Gottes philosophiert – auch bei tiefem Glauben. Aber es muss einen Lebensbezug haben. Es ist so aufregend, wenn jemand sagt: „Ich habe das entdeckt, und Jesus hat mich freigemacht. Es ist genau so, wie es dort steht, mit der Neugeburt meines Lebens.“
Deshalb ist das Wort Gottes in allen Erweckungen unserer Tage die Ursache gewesen. Russland hatte nur zwölf oder dreizehn Jahre eine Bibelgesellschaft. Wer sich ein wenig mit Geschichte beschäftigt, dem lohnt es sich, darüber zu lesen. Mein Bruder Rolf hat das ja noch beschrieben, besonders die Adligen in den Fürstenhäusern.
Zur Zeit Napoleons war Zar Alexander an der Macht. Die Frau von Grüdener reiste ihm bis nach Heilbronn nach und versuchte immer wieder, ihn zum Wort Gottes zu bringen. Er hat oft in der Bibel geforscht. Zar Alexander war der Einzige, der eine Bibelgesellschaft in Russland genehmigte. Diese Bibelboten bereiteten um 1820 Russland auf die Zeit des Kommunismus vor.
Wenn wir dann von den verfolgten Christen in den kommunistischen Zeiten hören, war es die Bibel, der Bibeltransport, der ihnen das Überleben ermöglichte. Die Bibel hat sie am Leben erhalten. Die schrecklichen stalinistischen Verfolgungen konnten sie nicht vernichten.
Im Freizeithaus Bergfrieden in Oberstdorf ist Alexander Günther Heimleiter. Seine Frau, geborene Ebb, sagt: „Sie haben doch von meinem Großvater Ebb gelesen.“ Daraufhin habe sie sich wieder ein Büchlein besorgt, das irgendwo in einem Freizeitheim lag. Es stammt aus dem Jahr 1977 und berichtet von der sibirischen Gefangenschaft.
Wenn man liest, wie sie die schrecklichsten Lager im kalten Sibirien durchgestanden haben – nur mit dem Wort Gottes – erlebt man, wie dieses Wort Gottes in aller Finsternis der Welt gestrahlt hat.
Ich habe Ihnen immer vom Helmut James Graf von Moltke erzählt, der erst in Berlin vor seiner Hinrichtung zu einem bewussten Glauben kam. Durch die Losungen, also Bibelworte, die Eugen Gerstenmaier als Kassiber durch die Gefängnisbeamten in die Zelle schmuggeln ließ, entwickelte er eine so feste Verbundenheit mit Jesus.
Er starb in diesem Glauben, wie man in seinem Abschiedsbrief eindrucksvoll lesen kann. Er hatte keine Angst mehr und war so, wie es in Jesaja 43 heißt: „Wenn du durchs Wasser gehst, will ich bei dir sein.“ Es ist wichtig, dass Menschen das in unserer modernen Zeit im Angesicht des Todes erleben.
Das hören wir auch von den Märtyrern in Ägypten, die Trost im Wort Gottes finden. Ich habe es oft genug auch bei schwierigen Beerdigungen oder auf Intensivstationen erlebt. Es war immer schwer, wenn einem Kranken gesagt wurde, dass keine Operation mehr helfen könne.
Dann sagen sie: „Aber Jesus ist jetzt da.“ Und sie sehen sein Wort: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel fallen.“ Dann sagen sie: „Jetzt habe ich den Frieden, und nichts kann mir den mehr nehmen.“
Sie wissen selbst von Menschen, ich habe es heute Morgen am Frühstückstisch von einer Teilnehmerin gehört, wie das plötzlich ihrem Mann noch den Frieden gab – auch in schwerster Erkrankung. Obwohl er vorher immer ablehnend war und nie mitgehen wollte, hat Jesus das Wort durchgebrochen.
Darum dürfen wir beten und immer wieder wissen: Herr, dein Wort ist stark. Das hat uns die Reformation gelehrt – allein die Schrift. Ihr dürft Witze machen, so viel ihr wollt, ich mache keine, weil ich keine machen kann. Die sind dann immer blöd, eine Kalauer, und keiner lacht.
Wer es kann, darf es machen, aber er kann die Kraft des Evangeliums nicht ersetzen. Mit allen Attraktionen wird er nie die Zugkraft des Evangeliums rauben oder ihm gleichkommen können.
Wir wollen darum ringen: Herr, lass mich keinen Stroh dreschen, wenn wir hier Bibelarbeit machen sollen. Du musst durch deinen Heiligen Geist wirken. Das ist das Entscheidende: Das Wort Gottes ist voller Geist.
Die Verbindung von Heiligem Geist und Wort Gottes
Die große falsche Lehre ist, dass der Heilige Geist von bestimmten Evangelisten kommt. Tatsächlich ist der Heilige Geist immer mit dem Wort Gottes verbunden. Diese Erkenntnis war auch eine der Grundlagen der Reformation. Die Reformatoren haben den Schwärmern wie Thomas Münzer abgesprochen, dass ihr Wirken vom Heiligen Geist ausgeht. Thomas Münzer war eine bedeutende Figur der Sozialreform und hat in der Zeit der Reformation viel bewegt. Doch Luther sagte, dass es sich dabei um einen falschen Geist handele.
Heutzutage ist es oft schwierig, dies klar zu benennen. Ich werde es nicht tun, weil ich weiß, welche Unruhe solche Aussagen hervorrufen können. Aber wir haben es oft genug erlebt, dass Heilungsbewegungen lediglich irdische Bewegungen waren, die auf Suggestion beruhten und keine Bewegung des Geistes Gottes waren. Deshalb wurde in der Reformationszeit die Lehre aufgestellt, dass der Geist immer mit dem Wort verknüpft ist.
Paul Gerhardt hat das wunderbar in seinen Liedern ausgedrückt. Seine Lieder sind wie Katechismuslieder. Er singt: „Seinen Geist, den edlen Führer, gibt er mir in seinem Wort.“ Ich empfange den Heiligen Geist durch das Wort. Alles andere ist Schwärmerei. Je mehr man die Bibel liest, desto mehr kann der Geist Gottes im Leben wirken.
Wo steht das in der Bibel? Paulus sagt in Epheser 6, in der geistlichen Waffenrüstung, dass das Schwert des Heiligen Geistes das Wort Gottes ist. Dieses Schwert sticht, es ist der Geist Gottes, der durch das Wort wirkt. Jesus sagt: „Meine Worte sind Geist und Leben.“ Diese Worte sind wirksam. Was in Zeitungen oder Nachrichten steht, sind vergängliche Worte. Das, was wir tagtäglich sprechen, ist oft belanglos. Aber die Worte von Jesus haben eine Durchschlagskraft. Sein Wort soll nicht leer zu uns zurückkommen, sondern das tun, wozu es gesandt ist. Es wird wirken.
Der große alttestamentliche Ausleger der Heidelberger Schule, Derhard von Rath, hat einmal gesagt, das Wort Gottes sei wie eine große Steinlawine, die in ein Tal stürzt. Alles, was im Weg steht, wird von dieser Lawine überdeckt. So ist das Wort Gottes eine starke Macht, die wirkt. Es ist beeindruckend, dass ein Alttestamentler so etwas erkannt hat. Das Wort Gottes hört nie auf zu wirken; es rollt und rollt immer weiter.
Ganz interessant ist auch, wenn man die „Stillen“ liest. Die dürfen wir heute wieder in der Bibel aufschlagen, obwohl sie in unseren Kreisen oft verspottet werden. In 2. Timotheus 3 geht es um die Inspiration der Bibel. Das heißt, sie ist von Gottes Geist inspiriert. Deshalb sind wir mit Fremdwörtern oft überfordert. Man sollte nicht mehr über solche diskutieren, denn das führt zu unsäglichen Debatten.
Dort heißt es: „Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist. Du weißt ja, von wem du gelernt hast, und dass du von Kind auf die Heilige Schrift kennst.“ Timotheus kannte das Alte Testament, denn das Neue Testament war damals noch nicht zusammengestellt. Das Alte Testament kann zur Seligkeit führen, zum Glauben an Christus Jesus, den Messias.
Das Alte Testament öffnet den Menschen die Augen, wie dem Kämmerer aus Moresnet in der Apostelgeschichte, der auf seinem Wagen Jesaja las. Er verstummte nicht vor seinem Schatz. Das Alte Testament weist auf Jesus hin. „Denn alle Schrift ist von Gott eingegeben.“ Das deutsche Wort „Inspiration“ wird oft falsch verstanden. Man denkt an „Transpiration“, aber eigentlich bedeutet es, dass die Schrift von Gott eingehaucht ist. Die Schrift atmet, wie Bengel sagte, sie atmet Auferstehung. In ihr ist die Kraft des neuen Lebens.
Man kann diese Kraft erleben, wenn Menschen depressiv oder niedergeschlagen sind und das Wort Gottes aufsaugen. Ich habe Ihnen erzählt, dass ich das im September bei einer Freizeit erlebt habe. „Er erquickt meine Seele.“ Es ist immer nur eine Sache: dass Gott durch das Wort wirkt, nicht durch das Sehen von Jesus. Es war nie die körperliche Erscheinung, sondern das Wort, das in der Kraft des Geistes redet.
Das war auch in der Apostelgeschichte so: Die ängstlichen Jünger, die die Türen aus Furcht vor den Juden verschlossen hatten, wurden plötzlich mutig und bekannten: „Es ist in keinem anderen Heil.“ Sie wurden mutig durch die Kraft des Heiligen Geistes, der durch sein Wort wirkt. Dieses Wort ist lebendig, mächtig und kräftig.
Es gibt viele Bibelstellen, die zeigen, dass das Wort des Herrn wirksam ist. Es ist nützlich, von Gott eingegeben und angehaucht, zur Zurechtweisung, damit man Sünde erkennt, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei und zu allem guten Werk geschickt. Wir hatten vorher gesagt, dass das Wort Gottes im Gesetz und im Evangelium redet. Das Wunder ist, dass das Wort Gottes Glauben schafft.
Man kann sich den Glauben nicht selbst einreden. Es gibt interessante Überlegungen dazu. Zum Beispiel gab es Widerstandskämpfer, wie Peter, der in norwegischer Haft war und mit einem Schiff in der Ostsee unterging. Er war dem Glauben nahe. Er schrieb seine Schriften auf Klopapierrollen. Er war ganz nah am Glauben. Man kann sich den Glauben nicht selbst einreden. Man braucht jemanden, der einem den Glauben zuspricht und sagt: „Ich glaube dir.“
Die Frage ist oft theoretisch: Kann ich mir selbst das Abendmahl zum Trost geben? Ich sage mir: Nein, du brauchst einen Bruder oder eine Schwester, die es dir reicht. Jemand muss dir zusprechen am Krankenbett: Jesus ist bei dir, auch im finstersten Tal. Danke, ich glaube. Darauf kommen wir noch zurück: Der Glaube ist der Weg, durch den ich es empfangen kann, das Wort. Ich kann mir den Glauben nicht selbst einreden, denn der Glaube ist eine Wirkung des Heiligen Geistes.
Das lernen wir auch in Luthers Katechismus, den man im Alter noch einmal auswendig lernen sollte: Man soll nicht aus eigener Vernunft oder Kraft an Jesus Christus glauben oder zu ihm kommen. Auch nicht durch Denküberlegungen oder Wissenschaft. Ganz wichtig: Theologie kommt nicht näher an den Glauben heran als ein mongoloides Kind, das an Jesus glaubt. Der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen.
Der Heilige Geist wirkt durch das Evangelium von Jesus, das in aller Welt verkündet wird. Das ewige Evangelium, von dem Paulus im Galaterbrief sagt, dass es kein anderes Evangelium gibt. Es gibt kein Evangelium für das 21. Jahrhundert, das anders oder angepasst wäre. Es gibt kein anderes Evangelium für Eskimos oder Feministinnen. Es ist das eine Evangelium.
Paulus sagt: „Ich habe es euch bezeugt, ich habe es übernommen und ich habe es euch anvertraut.“ Dieses Evangelium wirkt sehr statisch, aber es ist kraftvoll und zieht Menschen weltweit mit großer Kraft an. Menschen aller Religionen und aller Zeiten. Es war die Kraft hinter allen Erweckungen.
Zinzendorf lebte in der Zeit August des Starken, eines Katholiken, der die Herrnhuter verfolgte, weil sie hussitische Flüchtlinge aufnahmen. Viele Jahre hatten die Herrnhuter keinen Zutritt zu seinem Fürsteneigentum. Zinzendorf reiste als heimatloser Graf durch die Welt. Er dichtete das Lied: „Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhen?“ Der erste Vers stammt von Zinzendorf.
Das war die große Erkenntnis: Die Kraft der Herrnhuter war das Wort Gottes. Als dann durch die Aufklärung das geistliche Leben zerstört wurde, war es nach dem Pietismus kaum noch geistliches Leben. Auch nach Philipp Friedrich Hiller um 1800 war es eine geistliche Wüste. Man glaubte an einen guten Gott, aber nicht an den Gott der Bibel.
Da waren es Herrnhuter Sendboten, die im Remstal die letzten gläubigen Menschen sammelten und das Leben bis zur nächsten Erweckung bewahrten. Der biblische Glaube war zu allen Zeiten verspottet und verlacht. Matthias Claudius war einer der wenigen Aufrechten, die sich zum biblischen Evangelium bekannten, während andere darüber lachten.
Es ist wichtig, dass wir heute wissen: Es geht um das eine Evangelium, die eine Schrift. Leider wurde das in den meisten Festschriften zum Reformationsjubiläum nicht klar ausgesprochen, besonders nicht in öffentlichen Verlautbarungen der EKD. Das brauchen wir nicht anzusehen, sondern das ist für uns eine wichtige Erkenntnis der Reformation Luthers.
Im Pietismus war es ähnlich. Im Siegerland war es verboten, Bibeln zu verkaufen. Die Bibelverkäufer konnten nur etwa 14 Bibeln im Monat verkaufen. Sie zogen von Haus zu Haus. Viele wollten keine Bibel kaufen. Dann wurde es verboten. Ein Mann, vermutlich Tilman Siebel, las abends mit Leuten in seiner Wohnstube die Bibel. Der preußische Landrat vermutete Hochverrat und schickte einen Polizisten, der heimlich mitschreiben sollte, was dort geschah.
Am nächsten Tag saß der Polizist schon mit am Tisch. Der Bürgermeister saß selbst unter dem Fenster. Seine Tochter war todkrank, und er wurde dann ein eifriger Bibelleser. Das war der Anfang der Siegerländer Erweckung. Das Wort Gottes setzte sich in den Herzen durch.
Wie war es in Württemberg? Die Leute wollten die Bibel lesen, aber es wurde ihnen verwehrt. Man durfte die Bibel nur unter der Kontrolle eines Theologen lesen. Der Theologe war der Einzige, der die Bibel richtig auslegen durfte. Wehren Sie sich gegen diesen verrückten Anspruch.
Manfred Hauschmann, der Dichter, hat es schön formuliert: Jeder Christ ist mündig mit der Bibel in der Hand. Jeder Christ hat das allgemeine Priestertum. Wir sind mit der Bibel mündig.
In Württemberg, besonders in Tübingen, war die Bewegung so stark, dass die Tübinger Gorken, das sind grobe Weingärtner, die Bibel lesen wollten. Sie sagten, es hätte keinen Sinn, zum Pfarrer zu gehen, weil der sie komisch anschaue, wenn sie plötzlich kommen. Sie gingen sonst nie in die Kirche.
Also saßen sie in den Weinberghäuschen in Tübingen und lasen die Bibel. Dort wurden sie von der Polizei verfolgt, weil sie die Bibel lasen. Es ist immer wieder interessant, dass in kommunistischen Staaten die Erwägungen damit beginnen, dass das Wort Gottes eine große Strahlkraft hat.
Wir wollen heute wieder darum bitten, dass Gottes Wort wirkt. In all den großen Erweckungen, die geschehen sind – im Islam, im Hinduismus, im Buddhismus – war es immer die Bibelbewegung. In einer Schlichtheit, wie wir es gestern hatten: Christus, Jesus Christus allein und allein die Bibel.
Das waren immer die Konvertiten, die das erzählten, die Christen wurden. Eine kommunistische Professorin, Zingtor, von der ich oft erzählt habe, mit der ich befreundet war und die ich in Stuttgart taufen durfte, sagte: „Als wir zum ersten Mal ein Neues Testament in der Hand hatten, war das ganz anders als die kommunistische Lehre. Wir waren fanatische Sozialisten, aber das Wort hat uns tief im Herzen bewegt.“ Diese Kraft des Wortes Gottes wollen wir auch in unserem Dienst erfahren.
Manchmal bekommen wir ein Echo, aber das macht uns meist stolz. Wir meinen, es seien unsere cleveren Worte gewesen. Oder wie eine Frau einmal sagte: „Ich sehe ja so hübsch aus, deshalb kann ich besonders gut das Wort Gottes weitergeben.“ Gott macht es meist anders.
Wir hatten in Sulden einen Mann, an dem mein Vorgänger gescheitert war. Er verteidigte eine kleine Gemeinschaft mit drei Leuten. Er war ein richtiger evangelikaler Querkopf und machte uns Schwierigkeiten, weil er alles kontrollieren wollte. Es gibt manchmal Frömmler. Er hatte noch zwei Zähne, alle anderen im Dienst seien verloren. Er war schwerer Epileptiker.
Aber wie ich einmal hörte, sagte Günther Encke, ein Dozent in Schwenningen, der mit uns in Afrika war, dass dieser Mann ihn zu Jesus geführt habe. In Locherhof, wenn er von der Arbeit kam, lief er zu Fuß nach Locherhof und hielt uns Jungen Jungscharstunden. Jeder hätte diesen Mann verlacht, weil er äußerlich abstoßend wirkte. Doch er war ein geheiligtes Werkzeug.
Ich sage es Ihnen ganz drastisch, damit Sie verstehen: Es kommt nicht auf unsere Schönheit oder Cleverness an, sondern auf die Kraft des Wortes Gottes, die in demütigen Menschen wirkt. So war es in allen Erweckungen. Die Menschen, die Gott gebraucht hat, waren nicht reich oder edel, sondern das Schwache vor der Welt hat Gott erwählt.
Darum werden wir Zeugen des Wortes Gottes sein. Wir dürfen den Mund aufmachen, und der Herr wird uns gebrauchen und segnen in diesem Dienst.
Es ist wunderbar, wenn wir kurz innehalten und uns fragen: Was war die Kraft, die Martin Luther bewog, so viele Menschen zu erretten? Nur das Wort der Bibel, nur allein die Bibel. Nichts anderes. Nicht die Vernunft. Der hat er misstraut. Er sagte: Die Vernunft ist eine Hure, die sich an jeden hängt. Man kann mit ihr alles kombinieren und das Gegenteil beweisen.
Man muss beim Wort bleiben. Die Bibel wurde eindeutig, klar und verständlich gegeben. Ich darf noch ein Wort Martin Luthers lesen:
„Es gibt nichts Hellers als die Bibel. Wenn euch jemand antastet und sagt, die Schrift sei dunkel, so sollt ihr antworten: Das ist nicht wahr. Es ist auf Erden kein klareres Buch geschrieben als die Heilige Schrift. Sie ist gegenüber anderen Büchern wie die Sonne im Vergleich mit jedem anderen Licht. Die Leute reden nur deshalb so, um uns von der Schrift wegzuführen und sich selbst zum Meister über uns zu erheben, damit wir ihren Traumpredigten glauben sollen. Es ist eine große Schmach und Lästerung der Heiligen Schrift in der ganzen Christenheit, wenn man sagt, dass die Heilige Schrift finster und nicht so klar sei, dass sie jeder verstehen kann, um seinen Glauben zu lehren und zu beweisen.“
Warnung vor falschen Propheten und die Kraft des Wortes
Und das letzte Bibelwort lesen wir noch aus Jeremia 23,25:
„Höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge, weil sie in meinem Namen sprechen: ‚Mir hat geträumt, mir hat geträumt.‘“
Ich bin so froh, dass Gott nicht durch Träume redet. Joseph hat das zwar gemacht, aber sonst tut er das nicht mehr. Zum Glück träume ich immer nur so einen Quatsch. Ich bin dankbar, dass ich es so verständlich in der Bibel habe.
Wann wollen doch die Propheten aufhören, Lügen zu weissagen? Sie weissagen den Trug ihres Herzens und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergisst über ihren Träumen, die einer dem anderen erzählt – so wie auch ihre Väter meinen Namen über den Baal vergaßen.
Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume. Wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? Spricht der Herr, ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der Herr, wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert.
Es ist dieser Jeremia, der fast verzagt wäre an seinem Amt, weil die Leute nicht hörten. In Kapitel 15, in seinen Selbstgesprächen, sagt er: „Wenn dein Wort nicht gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem Elend.“ Das erkannte er in der tiefsten Tiefe des Lebens.
Wir wollen noch eine Gebetsgemeinschaft halten, doch vorher singen wir das schöne Lied, das Dani sich gewünscht hat. Keiner wird gezwungen sein, mitzusingen.
Wir wollen Buße tun, weil wir Meister der Schrift sein wollten und unsere Meinung in dein Wort hineinpressen. Herr, wir wollen hören wie ein Jünger, wie ein Lehrling hört – nicht wie ein Chef. Wir wollen uns von dir und deinem Geist leiten lassen, immer tiefer hinein in dein Wort.
Auch im hohen Alter wollen wir es lernen und auswendig lernen. Dass das Wort uns gestaltet, uns vollkommen macht und unseren Charakter verändert. Dein Wort hat die Kraft, auch unsere störrische Natur und unseren schwierigen Charakter umzuformen, zu erziehen und uns zu Menschen Gottes zu machen.
Darum bitten wir dich, dass du an uns arbeitest durch dein Wort, dass wir uns erschüttern lassen und dass wir uns trösten lassen durch dein Wort. Amen.