Herzlich willkommen zum Podcast der Eva Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Povileit. Unser Podcast möchte dazu anregen, den praktischen Christen zu fördern und zum theologischen Nachdenken einzuladen.
Seelsorge besteht vor allem darin, als Seelsorger meinem Gegenüber Fragen zu stellen. Mit diesen Fragen helfe ich ihm, manche Dinge in seinem Leben zu überdenken und Lösungen zu entdecken, die Probleme lösen, mit denen er vorher wahrscheinlich noch nicht so umgegangen ist. Auch Jesus hat als Seelsorger in Gesprächen sehr oft Fragen gestellt. Daraus wollen wir heute lernen.
Thomas, der klügste Mann, der je auf dieser Erde gelebt hat, sagt in Sprüche 18,13: „Wer antwortet, bevor er gehört hat, dem ist es Torheit und Schande.“ König Salomo betont also, dass vor dem Reden das Zuhören kommt und davor das Fragen. Sonst beantworte ich beim Reden Fragen, die nie gestellt wurden.
Wie wichtig sind Fragen für ein Gespräch? Fragen sind sehr wichtig, denn bevor ich antworte, sollte ich verstanden haben, was der andere meint. Ich verstehe aber nur, was der andere meint, wenn ich ihm gute Fragen stelle.
Es kann sehr hilfreich sein, zum Beispiel zu fragen: „Verstehe ich dich richtig?“ Dabei fasse ich das, was der andere gesagt hat, zusammen und lege meine Interpretation mit hinein. Ich könnte sagen: „Vielleicht habe ich dich richtig verstanden: Du hast im Dunkeln Angst, belästigt zu werden, und deswegen hast du immer eine helle Taschenlampe dabei.“ Das ist meine Beobachtung, dass er mit der Taschenlampe durch die Gegend läuft. Das wäre mein erster Schritt.
Der andere kann dann antworten, zum Beispiel: „Ja, du hast das richtig verstanden.“ Oder er sagt: „Nein, ich habe keine Angst, überfallen zu werden, aber ich kann einfach schlecht sehen und bin deshalb beim Laufen unsicher. Deshalb habe ich immer eine helle Taschenlampe dabei.“ Dann muss ich sagen: „Aha, okay, ich hätte mit ihm über seine Angst gesprochen, aber die hat er gar nicht. Das habe ich mir nur zusammengereimt. Gut, dass ich ihn gefragt habe.“
Die Frage hat mir in diesem Moment Klarheit gegeben. Du hast schon gesagt, in Seelsorgegesprächen sind Fragen sehr wichtig, weil sie mir helfen, besser zu verstehen, wo der andere ein Problem hat, aber auch zu erkennen, wo er kein Problem hat.
Meine Fragen sollen dem anderen helfen, sich zu reflektieren, also sich selbst besser zu verstehen und zu begreifen: Warum verhalte ich mich in dieser Situation eigentlich so? Was denke ich mir dabei? Was treibt mich an?
Wenn jeder in der Lage wäre, sich solche Fragen selbst zu stellen, bräuchten wir viel weniger Seelsorge.
Ja, im Blick auf Reflexionsfragen erzähle ich zuletzt oft eine erfundene Geschichte, die meiner Meinung nach eine tiefe Wahrheit enthält.
Jemand träumt beim Spazierengehen vor sich hin und gerät unabsichtlich in ein militärisches Sperrgebiet. Plötzlich sieht er einen Gewehrlauf vor sich. Dahinter steht ein Soldat, der ihn in einem scharfen Ton fragt: „Was machen Sie hier und wo wollen Sie hin?“ Stille. Der Soldat fragt noch einmal in scharfem Ton: „Was machen Sie hier und wo wollen Sie hin?“
Da antwortet der Mann: „Was zahlen die Leute Ihnen, für die Sie arbeiten?“ Kurze Pause. Dann sagt der Spaziergänger weiter: „Ich zahle Ihnen mindestens genauso viel, wie Sie jetzt verdienen, wenn Sie mir jeden Tag diese zwei wichtigen Fragen stellen: Was machen Sie hier und wo wollen Sie hin?“
Diese Geschichte zeigt, wie wichtig Reflexionsfragen sind. Sie verdeutlicht, dass ich mir diese Fragen immer wieder selbst stellen muss oder dass andere sie mir stellen. Manchmal ist es gut, dass ich auch die Fragen, die du mir zum Beispiel stellst oder die ich selbst kenne, gestellt bekomme. Denn vielleicht will ich mich mit der einen oder anderen Frage gar nicht auseinandersetzen.
Um auf deine Frage zurückzukommen: Fragen sind enorm wichtig in einem Gespräch. Wir reden ja jetzt im Kontext von Seelsorge hauptsächlich über Fragen. Dabei ist Jesus das große Vorbild für uns. Er hat sehr viele Fragen in seinen Gesprächen gestellt.
Ja, in der Tat, das hat er. Das ist natürlich auch etwas typisch Jüdisches. Ich las die Frage: Warum beantwortet ein Jude eine Frage mit einer Frage? Und die Antwort darauf lautet natürlich: Warum sollte ein Jude eine Frage nicht mit einer Frage beantworten?
Ja, ich liebe es. Aber auch wenn es in der jüdischen Kultur üblich war, Fragen zu stellen, ist es so typisch auch für Jesus, dass er viel mehr Fragen stellt, als dass er Antworten gibt. Er stellt den Menschen sehr gute Fragen, die ihnen helfen, auf die richtigen Antworten zu kommen.
In Gesprächen, oder? Man hat ja auch lange Reden gehalten, aber es geht jetzt mal um Gespräche. Es geht um die Gespräche und es geht um die Fragen.
Es war ja eine Hörerin unseres Podcasts, die vor einiger Zeit ein Buch empfohlen hat, das heißt „Jesus is the Question“ von Martin Coppenhaver. Ich lese sehr selten, muss ich sagen, Bücher, die mir empfohlen werden, weil es mir schon schwerfällt, mit meiner eigenen Leseagenda da hinterherzukommen. Aber dieses Buch habe ich gelesen und ich fand das Thema sehr interessant.
Coppenhaver zeigt, dass Jesus in den Evangelien hundertdreiundachtzig Fragen gestellt werden. Er hat ja alle gezählt, okay. Und was glaubst du, wie viele Fragen Jesus von den hundertdreiundachtzig beantwortet? Du weißt, dass ich es lesen kann im Zimscript. Genau, er weiß es. Muss ich das eher den Hörern fragen: Was denkt ihr?
Also, ich hätte nie gedacht, die Antwort – ich hätte viel mehr geschätzt. Genau. Also ich war echt überrascht, als ich las: Es sind nur acht Fragen, die Jesus direkt beantwortet hat. Das heißt, auf die 175 anderen Fragen hat Jesus keine direkte Antwort gegeben.
Kann ich immer noch nicht glauben, aber du wirst es mir bestimmt noch zeigen.
Fangen wir vielleicht erst einmal mit diesen acht Fragen an, die jetzt so herausstechen. Was sind das für Fragen? Sie drehen sich oft um das Verständnis des Gesetzes. Das fand ich erstaunlich. Teilweise sind es sogar Fangfragen, die Jesus direkt beantwortet, wenn sie an ihn gerichtet wurden.
Im Matthäusevangelium beantwortet Jesus vier Fragen. In Matthäus 17 antwortet er auf die Frage der Jünger, warum sie den bösen Geist aus einem Mann, der immer wieder zu Boden gerissen wurde, nicht austreiben konnten. Jesus sagt ihnen daraufhin wenig schmeichelhaft: „Wegen eures kleinen Glaubens.“ Also, weil ihr Gott nicht zutraut, dass es funktioniert, konnte ich es nicht machen.
In Matthäus 18 fragt Petrus: „Muss ich meinem Bruder mehr als siebenmal vergeben?“ Darauf antwortet Jesus direkt und sagt: „Vergib ihm siebzig mal sieben.“
In Matthäus 19 geht es darum, ob man sich von seiner Frau scheiden lassen kann. Die Pharisäer sagen, Mose habe uns diese Möglichkeit gegeben. Jesus antwortet, dass das nur ein Zugeständnis sei, aber nicht wirklich Gottes Wille, dass man sich scheiden lässt. Auch hier gibt es eine klare Antwort.
Im gleichen Kapitel begegnet Jesus einem jungen reichen Mann, der ihn fragt: „Was muss ich tun, um ewiges Leben zu bekommen?“ Auch dieser erhält eine klare Antwort: „Halte die Gebote!“ Viermal also im Matthäusevangelium.
Im Markus-Evangelium antwortet Jesus dreimal auf Fragen, die ihm gestellt werden. In Markus 12 hören wir die Frage der Schriftgelehrten: „Was ist das wichtigste Gebot?“ Jesus antwortet ihnen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen.“ Er zitiert damit aus dem Alten Testament.
In Markus 14 antwortet Jesus auf die organisatorische Frage der Jünger, wo sie das Passamahl vorbereiten sollen. Jesus beschreibt ihnen dann sehr genau, wie sie den Raum finden, in dem er mit den Jüngern das Passa feiern möchte. Das ist sehr spannend.
Im gleichen Kapitel fragt der Hohepriester Jesus im Verhör: „Bist du der Messias?“ Jesus antwortet: „Ich bin es, und ihr werdet mich als Sohn Gottes, als Sohn des Menschen, sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen in den Wolken des Himmels.“ Das sind die Antworten im Markus-Evangelium.
Dann haben wir noch die achte direkte Antwort. Sie steht in Johannes 13. Da fragen die Jünger: „Wer wird dich verraten?“ Jesus antwortet: „Der, mit dem ich das Brot zusammen in die Schüssel eintauche.“ Hat dann keiner kapiert, dass es Judas ist? Aber Jesus hat darauf sehr deutlich geantwortet.
Das hat Kappenhaver herausgearbeitet. Ich habe das jetzt nicht nachgeprüft, aber ich glaube ihm. Er hat sich lange damit beschäftigt. Klingt schon mal anhand der Zahlen, wer zählt schon. Unsere Hörer können sich aber auf die Suche machen und einfach mal gucken, ob sie mehr Antworten finden.
Das sind jetzt aber immer direkte Antworten. Zum Beispiel hat der Hohepriester ihn auch gefragt: „Bist du der König der Juden?“ Da gab es ja eigentlich auch eine Antwort. Aber er zählt nur die direkten Antworten. Wenn Jesus erst einmal ausweicht, ist es für ihn keine direkte Antwort.
Du hast recht, auch Pilatus hat mal gefragt: „Bist du der König der Juden?“ Und da gibt es schon einige Antworten in den Evangelien. Jesus stellt dann meistens erst einmal eine Gegenfrage. Er fragt Pilatus: „Sagst du dies von dir selbst aus oder haben das andere von mir gesagt?“ Als Pilatus ihn dann fragt: „Du bist doch ein König?“ antwortet Jesus: „Du sagst es, dass ich ein König bin.“ So geht es entsprechend weiter.
Ich denke auch an den Mann, der sich verteidigen will, und Jesus fragt: „Wer ist denn mein Nächster?“ Jesus antwortet nicht direkt, sondern erzählt die Geschichte vom barmherzigen Samariter, um es ihm deutlich zu machen. Das würde ich schon als Antwort ansehen.
Es ist spannend, mal darüber nachzudenken. Diese Rückfragen sind ja in der jüdischen Kultur verwurzelt. Nicht umsonst gibt es da so viele Sprüche darüber.
Was ist der Sinn von solchen Rückfragen? Eigentlich erwartet man doch, wenn ich jemandem eine Frage stelle, dass er mir direkt antwortet und nicht plötzlich selbst eine Gegenfrage stellt. Schließlich habe ja ich die Frage. Warum macht Jesus das? Darüber wird sicherlich schon einiges geschrieben worden sein.
Der Grund ist, dass er den anderen motivieren möchte, selbst über ein Problem nachzudenken. Wenn ich selbst nachgedacht habe und zu einer Lösung komme, dann ist es logisch, dass ich mich nicht nur auf die Lösung konzentriert habe. Vielmehr habe ich mich darauf konzentriert, selbst eine Lösung zu finden. Dadurch wird das Ergebnis viel mehr Teil meines eigenen Denkens und es wird zu meinem eigenen Anliegen.
Wenn ich sage: „Darauf bin ich gekommen“, ist das viel nachhaltiger, als wenn mir jemand einfach sagt: „So musst du das machen.“ Dann mache ich es vielleicht, aber ohne innere Überzeugung. Es handelt sich dabei um eine sogenannte intrinsische Motivation, wenn ich selbst auf eine Antwort komme.
Mir kommt gerade etwas Ketzerisches in den Sinn, aber gut: Das gilt besonders für persönliche Gespräche. Jesus hat ja auch lange Reden gehalten. Sonst könnte man natürlich sagen, man müsste immer gleich predigen, was richtig ist, und nicht einfach Fragen stellen. Aber ist es nicht manchmal effektiver, gerade im persönlichen Gespräch, den Leuten eine Frage zu stellen, damit sie selbst nach einer Antwort suchen?
Manche Menschen mögen direkte Antworten, sie sagen: „Ich habe eine Frage, sag mir, was ich tun soll.“ Ehrlich gesagt gefällt mir das nicht immer, weil ich denke, dass man dann ohne innere Überzeugung handelt. Deshalb stelle ich lieber eine Frage und sage: „Da kannst du lesen, überlege dir das und komm selbst zu einem Schluss.“ Das ist nachhaltiger.
Natürlich kommt es darauf an. Du hast vorhin auch gesagt, Jesus hat zum Beispiel die Bergpredigt gehalten oder die fünf Reden im Matthäusevangelium. Dort war das Gespräch nicht der Mittelpunkt, sondern es wurden Dinge klar und deutlich formuliert. Das muss auch sein. Manchmal muss man in der Seelsorge auch sagen: „Du musst dich davon trennen“ oder Ähnliches.
Aber wenn jemand selbst zu einem Punkt kommt, ist das viel nachhaltiger. Ich fand es spannend zu sehen, dass Jesus offenbar in Gesprächen sehr stark auf Fragen gesetzt hat. Ich muss mal nachschlagen: Lukas schreibt ja nicht viele Fragen auf, oder? Nein, direkte Antworten sind dort häufiger zu finden.
Ich schaue mal, wie er das definiert, denn es wird sicher Unterschiede geben. Aber das soll ja egal sein, denn Jesus hat einen Punkt, auf den er hinaus will. Richtig. Er hat also 175 Fragen nicht direkt beantwortet, aber er hat selbst viele Fragen gestellt.
Copmay hat diese Fragen gezählt, wenn ich mich auf seine Zahl verlasse: 307 Fragen hat Jesus gestellt. Fast doppelt so viele wie die, die ihm gestellt wurden. Das zeigt, wie wichtig ihm das Fragenstellen war und dass er die Leute nicht nur mit Antworten abspeisen wollte.
Ich glaube, das kann jeder Hauskreisleiter von Jesus lernen: Stelle Fragen und halte keine langen Vorträge. Das erfordert auch eine gute Vorbereitung, um gute Fragen zu stellen. Auf jeden Fall.
Welche Fragen hat Jesus denn gestellt? Das ist nicht so einfach zu sagen. Im Leitungskreis hat ein Bruder uns mal fünf Fragen genannt, die man immer stellen kann. Die waren gut, und alle haben fleißig Notizen gemacht.
Was für Fragen hat Jesus gestellt? Es gibt bestimmt Beispiele im Buch.
Der Autor führt das Thema sehr intensiv und nachdenkenswert aus. Zum Beispiel stellt Jesus in Lukas 7 Simon eine besondere Frage. Um diese Frage besser zu verstehen, sollte man zunächst den Hintergrund kennen.
Man kann sich eine ruhige Zusammenkunft vorstellen, in die plötzlich eine stadtbekannte Frau eintritt. Vermutlich war sie nicht gerade moralisch einwandfrei unterwegs. Diese Frau fasst Jesus an, salbt seine Füße und – als Höhepunkt dieser peinlichen Situation – küsst sie seine Füße. Das wäre auch bei uns eine peinliche Vorstellung. Meines Wissens ist sie die einzige Frau, die Jesus geküsst hat. Einige Evangelien berichten sogar, dass sie nicht aufhörte, seine Füße zu küssen. Jesus lässt das geschehen.
Simon, der Gastgeber, reagiert innerlich heftig. Er denkt sich: „Das kann doch nicht sein! Wenn Jesus wüsste, was für eine Frau das ist, würde er das nie zulassen.“ Jesus antwortet darauf, indem er Simon eine Geschichte erzählt und ihm anschließend die Frage stellt: „Siehst du diese Frau?“ Diese Frage ist zentral.
In dem Buch von Coppenhaver fand ich diese Geschichte besonders interessant. Er berichtet, dass er mit zwei Freunden durch ein Rotlichtviertel ging, weil sie keinen anderen Weg hatten. Für ihn war das nichts Besonderes, da er diesen Weg oft als Transfer nutzte. Es kommt ja auch auf die Uhrzeit an. Ich selbst habe in Stuttgart vormittags ausgeliefert, und als ich einmal später unterwegs war, sah ich dort Frauen, die mich an ein Rotlichtviertel erinnerten. Damals dachte ich: „In welchem Viertel bin ich jetzt?“ Später verstand ich es besser.
Coppenhaver erzählt, dass einer seiner Freunde entsetzt war, weil die Frau aussah wie eine Prostituierte und weinte. Coppenhaver selbst sagt, er habe die Frauen zwar gesehen, aber eigentlich nicht wirklich wahrgenommen. Er musste an die Frage Jesu denken: „Siehst du diese Frau?“ Diese Frage geht unter die Haut.
Sie fordert uns heraus: Siehst du noch das Elend, das dir auf deinem Weg begegnet? Siehst du die Not deiner Geschwister in der Gemeinde? Oder bist du gleichgültig?
Simon, der Gastgeber, dachte zuerst nur daran, was das für ihn bedeutet. Wie kann Jesus das zulassen? Dabei vergisst er die Frau.
Als Jesus die Frage stellt „Siehst du diese Frau?“, wirkt sie zunächst merkwürdig. Doch im Zusammenhang wird klar: Es geht darum, sie wirklich wahrzunehmen.
Eine weitere Frage, die Jesus zum Beispiel Petrus stellt, lautet: „Warum zweifelst du?“ Diese Frage fällt in eine dramatische Situation. Die Jünger sind im Boot, voller Angst, und drohen unterzugehen. Jesus fragt das nicht, als er in den Wellen war, sondern im Boot, während des Sturms.
Rembrandt hat ein Bild gemalt: Christus im Sturm auf dem See Genezareth. Darauf sind Jesus, die zwölf Jünger und Rembrandt selbst zu sehen. Er malte sich hinein, weil er sich mit der Szene identifizierte. Es gibt Situationen, in denen die Angst uns näher ist als der Glaube, wenn der Sturm tobt.
Wenn ich gerade dabei bin, in meinen Zweifeln unterzugehen und die Hoffnung verliere, kann mir die Frage „Warum zweifelst du?“ helfen. Sie lenkt meinen Blick zurück auf Jesus und hindert mich daran, vom Sturm gelähmt zu werden. Sie stärkt die Überzeugung, dass Gott immer noch das letzte Wort hat.
Eine weitere Frage, die Jesus in Markus 6 stellt, lautet: „Wie viele Brote habt ihr?“ Die Jünger schauen nach und zählen fünf Brote und zwei Fische. Jesus bittet sie, diese Brote auszuteilen. Das Wunder geschieht: Die Brote werden nicht weniger. Die Jünger sind erstaunt und gehen immer wieder zu Jesus zurück, um zu bekommen, was sie brauchen. So können sie von dem, was sie haben, weitergeben.
Oft schauen wir auf die Gaben anderer und denken: „Wenn ich so begabt wäre wie der, würde ich mich auch einsetzen.“ Das ist jedoch Quatsch. Jesus fragt: „Was hast du?“ Diese Frage ist sehr speziell. Ich soll das, was ich habe, ihm zur Verfügung stellen, ihm dienen und daraus etwas machen.
In den Evangelien wird berichtet, dass Jesus in der letzten Passionswoche und am letzten Abend viele Fragen stellte. Diese Fragen nehmen einen breiten Raum ein und sind von großer Bedeutung.
Unterscheiden sie sich in gewisser Weise? Was sind das für Fragen? Ja, es sind sehr persönliche.
Ich denke, da gibt es die Frage in den letzten Stunden, die Jesus stellt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Ich fand es gut, dass Coppenhaver sagt: „Wisst ihr, die größte Schwierigkeit in unserem Glauben ist nicht, dass wir manche Aussagen der Bibel intellektuell nicht erfassen können. Die größte Schwierigkeit ist, dass wir nicht verstehen, warum Gott so mit uns umgeht.“
Wir fühlen uns von ihm dann alleine gelassen. Ein Atheist rechnet damit, dass er alleine in dieser Welt ist. Das ist etwas, was eher Christen erleben: Gott lässt mich alleine. Das ist so eine gefühlte Abwesenheit Gottes, und das ist ein riesiges Problem, das nur ganz, ganz schwer auszuhalten ist.
Da hilft es natürlich sehr zu hören, dass der Herr Jesus dieses Empfinden durchlebt hat. Er war aufgrund meiner Sünde tatsächlich vom Vater getrennt, aber er wendet sich immer noch an Gott. Trotz des Gefühls, verlassen zu sein, darf ich in meiner Not auch Gott diese Frage stellen: „Gott, wo bist du? Warum greifst du nicht ein?“
Auch nach der Auferstehung hört Jesus nicht auf zu fragen. Er fragt den Emmaus-Jüngern einige Dinge, die ihm helfen sollen, mehr zu verstehen, wer Jesus ist. Oder er fragt die Jünger am See Genezareth: „Kinder, habt ihr etwas zu essen?“ Das heißt, er ist um sie besorgt.
Oder er fragt Petrus: „Hast du mich lieb?“ Die wichtigste Frage, die es gibt. Jesus stellt sie auch mir: „Hast du mich lieb?“ Das ist eine Frage, die mich wie der Polarstern wieder auf den richtigen Kurs bringt.
Was wäre für dich die Zusammenfassung, die Quintessenz, die du daraus lernst, dass Jesus Fragen stellt?
Es ist auch wichtig, viel mehr Fragen zu stellen und vor allem gute Fragen. Jesus stellt gute Fragen – Fragen, die helfen, Gott besser zu erkennen und auch mich selbst besser kennenzulernen. Ich glaube, von den Fragen des Herrn Jesus kann ich sehr viel lernen.
Er fragt mich zum Beispiel: Wer ist Jesus für mich? Wer bin ich für dich? Zu den Jüngern sagt er: Wer sagt ihr, wer ich bin? Da wird deutlich, was von Jesus erwartet wird. Er stellt auch die Frage: Was willst du, dass ich dir tun soll? Damit will er, dass ich wirklich sage: Ja, ich will, dass du das so machst. Oder: Liebst du Jesus? Diese Frage klärt ganz klar meine Beziehung zu ihm.
Der Koppenheber hat am Ende seines Buches die Fragen des Herrn Jesus zusammengestellt und in Kategorien eingeteilt. Er hat sie sogar ausgedruckt – alle. Leider gibt es das Buch nur auf Englisch, aber Zahlen und Bibelstellen sind ja international. Ich habe einen Link zu dem Buch in die Shownotes geschrieben für alle, die sich dafür interessieren.
Ich hoffe einfach, dass dieser Podcast uns wieder sensibel macht, Fragen zu stellen und nicht so schnell mit unseren Antworten und Interpretationen zu sein. Fragen regen wirklich zum Nachdenken an.
Danke dir, das ist ein interessantes Buch. Ich hätte nicht gedacht, dass man das mal so überblicken kann.
Das war eine Höreranregung. Ich habe die Anregung gelesen und dachte erst, oh, das ist doch viel Arbeit, das zu machen. Aber du hast es gelesen – finde ich toll.
Also, ein spannendes Thema auf jeden Fall. Ich habe damals schon gedacht: Sehr spannendes Thema, das werde ich mal beachten, wenn ich demnächst die Evangelien durchblättere. Welche guten Fragen kann ich mir selbst stellen, welche kann ich anderen stellen? Und wie kann das auch anderen helfen, dass es sie weiterbringt?
Vielleicht machen wir dazu noch eine zweite Folge mit ein paar Erkenntnissen, die wir daraus gewonnen haben. Schauen wir mal.
Für heute endet der Podcast der evangelischen Freikirche „Evangelium für alle“ in Stuttgart.
Wir hoffen, dass ihr beginnt, mehr Fragen zu stellen – vielleicht auch an uns. Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, ist das eine tolle Gelegenheit!
Falls ihr Anmerkungen zum Podcast oder Fragen habt, schreibt uns gerne unter podcast@eva-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und hoffen, dass wir uns am nächsten Mittwoch wieder hören.