
Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen.
Ich habe noch vier Gottesdienste an dieser Kanzel, ehe mein Dienst hier zu Ende ist. Dabei habe ich mir überlegt, was ich nehmen könnte. Ich möchte vier ausgewählte Worte aus meinem Lieblingspsalm 34 wählen.
Dazu lese ich Vers 3: „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass es die Elenden hören und sich freuen.“
Herr, heilige uns in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit! Amen!
Wenn man die Bibel aufmerksam liest – und ich hoffe, Sie tun das –, dann streichen Sie wenige Namen christlich aus Ihrem Leben nicht. Christen sind automatisch Menschen, die selbstständig in der Bibel lesen.
Wer die Bibel aufmerksam liest, dem fällt auf, dass die Menschen der Bibel eine Eigenschaft besitzen, die in der Welt einfach unbekannt ist. Diese Eigenschaft kommt in der Sprache der Zeitungen und im allgemeinen Sprachschatz kaum vor. Sie ist so unbekannt, dass es kein Wort dafür gibt. Diese Eigenschaft, die nur wirklichen Christen eigen ist, heißt Freudigkeit.
Was ist Freudigkeit? Ich möchte es genau erklären. Wenn Sie das Wort Freudigkeit hören, was fällt Ihnen dazu ein? Das mittelhochdeutsche Wort Paräsia bedeutet eigentlich Freidigkeit, also Freiheit. Ja, es hängt mit Freiheit zusammen.
Wir sagen Freudigkeit, und man könnte denken, es hat etwas mit Freude zu tun. Das stimmt zum Teil, denn freudig zu sein gehört dazu. Aber das allein beschreibt Freudigkeit nicht vollständig.
Ist Freudigkeit Mut? Das gehört ebenfalls dazu, ist aber auch nicht die ganze Bedeutung. Ist es die Fähigkeit, Hoffnung zu sehen, wo andere nur grau in grau wahrnehmen? Das gehört auch zur Freudigkeit. Es sind Worte, die sich schwer definieren lassen.
Ich war eine Zeit lang versucht, Freudigkeit mit Vitalität zu übersetzen. Die Menschheit ist oft so maßlos langweilig, verstehen Sie? „Freudigkeit“, so sagt Petrus, ist Vitalität. Das gehört dazu. Am Ende des Alten Testaments heißt es: Ihr werdet hüpfen wie die Mastkälber. Das ist Vitalität, von Gott geschenkt.
Doch auch das beschreibt Freudigkeit noch nicht vollständig. Was in aller Welt ist also Freudigkeit? Theologen stellen diese Frage und geben Erklärungen. Manche davon sind großartig, aber ich habe sie nicht wirklich verstanden.
Fragen wir lieber die Bibel selbst.
Da ist also diese Szene. Haben Sie dazugehört? Ich habe Sie extra gebeten, sich zu setzen, damit Sie es in sich aufnehmen können.
Dort stehen die beiden Fischer Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat, der Prominenz ihres Volkes. Sie sind angeklagt, weil sie mit der Botschaft von der Auferstehung Unruhe im Volk stiften. Wissen Sie, diese Botschaft bringt tatsächlich Unruhe. Dass bei uns die Christlichkeit keine Unruhe verursacht, liegt nicht nur daran, dass kaum jemand die Auferstehung ernst nimmt.
Die Botschaft von der Auferstehung Jesu bringt Unruhe ins Volk. Und nun sind sie also angeklagt. Die Männer sitzen da, streichen ihre Bärte und runzeln die Stirn. Sie fragen sich: Warum könnt ihr das? Verzeihen Sie, ich kann es nur so ausdrücken. Da schmettert Petrus, dieser Fischer, in höflichen, aber nicht allzu routinierten Formen, der ganzen Prominenz ins Gesicht: Es gibt keinen anderen Heil als in diesem Jesus.
Nun kommt das, was mich interessiert. Da steht das Wort „die Freudigkeit des Petrus“. Die Anwesenden wunderten sich darüber. Meiner Meinung nach sollte man logisch weiterdenken und sich fragen, warum sie freudig waren, obwohl sie doch gefangen waren. Sie befanden sich in einer prekären, einer schwierigen Lage – ich sage es einfach deutsch –, in einer schlechten Situation.
Doch sie sahen die Freudigkeit und wunderten sich, weil sie wussten, dass die beiden ungelehrte Leute waren. Das heißt: Die Schriftgelehrten und Ältesten Israels kannten das Wort „Freudigkeit“ noch. Sie hätten aber gesagt, dass Freudigkeit geistige Überlegenheit bedeutet. Diese könne man unmöglich bei ungebildeten Fischern finden.
Das ist der Zusammenhang: Man kann nicht bei ungebildeten Fischern Freudigkeit erwarten, denn Freudigkeit ist geistige Überlegenheit. Und es ist das Phänomen, dass diese Fischer geistig überlegen sind.
Ja, meine Freunde, es ist nicht notwendig, dass wir genau definieren können, was Freudigkeit ist oder sagen können, was sie bedeutet. Aber es ist sehr notwendig, dass wir sie haben. Sonst ist der ganze Christenstand keine dreifähnige Wert.
Und wenn ich nun Freudigkeit studieren will, dann muss ich den vierunddreißigsten Psalm lesen. Dieser Psalm ist mir seit meiner Zeit als junger Pfarrer, als ich meine ersten Enttäuschungen erlebte, unsagbar wichtig geworden – und das durch einen blinden Mann namens Tuckson, der mir diesen Psalm gewissermaßen nahegebracht hat.
Das ist der Psalm der Freudigkeit. Er wurde von David gedichtet, Psalm 34. Ich möchte ihn als kleines Vermächtnis weitergeben. Es sind einige Dinge, die ich ihm hinterlassen möchte, wissen Sie? David hat diesen Psalm seltsamerweise in dem Tiefpunkt seines Lebens geschrieben, als es nicht tiefer gehen konnte. Er hatte wirklich keinen Platz mehr zwischen Himmel und Erde, wo er bleiben konnte – er war verzweifelt.
Und gerade in dieser Lage hat er den Psalm der Freudigkeit gedichtet: "Ich will den Herrn loben allezeit. Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Meine Seele soll sich rühmen des Herrn." Das ist nun nicht, verstehen Sie, ein nüchterner Enthusiasmus. Da kommt pure Kraft: "Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochenen Herzens sind." Er ist nahe bei den Zerbrochenen und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
Das bedeutet, Freudigkeit ist in keiner Weise abhängig von den Umständen. Ich kann krank sein, Zahnschmerzen haben, mein Geld verloren haben oder im Examen durchgefallen sein – Freudigkeit ist trotzdem da. Ich wünsche euch das nicht, aber Freudigkeit hängt in keiner Weise von äußeren Umständen ab.
Wovon denn, meine Freunde? In Psalm 34 wird in unserem Vers ein wenig gesagt, aus welchen Quellen die Freudigkeit fließt.
Das war jetzt eine lange Einleitung. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich muss die verletzten Sonntage ein wenig ausnutzen.
Die Quellen, aus denen die Freudigkeit fließt
Meine Seele soll sich rühmen des Herrn. Die erste Quelle, aus der die Freudigkeit fließt, ist die feste Gewissheit um den Herrn. Das feste Wissen um den Herrn – wie wir das ausführen, sehen Sie. Für den modernen Menschen – moderne Menschen kann man ja beinahe nicht mehr aussprechen, ohne dass man lächeln muss, nicht? Also für den „modernen Menschen“ in Anführungsstrichen, das doofste Mondkalb hält sich heute für modern, nicht?
Für diesen modernen Menschen ist es selbstverständlich, dass alles, was mit Bibel, Christentum und Religion zusammenhängt, eine unklare, verschwommene Sache ist. Ist doch klar, ist doch kein Wunder.
Ach, sagt der moderne Mensch: „Christentum?“ Mich fragte ein Mann, ein Direktor hier von einem Industriewerk: „Ich habe so viele Vorträge gehört über Christ und Aufrüstung, Christ und Wirtschaft, aber was ist denn ein Christ? Das weiß kein Mensch. Das ist das Verschwommenste, was es gibt.“ Auch sei der moderne Mensch schon durch die vielen Konfessionen verwirrt. Gehört zum Christentum Kardinalszüten, Bischofstäbe, Weihrauch und Orgeln – oder ist das auch noch Christentum? Wo bloß ein Posaunenchor vorsitzt, einmal mit vier Zugposaunen, wie ich gehört habe? Die vielen Konfessionen und dann die Unsicherheit der Kirche: Die Kirche hat feierlich erklärt, dass sie gegen Aufrüstung sei, und jetzt gibt es alles von Pazifisten bis zum Militärbischof. Was denn nun? Ja, was denn nun?
Ach, sagen die Leute, Christentum ist so verworren. Dann die vielen Sekten – nicht Insekten, Sekten, verstehen Sie! Und dann geschieht das Merkwürdige: Viele von Ihnen sagen heute: „Da das alles so verworren ist, mache ich mir ein eigenes Christentum.“ Und das ist der Gipfel aller Verworrenheit.
Wissen Sie, das höre ich als Pfarrer dann dauernd: „Ich glaube an den Herrgott, aber wie kann er alles zulassen? Also ist er vielleicht doch nicht da. Im Üben bin ich vorzüglich, aber selbstverständlich, Kirche muss sein, Kirchensteuer zahlen und so.“ Das ist die Höhe aller Verworrenheit – das Christentum, das sich der Mensch dann selber zurechtmacht.
Ich sage es noch einmal zusammen: Für die meisten Leute ist das Christentum ein qualvolles, nebelhaftes Gebilde, nicht ganz unnütz für die Erziehung der Kinder bis zum vierzehnten Lebensjahr, ein Gebilde, dem man sich mit Ehrfurcht fernhält. „Habe ich recht gesprochen, Genossen?“, fragen die Russen.
Und nun, wie anders der David! Bitte, wie anders der David: „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn.“ Da ist eine Spur von Nebel, eine Spur von Ungleichheit. Da ist einer, an dem mein Herz vor Freude überquillt. Da ist einer, der aus dem Nebel hervortritt, den ich deutlich sehe. Da ist der Herr, da ist Herr Jesus Christus. Da ist einer, der mich liebt, der mich kennt und den ich liebe und den ich kenne. Und da ist nichts mehr von Qualhaftigkeit und Nebelhaftigkeit. Verstehen Sie? Da ist ein Verhältnis von geradezu fantastischer Großartigkeit und Schärfe.
Darf ich zwischendurch sagen: Wundern Sie sich nicht, dass ich sage, David habe den Herrn Jesus Christus gekannt? Wer in der Geschichte zu Hause ist – das sind noch etwa sieben Prozent in Deutschland –, der weiß, dass David über tausend Jahre vor dem Kommen Jesu gelebt hat. Wie kann er von Jesus reden? Die Bibel muss durch die Bibel ausgelegt werden.
In der Apostelgeschichte wird erzählt, dass Petrus eine Pfingstpredigt hält, und da sagt er (Apostelgeschichte 2), lesen Sie das noch einmal nach, dass David im Geist Jesus gesehen hat und dass er von der Auferstehung des Gekreuzigten gepredigt, verkündigt und gesungen hat. Das ist für mich maßgebend, nicht?
„Meine Seele soll sich rühmen des Herrn“ – da ist einer, der Sohn Gottes, der Herr Jesus Christus. Da ist völlige Klarheit!
Nehmen Sie: Der Herr Jesus hat einmal ein schönes Wort gesagt, das ist wundervoll: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus, erkennen.“
Da kommt aus dem Nebel einer auf mich zu, mein Herz wird bewegt. Viele von Ihnen kennen ihn noch gar nicht, aber sie werden angezogen. Er tritt immer deutlicher hervor, und nun erkenne ich ihn: meinen Herrn und meinen Gott, Jesus, Sohn Gottes. Das ist das ewige Leben: Jesus erkennen.
Und ich sage Ihnen, das ist Freudigkeit, wenn man aus diesem trügerischen Gewirr von Religion, Christentum, Kirche und was weiß ich allem herauskommt und den Heiland gefunden hat. Da ist keine Verworrenheit mehr.
Nun sagen Sie: Ja, ja, wir kennen Jesus, sonst wären wir ja nicht hier im Jugendbundesdienst. Ihr kennt Jesus. Da sage ich: Moment mal, wie kennt ihr ihn? Vom Hörensagen.
Ich kenne Kennedy, der Präsident von den USA, ich weiß genau, was für eine tolle Persönlichkeit er hat. Ich weiß, dass er einen Schaukelstuhl liebt und einige Schäden an der Bandscheibe hat. Unsere junge Generation von Politikern wirkt beunruhigend auf die Welt, das wissen wir alles. Aber er kennt meinen Namen nicht, hat nie mit mir gesprochen. Ich habe nicht mit ihm gesprochen, oder? Kenne ich ihn oder kenne ich ihn nicht? Ich kenne ihn nur vom Hörensagen. Ich weiß, dass es stimmt, dass er da ist, aber ich kenne ihn nicht wirklich.
So kennen die meisten von Ihnen Herrn Jesus. Sie haben viel von ihm gehört, vielleicht auch über ihn nachgedacht. Aber David ist ihm begegnet. Jesus ist von Ewigkeit beim Vater, er konnte David begegnen.
Ich danke Gott, dass hier Leute sind, die Jesus so kennen. Das ist die Quelle der Freude. Ein festes Wissen um den Herrn, dass Jesus am Kreuz gestorben ist, auferstanden aus dem Grab, Sohn Gottes, und dass man ihn wirklich erkannt hat – das ist die Quelle der Freude.
Dieses Kennen Jesu muss ich noch sagen, ist eine merkwürdige Sache. Vor dreißig, vierzig oder fünfundvierzig Jahren habe ich ihn kennengelernt. Und auf einmal entdeckte ich: Ich kenne ihn schlecht.
Paulus drückt es so aus: In ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit. Ich werde gar nicht mit ihm fertig.
Wir wollten nach den Quellen der Freude fragen. Das erste ist ein gewisses Wissen um diesen Herrn, heraus aus der Nebelhaftigkeit aller religiösen Verworrenheit.
Zweiter Punkt: Quellen der Freudigkeit.
Darf ich es einmal so ausdrücken: Es braucht eine unerbittliche Konsequenz im Denken. Eine unerbittliche Konsequenz im Denken, wenn ich sage: Ich will den Herrn loben allezeit. Das heißt, ich will keinen anderen mehr loben, sondern nur noch Ihn. Auch Jesus. Sie haben eben gesungen, es war erbärmend – er war immerhin da –, aber Sie haben ihn nicht gelobt! Stattdessen loben Sie noch eine ganze Menge anderer Dinge. Verstehen Sie? Und das ist die Inkonsequenz.
Was loben wir nicht alles? "Meine Seele soll sich rühmen des Herrn." Wir haben eine verzweifelte Neigung, uns an Politiker zu hängen. "Meine Seele soll sich rühmen" – Hitler, Adenauer, müssen wir so sprechen? Adenauer? "Meine Seele soll sich rühmen" – Adler oder Willy Brandt, nicht?
Wir haben eine verzweifelte Neigung, bei aller Christlichkeit, uns an irgendeinen Menschen zu rühmen. Oder, na ja, wir rühmen uns selbst. Wir haben eine verzweifelte Gabe, uns selbst zu rühmen. Da geht ein junger Mann an einer Schaufensterscheibe auf der Straße vorbei. Ich sehe, wie er hineinschaut, und jede Miene sagt: "Sieh, wie hat mein Schöpfer mich so schön geschaffen", nicht wahr?
"Meine Seele soll sich rühmen" – wir rühmen uns unserer Abenteuer, unserer Geschicklichkeit als Geschäftsleute, unseres Reichtums, unseres Wagens. Ein junger Mann rühmt sich seiner Kraft, und eine alte Oma, die es nicht mehr kann, rühmt sich einfach ihrer vielen Krankheiten. Jeder hat etwas, worauf er sich rühmt.
Das Tollste, was mir vollkommen ist: Jemand hat mir neulich erzählt, wie unsagbar demütig und bescheiden er sei. Der hat sich seiner Bescheidenheit gerühmt. Stellen Sie sich das vor! Das gibt es doch wirklich. Kriegen wir hin!
Jetzt kommt etwas wirklich Wichtiges: "Meine Seele soll sich rühmen des Herrn." In diesem Wort, wenn Sie den ganzen Psalm lesen, steht als Hintergrund ein Bankrott. Ich kann mich nicht mehr der Menschen rühmen und nicht mehr meiner selbst rühmen. Der Hintergrund dieses Wortes ist eine abgrundtiefe Verzweiflung. Bitte verstehen Sie: Der Hintergrund dieses Wortes ist eine Hölle.
Durch diese Hölle ist der junge Mann geführt worden, der David war. Damals war er ein junger Mann. Diese Hölle bestand darin, dass der Herr ihm sein eigenes Herz aufdeckte, ihn in sein Licht stellte. Da konnte er nur noch singen. Ich sage es mit den Worten von Paul Gerlts: An mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erde vollkommen.
Da sah er Liebe zu jeder Schändlichkeit. Ich sage Ihnen: In Ihrem Herzen ist die Anlage zu jeder Schändlichkeit. Er sah in seinem eigenen Herzen verzweifelte Gottlosigkeit. Er konnte nicht mehr rühmen, David konnte nicht mehr Menschen rühmen. Als er diesen Psalm dichtete, hatte David die grauenvollste Ungerechtigkeit erlebt vom König Saul, den er geliebt und dem er gedient hatte. Und da hat Saul ihn verfolgt – listig, gemein.
Da ist ihm der Glaube an Menschen zerbrochen. Und jetzt sage ich Ihnen: Wer überhaupt ein Mensch ist, dem der Glaube an sich selbst zerbrochen ist und der Glaube an die Menschheit, an Menschen zerbrochen ist, der versteht, was für ein Jubelschrei das ist: "Doch Herr, meine Seele soll sich rühmen des Herrn."
Ich versinke jetzt nicht im Pessimismus, denn da ist ein Heiland: Jesus! Mit einem naiven Lebensoptimismus unserer Tage versteht man die Bibel ja gar nicht, mit diesem dummen Geschwätz: Man muss an Menschen glauben, ans Gute, an den Menschen an sich selbst, an die Großen, an Omnibus. Damit kommt man der Bibel nicht bei.
Aber ich muss die Realität sehen: Wir zerbrechen an uns selbst, wenn wir auf Gott sehen, und wir zerbrechen an Menschen. Und dann: "Meine Seele soll sich rühmen des Herrn." Da ist einer.
Sehen Sie, das ist Konsequenz im Denken. Wir sagen: Wir sind Christen. Natürlich sind wir Christen, das sehen wir hier. Aber wir sagen "rühmen" – natürlich rühmen wir auch Jesus, selbstverständlich. Wir sind ja Christen. Aber wir rühmen uns selbst und rühmen alle möglichen Leute. Und unter Politik verstehen wir also Hörigkeit irgendeines Politikers – und Jesus auch, natürlich.
David sagt: "Meine Seele soll sich rühmen des Herrn allein." Jesus – das habe ich begriffen. Anders kann man von Ihm gar nicht reden, als Ihn wirklich in den Mittelpunkt zu stellen. Oder ich stecke es so auf: David kann sagen, wenn ich es auslege: Ich habe vor Gott entdeckt, dass mein Leben unrein ist. Aber dieser Jesus, der am Kreuz starb, ist meine Gerechtigkeit.
Ich habe vor Gott nichts zu bringen als Ihn. Ich bin ein Versager, ich bin jetzt überall fertig, wie ein Psalm dichtet. Aber Jesus liebt mich. Ich sitze in der Wüste bei einem Stein, habe nichts mehr, wie ein Psalm dichtet. Aber Jesus kennt mich und liebt mich.
Ich kann Menschen nicht mehr glauben, sie haben mich grauenvoll enttäuscht. Aber Jesus enttäuscht nicht und lehrt mich, diese Menschen zu lieben. Wissen Sie, wenn einer anfängt mit Menschenverachtung, dann sage ich: Was bist denn du für ein Typ? Jesus lehrt mich, diese Menschen zu lieben, an denen ich zerbrochen bin.
"Meine Seele soll sich rühmen des Herrn." Ach, wissen Sie, ich wünschte uns allen diese Konsequenz im Denken unseres christlichen Glaubens. Habe ich mit Jesus zu tun, fasse ich: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab. Dann soll dieser Sohn mein Herr sein.
Dann will ich nicht ruhen, bis ich Ihn erkenne als die Offenbarung Gottes, bis ich eintauche in die Tiefe seiner Erkenntnis. Dann soll Er mein Leben bestimmen.
Lassen Sie mich noch kurz ein letztes sagen. Verzeihen Sie, es wird vier Minuten zu lang, aber das ist nicht einfach. Ja, Alterserscheinung. Darum gehe ich – weiß die Frau nicht – auf die Quellen der Freudigkeit ein.
Die Quellen der Freudigkeit sind ein gewisses Wissen um den Herrn, nicht mehr eine verborgene Religion, sondern eine klare Konsequenz im Denken. An dieser Stelle steht Jesus, dann Jesus allein. Und dann höre ich auf, noch anderes zu rühmen. Dann ist er die Freude meiner Seele.
Drittens: Freudigkeit kommt aus einer tiefen Erfahrung mit dem Herrn, aus einem Geheimnis mit dem Herrn, aus einem Erlebnis mit ihm. Meine Seele soll sich rühmen des Herrn. Spüren Sie nicht, zwischen den Zeilen spricht es: Ich habe mit diesem Herrn Jesus ein gemeinsames Erlebnis, das mich an ihn bindet.
Sehen Sie, als ich noch ein junger, unbekehrter Bursche war, hat mich das bei Christen immer wieder fast geärgert, dass so reife, erfahrene Christen ein letztes Geheimnis mit dem lebendigen Herrn hatten, das ich nicht kannte und in das ich nicht eindringen konnte. Und der Christenstand hat dieses Geheimnis, diese Erfahrung mit dem Herrn. Hier drückt es aus: Das Geheimnis des Herrn stand über meiner Hütte.
Ich kann anderen viel bezeugen, worin das Geheimnis besteht. Lassen Sie mich an einem Beispiel deutlich machen: Ich bekomme jedes Jahr einmal eine Postkarte oder einen Brief von einem kleinen Nest, weit ab von der Bahn. Ich glaube, da geht mein Omnibus nicht hin. Es ist an der Schweizer Grenze, so hinter dem Wald, wo die Welt aufhört, ein Grenzgebiet.
Aselfingen – kein Mensch von Ihnen weiß, wo Aselfingen ist. Das hat, glaube ich, sogar der Postminister in seinem Buch vergessen. Da kommt also jedes Jahr so ein Brief an von einem Mann, der in kleinen Lädchen lebt, wie es in solchen Dörfern üblich ist, wo es alles gibt – vom Hering bis zur Peitsche für die Kühe.
Wie kommt das? Das war im Jahr 1915. Warme, junge Soldaten, und dann schlägt eine Granate mitten unter uns friedlich schanzende Leute ein, die nichts Böses ahnten. Wir waren einen Tag zuvor angekommen und hatten keine Ahnung vom Krieg. Es war ein Schock. Die meisten waren tot. Ich sehe noch einen wegrennen, dem war der Unterkiefer weggeschlagen. Er schrie gurgelnd. Ich fühlte mich heil.
Und jetzt wollte ich, dass der nächste Schusskern jeden Augenblick kommt, wenn die Batterie hergerichtet ist. Nicht, wir sind offenbar eingesehen, ich will davon. Da treffen mich die Augen von einem, auch so einem jungen Kerl von achtzehn Jahren, der da liegt, an dem sich das Bein zerschmettert hat. Er sieht mich nur an.
Ich hatte solche Angst. Ich bin kein Held, aber da bin ich doch hingekrochen. Man war ja offenbar eingesehen. Dann ist er auf meinen Rücken gekrochen. So bin ich mit ihm den Bärchen hinunter, auf dem Rücken, überströmt vom Blut dieses jungen Mannes. Und seitdem schreibt er mir jedes Jahr.
Wir sprechen nicht von dem Erlebnis, das ist ja lange her, das ist uns allen entschwunden. Aber das hat uns verbunden, wissen Sie? Und darf ich sagen: So ist es zwischen einer gläubigen Seele, zwischen David und dem Herrn Jesus. Also sage ich: Zwischen mir und Jesus, zwischen Jesus und mir.
Ich lernte eines Tages das Feuer des Gerichts Gottes kennen. Kennen Sie das nicht? Die Angst, dass man in die Hölle kommen kann. Kennen Sie das nicht? Sind Sie so blind? Wissen Sie etwas vom Zorn Gottes über unsere Sünden, über unsere Selbstsucht, über unseren Egoismus, über unser widerliches Wesen?
Auf einmal war das Feuer des Gerichts Gottes auf mir. Und dann kam Jesus und trug mich heraus. Er trug mich für Zeit und Ewigkeit aus dem Feuer des Gerichts Gottes. Er hat am Kreuz meine Schuld weggetragen.
Es gibt in den Worten der Bibel etwas so Schönes, das in keinem Literaturbuch sonst stehen könnte: Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten. Je älter ich werde, desto schöner kommt mir dieses Wort vor – nicht nur ästhetisch, sondern einfach im Inhalt, dass einem Schwindel werden könnte.
Die Strafe liegt auf ihm – das Stehen vor dem gekreuzigten Heiland mit der Dornenkrone – auf dass wir Frieden hätten. Er hat unseren Frieden getragen. Und das ist die Quelle der Freudigkeit: Vergebung der Sünden durch Jesu Blut, Vergebung der Sünden durch Jesu Blut!
Wurschteln Sie nicht weiter, sondern ruhen Sie nicht, bis Sie das Feuer des Gerichts Gottes kennenlernen – aber dann die Vergebung der Sünden durch das Blut des Lammes, der am Kreuz stirbt. Das gibt Freudigkeit.
Ich ließ mir einen Freudigkeitsvers von Paul Gerhard sagen. Da zeigt er auf den gekreuzigten Herrn Jesus, der ausgelöscht hat, was den Tod mit sich führt. Der ist der Rhein, der mich wäscht, macht schneeweiß, was Blut droht.
Jetzt kommt: In ihm darf ich mich freuen, habe einen Heldenmut, darf kein Gericht scheuen wie sonst ein Sünder tut. Amen.