Einführung und Thematische Einordnung
Das heißt einfach: Siegst Karl Kapff als Thema. Wenn man jedoch ein Unterthema wählen möchte, wird es schwierig.
„Weichenstellungen für unser evangelisches Württemberg“ würde zwar zum Bild vom breiten und schmalen Weg passen, auf dem oben eine Eisenbahn links oben erscheint. Doch dieses Thema würde nicht alles umfassen, was das Leben und Wirken von Siegst Karl Kapff bedeutet.
Man könnte eher hier in Korntal – und herzlichen Dank für die Einladung – als Unterthema „Vom Pietistenest, wie es damals schon hieß, Korntal zur ersten Kanzel des Landes“ wählen. Man könnte auch sagen: „Es ist nicht schön, Prälat zu sein.“ Denn Kapff hat furchtbar darunter gelitten in den zwei Jahren, in denen er Prälat war, 1850 und 1851. Mit großer Dankbarkeit wurde er dann Pfarrer an der Stiftskirche.
So wäre auch ein mögliches Unterthema: Das Entscheidende geschieht in der Gemeinde, der Basis der Gemeinde. 27 Jahre lang wirkte Siegst Karl Kapff als erster Pfarrer der Stuttgarter Stiftskirche.
Biografische Einblicke und frühe Jahre
Aber zuerst einmal ein kleiner Einblick in sein Leben. Sie können das, wenn es abgedunkelt wird, gleich zum ersten Schläfle benutzen, falls Ihnen alles schon bekannt ist. Sonst würden wir jetzt hineingehen.
Frau Nürnberger, am Apparat sind hinten zwei Schalter. Wenn Sie diese einschalten, bleibe ich hier vorne, damit ich am Mikrofon sprechen kann.
Hier sehen Sie das Bild von Sixt Karl von Kapff, wie es im Stuttgarter Diakonissenhaus in ganzer Pracht und Herrlichkeit steht. Dort ist natürlich Herr Kapff mit dem Prälatenkreuz abgebildet, das er dauerhaft behalten durfte, auch als er nicht mehr aktiver Prälat war.
Als nächstes: Auf dem Stuttgarter Fangelsbach-Friedhof, gar nicht weit von der Markuskirche, befindet sich das Grab von Sixt Karl von Kapff und seiner Frau, mit der er frisch vermählt hier in Korntal aufgezogen ist.
Mein Großvater hat mir immer gern die Stuttgarter Friedhöfe gezeigt, mit den Gräbern der alten Gotteszeuginnen und Gotteszeugen. Sixt Karl von Kapff erhielt als Prälat damals den königlichen Adelstitel. Außerdem hatte er von der Universität Göttingen den Ehrendoktortitel für eine Arbeit über die Evangelische Allianz in Europa.
Er lebte von 1805 bis 1879. Er war noch im Amt, als er 74 Jahre alt war. Das sollten wir Pfarrer uns zum Vorbild nehmen. Als er gestorben ist, musste man nicht schon mit fünfundsechzig in den Ruhestand gehen.
Hier sind wir in Winterbach im Remstal. Kapff wurde in Gügling geboren, sein Vater wurde bald Pfarrer in Winterbach, jenem alten Zentralort des geistlichen Lebens im Remstal.
Wir nehmen gleich das nächste Bild: In der Lateinschule von Schorndorf ist er zur Schule gegangen. Er musste immer von Winterbach hinüberlaufen und ist nicht gern hingegangen. Es war von Schorndorf bekannt, dass die Präzeptoren furchtbar geschlagen haben.
Als er einmal so geknickt seines Weges gegangen ist, hat ein Landwirt von Winterbach zu ihm gesagt: „Karle, guck nicht so traurig, du kannst immer nur Prälat werden.“ Das war also eine Weissagung.
Studium und geistliche Prägungen
Wir nehmen das nächste Bild. Nach seiner Schulzeit ist er sehr früh ins Tübinger Stift eingetreten. Ein Bild vom Tübinger Stift sehen Sie hier, und wir nehmen gleich das nächste Bild.
Sie können die Bilder ziemlich schnell durchlaufen lassen. Frau Nunberger, dort hatte er als Freund Wilhelm Hofacker, den Bruder des württembergischen Erweckungspredigers Ludwig Hofacker. Das nächste Bild zeigt uns dann gleich Ludwig Hofacker mit seinem berühmten Predigtbuch, das bis heute viele Auflagen erlebt hat.
Ludwig Hofacker hat seinen jüngeren Bruder Wilhelm im Stift oft besucht. Kapff bekam dort Eindrücke von diesem Erweckungsprediger und Seelsorger unseres Landes.
Aber auch unter den Repetenten, mit denen er nach bestandenem und gutem Examen zusammenwirkte – Kapff war ein Kepsele, schwäbisch gesagt –, war auch David Friedrich Strauss. Dieser begabte Mann war jedoch ein Leugner des Heilandes Jesus Christus. Kapff hat sich zeitlebens zur Aufgabe gesetzt, diese falsche Theologie zu bekämpfen.
Unter den Mitrepetenten und Freunden in dem kleinen Zirkel um Wilhelm Hofacker gehörte auch Wilhelm Hofmann dazu. Er war der Sohn von Wilhelm Hofmann, der Korntal gegründet hat. Dieser Wilhelm Hofmann wurde später Oberhofprediger in Berlin. Zuvor war er Basler Missionsdirektor gewesen und kurze Zeit Ephorus am Tübinger Stift.
Mit diesem Hofmann war Kapff sehr stark verbunden. Hier sehen Sie den Vater Hofmann, den Sie als Gründer der Brüdergemeinde in Korntal kennen.
Korntal und erste Pfarrstelle
Ein Bild von Ihrem geliebten Korntal, Korntal im Jahr 1820 – das kleine Korntal, aus dem so viel Segen nach Württemberg geflossen ist. Hier sehen wir, wie Kapf ausgesehen hat in den Jahren, als er hierher nach Korntal kam, als der erste richtige Pfarrer.
Pfarrer Friedrich war eigentlich aus der Landeskirche ausgetreten, hat hier aber lange Dienst getan. Danach war Pfaffikar Baumann hier tätig, bis schließlich – wie Herr Vorsteher Messner zuvor erwähnte – Kapff nach Langenwirren berufen wurde. Kapff wollte nie Pietist sein. Sein Vater hatte ihm bereits in Winterbach geraten, sich von allem pietistischen Treiben fernzuhalten. Auch Kapff selbst war in seinem Studium eher der Theologie Schleiermachers verpflichtet als einem lebendigen Pietismus, trotz seiner Verbundenheit mit den beiden Hofacker.
Es war ihm sehr recht, dass die Investitur hier in Korntal von einem entfernten Onkel, dem Prälaten Kapff von Ludwigsburg, vorgenommen wurde. So wurde er doch von einem richtigen Prälaten ins Amt eingesetzt. Er sagte, die Gegensätze zwischen Korntal und Landeskirche seien nicht so groß, wie man oft annehmen möchte.
Hier sehen wir noch einmal den dicken Saal. Vor allem sieht man, wie die jungen Leute in den Saal hineingeführt werden. Das war Kapffs erster Ruf zur Sache: Man solle die jungen Leute nicht religiös überfüttern, damit sie nicht sonntags drei oder sogar vier Mal zur Stunde oder zum Gottesdienst gehen müssten.
Dann begann Kapff in Korntal seine schriftstellerische Tätigkeit. Weil Wilhelmsdorf in Not war und Geld gebraucht wurde, gab er einen Predigtband heraus, über die Episteln des zweiten Jahrgangs. Es ist interessant, all die Verfasser der Predigten zu lesen. Das Buch wurde in 18 Exemplaren verkauft, was damals sehr viel war. Das war der Grundstock, um das Pfarrhaus in Wilhelmsdorf bauen zu können.
Außerdem gab er ein Gebetbuch heraus, als Hilfe zum häuslichen Gebet. Das nächste Bild zeigt das Kommunionbuch. Mein Großvater hat immer, bevor er zum Abendmahl ging, anderthalb Stunden vorher im Kommunionbuch von Kapff gelesen. Dort finden sich Selbstprüfungen vor Gott und Gebete, damit man das Abendmahl nicht einfach „rups rups“ nimmt, sondern innerlich darauf vorbereitet ist und würdig isst.
Diese drei Bücher – Predigtbuch, Gebetbuch und Kommunionbuch – waren auch das Programm des großen württembergischen Geistlichen Storr, der ebenfalls an der Stiftskirche gewirkt hatte. Man wollte in das geistliche Leben Württembergs hineinwirken. Die Bücher wurden so rasch verkauft, dass immer neue Auflagen notwendig waren.
Das war der Beginn der großen schriftstellerischen Tätigkeit von Kapff. Man wundert sich, wann er überhaupt Zeit gefunden hat, diese Bücher zu schreiben. Hier sieht man noch einmal eine schöne gestickte Einlage aus einem dieser Kommunionbücher, die Kapff darstellt – schon als Prälat von Stuttgart.
Dekanat Münsingen und Engagement in der Diaspora
Im Jahr 1843, nach zehn Jahren Tätigkeit in Korntal, ließ sich Kapf als Dekan nach Münsingen berufen. Es war ein ganz neues Dekanat; zuvor gehörte alles zum Dekanat Urach. König Friedrich hatte die neuen Landesteile im Oberland zu seinem Königreich hinzugewonnen, die früher zu Vorderösterreich gehörten, und baute die Kirche zunehmend nach Süden aus. Das erste neu entstandene Dekanat war Münsingen, und man wollte bewusst in diese Gegend, in der es pietistische Gruppen gab, Kapf berufen.
Kapf sah seine Tätigkeit in Korntal als Pfarrer der freien Gemeinde nicht als hinderlich an, um ein Dekanat zu übernehmen. In Württemberg gab es jedoch großes Murren: Musste gerade jemand aus Korntal Dekan werden? In dem alten Dekanatshaus in Münsingen lebte Kapf. Er gründete sofort einen Jünglingsverein und eine Missionsstunde für Männer, an der 70 Männer teilnahmen. Außerdem beteiligte er sich an der örtlichen Gemeinschaft und initiierte eine Hagelversicherung. Diese wurde damals von Christoph Hoffmann, einem Sohn des Gründers Wilhelm Hoffmann, heftig kritisiert.
Trotzdem gingen von diesem Dekanatshaus viele Segensimpulse aus. Die Kirche musste sogar eine Empore einbauen, auf der lange Zeit die Orgel stand. Dies geschah, weil sich die Münzinger darüber beschwerten, dass sie auf ihren angestammten Plätzen keinen Platz mehr fanden, da so viele Fremde und Außenstehende kamen.
Von Münsingen aus richtete Kapf seinen Blick auf die württembergische Diaspora. Zur südlichsten Gemeinde Pflummern gehörte auch das Kloster Heiligkreuztal. Kapf ließ auf der Nonnenempore dieses katholischen Münsters eine evangelische Predigtstätte einrichten, die bis heute erhalten ist. Zu dieser weitgespannten Diaspora gehörten alle evangelischen Arbeiter: Forstarbeiter, Fabrikarbeiter bis in die Gegend von Ravensburg.
Von hier aus hatte Kapf auch den Blick auf den Säntis und die Berge bis hinunter zum Bodensee. Im Bodenseeraum gab es freie Reichsstädte wie Biberach, Wangen, Isny und Ravensburg, in denen die Reformation eingeführt war. Doch durch den König wurden in dieses Oberland auch Industriearbeiter entsandt, die keinerlei geistliche Versorgung hatten.
Kapf drängte daher darauf, einen württembergischen Gustav-Adolf-Verein zu gründen. Das Gustav-Adolf-Werk in Württemberg zählt Kapf zu seinen Vätern. Dieses Werk war es, das zuerst die Kapellen in Altshausen, Aulendorf und anderen Orten errichtete, damit die Evangelischen eine Heimat fanden.
Ein weiteres Bild zeigt die Stadtkirche in Biberach. Dort gab es seit der Reformation einen gewachsenen Protestantismus, doch für das weite Umland fehlte eine geistliche Versorgung. Kapf erkannte hellwach, dass hier etwas getan werden musste. Er wollte nicht warten, bis das Konsistorium aktiv wurde. Das Wort Konsistorium bedeutet im Lateinischen „Stillstand“. Deshalb war es notwendig, aus freier Initiative heraus tätig zu werden.
Kapf hatte auch von seinem Vater Wilhelm Hoffmann gelernt: Wenn du ein christliches Werk gründen willst und nicht möchtest, dass es gelingt, dann berufe drei oder vier Pfarrer in den Vorstand. Deshalb sagte er, dass Laien das Werk führen müssten. So kam es zur Gründung des Gustav-Adolf-Werks.
Dekanat Herrenberg und politische Tätigkeit
Nächstes Bild. Bereits wenige Jahre später wurde Kapff zum Dekan nach Herrenberg berufen, also 1843 in Münzing und 1847 in Herrenberg.
Diese berühmte Stiftskirche in Herrenberg ist weithin bekannt. Noch bekannter ist das nächste Bild, das Dekanatsgebäude in Herrenberg. Von dort aus hat man einen weiten Blick hinüber nach Tübingen und ins gesamte Gäu hinein.
In diesem Haus wirkte bereits Oetinger als Dekan. Auch hier in Herrenberg gründete Kapff einen Missionsverein, einen Jünglingverein sowie eine Hagelversicherung. Im diakonischen Bereich und beim Aufbau der Gemeinde hat Kapff in wenigen Jahren, in denen er nur drei Jahre Dekan war, Unglaubliches geleistet.
Von Herrenberg aus ließ er sich auch als Abgeordneter in die württembergische Landschaft wählen. Damit war er erneut Mitglied im Landtag. Er wurde zwar zweimal gewählt, doch damals waren die Legislaturperioden aufgrund der aufgewühlten Jahre nach 1848 sehr kurz.
Kapff sagte, auch Christen müssten als Salz der Erde im politischen Bereich wirken. Dennoch machte er im Parlament oft eine Bauchlandung. Sein Freund, Dr. Christian Gottlob Barth von Kalf, sagte, ihn würden keine zehn Gäule in die Landschaft bringen, also in den Landtag.
Kapff sah seine Aufgabe dort, doch er sorgte nicht taktisch klug für Kooperationen oder Kompromisse. Stattdessen versuchte er stets, seinen Kopf durchzusetzen. Gerade in dieser Landschaft gelang ihm das nicht.
Dr. Christian Gottlob Barth, sein enger Freund und Missionsfreund unseres Landes, riet Kapff eigentlich davon ab, politische Verantwortung zu übernehmen. Seiner Meinung nach sollten Laien diese Aufgabe übernehmen, nicht die Geistlichen.
Prälatur in Stuttgart und Engagement in der Stadt
Und dann kam 1850 der Ruf nach Stuttgart als Prälat von Reutlingen. Die Prälaten wohnten damals in Stuttgart, und für die Prälatur Reutlingen hatte er seinen Sitz im Konsistorium. Damit trat er in das evangelische Stuttgart ein.
Das evangelische Stuttgart hatte damals eine große Bedeutung. Dort strömten alle begabten jungen Leute zusammen, vor allem junge Männer. Wer ein richtiger Apotheker, Techniker oder Kaufmann werden wollte, ging nach Stuttgart, erhielt dort seine Ausbildung und war aus der Familie herausgelöst. Kapf animierte die christlichen Familien, die dort schon sehr aktiv waren – die Gunders, Lechler und Roser – sowie die Lotter, Jünglingsvereine zu gründen.
Er baute den Jugendverein neben dem ersten Jünglingsverein auf, den neuen Jünglingsverein, den späteren CVdM. Außerdem gründete er Knechte- und Mägdeanstalten und sorgte dafür, dass diese jungen Männer im Glauben gestärkt wurden. Wenn sie dann wieder hinausgingen, etwa nach Nagold oder Schorndorf, bauten sie dort Gustav-Adolf-Vereine, Jünglingsvereine und Missionsvereine auf. Diese jungen Männer waren Multiplikatoren für das ganze Land.
Kapf war in Stuttgart in seinem Element. In dem Gebäude, in dem heute der Haufler ist, wurde 1812 die erste Bibelanstalt für Württemberg gegründet. Der Kaufmann Lotter, den wir gleich auf dem nächsten Bild sehen, hatte sie gegründet. Auf dem Hoppenlauffriedhof in Stuttgart erinnert eine Grabtafel an ihn. Man sieht noch schwach den Namen Lotter. Er war ein gesegneter Mann, kinderlos, aber er hat für Stuttgart Entscheidendes geleistet: die erste Kinderbewahranstalt und auch eine Rettungsanstalt für verwahrloste Mädchen und Jungen.
Die Leute damals waren voller Ideen. Sie hatten keine Staatsunterstützung und finanzierten alles mit dem Schärflein der armen Witwe. In dem Stockgebäude unten ist heute Bengeri-Bahna untergebracht. Wer auch die Kellerräume mit den wunderbaren Gewölben besucht, sieht die alten Gartengewölbe des Oberkirchenrats. Dort residierte das königliche Konsistorium.
Der Freund Karl von Gerog, zugleich auch Schwager, ist auf dem nächsten Bild zu sehen. Er soll gesagt haben, dass Kapf sich eine gewisse Freiheit im Erscheinen und Verweilen nahm. Er tauchte meist mit gutem Gespür auf, wenn er merkte, dass seine Mitberatung notwendig war. Wenn er jedoch merkte, dass seine Meinung unterlag, verabschiedete er sich freundlich. Das kollegiale Geschäft nahm er nicht allzu ernst, denn er war durch und durch ein Seelsorger.
Ein weiterer Blick auf Stuttgart um 1850 zeigt die Residenzstadt, die aus allen Nähten platzte, besonders nach dem gewonnenen Siebzigerkrieg. Bis dahin war die Stiftskirche die einzige Zentralkirche Stuttgarts. Nur in Geisburg und in Heslach gab es kleine Kapellen. Die Lehenherzkirche und die Hospitalkirche waren reine Predigtkirchen. Alle Taufen und Trauungen fanden in der Stiftskirche statt.
Der Pfarrer der Stiftskirche betreute eine Gemeinde, die beinahe bis zum Feuersee reichte und nach Osten bis zum Gebiet des heutigen Bahnhofs. Nach Norden reichte sie nicht sehr weit, sie endete in der heutigen Büchsenstraße, und nach Süden ging sie nicht weit über die Leonhardskirche hinaus.
Hier sah Kapf, als er sich 1851 zum Pfarrer an der Stiftskirche wählen ließ, seine Hauptaufgabe in den Besuchen. Man sagt, er habe im Jahr bis zu dreitausend Hausbesuche gemacht. Das waren meist kurze Besuche, in denen er sich erkundigte, wie es in der Familie, bei Kranken und Alten stand. Er betete für die Menschen.
Wenn er dann durch die Straßen ging – so erzählte mir noch ein Großvater – durfte man ihn nicht ansprechen. Er wollte nicht gestört werden, weil er in sich weiter für die Anliegen betete, die er aus den Häusern und Familien mitgenommen hatte.
Später riet er den Pfarrern immer wieder: „Ihr müsst viele Hausbesuche machen. Wenn ihr in eurer Predigt festgefahren seid, macht wieder zehn Hausbesuche. Dann wisst ihr, was ihr sagen müsst.“ So ähnlich, wie wir es schon von Bruder Messner gehört haben.
Zusammenarbeit mit Gemeinschaften und geistliche Impulse
Einer der engsten Freunde war Albert Knapp. Gemeinsam bauten sie die Predigerkonferenz aus, eine Zusammenkunft für Pfarrer. Daneben setzten sie noch eine Brüderkonferenz hinzu, weil Knapp betonte, wie wichtig es sei, dass Pfarrer auch mit den Verantwortlichen der Gemeinschaften und der neu entstehenden Missionen zusammenkommen.
Albert Knapp schuf 1842 ein neues Gesangbuch, das das rationalistische Gesangbuch überwunden hat. Dieses rationalistische Gesangbuch war der Anlass dafür, dass sich Korntal neben dieser rationalistischen Liturgie separierte. Deshalb sieht man neben dem Kreuz auch die Leier. Albert Knapp war ein großer Hymnologe und Dichter. An ihm hängen wir noch heute.
Ein weiterer Blick in die Stiftskirche, in der Kapff so gerne wirkte, zeigt seine 27-jährige Tätigkeit als Pfarrer. Man sieht auch das Pfarrhaus, in dem er wohnte, an der Kanzleistraße. Die Älteren erinnern sich vielleicht noch daran, dass früher der 22er dort vorbeifuhr. Das alte Stiftspfarrhaus, in dem Kapff im ersten Stock wohnte, ist noch bekannt.
Neulich erzählte mir ein hanischer Bruder, dass jeder Kapff ein „Käpfle“ bekomme. Ich fragte, was das bedeute. Er erklärte, das habe man in Württemberg gesagt, weil Kapff sehr unter dem Daumen seiner Frau stand. Sie sorgte dafür, dass er normal und nüchtern blieb und sich nicht selbst überhob.
Hier ein Blick in die alte, schöne Stiftskirche mit der sogenannten goldenen Kanzel. Kapff war es wichtig, missionarisch zu predigen und viele Halb- und Viertelgebildete heranzurufen. Das Hauptthema seiner Predigten war das Beten. Er sagte: Du darfst zum heiligen Gott beten und dein Gemüt erheben. Dann geschieht es wie auf den Taborhöhen, dass etwas Verklärendes auf dich zurückfließt.
Das war etwas anderes als die Predigt von Ludwig Hofacker, der sagte: Steig nur herab von deinen hohen Türmen deiner Frömmigkeit und werde bedürftig des Heilands. Nicht nach oben musst du gehen, sondern dich demütigen. Theologisch war Kapff also alles andere als ein Pietist.
Es wundert mich immer, dass Kapff als Pfarrer überhaupt nach Korntal berufen wurde. Er war ein Beter mit großer Ehrfurcht vor der Heiligen Schrift. Er sagte: Wenn ich zwei- bis dreitausend Menschen in der Stiftskirche versammle – das evangelische Stuttgart strömte zu ihm – dann brauche ich Gemeinschaften, Stunden und Hauskreise, in die ich diese Menschen verweisen kann, damit sie im Glauben wachsen.
Wenn man von mir erwartet, dass ich die Sprache Kana spreche oder alle Heilswahrheiten bringe, erwartet man Falsches von mir. Ich möchte einen ersten Anstoß zum Glauben geben. Daneben brauche ich vertiefende Kreise, was wir heute als ein System von Gemeindeaufbau bezeichnen würden.
Eine der großen Mitarbeiterinnen in Stuttgart war Charlotte Reilen, die Frau des Kaufmanns Adolf Reilen. Er hatte seine Frau verlassen, weil er sagte: „Du bist verrückt und bleibst verrückt. Mit einer Verrückten kann ich nicht zusammenleben.“ Er meinte, sie sei religiös wahnsinnig. Doch Gott brachte ihn in Amerika zurück zum Glauben, und er unterstützte seine Frau finanziell.
Mit Charlotte Reilen wurde das Weidliche Töchterinstitut, das Heurike-Mörike-Gymnasium und das Heidehof-Gymnasium als evangelisches Mädchen-Gymnasium aufgebaut. Damals war Mädchenbildung noch weit entfernt. Außerdem half sie beim Aufbau des Stuttgarter Diakonissenhauses.
Die Idee dazu hatte Frau Charlotte Reilen. Kapff gab die Anregung zu dem Gemälde vom breiten und schmalen Weg, das Frau Charlotte Reilen zur Ausführung brachte.
Hier sehen wir das Grab von Frau Charlotte Reilen bei den Stuttgarter Diakonissen, gut gepflegt auf dem Fangesbach-Friedhof. Machen Sie einmal einen Gang über den Fangesbach-Friedhof und besuchen Sie all diese wichtigen Gräber.
Symbolik des breiten und schmalen Weges und gesellschaftliche Herausforderungen
Das berühmte Bild vom breiten und schmalen Weg zeigt auf der rechten Seite beim schmalen Weg all das, was Kapff und Charlotte Reilen wichtig war: die Kinderrettungsanstalt, unten zuerst der Kindergottesdienst, dann die Sonntagsschule. Das war damals noch kein kirchlicher Kindergottesdienst, sondern wurde meist von den Dünglingsvereinen, vom CVdM und vom Diakonissenhaus betrieben.
Auf der linken Seite sieht man all das, was als giftige Quellen verstopft gehören, so hat Kapff formuliert. Wir haben uns als Kinder immer gefragt, was denn die Eisenbahn damit zu tun hat, wo wir sie doch so gern mochten. Von Kapff ist deutlich geworden, dass er gemerkt hat, wie durch die Eisenbahn die Sonntagsentehrung zugenommen hat.
So wie heute am Freitag oder Samstag schon jeder sein Auto packt, seine Surfbretter oder Ski aufschnallt und wegfährt, hat damals schon die Eisenbahn die Leute aus den Städten weggebracht. Kapff war die Sonntagsheiligung wichtig. Unter dem Einfluss seiner Predigt haben zuerst Christen an der Stuttgarter Königstraße, am kleinen Basar, angefangen, am Sonntag ihre Geschäfte zu schließen.
Auch Wilhelm Benger gehörte dazu. Das brachte einen großen Verlust, denn die Landleute aus Filtern und vom Gäu kamen am Sonntag zum Einkaufen. Es gab damals kein Sonntagschutzgesetz, sondern die Christen sind als Erste vorangegangen und haben gesagt: Wir wollen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Sonntag haben, auch für uns selbst.
All das gehört auch zur Geschichte der Spielbank. Kapff hat eine berühmte Schrift gegen das Azarspiel, das Glücksspiel, verfasst. Er wusste damals schon, dass Lotto nichts Gutes ist. Trotzdem hören wir heute für das Altenheim oft große Schecks vom Glücksspiel. Nach Kapffs Meinung gehörte das aber noch zum breiten Weg.
Mein Vetter Hans Eisler hat immer gesagt: „Ich gehe auf den breiten Weg.“ Und auch oben beim letzten Brückli gehe ich auf den schmalen Weg rüber. Da hat meine Großmutter gesagt: „Guck mal hin, auf dem Bild ist es anders. Meist gehen nur Leute vom schmalen Weg hinüber auf den breiten, und nicht umgekehrt.“
Bildung, Diakonie und spätere Jahre
Nächstes Bild: Das ist der Entwurf des neuen Ausbaus für das Weidl'sche Töchterinstitut, eine Mädchenbildungsanstalt. Noch ein oder zwei Bilder, dann sind wir durch.
Ein Blick auf das Diakonissenhaus, wie es damals vor der Zerstörung aussah. Sie kennen diese Gebäude, die im Stuttgarter Westen an der Ludwigstraße und Rosenbergstraße gebaut wurden. Großartig, was da an freien Spenden gesammelt wurde.
Hier das Ludwigsspital und ein Bild vom alternden Kapff, der nicht mehr so straff ist wie als junger Mann, als er nach Korntal kam, aber immer noch ein Beter. Man hat immer gesagt, er habe eine besondere Würde ausgestrahlt. Es war nicht die Würde des königlichen Adels, die er ad personam erhalten hatte, auch nicht die Würde des Ehrendoktors, sondern er sprach selbst davon:
Wie ist es um einen Menschen bestellt, der jeden Tag Gelegenheit hätte, beim König vorzusprechen, wenn er nur wollte? Welcher Adel liegt über uns, dass wir Zugang haben zum König aller Könige und vor ihm treten können? Das war es, was ihn im Land besonders bekannt machte.
Schon als Stiftsrepetent haben die Studenten zum Teil gelächelt, zum Teil ehrfürchtig gesprochen, wenn er am Fenster stand. Wenn er den Gruß nicht zurückgab, sagten sie: „Er betet wieder.“ Er war immer im Gebet versunken. Das Gebet war seine entscheidende Wurzel der Kraft.
So, jetzt mache ich das Licht nochmal an. Wenn Sie nur Kraft haben, ein paar kurze Gedanken zu den Bildern.
Ich habe gesagt, Kapff war eigentlich seinem Wesen nach kein echter Pietist. Die Frömmigkeit und Theologie Hofackers, „steig herunter und sieh deine ganze Bedürftigkeit“, war etwas anderes als „schwinge dein Herz empor zu Thaburs Höhen, um Gott zu begegnen“. Aber Kapff hat sich mit großem Mut vor die Pietisten gestellt. Er war der Vertrauensmann der Pietisten in unserem Land.
Er hat zwar auch in Korntal manches nicht unkritisch gesehen. Er sagte, es gibt auch unter Pietisten Leute, die nach außen Brüderlichkeit zeigen, obwohl sie im Herzen gar nicht Brüder sein wollen. Es störte ihn auch, wenn man grundsätzlich von vornherein Kritik an der Landeskirche übte, denn er sagte, da sei auch noch sehr viel Gutes.
Aber er merkte, dass in Württemberg eine große Feindschaft gerade von den Pfarrern gegenüber dem Pietismus herrschte. Auch unter den klugen Köpfen Württembergs erschienen im damaligen „Schwäbischen Merkur“ bösartige Artikel über den Pietismus. Im schwäbischen Pietismus war das Misstrauen wegen der rationalistischen Liturgie von 1792 und wegen des rationalistischen Gesamtbuchs von 1804 noch keineswegs ausgeräumt.
Das, was damals Grund war für die freie Gemeinde Korntal, war die Sorge: „Du weißt nie, was da passieren kann.“ Und mitten in dieser Unruhe hatten sich die Pfarrer weithin von der Stunde gelöst, obwohl das Pietistenreskript vorgeschrieben hatte, dass die Stunden nur in Anwesenheit der Pfarrer stattfinden dürfen.
Auch die Pfarrer sagten: „Wir wollen keine Aufpasser in der Stunde sein.“ Und die anderen, die nicht zur Gemeinschaft, zur Stunde gehören, sollten nicht meinen, dass wir in unserem Herzen Stundenleute seien. Wir wollen offen sein, auch für die anderen. Deshalb war der Kontakt der Pfarrer mit den Stundenleuten abgebrochen.
Mitten in diese Distanziertheit kam der Aufruf von Christoph Hoffmann, dem Sohn des Korntalgründers: Weg aus der Staatskirche! „Weg aus dem Religionsunterricht, lasst uns freie evangelische Gemeinden nach dem Gebot unseres Herrn gründen mit überzeugten Christen!“
Dieser Aufruf machte schwer Furore. Er zündete im schwäbischen Pietismus. Er war ja der Sohn des Gründers von Korntal, und jetzt rief er zur Trennung von der Kirche auf.
Da schrieb Kapff als Herrenberger Dekan einen Artikel im „Schwäbischen Merkur“ im August 1848. Er sagte, es könne der Augenblick kommen, dass wir uns von der Kirche trennen müssen. Aber im Augenblick sollten wir nüchtern sehen: Abgesehen von einigen Punkten des Unglaubens haben wir noch genug Möglichkeiten, in dieser Kirche zu wirken und Salz der Erde zu sein.
„Leute, es kommt nicht auf eine Organisationsreform an, ob wir freie Gemeinden werden oder landeskirchlich sind, sondern darauf, dass wir alle von Herzen ganz neu reformiert werden.“ Dieser Ruf zündete.
Ob wir in Gemeinschaft oder Landeskirche sind, wir müssen viel tiefer in den Glauben hinein, viel echte Christen sein. Seit diesem Zeitpunkt, nachdem er diese Stimme erhoben hatte, die im schwäbischen Pietismus verstanden wurde, war Kapff der Vertrauensmann des Pietismus hier in Württemberg.
Aber es kam noch etwas Zweites dazu. Kapff erkannte klar, dass man an der Kirche leiden kann, dass es in der Kirche einen gemischten Zustand gibt. Er konnte sogar als Prälat davon sprechen und sagte: „Es ist beschwerlich, dass in unserer Kirche so viel Ungöttliches, Ungläubiges und Widergöttliches zugelassen ist.“
Er litt darunter, aber seine Antwort war: Gott erträgt in seiner großen Geduld und Langmut diesen gemischten Zustand der Kirche. Er erinnerte an das Unkraut unter dem Weizen und an das Stichwort Bengels Geduld und Langmut Gottes. Gott wird einmal die Scheidung machen.
Zweitens: Auch der Herr Jesus hat unter dem Unglauben seines Volkes Israel gelitten. Lasst uns deshalb mit Jesus mitten in einem ungläubigen Geschlecht wirken.
Wir Menschen sind viertens keine Maschinen, sondern empfindsame Wesen. Durch all den Widerstand in der Kirche und den gemischten Zustand kann in uns ein Hunger nach der wahren Kirche wachsen.
Man ist erstaunt, was Kapff unter wahrer Kirche verstand: eine Kirche, in der Halbglaubige und Ganzglaubige, Naturalisten und Supranaturalisten, Evangelische und Katholische ihre gemeinsame Heimat im Reich Gottes finden.
Da können wir sagen: Er war einer der ersten Ökumeniker. Aber er sagte auch, unser Herr müsse viel mit uns tun, bis wir zu diesem Ziel kommen. Vorerst müssen wir diesen gemischten Zustand aushalten.
Dass ein Prälat unserer Kirche offen davon sprach, dass es viel Widergöttliches, Ungöttliches und Gemischtes in unserer Kirche gibt, war für viele, die schon auf dem Trittbrett standen, um aus der Kirche auszutreten, eine Hilfe.
Wenn nämlich immer gesagt wird, „das ist doch alles in Ordnung“, werden sie noch fuchziger und treten erst recht aus. Aber wenn man sagt, „das weiß ich auch, dass vieles nicht stimmt“, ist das schon eine Hilfe, dass man wenigstens den Zustand erkennt.
Nur Jesus, nur die Erweckung, nur eine Herzensreformation kann das ändern.
Drittens zum Thema Pietismus: Kapff erkannte klar, dass er auch die Pietisten und ihre unterschiedlichen Gemeinschaften brauchte, die Altpietisten und die Haner. Er brauchte den Jünglingsverein und richtete in Stuttgart die erste Jugendpfarrstelle ein. Erst 40 Jahre später folgte dann in Essen die zweite deutsche Jugendpfarrstelle mit Pastor Wilhelm Weigle.
Er spürte, dass die jungen Leute eine extra Sammlung brauchten, ihren eigenen Stil. Er richtete extra Frauenstunden ein, weil Frauen andere Fragen und Bedürfnisse haben als Männer. Er brauchte die verschiedensten Typen von Hauskreisen und Zellen, in denen man in die Vertiefung kommen konnte.
Das war eine Platzanweisung für den Pietismus in seinen verschiedenen Ausprägungen von einem schwäbischen Prälaten und späteren Stiftskirchenpfarrer, wie sie selten zu bekommen war.
Das Pietistenreskript wurde fortgeschrieben im Geist des Pietismusreskripts von 1743, angewandt auf die neue Situation einer Kleinstadt in Württemberg, die plötzlich explodierte und zur Großstadt wurde. Mitten dort, wo neue Fabrikarbeiter waren.
Kapff wird oft karikiert wegen seiner Schrift über den Fabrikarbeiter, weil er zusammen mit Gustav Werner als Erster die Probleme erkannte, die in der Siegelschen Farbenfabrik, bei Bengeribana und in der Stuttgarter Zuckerfabrik entstanden.
Plötzlich gab es einen ganz neuen Arbeitsstil, nicht mehr wie im vergrößerten handwerklichen Betrieb, der von der Familie her bestimmt war, sondern eine Zehnstundenarbeit fast ohne Pause, auch samstags. Das machte Menschen innerlich kaputt.
Wie kann ich Christ sein und mich als Christ in der Welterfabrik bewähren? Hier suchte Kapff erste Antworten. In dieser neuen Welt des Stuttgarts des 19. Jahrhunderts wies er dem Pietismus Aufgaben zu: „Ich brauche euch.“
Ich darf noch einmal sagen: Wenn wir Pfarrer das doch begreifen würden! Nicht, dass die Gemeinschaft meint, sie verstehe die Bibel besser als wir und solle doch bei uns in die Schule gehen.
Nein! In Schöndorf war es mir eine Hilfe, dass ich den Verantwortlichen der Gemeinschaft sagen konnte: „Schaut auf die Witwen, um die müsst ihr euch kümmern. Die gehören vielleicht in eure Gemeinschaft. Und ihr in der Süddeutschen Stunde, schaut mal nach der Witwe und ladet sie ein.“
Das, was wir als Kirchengemeinde gar nicht bieten können an Wärme und Nähe, das können die Gemeinschaften bieten.
Eine Zusammenarbeit von Gemeinschaft und Kirche: Der betende Kapff war ein Vorbild für unsere Kirche. Und der Kapff, der im evangelischen Stuttgart des 19. Jahrhunderts, als plötzlich die Johannesgemeinde, die Matthäusgemeinde in Häslach und die Markusgemeinde entstanden, wusste:
Nur durch freie Werke, nicht indem ich zwanzig neue Pfarrer einstelle, kann ich dem begegnen. Es war damals auch sehr schwierig, eine neue Pfarrstelle zu bekommen.
Stattdessen müssen Laien mobilisiert werden, die Krankenpflegevereine aufbauen, Missionsvereine gründen, die Gustav-Adolf-Arbeit vorantreiben, die Sache unter Jünglingen und Jungfrauen fördern, nach den Bedürftigen sehen und Armenpflegevereine entstehen lassen.
Die Pfarrer sollten nicht sofort wieder alles in die Hand nehmen, sondern gerade im Bereich der freien Vereinstätigkeit den Laien Aufgaben zuweisen, in denen sie ganz unverantwortlich wirken können.
Viele Weichenstellungen sind von Kapff ausgegangen, an die wir uns heute in Württemberg erinnern und überlegen sollten, was das heute für uns bedeutet.
Missionarische Verkündigung kann vielleicht wie bei Kapff nicht alles enthalten, was uns wichtig ist. Man kann einen Punkt herausstellen, bei dem Menschen heute ansprechbar sind. In einer heiligen Einseitigkeit damals war es die Begegnung mit dem heiligen Gott.
Vielleicht ist es heute ähnlich. Uns haben jüngst Manager gesagt: „Ach, was schwätzt ihr von der Kirche? Wir waren als Vertreter der Kirchenleitung dort, wie wir unseren Betrieb führen sollen, das wissen wir besser. Aber in der Welt ist doch der Teufel los, nicht bloß dort am Golf, es war beim Golfkrieg. Sie sind bei uns in der Firma und bei uns zu Hause.“
Sie haben fast New-Age-Sprache benutzt. Vielleicht ist das der Punkt, an dem wir heute sagen müssen: Auch wenn der Teufel los ist, es gibt den Stärkeren. Es gibt den, der Ordnung in dein Leben eingreifen kann.
Aber neben der missionarischen Verkündigung muss es Stufen, Kreise und Gruppen geben, die offen genug sind, dass Suchende und Fragende hineinkommen können. Die eine Sprache finden, so wie Kapff es versucht hat, in seiner Frauenstunde die Probleme aufzunehmen, die damals unter den Tisch gekehrt wurden.
Frauen hatten ihre eigenen Anliegen und Fragen. Wach sein für die Herausforderungen im diakonischen Bereich: Kapff hat nicht alles flächendeckend abgedeckt, sondern Modelle gesetzt.
Damit wurde deutlich: Hier sind wir Christen. Wir haben uns in den letzten Jahren angewöhnt, Flächendeckendes zu schaffen. Wir sind damit an ein Ende gekommen. Wo sind die neuen Modelle?
Wahrscheinlich in dem Bereich, dass Christen sich als Angehörige von Aphasikern oder Angehörige von Krebskranken sammeln. Da braucht man gar nicht die Experten dabei, sondern Menschen, die diese Not in der Familie begleiten können.
Es geht darum, die Impulse aufzunehmen und ernst zu nehmen, wie bei Kapff, der alle Kraft aus der Begegnung mit dem lebendigen Gott im Gebet und im Bedenken des Wortes Gottes holte.
Er ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt und am Bach verwurzelt.
Bei seinem Begräbnis soll eine Frau gesagt haben: „Bei Kapff hat man gesehen, dass der Glaube noch eine Macht ist, die einen Menschen gestalten, prägen und mit Vitalität sowie Ideen ausrüsten kann.“
Es wäre schön, wenn das auch von uns gelten würde: Dass der Glaube eine Macht ist.
Herzlichen Dank für Ihr Zuhören.