Einführung: Die Verheißung des Heiligen Geistes und die Himmelfahrt Jesu
Ich lese aus der Apostelgeschichte des Lukas, im ersten Kapitel, die Berichterstattung von der Himmelfahrt Jesu.
Als Jesus seine Jünger versammelt hatte, befahl er ihnen, nicht von Jerusalem zu weichen, sondern auf die Verheißung des Vaters zu warten. Diese Verheißung, so sprach er, habt ihr von mir gehört. Denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden – und zwar nicht lange nach diesen Tagen.
Die Versammelten fragten ihn daraufhin: „Herr, wirst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder aufrichten?“ Damit meinten sie die Größe des Volkes Israel, wie zur Zeit Davids.
Jesus antwortete ihnen: „Es gebührt euch nicht, die Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat. Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, die auf euch kommen wird. Und ihr werdet meine Zeugen sein – zu Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis an die Enden der Erde.“
Nachdem er dies gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und verbarg ihn vor ihrem Blick.
Als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, standen plötzlich zwei Männer in weißen Kleidern bei ihnen. Diese sagten: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch aufgenommen wurde gen Himmel, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“
Herr, stärke du unseren Glauben. Amen.
Die Herausforderung des Glaubens in der heutigen Welt
Ich war neulich beim Friseur und las dort mein Horoskop. Das finde ich immer interessant. Dabei stellte ich fest, was alles auf mich zukommt. Es stand dort, dass ich Glück in der Liebe habe. Nun, Sie kennen ja meine Frau, da wundert es nicht.
Dann stand da, dass Ärger im Beruf einem nicht erspart bleibt. Wo bleibt einem das schon erspart? Außerdem heißt es, man solle in der nächsten Woche vorsichtig sein, wenn man größere Geldausgaben tätigt. Das empfiehlt sich bei mir immer – Vorsicht zu üben, bevor das Geld ausgegeben ist.
Dann dachte ich: Die Leute, die das Horoskop schreiben, wissen genau, was Menschen für Erwartungen haben. Das entspricht den Hoffnungen, die man so gemeinhin hat: ein bisschen Glück in der Liebe, ein bisschen vermiedener Ärger, ein paar finanzielle Sorgen gelöst. Das ist eine Botschaft, die in unseren Denkhorizont hineinpasst.
Und dann dachte ich weiter: Heute soll ich Ihnen eine unglaubliche Botschaft predigen – dass Jesus Christus die Macht in der Welt hat. Nicht die Armeen, nicht die Politiker, nicht der Tod, nicht der Krebs, nicht die Menschen, die mit uns spielen, nicht die Launen des Schicksals. Jesus Christus sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“
Ich verstehe, dass manche Leute abwinken und sagen: „Haben Sie es nicht etwas kleiner? Ein bisschen weniger?“ Aber so groß kann ich es doch nicht fassen. Wie soll ich denn einen Glauben annehmen können für mein Leben? Ich sehe doch genau das Gegenteil täglich: wenn ich die Zeitung aufschlage, wenn ich die Nachrichten im Radio höre, wenn ich die Tagesschau sehe oder wenn ich die Erfahrungen meines Lebens ansehe.
Das ist doch einfach nicht wahr, ich sehe doch nichts von dieser Herrschaft Jesu. Deshalb wollen wir heute Morgen ganz klar die Frage beantworten, wo wir denn diese Königsherrschaft Jesu heute sehen. Damit wir darüber fröhlich werden.
Die Macht des erhöhten Herrn: Die Aussendung der Jünger
Ich möchte heute Morgen über die Macht des erhöhten Herrn predigen – in zwei Teilen. Zuerst einmal: Er sendet seine Jünger.
Jetzt könnte jemand lachen und fragen: „Wo ist denn die Macht des erhöhten Herrn Jesus Christus?“ Meine Antwort lautet: Dort, wo Jesus seine Jünger sendet. Ja, genau dort, wo Christen sind.
Ich gehe nicht nur im Namen Jesu hinaus, sondern dorthin, wo Jesus seine Jünger sendet. Das ist vielleicht das betrüblichste Kapitel der Macht Jesu in unserer Welt. Schauen Sie sich doch mal die Christen an, schauen Sie sich die Kirchen an, die Konfessionen. Wie sieht es heute tatsächlich aus? Sieht man da etwas von der Macht Jesu?
Gott hat ja das Ziel gesetzt, dass alle Zungen bekennen und alle Knie sich vor Jesus beugen sollen. Aber wie viele beugen sich heute Morgen vor Jesus, allein in unserer Pfarrei? Wie viele Knie beugen sich in Stuttgart? Und beugen sich die Knie wirklich vor Jesus, die in die Kirche gehen?
Man kann heute viel darüber diskutieren: Hat das Evangelium überhaupt noch eine Chance in unserer Welt? Ist das nicht alles doch letztlich vorbei? Und wie viele Menschen haben überhaupt noch einen überzeugten Christenglauben?
In vielen Orten spricht man von einem Rückgang, beobachtet, dass die Zahl der Christen immer kleiner wird. Es wird viel geklagt. Ist das die Macht Jesu? Woran liegt es, dass es heute solche Zeiten der Dürre und des geringen Lebens gibt?
Am Eifer liegt es sicher nicht. Was haben Christen nicht alles probiert, um den Betrieb wieder flottzukriegen! Es ist bewegend, mit wie viel Einsatz das gemacht wurde, mit wie viel Energie Menschen ihre ganze Kraft und Freizeit hineingaben, um noch einmal Leben zu schaffen. Da muss doch irgendwo die Gemeinde Jesu etwas von der Macht Jesu widerspiegeln.
Man hat organisiert und strukturiert – das ist gut. Es wurden neue Formen geschaffen, neue Ideen entwickelt. Man hat versucht, durch neue Gottesdienstformen zu beleben, die Zeiten verlegt und gesagt: „Wir nehmen den Gottesdienst später, damit auch die Langschläfer kommen können.“ Erweckung hat es keine gegeben. Die Macht Jesu wurde nicht sichtbar.
Es ist nicht so, dass Eifer, Einsatz und Bemühungen böse wären. Man hat moderne Kirchen gebaut, große Gemeindehäuser errichtet, neue Gesangbücher eingeführt, neue Agenden geschaffen und neue Formen geprägt. Man hat alles neu gemacht, neue Stile geschaffen.
Ich hörte neulich, dass die Hamburger Michelskirche 50 hauptamtliche Kräfte hat, bei einem durchschnittlichen Gottesdienstbesuch von 80 bis 100 Personen pro Sonntag.
Man hat alles probiert, um Gemeinden zu beleben und zu erneuern – und tote Gemeinden wurden noch toter. Wo ist denn die Macht Jesu heute?
„Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr.“ Das geschieht auch heute noch, wie es immer geschah. Menschen schreien und beten wie Kinder: „Herr Jesus, gib mir deinen Heiligen Geist!“
Dort, wo Menschen sich durch Gottes Geist verwandeln lassen und neue Kreaturen, neue Menschen werden, da ist die Macht des erhöhten Herrn. Wenn wir heute, am Himmelfahrtstag Jesu, bitten: „Herr Jesus, gib uns deinen Geist, dass Liebe und Wahrheit in unserem Leben wohnen“, dann ist dort die Macht des erhöhten Herrn.
Diese Revolution geschieht, wenn er aus unserem alten und müden Leben etwas Neues schafft und prägt. Wenn die Worte, die wir sprechen, und das Zeugnis, das wir anderen geben, plötzlich Nachdruck bekommen. Wenn Menschen sagen: „Diese Worte, die der spricht, die sind Geist und Leben.“
Dann finden andere Menschen durch uns zum Glauben. Unsere Worte bewirken Liebe, und die kleinen Dienste, die wir in dieser Welt tun, richten andere Menschen auf und ermutigen sie.
Wie war das doch, als die ersten Apostel hinauszogen, als Zeugen Jesu, als seine Boten, als seine Jünger? Sie waren kleine, unbedeutende Leute. Da war ein großer Landpfleger namens Felix, der Paulus vorladen ließ. Paulus hatte sogar noch seine Hände mit einer Kette gebunden. Und trotzdem redete Paulus von Jesus so überzeugend, dass der Landpfleger Felix in Verlegenheit geriet.
Was ist das, wenn Gottes Geist uns ergreift und uns benutzt? Wenn wir in dieser Welt an der kleinen Stelle, an der wir stehen, für Jesus etwas bauen dürfen, für sein Reich?
Die Macht des erhöhten Herrn liegt heute dort, wo Menschen sich durch den Geist Gottes ausrüsten und verwandeln lassen. Dort geschieht das Große, das Neue – dort wird sein Reich gebaut.
Das war mein erster Punkt: Er sendet seine Jünger und gibt ihnen die Kraft des Heiligen Geistes.
Die Verheißung und das Vertrauen der Jünger
Und das Zweite, das ich noch sagen will: Wo ist die Macht des erhöhten Herrn? Er hat sich festgelegt, er hat sich festgelegt.
Bleiben wir noch einmal kurz auf diesem Berg stehen, als Jesus sich von seinen Jüngern verabschiedet hat. Den elf Männern war bang ums Herz. Sie hatten sich bisher immer an Jesus anschmiegen können. Er war für sie ein Stück Garantie, ein Stück Sicherheit. Jetzt aber waren sie auf ihre eigenen Füße gestellt.
Und dann dachten sie: In welche Situationen werden wir wohl kommen, wenn wir Jesus nicht mehr so spürbar unter uns haben? Da waren sie in großer Not.
Dann sagt Jesus: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein.“ Ja, was sollten diese elf Männer denn in der Welt ausrichten? Wenn sie hinausgehen in die Welt, werden sie es doch erfahren. So kam es auch. Sie begegneten dem ganzen Terror, diesem Terror, der Nein sagt zu Jesus und seine Botschaft nicht duldet.
Es wird sogar so weit kommen, dass ihre eigenen Volksgenossen Stephanus steinigen. Wenn sie nur den Mund aufmachen, stoßen sie überall auf Widerstand. Man spürt von Jesu Macht nichts. In dieser Welt triumphieren andere Mächte. Man verspottet sie und sagt: „Ihr habt Unrecht, ihr habt Unrecht.“
Und es stimmt eben nicht so, wie es jeder ABC-Schütze heute schon sagen kann: Wo ist denn die Macht Gottes? Wo ist denn die Macht Christi? Ebenso sagen es viele Skeptiker: „Wo siehst du denn etwas von Gott in der Welt? Wo?“
Wie sollen diese elf Männer das nur ausrichten können? Bis auf einen werden sie alle eines gewaltsamen Todes sterben. So schlimm wird es uns voraussichtlich nicht einmal ergehen. Wie sollen sie diese Botschaft nur verkünden können?
Da legt Jesus den elf Jüngern bei der Himmelfahrt Folgendes vor: Er gibt ihnen nichts weiter als sein Wort. „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Er gibt ihnen nichts anderes, kein Zeichen, kein Pfand, keinen sichtbaren Beweis.
Er hat gesagt: „Darauf wage ich zu vertrauen. Mein Herz ist froh und unverzagt und lässt sich gar nicht grauen.“ Und die elf Männer glaubten Jesus.
Es war ein kühnes Stück, hinauszugehen und einfach zu sagen: „Jesus hat Macht.“ Da war Stephanus, der einfach wagte, in diese düstere Welt der leidenden Menschen ein Stück der Macht Jesu hineinzutragen. Er setzte Liebe und Hoffnung, einen ganz kleinen diakonischen Dienst – natürlich im Namen Jesu.
Wie sollte er es denn anders tun, als diesen Menschen nicht bloß Brot zu geben, sondern zu sagen: „Er ist bei dir. Er füllt auch euer Leben. Er gibt euch Hoffnung und Helligkeit hinein in euer Leben.“
So gingen sie Stück für Stück hinaus und taten diesen Dienst an der Welt – im Vertrauen darauf, dass Jesus es gesagt hat.
Sie machten die erstaunliche Erfahrung, dass das, was er sagt, stimmt und gültig ist. Sein Wort ist wahr, trügt nicht und hält gewiss, was er verspricht – im Tod und auch im Leben.
Als die Richter vor ihnen standen, schrien und auf den Tisch polterten und sagten: „Hört doch endlich auf mit diesem Reden! Ihr dürft nicht mehr sagen, dass Jesus der Herr ist in der Welt. Das stimmt doch gar nicht!“
Dann sagten sie: „Wir können es gar nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben. Wir wissen, dass seine Worte wahr und gewiss sind. Eher können Himmel und Erde vergehen, als dass diese Zusagen Jesu aufgelöst werden.“
„Wir wissen, was aus der Welt wird, wir wissen, was aus den Menschen wird, und wir wissen, was kommen wird und was die Zukunft bringt, weil Jesu Wort gültig ist und weil Jesu Herrschaft – auch wenn sie verborgen ist – durch die Herrschaft ist, die er heute schon angetreten hat.“
Dann standen sie an den Gräbern und sagten: „Leute, lasst euch nicht täuschen von der Macht des Todes! Jesus lebt. Und wenn ihr hinweggerissen werdet durch die Todesmacht, dann fallt ihr in die Hand Jesu Gottes, sodass ihr nicht von ihm weggerissen und verstossen werdet.“
Das ist der Halt im Leben und im Sterben: Dass Jesus dem Tod die Macht genommen hat.
Das war die Botschaft, die diese ersten Jünger verkündet haben. Das war die Freude ihres Glaubens.
Ermutigung und Zeugnis für heute
Ich möchte Ihnen heute am Himmelfahrtstag zwei Dinge weitergeben, die in der Macht des erhöhten Herrn liegen: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, und Jesus gibt seiner Gemeinde sein Wort.
Jesus sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Es waren mutige, glaubende Menschen, die es gewagt haben, in Bereichen dieser Welt, wo andere Mächte herrschen, die Herrschaft Jesu hineinzutragen – einfach im Glauben. Sie haben erlebt und erfahren, dass es stimmt und gültig ist.
Ich habe es einigen in der Bibelstunde erzählt. Vorgestern erhielt ich die Traueransprache von Andreas von Mirbach, dem Militärattaché in Stockholm. Pastor Sven Findeisen vom Rüstzentrum Krelingen, ein enger Freund von Andreas von Mirbach, hat die Trauerpredigt gehalten.
Sven Findeisen erzählte, dass er einen Monat vor dem Terroranschlag in Stockholm das letzte Mal mit von Mirbach in Krelingen zusammentraf. Beim Abschied griff von Mirbach in seine Mandeltasche und sagte: „Weißt du, was ich jetzt immer bei mir trage? Es gibt keinen Morgen, an dem ich aus dem Haus gehe, ohne dass ich weiß, dass ich es gebrauchen kann. Und meine Frau weiß es auch, denn es gibt keinen Tag, an dem ich von zu Hause weggehe, an dem ich nicht damit rechne, dass ich nicht wieder zurückkomme.“
In seiner Mandeltasche hatte er keine Pistole, sondern ein ledergebundenes kleines Büchlein: das Neue Testament. Das ist es, was Menschen mutig macht, in dieser Welt zu stehen. Es war das, was diesen Mann dazu führte, zu sagen: „Ich lasse mich nicht austauschen.“ In einer Diskussion sagte er: „Mein Leben liegt in der Hand Gottes.“
Als seine Frau die Todesnachricht erhielt, soll sie gesagt haben: „Ich spüre keinen Hass. Ich kann den Mördern auch nicht böse sein. Ich habe sie eher lieb.“ Für die Bestattung wählte sie den Text: „Wie unerforschlich sind Gottes Entschlüsse und unergründlich seine Wege! Wer hat den Sinn des Herrn erkannt? Wer ist sein Ratgeber gewesen? Denn von ihm und zu ihm ist alles. Ihm sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Dies ist nur ein aktuelles Beispiel dafür, wie Menschen fröhlich leben und in der Freude stehen. Wir haben einen Herrn, dem alle Gewalt und Macht gegeben ist. Und wenn andere schießen oder was auch immer in meinem Leben geschehen mag, ich bin in ihm geborgen, und mein Leben ruht in ihm.
Jesus drängt sich niemandem auf. Man kann sein Leben auch ohne ihn leben. Man kann sagen, ich will vom Zufall abhängig sein, oder man lässt sich von den Launen der Mitmenschen treiben. Aber man kann auch anders entscheiden: Man kann sagen, Jesus, ich will mich nicht mehr selbst führen. Du sollst als Hirte mich regieren.
Diesen Entschluss möchte ich für mein Leben fassen – so wie es Andreas von Mirbach mit 18 Jahren im Internat in Wigauföhr getan hat: Ich will mich von Jesus führen lassen. Dann soll alles, was in meinem Leben geschieht, nur von ihm, durch ihn und zu ihm hin gelenkt sein.
Wenn wir solche Zeugen in der Welt sind, die mutig ausrufen und weitersagen, was der erhöhte Herr uns bedeutet, dann gib uns, der Apostel Johannes, ungebeugten Zeugenmut. Trotz Spott und Drohungen wollen wir verkünden Christi Blut. Lass uns die Wahrheit bekennen, die uns froh und frei gemacht hat, so dass wir es nicht lassen können.
Habe du die Übermacht. Amen!