Einführung in die Thematik und Kontext des Römerbriefs
Und dann schlagen sie in ihren Bibeln Römer 2 auf. Wir lesen, dass bei diesen langen Kapiteln auch schon jetzt zum Teil als Schriftlesung verwendet werden.
Das ist ja unser Beitrag zum Lutherjahr: Wir sollen nicht zu viel vom Reformator reden. Wir sollten keinen Heiligenkult betreiben. Das war Luther immer wichtig. Deshalb sollten wir uns auch daran halten und nicht Menschen verehren, sondern das, was ihm so wichtig war – das Wort Gottes.
Die biblische Botschaft entdecken wir im Römerbrief Kapitel 2:
„Darum bist du ohne Entschuldigung, oh Mensch, der du richtest, wer du auch bist. Denn worin du den anderen richtest, darin verdammst du dich selbst, weil du dasselbe tust, was du verurteilst. Wir wissen aber, dass Gottes Urteil über die, die solche Dinge tun, richtig ist.“
Er bezieht sich hier auf diese grausige moralische Verwilderung, die er im Kapitel zuvor von Rom zitiert hat.
„Denkst du aber, oh Mensch, der du solche Dinge richtest, und du tust doch dasselbe, dass du dem Urteil Gottes entkommen wirst? Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Umkehr treibt? Mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen sammelst du selbst Zorn an auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, der jedem nach seinen Werken vergelten wird.“
„Ewiges Leben aber denen, die in aller Geduld mit guten Werken nach Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit streben. Ungnade und Zorn aber denen, die selbstsüchtig sind und der Wahrheit nicht gehorchen, sondern der Ungerechtigkeit.“
„Bedrängnis und Angst über alle Menschen, die das Böse tun, zuerst die Juden und ebenso auch die Griechen. Herrlichkeit, Ehre und Frieden aber allen, die das Gute tun, zuerst den Juden und ebenso auch den Griechen. Denn vor Gott gilt kein Ansehen der Person.“
„Alle, die ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz verloren gehen. Und alle, die unter dem Gesetz gesündigt haben, werden durch das Gesetz verurteilt werden. Denn vor Gott sind nicht die gerecht, die das Gesetz hören, sondern die werden von ihm für gerecht erklärt, die das Gesetz tun.“
„Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun, was das Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, dass in ihr Herz geschrieben ist, was das Gesetz fordert. Denn ihr Gewissen bezeugt dazu auch die Gedanken, die einander anklagen oder auch verteidigen.“
„Das wird offenkundig an dem Tag, an dem Gott das Verborgene im Menschen durch Christus Jesus richten wird, wie es mein Evangelium bezeugt.“ (Römer 2)
Die Herausforderung des Verstehens und die Bedeutung der Werke
Der Kurs hat uns vorhin ein Lied gesungen, in dem es heißt, dass das Wort Gottes wunderbar, aber auch unvollkommen ist. Beim Lesen habe ich selbst ein wenig Angst bekommen. Ich fragte mich, ob das alles nicht irgendwie über unseren Kopf hinweggeht und wir dann sagen: „Ich verstehe gar nichts mehr.“
Doch dann schweifen die Gedanken ab von der schönen Sonne, und wir wollen doch das Wort des Paulus verstehen. Darf ich Ihnen das noch einmal erklären, bevor ich mit dem zweiten Teil weiterlese?
Paulus ist der Meinung, dass viele Leute das Evangelium von sich wegschieben. Das betrifft besonders fromme Menschen, die sagen: „Na ja, wir sind doch ordentlich, wir machen nichts Böses.“ Paulus erinnert sie daran, dass sie nach ihren Werken gerichtet werden. Das haben wir bereits gelesen.
Das betrifft besonders die Juden, die sehr treu unter der Aufsicht der Pharisäer das Gesetz des Mose einhalten wollten. Paulus spricht aber auch von denen, die das Gesetz Gottes überhaupt nicht kennen. Er sagt, dass sie es von Natur aus sogar haben. Man erkennt das daran, wenn jemand sich entschuldigt und sagt: „Ja, das war nicht recht, was ich getan habe.“ Jeder Mensch hat ein Ahnen vom heiligen Willen Gottes.
Nun lesen wir weiter in Römer 2,17-29 die Anklage gegen die Juden. Paulus meint damit die Juden, die das Gesetz Gottes haben und denen der Wille Gottes durch die Offenbarung am Sinai vertraut und bekannt ist.
„Du aber nennst dich Jude und bist auf die Verlässlichkeit des Gesetzes stolz. Du rühmst dich Gottes und kennst seinen Willen, weil du durch das Gesetz unterrichtet bist. Du kannst beurteilen, worauf es ankommt. Du traust dir zu, ein Führer der Blinden zu sein, ein Licht für die in der Finsternis, ein Erzieher der Unverständigen, ein Lehrer der Unmündigen. Denn du verfügst über die Gotteserkenntnis und Wahrheit, die im Gesetz Gestalt gewonnen haben.
Du lehrst nun andere, aber lehrst dich selbst nicht. Du predigst, man solle nicht stehlen, und stiehlst selbst. Du sagst, man solle nicht ehebrechen, und brichst die Ehe. Du verabscheust die Götzen und beraubst ihre Tempel. Du rühmst dich des Gesetzes und schändest Gott durch die Übertretung des Gesetzes. Denn euretwegen wird Gottes Name unter den Heiden gelästert. Wie geschrieben steht: Die Beschneidung nützt etwas, wenn du das Gesetz hältst.“
Jetzt spricht Paulus zu denen, die sich brüsten und sagen: „Ich gehöre doch zum auserwählten Volk. Bei uns sagt man: Ich bin getauft, bin Kirchenmitglied, alles ist in Ordnung. Was soll uns noch geschehen? Ich bin doch mit Gott im Frieden.“
Paulus sagt: „Die Beschneidung nützt etwas, wenn du das Gesetz hältst. Hältst du aber das Gesetz nicht, so bist du, obwohl beschnitten, wie ein Unbeschnittener geworden. Wenn aber ein Unbeschnittener das tut, was nach dem Gesetz recht ist, meinst du nicht, dass er dann vor Gott als Beschnittener gilt? So wird also der, der aufgrund seiner Herkunft unbeschnitten ist und doch das Gesetz erfüllt, Richter sein über dich, der du das geschriebene Gesetz und die Beschneidung hast und doch das Gesetz übertrittst.“
Viele Leute können uns beschämen, die nicht Kirchenmitglieder sind. Der Maßstab, ob ich Gott gehorsam bin, ist nicht die Mitgliedschaft in einer Kirche. Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist, und auch nicht die rechte Beschneidung, die äußerlich am Leib geschieht.
Sondern der ist ein Jude, der im Verborgenen ist. Und das ist die rechte Beschneidung, die am Herzen geschieht, durch den Geist und nicht nach dem Buchstaben des Gesetzes. Das Lob eines solchen kommt nicht von Menschen, sondern von Gott.
Bildhafte Vergleiche und die Dringlichkeit der Orientierung
Lieber Herr, du musst uns deinen Geist geben zum Hören, zum Verstehen und zum Gehorchen, Armin.
Man kann ja am Bahnhof interessante Szenen beobachten. Da gibt es Leute, und das ist gar nicht vom Alter oder Geschlecht abhängig. Kaum haben sie sich in einem Abteil gesetzt, sagen sie zum Beispiel: „Bin ich auch im richtigen Zug?“
„Gehen Sie zum Schaffner.“ – „Fährt der Zug nach Köln?“ – „Ja, das ist richtig, Sie können sitzen bleiben.“ Aber das hält nicht lange vor. Nach kurzer Zeit, wenn jemand vorbeikommt, fragen sie erneut: „Können Sie mir helfen? Ist es wirklich der Zug nach Köln?“ Diese Fragen werden drei- oder viermal gestellt, um ganz sicher zu sein. Dann steigen sie noch einmal aus und schauen auf die Anzeigetafel.
Dabei ist das bei unserer Bundesbahn ja gar nicht so schlimm. Würzburg ist ja auch eine schöne Stadt, oder? München auch. Man kommt ja nicht irgendwo an, wo es keinen großen Bahnhof gibt. Aber es ist notwendig, dass man sich genau überzeugt: Bin ich richtig?
Ich weiß nicht, wer von Ihnen in stockdunkler Nacht über ein zerklüftetes Felsengebiet läuft, ohne eine Lampe in der Hand. Da würden Sie sagen: Das ist riskant, das kann man nicht tun. Wenn ich schon so aufpassen muss, dass ich im richtigen Zug sitze, dann werde ich auch aufpassen, dass ich nicht irgendwo einen Felsen hinunterstürze.
Wenn man den Weg nicht genau sehen kann, wenn es dunkel ist und gefährlich wird, dann brauche ich nicht einfach einen Weg gehen, auf dem ich nicht sicher treten kann – es sei denn, ich bin lebensmüde.
Darum wundert es mich, wie heute viele Leute in einer Leichtfertigkeit leben, was ihr Sterben anbelangt.
Jetzt horchen Sie sich mal um. Was die Leute mit einem grenzenlosen Optimismus vertreten: Sie sagen, wenn ich sterbe, wird alles wunderbar werden. Hoffen Sie sich mal wirklich um! Sie werden kaum mehr einen anderen Menschen finden, der so denkt. Für uns als Fahrer ist es schon so, dass wir an den Gräbern immer trösten müssen.
Die Leute sind überzeugt: „Jetzt bricht das Heil an.“ Durchgängig gilt das für alle – Fromme, Nichtfromme, Gottlose, Kirchenmitglieder und Nicht-Kirchenmitglieder. Alle haben eine grenzenlos optimistische Überzeugung: Wenn der Tod kommt, dann werde ich in Frieden ruhen, und dann wird es schön. So etwas sagen sie voller Hoffnung und Zuversicht.
Aber wenn wir die Bibel aufschlagen, stehen ganz andere Dinge darin.
Jetzt ist zu überlegen, wem Sie sich anvertrauen: Sind Sie lebensmüde oder gar noch mehr? Leben Sie leichtfertig und verlassen sich nur auf Ihr Gefühl? Oder hören Sie auf das Wort Gottes?
Das Gericht Gottes und die Rolle Jesu Christi
Wir werden, wenn wir sterben, vor Jesus stehen. Am Himmelfahrtstag ist ein wichtiges Thema: Der Vater, der Heilige Gott, hat das Gericht Jesus übertragen. Wenn Menschen ihren Richter kennenlernen wollen, dann tun sie in dieser Welt und in ihrem Leben gut daran, sich frühzeitig mit ihrem Richter zu verständigen.
Jesus Christus wird der sein, der richtet und die Menschen scheidet, Schafe und Böcke trennt. Jesus selbst hat dies auf sehr klare Weise dargestellt. In vielen Bildern hat er es immer wieder erzählt. Es ist nicht so, dass Paulus dies nachträglich behauptet hätte. Jesus erzählt, dass die faulen Fische aus dem Netz herausgelesen werden, dass das Unkraut verbrannt wird, wenn geerntet wird, und dass die Garben zusammengebunden werden.
Wenn das Endgericht kommt, werden Schafe und Böcke getrennt. Das wird das Gericht Jesu sein an jenem Tag. Ich möchte jetzt ein wenig Ordnung schaffen, basierend auf unserem Bibeltext, und auch etwas in die Lehre einführen, denn man muss über solche Dinge informiert sein.
Die Gewissheit des kommenden Gerichts
Wie das alles abläuft, möchte ich zuerst ansprechen: Was auf uns zukommt. Manchmal könnte es so scheinen, als sei unsere Welt steuerungslos geworden. Man könnte denken, sie trüdelte oder schlingere. Wie ein Satellit, der nicht mehr von der Bodenstation richtig kontrolliert werden kann und durchs Weltall driftet.
Was mit der Welt geschieht, ist sehr ungewiss – so denken viele Menschen. Doch wenn wir in der Bibel lesen, ist das nicht der Fall. Dem Gericht Gottes wird diese Welt nicht entfliehen. Und was in dieser Welt passiert, das wird bei Gott registriert. All das wird gesammelt für den Tag des Gerichts. Was für ein gewaltiger Haufen von Anklagen das sein wird!
Gott hat viele Papiere in seinen Büchern. Alles wird aufgeschrieben. Paulus sagt: „Du holst dir den Zorn“ – und zwar am Tag des Gerichts. Wir können erstaunlich leicht vergessen, und oft ist uns gar nicht bewusst, wie wir auch aus unserer Kindheits- und Jugendgeschichte unangenehme Dinge verdrängen. Wenn uns jemand erzählt oder manchmal Kinder uns daran erinnern, was früher war und wie wir vielleicht zu ihnen waren, dann können wir kaum glauben, dass das so war. Wir sehen uns ja oft ganz anders als die anderen, die es wirklich erlebt haben.
Aber bei Gott ist das alles registriert. Im Wort Gottes wird von jenem Gerichtstag mit sehr ernsten Worten gesprochen. Es wird vom Tag des Schreckens geredet. Wir haben das Thema auch ausführlich am Totensonntag behandelt. Wir müssen alle offenbar werden – vor dem Richterstuhl Christi, Gottlose und Fromme.
Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht. Dieser Tag des Gerichts ist ein Tag des Schreckens. Wenn ich einen Propheten zitieren darf, dem Gott das ins Ohr gesprochen hat, damit er es weitergibt, so spricht er: „Groß ist der Tag des Herrn und furchtbar. Wer kann ihn bestehen?“
Manche Christen wirken bei diesem Thema sehr oberflächlich und sagen schnell: „Das ist das Alte Testament.“ Doch darum ist es gut, wenn sie auch das Kapitel Römer 2 lesen. Dort lesen wir zuerst in Vers 5 das Wort vom Zorn: „Du häsch Tier mit einem unbußfertigen Herzen den Sohn an, auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts.“
Dann könnten Sie sagen: „Das ist für mich unverbindlich und hat keine Bedeutung.“ Aber Sie müssen wissen, was Sie tun. Lesen Sie weiter in Vers 16: „An dem Tag, an dem Gott das Verborgene im Menschen durch Christus Jesus richten wird, wie mein Evangelium bezeugt.“
Das Evangelium ist doch gute Nachricht. Das können Sie von der guten Nachricht über Jesus nicht trennen, denn das gehört dazu. Sonst sind Sie ein schlimmer Fälscher – schlimmer als ein Redakteur beim Stern.
Das Verborgene wird offenbar und die Notwendigkeit der Umkehr
Wie ist mein Evangelium bezeugt?
Neulich hörte ich von einem Mann, der mir erzählte, er habe sich mit einer Frau getroffen. Diese Frau berichtete ihm von sonderbaren Dingen aus seinem Leben, die sie unmöglich von jemand anderem wissen konnte. Sie hatte das zweite Gesicht, eine Gabe, die ihr offenbar erlaubte, verborgene Dinge zu sehen. Der Mann erzählte mir lauter Sachen, die ich getan habe und von denen sie gar nichts wissen konnte.
Diese Gabe wirkt recht okkult und dämonisch. Was ist das, wenn jemand so etwas sehen kann? Mit solchen Leuten möchte ich nichts zu tun haben. Es ist doch schön, wenn man sich nach außen hin gut darstellen kann und andere nicht wissen, was in einem drin ist. Angenehm ist es, sich verstecken zu können. Nach außen kann man sich schön machen, eine Fassade errichten, eine Maske aufsetzen und anderen gegenüber ganz anders erscheinen, als man in Wirklichkeit ist.
Jeder von uns spielt nach außen hin eine andere Rolle, als er wirklich ist. Wenn wir uns jedoch gegenseitig ins Innere sehen könnten, würden wir wohl alle schnell auseinandergehen und uns tief schämen. An jenem Tag aber wird das Verborgene ins Licht gezogen sein. Dann kann man nichts mehr verhüllen, nichts mehr vertuschen und nichts mehr ausreden. Alles wird offenkundig sein.
Das ist die Überzeugung des Paulus. Und dem muss man sich stellen. Die alten, ungeklärten Dinge, das, was im Verborgenen geschehen ist – ja sogar die Gedanken – werden offenkundig und ins Licht gezogen werden. Paulus geht in diesem Abschnitt sogar noch weiter und sagt: Das muss natürlich jeder wissen, der die Bibel kennt, denn es steht immer und immer wieder darin.
Aber selbst einer, der das Gesetz Gottes nicht kennt, also ein Heide, der nicht in der Lehre Gottes oder der Offenbarung Gottes vom Sinai aufgewachsen ist, weiß es. Denn auch er hat ein Ethos und eine Moral. Er kennt den Anspruch Gottes in gewisser Weise.
Was auf uns zukommt, ist eine furchtbare, unheimliche Sache. Und was uns am meisten überrascht: Paulus, der Bote des Evangeliums, der Freudenbotschaft, bringt uns heute so etwas nicht nur Schreckliches. Sie können jetzt sagen: Was bringst du uns heute zur Predigt? Die Deutschen können doch keine Trostbotschaft bringen.
Doch, es ist eine Trostbotschaft. Denn die Menschen tragen im Verborgenen ihres Herzens ständig damit um, warum sie manchmal so von Angst gejagt werden. Das ist das Unbewusste in uns, das immer wieder spürt, dass unser Leben brüchig ist. Das Sterben als medizinisches Phänomen könnten wir vielleicht noch bewältigen. Aber wir spüren, dass das Leben, das wir darstellen, nicht stimmt, nicht in Ordnung ist. Und wir können es kaum aussprechen. Da ist niemand, der uns die Zunge hebt, damit wir darüber reden können.
Paulus sagt: Wenn ich nach Rom hineingehe, muss ich euch zuerst die Basis meiner Verkündigung sagen. Auf diesem Hintergrund kann man das Evangelium überhaupt erst verstehen. Das ist jedem von uns ins Gewissen geschrieben. Kein Mensch, auch wenn er noch so stolz daherkommt und seine Sprüche verzapft, ahnt nicht das Gericht Gottes über die Welt.
Ich möchte noch einmal sagen: Es ist schlimm, wenn wir das nicht predigen. Denn die Leute haben unseren Sabber vom lieben Gott schon lange genug gehört. Sie brauchen eine klare Botschaft. Darum müssen wir auch wieder verkündigen, dass über dieser Welt der Zorn Gottes liegt – und über unserem Leben. Wir tun gut daran, unser Leben vor Gott in Ordnung zu bringen.
Das unvermeidliche Urteil und die Selbstgerechtigkeit der Menschen
Jetzt mein zweiter Punkt: Das Urteil steht fest. Paulus sagt, das Schlimme ist, dass sich niemand herausreden kann. Er will jetzt in den verschiedenen Gruppen von Menschen diese Überzeugung klarstellen und sagen, dass das Schlimme bei den Menschen dauernd ist, dass der eine sich über den anderen erhebt.
Das war das Schlimme bei den Pharisäern: Sie standen vor Gott und sagten, wie schlimm es sei, dass so viele gottlose Leute in der Welt leben. Paulus sagt aber, sie haben nicht gemerkt, dass sie selbst solche sind, die im Urteil Gottes verloren sind. Denn es kommt nicht darauf an, was man redet, sondern was man tut.
Das ist jetzt noch ein Punkt, der dazugehört und der uns weiterführt. Paulus ist der Meinung, dass es beim Gericht Gottes auf die Taten ankommt. Was da eigentlich an Dummheit oder Ungeschicklichkeit unter evangelischen Christen im Verständnis der Reformation verbreitet ist, ist schlimm. Es wird nämlich dauernd gemeint, es käme nicht auf die Werke an.
Doch Paulus, der für Martin Luther so wichtig war in der Reformation, vertritt ausdrücklich, dass wir nach unseren Werken gerichtet werden. Aber kein Mensch kann mit seinen Werken bestehen. Im Gericht wird noch einmal von den Werken gesprochen. Auch die frommen Leute müssen einmal vorlegen, wie erschütternd ihre Bilanz ist. Es steht geschrieben, dass Gott jedem nach seinen Werken vergelten wird.
Dann gibt es ja auch viele nicht kirchliche Leute, die genauso schlimm dran sind wie wir. Wir können die Bilanz nicht beschönigen. Manche bilden sich etwas ein und sagen: „Ich will ja das Gute.“ Meist sind es ein paar demonstrative Taten, die wir vorne hinstellen, mit denen wir so tun, als ob wir in Ordnung wären. Doch dann sind da all die Nöte.
Wenn all die Menschen aufstehen könnten, die verletzt wurden durch unsere Reden – vielleicht haben wir es gar nicht so gemeint – sie ahnen gar nicht, wie viel Schaden entstanden ist. Menschen, die sich oft kaum mehr erholt haben aus unserem Urteil. Das geht zurück bis in die Kindheit, wo wir keine Zeit für jemanden hatten oder jemandem Unrecht getan haben. Das geht weiter. Es ist so viel Unerledigtes in unserem Leben, und wenn das alles offenbar wird vor dem Gericht Gottes, dann erschrickt man.
Paulus nennt hier drei Gruppen, die sich alle nicht herausreden können. Einmal sind es die, die sich zum Richter über die anderen aufspielen und sagen: „Diese böse Welt, in der so schlimme Sachen geschehen.“ Paulus sagt: Du brauchst nicht den Splitter im Auge deines Bruders zu suchen, wenn du den Balken in deinem eigenen Auge hast, den du einmal herausziehen kannst. Kein Mensch in dieser Welt kann über andere reden.
Auch heute ist es oft Ausweis politischen Handelns, dass man überall die Missetäter der Weltgeschichte heranzieht und sich ein Urteil bildet. Wir sollten schweigen, weil wir viel von unserer Schuld wissen. Dass unsere Welt so unsozial und hart ist, ist uns bewusst.
Das zweite ist, dass man das Wissen im Kopf trägt und es nicht tut. Auch das kennen wir. Es nützt nichts, dass man darüber redet, sagt Paulus. Du hast das Gesetz gelernt und kannst es auswendig aufsagen. Doch darauf kommt es nicht an, sondern auf das Tun.
Die dritte Gruppe, die er noch nennt, ist die mit der Zugehörigkeit zum Volk Gottes. Das war damals beim Volk Israel genauso. Sie waren stolz und sagten: „Ich bin doch in der Kirche, wir haben doch ein gutes Verhältnis, ich mache in den Gruppen mit, ich habe verantwortungsvolle Tätigkeiten, ich werde geschätzt und geehrt.“ Doch niemand wird dadurch selig.
Ich freue mich, dass sie heute hier sind – nicht, dass ich meine, ich freue mich nicht –, aber nicht der Kirchgang macht sie gerecht. Nicht ihre Zugehörigkeit, nicht ihre Mitgliedschaft macht sie selig und rettet sie vor Gott nicht. Darauf kommt es an.
Paulus reißt den Menschen die Maske vom Gesicht und zeigt, wer wir sind.
Die Güte Gottes als Antrieb zur Umkehr
Aber jetzt muss ich doch noch einen anderen Schluss finden und den dritten Teil anfügen, denn das steht ja auch noch im Vers 4: Gottes Güte treibt zur Umkehr. Irgendwie wird das oft als vernichtend dargestellt. Ich bin jedoch nicht der Meinung, dass es vernichtend ist – es ist erleichternd.
Warum leben eigentlich Christen dauernd im Kriegszustand mit dem Heiligen Gottes Willen? Es könnte ja sogar sein, dass unter uns Leute aufstehen, die in der Theologie geleert sind, und sagen: Was der euch verkündigt hat, das ist nicht christlich und nicht evangelisch. Man dürfe die Gebote Gottes nicht so ernst nehmen und das Gesetz nicht sehen. Dem würde ich Widerstand leisten – in einer Hartnäckigkeit ohnegleichen – und sagen: Gott weicht nicht davon ab.
Was ist ein heiliger Gottes Wille? Er will uns Menschen als sein Ebenbild haben und nicht verkümmert irgendwo. Er will uns so, wie er gesprochen hat, und wird nie davon abweichen. Gott kann nie ja zu einer Lüge sagen, nie ja zu Unreinheit. Da müssen Sie die Bergpredigt Jesu lesen. Wie scharf hat Jesus das unterstrichen und wie tief geht das bis in die Gedankenwelt hinein! Unser Verhältnis zum Mitmenschen wird geprüft. Gott will uns als erneuerte Menschen haben.
Es ist ja in unserer irdischen Gerichtsbarkeit eine gute Sache, wenn ein Mensch, der kriminell ist, zur Erkenntnis kommt: „Ich muss mich stellen.“ Das macht man ja immer wieder, wenn Terroristen aufgefordert werden, Einsicht zu zeigen. Man sagt ihnen, sie können begnadigt werden, wenn sie einsichtig sind und von ihrer verkehrten Weise abkommen. Der Staat tut gut daran, wenn er nicht wegen ein paar Kriminellen und Ganoven das ganze Gesetz ändert.
So kommt es immer darauf an: Wir wollen Liebe eben. Wir kennen das bei Rauschgiftsüchtigen, wenn der Richter sagt: „Wenn Sie einsichtig sind und in eine Entzugsanstalt gehen, kann ich Ihnen ein milderes Urteil geben, wenn Sie das Rechtsbrechen lassen.“ Es nützt gar nichts, wenn man sich dagegenstellt.
Das ist jetzt ganz wichtig: In der Rechtfertigungsbotschaft der Reformation war das nie gemeint, was Generationen später gesagt haben – als ob Gott ganz gleichgültig sei, wie wir nachher leben. Im Gegenteil: Wenn Gott uns die Sünden vergibt, dann will er doch, dass wir jetzt heraustreten aus der Ungerechtigkeit, unser Herz heiligen, unser Leben neu ausrichten und ihm dienen. Es soll doch der Wille Gottes beherrschend sein.
Wenn man den Römerbrief liest, macht man das gerne so, dass man vom ersten Kapitel das Fettgedruckte nimmt und dann ganz schnell zu Kapitel 3, Vers 21 weiterspringt. Aber Sie müssen wissen: Wenn man solche großen Abschnitte überspringt, dann kommt man leicht ins Stolpern und fällt hin. Wir dürfen das 2. Kapitel im Römerbrief nicht überspringen, wo Paulus, bevor er den Trost des Evangeliums verkündet, sagt: Gott will unser Leben erneuern.
Jetzt will ich sagen: Gott sei Dank dafür, dass Ehen nicht zerbrochen bleiben müssen, dass Eltern und Kinder nicht verstritten bleiben, dass Menschen nicht in Süchten gefangen bleiben – erst recht nicht, wenn sie gläubig werden. Jesus erneuert Menschen umfassend. Schon in dieser Welt kommt Gottes Wille zum Durchbruch.
Gott hört nicht auf, dass ein Gesetz verbindlich ist. Er führt es durch bis zum Ende. Für Christen ist es eine schöne Sache, wenn sie das Gesetz Gottes nehmen und Gott bitten: „Richte mich.“ Sie können auch so beten: „Herr, zeige mir alle meine Verfehlungen, damit ich sie vor dir bereinigen kann.“ Er macht uns sensibel für das Böse, das wir anderen zufügen.
Nehmen wir das harte Herz weg, das nicht merkt, wo andere an uns leiden! Lesen Sie noch einmal Psalm 139, einen wunderbaren Psalm von der Allgegenwart Gottes: „Herr, du erforschest mich und kennst mich. Kein Wort auf meiner Zunge, das du nicht kennst. Wo soll ich fliehen? Ich bin durchschaut von dir.“ Und dann die Freude: „Wie gut, Herr, jetzt erforsche mich wirklich, prüfe mich, mach aus mir einen Menschen deines Willens, mach aus mir einen, der dein Lob verkünden kann in dieser Welt.“
Doch Gott will uns ja haben. Er will uns als einen Tempel haben, in dem er wohnen kann. Darum ist es gut, dass wir um das Gericht Gottes wissen, dass das Böse und das Gemeine weggetan wird. Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße treibt, zur Umkehr?
Viele von denen, die damals lebten – ich selbst habe es als Kind so tief und eindrücklich empfunden – dass uns Gott noch einmal hat leben lassen, während andere nicht durchkamen. Die waren nicht schlechter als wir, oft sogar besser. Im Krieg sind oft die Mutigsten gefallen, nicht die Feiglinge. Und dass wir noch einmal leben dürfen, dass wir noch einmal davongekommen sind – was ist das heute in unserer Welt?
Dass wir uns brüsten mit dem, was wir erreicht haben? Dass in unserer Welt noch Frieden ist? Das verdanken wir weder den Waffen noch der Waffenlosigkeit, sondern der Güte Gottes. Die Afghanen und Iraker hätten es ebenso verdient wie wir, dass sie Frieden hätten. Sie haben ihn nicht. Was ist das für ein Geschenk, dass Gott uns diesen Wohlstand schenkt, obwohl unser Konto ganz dick angefüllt ist mit Sünden?
Warum tut das Gott? Weil er in Liebe sucht. Und das will Paulus den Römern zuerst einmal erklären: Er geht uns nach. Man kann einen Menschen nicht zwingen. Das ist bitter: Ich kann keinen nötigen zum Gehorsam. Sie können noch so sehr schimpfen, das prallt an uns ab. Je härter wir reden, je lauter wir schreien, desto mehr werden wir selbst kalt.
Es hat aber auch keinen Wert, wenn man einfach von der Kanzel lehrt, dass wir es auch gut nehmen sollen, wenn es heute nicht mehr so genau ist. In der heutigen Zeit sei das alles ganz anders, nicht mehr so wichtig, wie ein junger Mensch seine Reinheit lebt, wie er mit der Wahrheit umgeht, wie man mit Treue lebt und was dazu gehört. Wir wären Verführer.
Gottes Güte soll sie bewegen an diesem Tag, wenn Sie Gottes Güte sehen – unter der herrlichen Frühlingsnatur, unter blühendem Flieder, unter Sprüchen und Goldregen. Aber noch mehr, weil er das Sondergericht zurückhält – unverdient, weil Gott das alles weglegen kann und sagt: „Ich suche dich heute.“ So wie man einem jungen Menschen, der mit dem Gesetz in Konflikt steht, sagt: „Du hast einen verständnisvollen Richter. Der will dich nicht ins Gefängnis sperren, der will deine Umkehr.“
Wieviel mehr noch Gott, der mit uns redet und uns untersucht, damit wir umkehren! Er will uns ganz erneuern. Es hat mich schon getroffen, wie neulich ein junger Mann nach dem Gottesdienst zu mir sagte: „Zuerst machen Sie den Leuten Angst, und dann verkünden Sie ihnen die Vergebung.“ Ich mache Ihnen keine Angst. Die Angst haben Sie. Wenn Sie nur ein wenig nüchtern Ihr Leben und diese Welt prüfen, dann kann es Ihnen wohl Angst werden, was in dieser Welt noch geschieht.
Es ist gut, wenn Sie in Gott geborgen sind. Und ich darf Ihnen heute das Evangelium verkünden – auch anhand dieses 2. Kapitels – dass Gottes Güte Sie sucht. Er will Ihnen alle Schuld durchstreichen – Schuld, die heute Jesus bekannt ist, vor Jesus ausgesprochen wird. Wo wir sie zugeben, da wird sie ausgestrichen und wird nie mehr hervorgeholt.
Wir müssen nicht mehr vor dem jüngsten Gericht fürchten. Die Schuld ist weggetan, vergeben. Wer Jesus glaubt, der kommt in diesem Gericht, wo alles offenbar wird, hindurch sofort ins neue Leben. Da wird nicht lang herumgeredet, weil alles geklärt ist. Das ist doch das Angebot des Evangeliums: Dass das Gericht heute durchschritten werden kann.
Wer den Sohn Gottes glaubt und ihn als Erlöser kennt, der kann heute hindurchgehen und dann sagen: Egal, was jetzt noch geschieht – ich bin von Gott angenommen, ich bin erlöst, ich bin in Frieden bei ihm.
Armin.
