Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ganz herzlichen Dank für die liebe Begrüßung. Ich denke, die Frage, die gestellt wurde, ist leicht zu beantworten. Einen Bodyguard hätten wir vielleicht mal mitgebracht, aber gleich drei? Ich denke, das spricht doch eher dafür, dass wir uns hier sehr wohl gefühlt haben und so gut von dieser Tagung berichtet haben, dass die anderen gar nicht anders konnten, als zu sagen: „Dann wollen wir jetzt auch mal mitfahren.“
So freuen wir uns, dass wir das als Gemeinschaftsaktion machen können und hier diese Tage mit Ihnen, mit Euch zusammen verbringen dürfen – zu diesem spannenden Thema: Glaube in der Bewährung – beunruhigende Entdeckungen im Jakobusbrief.
Bevor wir einsteigen, möchte ich die Zeit heute Abend schon nutzen. Klar, alle sind wahrscheinlich ein bisschen k.o. von der Reise. Aber wenn Sie die nächste Dreiviertelstunde noch ganz gut überstehen, dann haben Sie sich die Nachtruhe auch wirklich verdient. Es ist schön, dass wir heute Abend schon mit unserer inhaltlichen Arbeit anfangen können.
Ich möchte zu Beginn noch mit uns beten:
Herr Jesus Christus, danke, dass du zu deinen Leuten hältst, Herr, und dass du zu uns redest, dass du dich um uns kümmerst, dass du uns führst durch dieses Leben, Herr. Gerade in den zurückliegenden Tagen durften wir besonders daran denken, wie nah du uns gekommen bist und dass du jetzt auch wirklich da bist.
Das ist eine große Chance, dein Wort gemeinsam studieren zu können, Herr. Darum wollen wir dich bitten, dass du uns in diesen Tagen deinen Segen gibst. Dass jeder wirklich für sich persönlich von dir auf die Dinge gestoßen wird, die für ihn in dieser Situation wichtig sind und die er braucht, Herr.
Wir danken dir jetzt, dass wir alle wohlbehalten hier angekommen sind. Für die, die noch unterwegs sein sollten, wollen wir dich bitten, dass du sie auch behütest, Herr.
Wir bitten dich, dass du uns nach diesem langen Tag und den vielen Kilometern, die manche gefahren sind, noch einmal Konzentration schenkst für diesen letzten Teil des Tages. Damit wir auf dein Wort hören, gestärkt werden und ganz getrost und erwartungsvoll diese Tagung beginnen können. Und dass wir uns dann in der Nacht erholen können.
Wir wollen dir alles anbefehlen. Amen!
Ein Zeugnis von Glaubensbewährung unter Verfolgung
Er wurde verhaftet, weil er sich zu Jesus bekannte. Er hatte den Missionaren bei Übersetzungen aus dem Englischen geholfen. Die Wahrheit dieses Erlebnisses, das ich jetzt erzähle, ist durch Ravi Zacharias verbürgt. Danach steckten ihn die Henker des Regimes, den Hien, ins Gefängnis.
Man begann mit systematischer Gehirnwäsche und seelischem Druck. Man konfrontierte ihn mit den Schriften von Marx und Engels und unterzog ihn mehr als anderthalb Jahre lang einer schweren geistigen Folter.
Der Mann berichtet, dass sie ihn schließlich dazu brachten, Gott zu leugnen. Monat für Monat, nach über eineinhalb Jahren, sagte er: „In Ordnung, ich werde nicht mehr an Gott glauben. Ich werde leugnen, dass Gott existiert. Und ich werde morgen, wenn ich aufwache, zum ersten Mal seit vielen Jahren nicht beten.“ Und tatsächlich betete er nicht.
Doch noch am selben Tag passierte etwas. An jenem Tag berichtet er, sorgte der Kommandant dafür, dass er die Toiletten im Gefängnis putzte. Der Gestank war entsetzlich, und er konnte es kaum aushalten. Als er jene Toiletten putzte, schaute er in den Abfallkorb. Er entschuldigt sich, dass er das so weitergibt, aber er hat es eben so berichtet.
Er sah dort Papier, auf dem menschliche Exkremente waren, und leerte das Papier in einen Sack. Dabei bemerkte er aus dem Augenwinkel, dass eines der Blätter auf Englisch geschrieben war. Er hatte schon lange kein Englisch mehr gelesen. Er sah sich um, doch niemand beobachtete ihn. Also befreite er das Papier von all dem Schmutz und steckte es in seine Hosentasche.
Zurück in seinem Schlafraum wartete er, bis alle seine Zimmerkollegen schliefen. Dann, versteckt unter dem Moskitonetz mit einer Taschenlampe, betrachtete er das Stück Papier. Oben rechts stand: Römerbrief Kapitel 8.
Er begann zu lesen: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Besten dienen muss, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind. Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein? Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger?“
Er las weiter und die Tränen liefen ihm über das Gesicht. Er ging auf die Knie und sagte: „Herr, du lässt mich nicht einmal für 24 Stunden aus deiner Reichweite. Bitte vergib mir.“
Am nächsten Tag ging er zum Kommandanten und fragte, ob er vielleicht jeden Tag die Toiletten putzen könne. Das wurde ihm selbstverständlich erlaubt. Seine Erwartung wurde nicht enttäuscht: Er fand dort noch mehr vom Römerbrief.
Der gottlose Kommandant hatte vor langer Zeit von Missionaren ein Neues Testament bekommen. Das kann passieren, wenn man die Bibel verschenkt. Er benutzte es täglich als Toilettenpapier. Der Hien wusch das Papier, tat es in seine Tasche und brachte es weg. So sammelte er große Teile des Römerbriefs Abschnitt für Abschnitt in einem Gefangenenlager in Vietnam.
Nach einiger Zeit wurde er freigelassen. Später gelang ihm die Flucht aus Vietnam. Heute dient dieser Mann, soweit ich weiß, seinem Herrn in Kalifornien.
Die Wertschätzung des Wortes Gottes in unserem Leben
Was ist mir Gottes Wort wert? Diese Frage wird auch in den nächsten Tagen über uns stehen. Was ist es mir wirklich wert?
Wir befinden uns in der komfortablen Situation, eine vollständige, geruchsfreie Bibel zu besitzen – wahrscheinlich sogar mehrere Bibeln. Für uns ist das Wort Gottes ständig zugänglich und jederzeit griffbereit. Wir müssen nur die Seiten aufschlagen und anfangen zu lesen. Wir können jederzeit lesen, ohne bedrängt zu sein. Wir müssen nicht warten, bis es Nacht wird und wir unter unserem Moskitonetz zu einer Taschenlampe greifen können.
Wir sind in einer beneidenswerten Lage. Die Frage ist: Wie groß ist unser Hunger nach dem Wort Gottes? Wie viel Mühe investieren wir, um dieses Buch zu verstehen? Wie sehr sehnen wir uns wirklich danach, seine Wahrheit zu ergründen? Wie stark ist Ihre Hoffnung, meine Hoffnung und meine Erwartung, die Stimme meines Herrn aus diesen Zeilen zu hören?
Wie groß ist meine Erwartung, hier Trost zu finden, Wegweisung zu erhalten oder Korrektur zu erfahren? Wie viel lassen wir uns das kosten? Wie eifrig sind wir darin?
In diesem Sinne finde ich es wunderbar, dass Sie sagen, Sie wollen den Jahreswechsel mit dem Wort Gottes bestreiten. Sie wollen sich wirklich die Zeit nehmen, einmal morgens, einmal abends gründlich in dieses Wort Gottes einzutauchen.
Gott hat versprochen, dass wir ihm begegnen, wenn wir uns in sein Wort vertiefen. Und wenn wir Gott begegnen, ist das einerseits immer erbaulich, andererseits aber auch oft beunruhigend.
Da Sie sich für den Jakobusbrief auf meinen Vorschlag hin entschieden haben, möchte ich Ihnen ankündigen, dass der Jakobusbrief auch beunruhigende Entdeckungen bereithält. Diese beunruhigenden Entdeckungen beginnen schon heute Abend im ersten Vortrag, der unter der Überschrift „Glaube in der Bewährung“ steht. Heute Abend geht es um „Glaube in Anfechtung und Versuchung“. Glaube in Anfechtung und Versuchung.
Einführung in den Jakobusbrief und seine Struktur
Wir werden uns im Jakobusbrief in gewisser Hinsicht chronologisch oder besser gesagt kapitellogisch vorarbeiten. Dabei werden wir nicht strikt Abschnitt für Abschnitt durcharbeiten, sondern auch längere Abschnitte betrachten. Ziel ist es, den Gesamtduktus, also den roten Faden des Jakobusbriefes, zu ergründen.
Heute steigen wir deshalb mit dem ersten Kapitel ein. Die 18 Verse dieses Kapitels können wir natürlich nicht vollständig auslegen, denn sonst würde Ihre Nacht noch kürzer werden. Dennoch wollen wir versuchen, die Schwerpunkte herauszufinden.
Morgen werden wir dann noch einmal auf einen Teil aus diesem ersten Kapitel zurückkommen und ihn mit dem Anfang des zweiten Kapitels verknüpfen. Dabei werden wir sehen, wie Jakobus verschiedene Themen immer wieder aufgreift. Wie ein Mosaik ist dieser Jakobusbrief zusammengesetzt.
Es handelt sich nicht um eine strikte Abhandlung, wie wir sie etwa bei Paulus im Römerbrief finden, wo ein Thema systematisch aufgearbeitet wird. Hier werden aus verschiedenen Perspektiven immer wieder einzelne Fragestellungen beleuchtet. Trotzdem ist ein deutlicher roter Faden erkennbar.
Ich hoffe, dass Ihnen dieser Gesamtzusammenhang des Jakobusbriefes klar wird, wenn Sie ins neue Jahr hineingehen. Noch wichtiger ist, dass Ihnen klar wird, was Gott mit diesem Brief in Ihr Leben hinein sagen will.
Der Jakobusbrief wird uns auch helfen, mit manchen Missverständnissen aufzuräumen. Zwei solcher Missverständnisse möchte ich gleich zu Beginn ansprechen.
Das erste Missverständnis lautet: Ein Christ bleibt in seinem Leben vor großen Schwierigkeiten und Nöten verschont. Das ist nicht richtig.
Das zweite Missverständnis lautet: Wenn jemand erst einmal Christ geworden ist, dann ändert sich danach in seinem Leben nicht mehr viel. Man hört oft, dass sich das Leben eines Christen im normalen Alltag kaum noch von dem eines Nichtchristen unterscheidet. Nach der beliebten Formel: Christen kochen auch nur mit Wasser.
Der Jakobusbrief wird mit diesen beiden Missverständnissen gründlich aufräumen.
Der Beginn des Jakobusbriefes: Anrede und erste Ermahnungen
Wir wollen uns heute den ersten achtzehn Versen zuwenden. Wie gesagt, wir werden nicht alle Verse mit derselben Intensität auslegen. Ich möchte einige dieser Verse jetzt am Anfang vorlesen. Dabei lade ich ein, immer wieder in den eigenen Bibeln mitzugucken, mitzunterstreichen, Markierungen zu machen und Notizen zu schreiben. So hat man hinterher am meisten davon.
Jakobus, ein Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christus, an die zwölf Stämme in der Zerstreuung: Gruß zuvor!
Meine lieben Brüder, und wir wissen: Im Neuen Testament sind, wenn die Brüder angesprochen werden, die Schwestern immer mitgemeint. Das liegt daran, dass nach christlichem Verständnis die Männer sowohl in ihren Familien als auch in den Gemeinden die Leitungsverantwortung tragen. Deshalb werden sie in der Regel direkt angesprochen. Die ihnen gewissermaßen Anvertrauten sind damit natürlich immer auch mitgemeint, es sei denn, es werden bestimmte Dinge spezifisch nur für Männer oder nur für Frauen gesagt. Das macht der Text dann jeweils klar.
Also, meine lieben Brüder, erachtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt. Und wisst, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld wirkt. Die Geduld aber soll bis ans Ende wirken, damit ihr vollkommen und unversehrt seid und kein Mangel an euch sei.
Wenn es aber jemandem unter euch an Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der jedermann gern gibt und niemanden schilt. So wird sie ihm gegeben werden. Er bitte aber im Glauben und zweifle nicht. Denn wer zweifelt, gleicht einer Meereswoge, die vom Winde getrieben und bewegt wird.
Ein solcher Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen werde. Ein Zweifler ist unbeständig auf allen seinen Wegen. Ein Bruder aber, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe. Wer aber reich ist, rühme sich seiner Niedrigkeit.
Denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen. Die Sonne geht auf mit ihrer Hitze, und das Gras verwelkt. Die Blume fällt ab, und ihre schöne Gestalt verdirbt. So wird auch der Reiche dahinwelken in dem, was er unternimmt.
Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet. Denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben.
Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Vielmehr wird ein jeder, der versucht wird, von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt.
Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde. Die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.
Irrt euch nicht, meine lieben Brüder: Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel zwischen Licht und Finsternis.
Er hat uns geboren nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, damit wir Erstlinge seiner Geschöpfe seien.
Hintergrund und Identität des Jakobus
Ein umfangreicher Text, der damit beginnt, dass Jakobus an Menschen schreibt, die sich offensichtlich in einer Situation der Anfechtung befinden. Bevor wir uns nun fragen, wie er damit umgeht, müssen wir kurz klären, wer dieser Jakobus eigentlich ist. So wissen wir, mit wem wir es hier zu tun haben und durch wen Gott in diesen Versen zu uns spricht.
Wie bekannt, gibt es im Neuen Testament mehrere Personen namens Jakobus. Das hat zu Diskussionen darüber geführt, wer diesen Brief tatsächlich verfasst hat. Einige Ausleger vermuten Jakobus, den Bruder des Johannes. Beide gehörten zu den ersten Jüngern und waren Söhne des Zebedäus. Allerdings war dieser Jakobus, der Bruder des Johannes und Sohn des Zebedäus, der erste Märtyrer aus dem Apostelkreis. Das ist in Apostelgeschichte 12, Vers 2 nachzulesen.
Da dieser Jakobus sehr früh starb, ist es höchst unwahrscheinlich, dass er den Brief geschrieben hat. Die meisten Hinweise sprechen eindeutig für Jakobus, den Herrenbruder. So verstand es auch die frühe Kirche, die am nächsten am Neuen Testament war.
Jakobus, der Herrenbruder, war ein Halbbruder Jesu. Er war ein leiblicher Sohn von Maria und Joseph. Joseph war der Adoptivvater Jesu, und Maria die leibliche Mutter Jesu. Somit war Jakobus ein Halbbruder des Herrn Jesus. Das kann man in Markus 6, Vers 3 nachlesen.
Dieser Jakobus stand seinem Halbbruder anfangs ausgesprochen skeptisch gegenüber. Er lehnte ihn ab und verstand ihn nicht. Das zeigt sich zum Beispiel in Markus 3, Vers 31-35. Dort heißt es, dass Jesus mit seinen Jüngern zusammen war, als seine Brüder, darunter auch Jakobus, und seine Mutter kamen. Sie blieben draußen und ließen ihn rufen. Die Volksmenge saß um Jesus, doch seine Mutter sagte zu ihm: „Siehe, deine Mutter und deine Brüder sind draußen und suchen dich.“ Jesus antwortete: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?“ In Vers 35 macht Jesus deutlich: „Wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ Hier blitzt bereits die Spannung auf.
Wenn wir etwas weiter zurückgehen, lesen wir in Markus 3, Vers 21, worin diese Spannung bestand. Jesus predigte vor einer großen Menge, und es heißt: „Als die, welche um ihn waren“ – eine Umschreibung für seine Familie im weiteren Sinne – „es hörten, gingen sie aus, um ihn zu ergreifen. Denn sie sagten: Er ist von Sinnen.“ Sie hielten ihn für verrückt und wollten verhindern, dass er zu viel Unruhe stiftet. So dachten seine Brüder, auch Jakobus, über ihn.
Erst nach der Auferstehung begriff Jakobus, wer sein Halbbruder wirklich war. In der berühmten Zeugenliste in 1. Korinther 15, Vers 7, meint Paulus offensichtlich diesen Jakobus, wenn er sagt, dass Jesus von Jakobus gesehen worden ist, danach von allen Aposteln.
Nachdem Jakobus überzeugt war, dass sein Halbbruder, den er für verrückt gehalten hatte, tatsächlich der Sohn Gottes ist, änderte sich alles bei ihm. Derjenige, mit dem er jahrelang am Mittagstisch gesessen hatte, hatte den Tod besiegt. Jakobus suchte nun den engen Kontakt zu den Aposteln. Schon bald wurde dieser skeptische Jakobus zusammen mit Johannes und Petrus eine der tragenden Säulen der jungen Gemeinde. Das ist in Galater 2, Vers 9 nachzulesen.
Etwa Mitte der 40er Jahre schrieb er den Jakobusbrief. Dieser Brief ist wahrscheinlich der früheste Brief des Neuen Testaments. Etwa zwölf Jahre später hatte er in Jerusalem eine höchst spannende Begegnung mit Paulus, die in Apostelgeschichte 21 beschrieben wird.
Schließlich starb Jakobus im Jahr 62 nach Christus den Märtyrertod. Diese Information entnehmen wir nicht der Bibel, sondern dem jüdischen Geschichtsschreiber Josephus.
Das ist der Jakobus, mit dem wir es hier zu tun haben: ein Halbbruder Jesu, der sich nach der Auferstehung durch seine Begegnung mit dem Auferstandenen bekehrte. Er wurde zu einer der Säulen der Urgemeinde und schließlich zu einem der ersten Märtyrer der Christenheit.
Jakobus gehörte zu den Menschen, die den Herrn Jesus besonders gut kannten und mit ihm in einer Familie aufgewachsen waren. Bei ihm finden wir viele Zitate und Anspielungen, etwa auf die Bergpredigt. Das ist hochinteressant, denn oft gibt es Bezüge zu dieser Grundsatzrede unseres Herrn.
Die Adressaten und der Kontext des Jakobusbriefes
Und nun sehen wir, wie er sich hier vorstellt. Er ist der leibliche Halbbruder Jesu und bezeichnet sich trotzdem, wie in Vers 1, als Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christus. Er nennt Jesus also in einem Atemzug mit dem Vater. Damit macht er deutlich, dass er die Gottessohnschaft Jesu anerkennt.
Gleichzeitig ist Jakobus, wie wir noch sehen werden, tief verwurzelt im Denken des Judentums. In seinen fünf Kapiteln finden sich etwa vierzig Anspielungen auf das Alte Testament. Das zeigt sich auch in der etwas rätselhaften Adressatenangabe in Vers 1, die wir noch klären müssen, bevor wir in den eigentlichen Text einsteigen.
Jakobus schreibt an die „zwölf Stämme in der Zerstreuung“. Was ist damit gemeint? Er grüßt die zwölf Stämme in der Zerstreuung. Sie wissen alle, dass Israel früher in zwölf Stämme aufgeteilt war. Nach Salomo erfolgte die Teilung in das Nordreich und das Südreich. Später wurden diese Stämme zerstreut in alle Winde – nach Babylonien, durch die Perser und durch die Römer.
Die Propheten hatten im Auftrag Gottes ein großes Versprechen an dieses Volk gegeben. Sie sagten: Es kommt der Tag, da wird der Herr die Stämme Israels wieder sammeln. Wann dieser Tag kommt, wurde nicht genannt, aber es wird ihn geben. Dann werden alle Jesus als ihren Messias erkennen und anbeten.
Wir müssen klar sagen: Dieses Ereignis liegt noch in der Zukunft, es steht noch aus. Doch bevor das geschieht – und das macht die Bibel sehr deutlich –, ruft Gott die Gemeinde Jesu ins Leben. Diese Gemeinde besteht aus Juden und Heiden, also aus Menschen aller Völker, Nationen, Rassen und Hautfarben.
Alle werden in der Gemeinde Jesu zusammengerufen. Diese Gemeinde ist, wie der Zusammenhang deutlich macht, der erste Ansprechpartner von Jakobus. Sie ist gewissermaßen eine Vorschattung des zukünftigen Israels.
Wahrscheinlich gab es in dieser Gemeinde besonders viele gebürtige Juden. Das kann man zumindest aus einigen Andeutungen vermuten. Gerade den Juden in dieser jungen christlichen Gemeinde sagt Jakobus: Leute, an euch, die ihr jetzt schon an Jesus als den Messias glaubt, wird deutlich, wie Gott am Ende der Geschichte sein ganzes Volk Israel sammeln wird.
Dann werden die zwölf Stämme Israels auf geheimnisvolle Weise wieder zusammenkommen. Das ist nicht aufgehoben durch die Bildung der Gemeinde. Aber jetzt, bevor das geschieht, sind diese zwölf Stämme ein Bild für die Gemeinde Jesu Christi. Sie ist ähnlich zerstreut und bedrängt wie die zwölf Stämme Israels damals.
Es ist wichtig, dass wir das, was Jakobus hier schreibt, wirklich auf uns beziehen dürfen – auf uns als Gemeinde Jesu und auf uns als einzelne Christen. Deshalb ist es richtig und absolut nötig, dass wir uns angesprochen fühlen.
Wenn Jakobus hier als Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christus an die zwölf Stämme in der Zerstreuung schreibt, dann sitzen auch wir unter diesen Stämmen. Dann gilt auch uns dieser Gruß.
Die zentrale Botschaft der ersten Verse: Freude in Anfechtung
Und dann geht es los. Nach diesem geheimnisvollen Einstieg kommt Jakobus sehr schnell zur Sache. Er sagt uns in den ersten Versen, nämlich Vers 2 bis 4, worum es im Kern geht. Wenn wir diese Verse 2 bis 4 verstanden haben, dann haben wir das Hauptanliegen dieses ersten Kapitels erfasst.
Lesen wir diese Verse noch einmal:
„Meine lieben Brüder, erachtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt, und wisst, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld wirkt. Die Geduld aber soll ihr Werk tun bis ans Ende, damit ihr vollkommen und unversehrt seid und kein Mangel an euch sei.“
Sie erinnern sich an die beiden Missverständnisse, die ich am Anfang genannt habe:
Dass ein Christ in seinem Leben vor großen Nöten verschont bleibt und dass, wenn einer erst mal Christ geworden ist, sich danach in seinem Leben nicht mehr viel ändert. Beide Missverständnisse werden schon in diesen drei Versen widerlegt.
Nein, sagt Jakobus, es gibt Anfechtungen, es gibt Schwierigkeiten, es gibt Nöte. Aber erstaunlicherweise sagt er: Achtet es für lauter Freude, wenn das passiert. Ja, und wie sollen wir das verstehen? Dazu müssen wir jetzt erst einmal klären, was eigentlich Anfechtungen sind.
Was sind Anfechtungen? Im Griechischen, der Sprache, in der Jakobus diesen Brief geschrieben hat, steht da das Wort Perasmos. Perasmos kann zweierlei bedeuten, und das müssen wir sehr genau auseinanderhalten. Beides wird in diesem Brief verhandelt.
Perasmos kann einmal heißen: eine innere Versuchung zur Sünde. Man kann das dann übersetzen als Versuchung oder Verführung. Paulus schreibt das etwa in 1. Timotheus 6, Vers 9, wenn er sagt: „Die reich werden wollen, fallen in Versuchung, in Verderben und Verdammnis.“ Dort steht auch Perasmos. Das ist eine innere Verführung zur Sünde hin.
Aber dann kann Perasmos auch etwas anderes heißen, nämlich nicht eine von innen kommende Verführung, sondern eine von außen kommende Anfechtung. In diesem Sinne benutzt es etwa Petrus in 1. Petrus 4, Vers 12, wenn er sagt:
„Ihr Lieben, lasst euch durch die Hitze“ – damit meint er den Druck, die Verfolgung – „nicht befremden, die euch widerfährt zu eurem Perasmos“, also zu eurer Anfechtung, „sondern freut euch, dass ihr mit Christus leidet.“
Also das ist das Zweite: nicht eine Versuchung zur Sünde von innen, sondern ein Druck, eine Anfechtung von außen.
Und genau das meint Jakobus hier in Vers 2: Er sagt, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtung fallt. Anfechtung heißt also eine Bedrängnis, eine Schwierigkeit, ein Druck, den Gott zulässt, obwohl er ihn natürlich verhindern könnte.
Ich kann mir vorstellen, dass viele von uns auch mit einer gewissen Anfechtung dieses Jahr beenden. Anfechtungen können ganz unterschiedliche Formen annehmen, deswegen spricht Jakobus hier auch von mancherlei Anfechtung. Das kann also ganz unterschiedliche Gesichter haben.
Verfolgung kann eine Anfechtung sein, das werden wir im Jakobusbrief sehen. Viele haben in dieser Gemeinde offensichtlich auch Probleme mit Armut gehabt. Materielle Not kann eine Anfechtung sein. Dass ich wegen meines Glaubens zum Außenseiter werde – in meiner Schulklasse, in der Gesellschaft, in der Nachbarschaft, vielleicht sogar in meiner eigenen Familie – das kann eine Anfechtung sein.
Die Zuspitzung der gesellschaftlichen Situation, dass kritische, dass christliche Überzeugungen immer stärker an den Pranger gestellt werden, das kann eine Anfechtung sein. Krankheit kann eine Anfechtung sein. Verlust von lieben Menschen kann eine Anfechtung sein. Verlassen zu werden kann eine Anfechtung sein.
Einsamkeit, Misserfolge, dass ich durch eine Prüfung gefallen bin, dass ich den Arbeitsplatz verloren habe, dass Menschen mich enttäuscht haben, dass ich vor bestimmten Dingen Angst habe, die ich nicht in den Griff kriege – das fällt alles unter die Kategorie Anfechtung. Ein Druck, den Gott zulässt, obwohl er ihn natürlich verhindern könnte.
Ich denke, liebe Geschwister, jeder von uns kennt solche Anfechtungen in unterschiedlicher Schärfe, Stärke und Intensität. Jakobus will uns hier helfen: Wie sollen wir das einordnen? Wie sollen wir damit umgehen?
Und er sagt als Erstes: Achtet es für lauter Freude! Wir sagen: Was? Warum, Jakobus, soll Anfechtung ein Grund zur Freude sein? Und das ist der erste Punkt, den wir heute Abend miteinander bedenken wollen: der Sinn der Anfechtung.
Glaube in Anfechtung und Versuchung – erstens der Sinn der Anfechtung. Diesen ersten Punkt werden wir am ausführlichsten behandeln. Wie gesagt, dann haben wir die Hauptarbeit geschafft. Die anderen beiden Punkte werden dann relativ schnell auch verständlich werden.
Der Sinn und Zweck der Anfechtung
Erstens also der Sinn der Anfechtung. Jakobus macht ganz deutlich, dass Gott mit der Anfechtung ein positives Ziel verfolgt. Deshalb sagt er, du kannst dich freuen, wenn du angefochten wirst. Gott meint es gut mit dir, du musst keine Angst davor haben.
Petrus hat das ganz ähnlich formuliert. In 1. Petrus 1,6 schreibt er: „Ihr, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, werdet euch freuen.“ Warum? Jakobus zeigt uns nun, was Gott mit dieser Anfechtung bezweckt.
In Vers 3 heißt es: „Wisset, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld bewirkt.“ Das ist das Erste, was Jakobus hier aufzeigt: Unser Glaube wird durch Anfechtung bewährt. Wir haben ja in der Begrüßung von Bruder Papst gehört, dass es um die Stärkung und das Wachstum des Glaubens geht. Jakobus sagt, genau dafür ist Anfechtung gedacht.
Bewährt bedeutet geprüft, gereinigt, gefestigt. Das Wort beschreibt eigentlich einen Prozess. Man kann sich das so vorstellen wie die Reinigung von Gold oder Silber, bei der Unreinheiten beseitigt werden, damit die Qualität des Materials verbessert wird. So meint „bewähren“ hier, dass der Glaube belastbarer, beständiger und gefestigter wird.
Wenn man es mit einem Begriff aus der Wirtschaft sagen wollte, könnte man formulieren: Anfechtung gehört zu den Tools im Qualitätsmanagement Gottes. Das ist eine von Gottes Methoden, mit denen er seine Leute voranbringt.
Und was folgt dann aus dieser Bewährung? Das Nächste ist Geduld. Anfechtung führt also zur Bewährung, zur Reinigung, zur stärkeren Belastbarkeit des Glaubens. Wenn unser Glaube belastbar wird, werden wir geduldiger.
Das griechische Wort, das dort steht, „Typomone“, bedeutet wörtlich „unter etwas bleiben“. Das ist das Bild: Jemand schultert eine Last und bricht unter dieser Last nicht zusammen – das ist Geduld. Jakobus sagt, Gott will durch Anfechtung in deinem Leben die Fähigkeit zur Geduld kultivieren, diese Fähigkeit weiter ausprägen. Gott will einen belastbaren Nachfolger aus dir machen.
Wir sollen lernen, Lasten zu tragen, darunter zu bleiben und nicht wegzulaufen. Man kann es vielleicht mit folgendem Vergleich verdeutlichen: Sie alle wissen, wie Gewichtheber arbeiten. Da vorne auf der Bühne stemmen sie eine Last. Es gibt verschiedene Disziplinen, aber jedenfalls müssen sie die Last stemmen. Dann sind sie froh, sie so schnell wie möglich wieder fallenlassen zu können. Sie müssen die Last für eine bestimmte Zeit sichtbar nach oben halten. Irgendwann ertönt der Signalton, und sie dürfen die Last wieder fallenlassen. Sie sind froh, schnell diese Last wieder loszuwerden.
Und dann vergleichen sie das mit einem Wanderer, der einen Rucksack schultert und über viele Kilometer trägt. Er versucht nicht, den Rucksack abzuwerfen, sondern hat ihn aufgeschnallt, es ist ihm recht so, er will das so, und er trägt ihn. Das ist Geduld.
Dieser Rucksack, diese Last, kann ganz unterschiedliche Gestalt haben: zum Beispiel die Verantwortung in einer anspruchsvollen Aufgabe, die mich sehr fordert – etwa in der Gemeinde, in der Familie oder an anderen Stellen. Ich trage diese Verantwortung und spüre die Last. Aber ich sage nicht: „Wo ist die erstbeste Möglichkeit, einen anderen Mitarbeiter zu finden und das schnell wieder loszuwerden?“ Nein, ich lasse mir diesen Rucksack aufbinden von Jesus und bin bereit, die Last geduldig zu tragen.
Manchmal stöhne ich darunter, manchmal muss ich mich hinsetzen, weil ich Verschnaufpausen brauche. Aber ich bin bereit, die Last zu tragen, bis der Herr mir das Signal gibt: „So, jetzt kannst du diesen Rucksack ablegen.“ Aber dann bekomme ich schon bald den nächsten wieder.
Oder die Last in einer spannungsvollen Situation auszuhalten, dabei zu bleiben, nicht wegzulaufen, wenn ich weiß, Gott will mich hier einsetzen. Ich habe ja einen Auftrag. Diese Haltung der Geduld, die Bereitschaft zum Aushalten, spielt im Neuen Testament eine ganz wichtige Rolle.
Wenn Sie etwa an das vierte Ackerfeld in dem Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld denken: Dort wird über das Ackerfeld, das Frucht bringt, gesagt, dass die auf dem guten Land Frucht bringen in Geduld. Dort steht der gleiche Begriff.
Frucht bringt man nur unter Geduld. Es gibt viele andere Stellen, zum Beispiel 2. Thessalonicher 1,4 oder Offenbarung 2,2. Das können Sie gerne nachlesen und weiter studieren: Geduld.
Und wissen Sie, der Zeitgeist? Der legt uns genau das Gegenteil ans Herz. Der Zeitgeist sagt uns: Druck ist dazu da, um ihn so schnell wie möglich wieder loszuwerden. „Lass dir keinen Druck machen!“, heißt es. „Wie kann ich schnellstmöglich die größtmögliche Entlastung bekommen?“
Das Leben soll easy sein, alles soll möglichst locker laufen. Keiner will sich zu lange binden. Das sieht man ja sogar in Sportvereinen, wo viele keine längerfristigen Engagements im Ehrenamt mehr eingehen, sondern nur noch Projekte für eine überschaubare Zeit, etwa fünf Wochen, machen. Dann ist wieder gut. Das ist ganz typisch für den Zeitgeist.
Wir stehen in der Gefahr, diese Sofort-Entlastung auch auf unser Glaubensleben zu übertragen. Wenn ein Dienst oder eine Aufgabe schwer zu werden beginnt, Ärger bringt und schlaflose Nächte verursacht, wollen wir sie am liebsten so schnell wie möglich wieder loswerden – wie eine heiße Kartoffel.
Natürlich müssen wir sagen: Christen sind unterschiedlich belastbar. Jeder von uns hat andere Voraussetzungen, was körperliche und seelische Belastbarkeit angeht. Wir sind als Menschen, auch als Christen, unterschiedlich belastbar. Das muss man fairerweise berücksichtigen.
Aber Jakobus geht es hier um die Grundhaltung: Bin ich wirklich bereit, Lasten mit der Hilfe des Herrn zu tragen?
Jakobus macht uns deutlich: Diese Fähigkeit zur Geduld wird gefördert und trainiert durch Anfechtung. In der Bewährung entsteht Geduld.
Sie müssen sich das so vorstellen: Die Fähigkeit zur Geduld ist wie ein Muskel. Dieser Muskel wird trainiert, wenn er mit Widerstand belastet wird. Ohne Widerstand gibt es keinen Trainingseffekt.
So ist Geduld ein geistlicher Muskel, der trainiert wird, wenn er Widerstand erfährt.
Darum ist es für alle Altersklassen in der christlichen Gemeinde so wichtig, dass wir uns bewusst machen, dass wir das auch an die nächste Generation weitergeben. Christsein und das Leben in der Nachfolge Jesu haben nichts zu tun mit einem Kuschelzoo oder einem Dauerevent.
Deshalb ist es auch so gefährlich, wenn christlicher Glaube manchmal oberflächlich als Feierereignis dargestellt wird. Manche christlichen Kongresse oder Jugendfestivals bieten vor allem emotionalen sogenannten Worship, ein Happening, christlichen Sport, alles easy und fröhlich. Dort erlebt man mal etwas.
Es ist ja schön, wenn man etwas erlebt und fröhlich sein kann. Aber Sie verstehen, was ich meine: Da wird der Eindruck vermittelt, Christsein bedeutet, sich happy zu fühlen. Christsein bedeutet, möglichst stressfrei zu leben, möglichst religiös abgesichert. Jesus ist da, alles ist schön und easy, du kommst ohne zu viel Stress durchs Leben, und deine Probleme werden möglichst schnell gelöst. Nun fang doch endlich mal an, ein bisschen lockerer zu werden.
Theolemann, ein bekannter Jugendevangelist, der schon in der ehemaligen DDR landesweit bekannt war und von der Stasi überwacht und verfolgt wurde – wie es nur denen zuteilwurde, die man als Staatsfeinde einschätzte – hat über diese christliche Fire-and-Happening-Kultur einmal Folgendes gesagt:
„Wer kann von dieser seichten Kost leben, wenn er nicht mehr im Gemeindesaal, sondern in einer gemeinen Gefängniszelle sitzt? Wenn nicht mehr fröhlich getanzt, sondern fies gefoltert wird? Wie sollen die jungen Christen, die wir mit coolen Kurzpredigten unterfordern und unterernähren, sich einmal bewähren, wenn es hart auf hart kommt?“
Wir haben wohl vergessen, was Paulus aus dem Gefängnis geschrieben hat: „Alle, die gottesfürchtig leben wollen in Christus Jesus, müssen Verfolgung leiden.“
Theolemann fügt hinzu: „Ich genieße es voll Dankbarkeit, dass ich nach den DDR-Jahren in einem freien, demokratischen Land leben darf, in dem ich wegen meines Glaubens an Jesus weder diskriminiert noch verfolgt werde.“ Inzwischen werden manche wieder diskriminiert. Aber insgesamt genießen wir natürlich noch viel Freiheit.
Theolemann sieht das als eine Atempause an, die Gott uns gönnt, zum Luft holen. Denn dass das alles immer so friedlich bleiben wird, erscheint ihm angesichts der weltweiten Entwicklungen immer unwahrscheinlicher.
Er sagt, wir sollten die Atempause nutzen, um uns auf Zeiten vorzubereiten, in denen Christsein nicht mehr „geil“, sondern gefährlich ist. Was wir brauchen, sind bibelfeste, feuerfeste, gefängnisfähige Christen.
Dazu will der Jakobusbrief beitragen, dafür will er uns ausrüsten. In diesem Sinne sagt Jakobus, dass Gott die Anfechtung benutzt.
Man kann es mit einem Bild sagen: Die Anfechtung ist gewissermaßen ein Fitnessstudio für unseren Glauben, eine Muskelübung für unseren Glauben.
Die Bedeutung der Geduld für das christliche Leben
Und dann kommt die Gegenfrage: Warum bitteschön soll Geduld so wichtig sein? Warum ist Geduld für einen Christen so bedeutsam, dass ich dranbleibe, dass ich durchhalte?
Nun, einmal hat es natürlich etwas mit unserer Treue gegenüber unserem Herrn zu tun. Jakobus macht deutlich: Geduld ist noch nicht das Endziel. Schaut mal, was der Herr letztlich im Leben seiner Kinder erreichen will. Worauf zielt dieser ganze Prozess ab? Das steht in Vers 4.
In Vers 3 heißt es: Wisst ihr, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld wird? Und dann in Vers 4: Die Geduld aber soll ihr Werk tun bis ans Ende, damit ihr vollkommen und unversehrt seid und kein Mangel an euch sei.
Also: Anfechtung, Bewährung, Geduld. Jakobus sagt, Gott will euren Glauben so prägen, so stärken und weiterentwickeln, dass immer mehr sein Werk daraus hervorgeht. Dass dein Leben immer mehr die Gestalt annimmt, die Gott sich gedacht hat.
Paulus sagt an anderer Stelle, nämlich in Römer 8, Vers 29: Es geht im Grunde darum, dass wir Jesus immer ähnlicher werden. Und das ist das Ziel, das Gott für dein und mein Leben hat. Gott ist wie ein Bildhauer, der aus einem Felsbrocken eine geniale Figur entwickelt.
Wenn man an das Paradebeispiel einer solchen aus dem Felsbrocken gehauenen Figur denkt, erinnern sich viele an den David von Michelangelo. Der David wird wahrscheinlich nicht genau so ausgesehen haben, aber immerhin so hat ihn Michelangelo sich vorgestellt: perfekte Proportionen, vollkommen.
So ein Bild will Gott aus unserem Leben machen. Und dazu benutzt er auch die Anfechtung, das sagt Jakobus hier.
Jetzt müssen wir genau hinsehen, was Gott mit "vollkommen" meint. Vollkommen heißt nicht perfekt. Die Bibel sagt sehr deutlich, dass wir, solange wir hier auf dieser Erde sind, nie vollkommen und perfekt im Sinne von sündlos werden können. Das macht die Bibel an vielen Stellen überaus deutlich. Wir brauchen die Vergebung unseres Herrn immer wieder.
Jesus hat nicht umsonst seine Jünger gelehrt, sowohl um das tägliche Brot zu bitten als auch um beständige Vergebung.
Aber was meint "vollkommen", das griechische Wort teleios? Es bedeutet ausgereift, ans Ziel gebracht. In diesem Sinne hat es auch der Herr Jesus in Matthäus 5, Vers 48 gesagt: Ihr sollt vollkommen sein. Nicht sündlos – das ist uns nicht verheißen, das wird erst im Himmel sein – sondern ausgereift, verändert, in das Bild hineingestaltet, zu dem Gott uns hinbringen will.
Wir wissen, dass Gott den Menschen perfekt geschaffen hatte. Durch den Sündenfall sind wir jedoch total deformiert, demoliert und zerstört worden. So sind wir Sünder. Es ist so viel Dreck, Schmutz, Bösartigkeit und Finsternis an uns und in unseren Herzen zu erkennen.
Die Bibel macht auch sehr deutlich, dass es keine Möglichkeiten gibt, den Menschen behutsam zu verändern. Das haben alle möglichen Ideologien versucht. Der Humanismus hat es versucht, der Marxismus hat es versucht. Alle sind gescheitert mit ihren Versuchen, den Menschen durch Bildung, Zivilisierung, Erziehung oder gute Unterstützung schrittweise besser zu machen.
Die Bibel sagt: Das bringt alles nichts. Es gibt nur eine Chance, und das ist die Erlösung durch Jesus Christus. Dass er mir meine Schuld vergibt, dass ich von ihm gerettet werde, dass ich das für mich persönlich in Anspruch nehme, dass ich es brauche, was er am Kreuz von Golgatha getan hat – nämlich die Strafe auf sich zu nehmen, die ich verdient hätte für meine Ignoranz und Bösartigkeit gegenüber der Liebe meines Schöpfers.
Das ist die einzige Möglichkeit, Menschen zu verändern: Erlösung durch Jesus. Wir können nicht verbessert werden, sondern nur erlöst werden, sagt die Bibel.
Wer sich weigert, erlöst zu werden, wer nicht zugibt, dass er Erlösung braucht, der wird Gott immer fernbleiben. Der hat keine Chance. Er kann sich noch so sehr anstrengen, wird aber immer wieder in der Verzweiflung seiner eigenen Selbstumkreisung enden. Oder er wird irgendwann so oberflächlich werden, weil er es nicht mehr aushält, sein ständiges Scheitern zu reflektieren. Das ist noch schlimmer.
Aber wenn die Erlösung dann passiert ist, wenn ein Mensch vor Christus zusammengebrochen ist und wenn wir dahin gebracht worden sind, dass wir endlich zugeben: Jesus, ich bin verloren ohne deine Vergebung –, dann ist Gott mit uns noch nicht am Ziel.
Dann fängt der Vater an, uns zu erziehen, uns umzuprägen, uns Jesus ähnlicher zu machen. Das meint Jakobus hier. Er meint, euer Charakter als Christ soll ausreifen, eure Integrität als Jünger Jesu soll zunehmen.
Ihr sollt keine Babychristen bleiben. Ihr sollt nicht euer Leben lang unreif bleiben und euch am Ende doch nur um euren eigenen Kram drehen. Ihr sollt belastbar werden, ihr sollt verändert werden. Ihr sollt immer mehr in die Haltung hineinwachsen, dass es euch ein tiefes Anliegen wird, Christus mit eurem ganzen Leben zu dienen – Tag für Tag.
Und das Hauptmittel, mit dem Gott uns so verändert, ist sein Wort. Wir hatten gehört: Der Glaube kommt aus der Predigt, aus seiner Wahrheit, aus seiner Gemeinde, in der wir dieses Wort gemeinsam studieren und uns gegenseitig ermutigen, Christus treu nachzufolgen und uns im Dienst zu helfen.
Aber ein weiteres Mittel neben diesem Wort Gottes ist die Anfechtung, sagt Jakobus. Es ist der Druck, den Gott zulässt, den Druck, den Gott manchmal schickt.
Jakobus sagt: Wenn das kommt, dann sträube dich nicht dagegen, sondern sei getrost. Jetzt arbeitet der Herr an deiner Vervollkommnung, er arbeitet an deiner geistlichen Integrität. Du bist im Trainingslager – das ist der Sinn der Anfechtung.
Die Art, wie Jakobus das schreibt, macht deutlich, dass das Entscheidende Gott selbst tut. Aber Gott bezieht uns auch mit ein. Deswegen sagt Jakobus: Haltet es für lauter Freude hin.
Sag ja dazu. Du hast manchmal Angst davor, du weinst, du sagst so unter Tränen, aber nimm es aus Gottes Hand an.
Das heißt nicht – und das ist ganz wichtig zu unterscheiden – dass wir die Anfechtung suchen sollen. Das heißt nicht, dass wir die Anfechtung kultivieren sollen. Es heißt nicht, dass wir uns in unserer Anfechtung suhlen oder ständig unsere Anfechtung vor uns hertreiben, als etwas, das uns am Ende noch interessant macht für andere.
Wir sollen das nicht suchen: Arbeitslosigkeit oder Einsamkeit oder Armut oder Krankheit. Wir sollen nicht freiwillig arbeitslos, einsam, arm oder krank bleiben. Das ist nicht gemeint.
Es ist richtig für einen Christen und legitim, sich um den Arbeitsplatz zu bemühen, Kontakt zu anderen Menschen zu suchen, etwas gegen die Armut zu unternehmen und gute ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen – natürlich, was denn sonst?
Aber dort, wo Gott eine Last, eine Anfechtung nicht sogleich auflöst, da meint Jakobus, sollen wir uns nicht beschweren, nicht störrisch werden und schon gar nicht an Gottes Liebe zweifeln.
Sondern er achtet es für lauter, das heißt für echte Freude. Das ist hier gemeint.
Und ihr Lieben, das schaffen wir nicht aus eigener Kraft. Paulus schreibt uns einmal: Dankt Gott allezeit für alles.
Aber wie kann das jetzt gelingen? Wie können wir das schaffen? Die Antwort wollen wir uns noch kurz in den Versen 5 bis 8 anschauen: die richtige Antwort auf Anfechtung.
Die richtige Antwort auf Anfechtung: Weisheit und Glauben
Da sagt Jakobus: Wenn es aber jemandem unter euch an Weisheit mangelt – und klar, wenn wir das hören, dann merken wir, dass es uns an Weisheit mangelt –, so bitte er Gott, der jedermann gern gibt und niemandem einen Vorwurf macht. So wird sie ihm gegeben werden, wenn es jemandem unter euch an Weisheit mangelt.
Ihr Lieben, wer von uns würde angesichts dieser Konstellation diesen Mangel an Weisheit nicht empfinden? Was heißt denn Weisheit? Weisheit bedeutet, dass ich Gottes Willen zutreffend erkenne und konsequent umsetze. Das ist Weisheit: dass ich Gottes Willen erkenne und konsequent umsetze und in Drucksituationen die richtige Haltung einnehme sowie die richtigen Entscheidungen treffe.
Wenn du diesen Mangel spürst, wie ich ihn auch oft spüre, wenn du diese Sehnsucht hast, richtig zu entscheiden, sagt Jakobus: Dann gibt es nur einen Weg – bitte Gott darum. Leg ihm mit diesem Anliegen in den Ohren, ihr Lieben, denn es gibt nichts Praktischeres als zu beten.
Jakobus sagt, du kannst ganz getrost sein: Gott wird antworten, du kannst fest damit rechnen. Warum? Er sagt: Gott gibt jedermann gern. Das ist doch eine tolle Zusage.
So bitte er Gott, der jedermann gern gibt, und dann fügt er noch als Zweites hinzu: und niemandem einen Vorwurf macht, niemanden schilt. Gott macht uns keinen Vorwurf wegen unseres Mangels. Er sagt nicht: „Nestvogel, du bist jetzt schon so lange Christ, es wäre doch jetzt mal an der Zeit, dass du mich wegen dieser Sache nicht auch noch immer wieder bitten musst.“ Gott hat keine Sorge, er schilt niemanden, er macht niemandem einen Vorwurf.
Sondern er gibt jedermann gern. Und wenn du zum hundertfünfundzwanzigsten Mal damit ankommst, er ist großzügig. Wisst ihr, dieses Wort, das hier steht für großzügig, für vollständig, bedeutet noch mehr: es heißt ungeteilt.
Damit will Jakobus etwas über Gottes Charakter ausdrücken. Gott gibt ungeteilt. Das heißt, Gott ist ohne jede Halbherzigkeit. Gott ist vollkommen darauf konzentriert, sich um dein geistliches Wachstum zu sorgen. Das steckt in diesem Begriff drin – nicht einfach nur großzügig, sondern ungeteilt, mit voller Hinwendung.
Gott hat keine Hintergedanken. Bei Gott gibt es nichts Kleingedrucktes. Er meint es ganz und gar und uneingeschränkt gut mit dir. Du musst nicht Angst haben, dass er dir irgendwann hinterher doch noch mal plötzlich eine Rechnung präsentiert und sagt: „Hallo, mein lieber Freund, aber das solltest du auch noch bedenken.“
Ungeteilt, vollständig, großzügig – und er macht dir keinen Vorwurf. Darum bist du gut beraten, ihn anzuflehen. Er, sagt Jakobus, wird nichts lieber tun, als dich traumwandlerisch durch deine Anfechtung hindurchzuführen.
Das heißt nicht, dass du keine Tränen weinst, das heißt nicht, dass du keine Schmerzen hast, das heißt nicht, dass du nicht manchmal aufjaulen wirst. Aber er führt dich traumwandlerisch hindurch.
Das bestätigt auch Paulus in 1. Korinther 10,13, das ist sein Kommentar im Grunde zu Jakobus. Da sagt Paulus: Gott ist treu. Er wird nicht zulassen, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet. Sondern er wird zugleich mit der Anfechtung auch den Ausgang schaffen, so dass ihr sie ertragen könnt.
Also sagt Paulus: Habt keine Angst! Wenn Gott diese Anfechtung in deinem Leben zulässt, hat er immer auch schon den Ausgang im Blick. Und er wird mit diesem Ausgang nicht zu spät kommen.
Der Gegensatz zwischen Beter und Zweifler
Jakobus zeigt uns hier einen starken Gegensatz zwischen dem Beter und dem Zweifler auf. Das ist wichtig zu klären, weil viele Christen diese Verse falsch verstehen. Die Ermutigung in Vers 5 wird von den Versen 6 bis 8 oft wie eine kalte Dusche wahrgenommen. Jakobus sagt: Gott ist einlinig, völlig entschlossen, dir beizustehen. Nun sollst auch du einlinig sein, ihm ganz ungebrochen zugewandt vertrauen und nicht zweifeln.
Wir müssen nun genau klären, wer mit dem Zweifler gemeint ist. In Vers 6 heißt es: „Er bitte aber im Glauben und zweifle nicht; denn wer zweifelt, der gleicht einer Meereswoge, die vom Wind bewegt wird. Ein solcher Mensch denke nicht, dass er etwas vom Herrn empfangen werde.“ Ein Zweifler ist unbeständig auf allen seinen Wegen. Wer ist dieser Zweifler? Sind damit auch Christen gemeint, die beim Beten manchmal mit leisen Zweifeln kämpfen, die sich in ihr Herz einschleichen?
Wenn das Ihre Befürchtung ist, kann ich Sie beruhigen: Nein, diese Zweifler sind hier garantiert nicht gemeint. Ich werde Ihnen auch erklären, warum. Jakobus sagt hier nicht: „Wenn du erhört beten willst, musst du dir deiner Sache vollkommen sicher sein und darfst keinen Zweifel haben.“ So haben viele Christen diese Stelle verstanden. Nach der Freude über Vers 5 haben sie die Sache mit Vers 6 gleich wieder abgehakt.
Mit dem Zweifler ist jemand gemeint, der nicht an Jesus glaubt. Das ist hier die Bedeutung von Zweifler. Das erkennen Sie auch am Gegensatz zwischen Vers 8 und Vers 9. Dort sagt Jakobus, ein Zweifler sei unbeständig auf allen seinen Wegen. Ein Bruder aber, der niedrigste unter ihnen, ist ein Mitchrist. Damit macht Jakobus deutlich: Entweder bist du ein Zweifler oder du bist ein Bruder.
Er beschreibt diesen Gegensatz weiter. Der Gegensatz in diesen Versen ist nicht der zwischen einem glaubensstarken Beter und einem zaghaften Beter. Das ist nicht das Thema hier. Der Gegensatz ist vielmehr der zwischen einem gläubigen Beter und einem ungläubigen Zweifler.
Der Zweifler hier ist der Ungläubige. Jakobus beschreibt ihn in Vers 8 am Anfang als einen Mann mit einem geteilten Herzen. Im Griechischen heißt das „dipsychos“, ein Zweigeseelter. Das ist das Gegenstück zu „einfältig“. Der Christ wird als einfältig beschrieben, nicht im Sinne von dumm, sondern als jemand, der ganz auf den Herrn ausgerichtet ist. Dagegen ist der Zweifler, der „dipsychos“, jemand, der nicht bereit ist, die ganze Sache mit Gott zu machen, der sein Leben nicht ganz dem Herrn anvertraut.
Ein Zweifler ist jemand, der die Bekehrung verweigert. Das meint „dipsychos“: Er verweigert beständig die Bekehrung und ist nicht bereit, sein Leben ganz dem Herrn zu übergeben. Von so einem Zweifler sagt Jakobus in Vers 6, dass sein Wesen einer Meereswoge gleicht, die vom Wind getrieben wird.
Denken Sie an Ihren letzten Urlaub am Meer. Jakobus meint hier nicht die Wucht der Welle, sondern die Unbeständigkeit der Welle, die vom Wind getrieben und bewegt wird. Je nach Windstärke und Windrichtung schwankt sie mal so, mal so. So ist der Zweifler.
Jakobus sagt, dass es für einen solchen Zweifler keine Hilfe gibt, solange er Zweifler bleibt. Das heißt: Ohne Jesus bist du der Anfechtung letztlich hilflos ausgeliefert.
Der Unterschied zwischen Anfechtung und Versuchung
Ich habe vor einiger Zeit ein hochinteressantes Buch entdeckt, an dem die Tochter des ermordeten Bankchefs Jürgen Ponto mitgeschrieben hat. Die Älteren werden sich noch erinnern, dass der damalige Bundesbankchef Jürgen Ponto im Juli 1977 von den Terroristen der Roten Armee Fraktion ermordet wurde.
Seine Tochter, die damals im Studium war, schreibt hier zusammen mit einer anderen Frau, die eine Schwester einer Mitterroristin jener Zeit war. Die Familien kannten sich. Gemeinsam berichten sie über die Ereignisse jener Jahre und darüber, wie sie persönlich damit umgegangen sind und damit fertig geworden sind.
Corinna Ponto, eine hochgebildete Frau, setzt sich sehr differenziert mit diesem ganzen Geschehen auseinander. Beim Lesen merkt man, dass es auch ein sehr trauriges und hilfloses Buch ist: "Patentöchter im Schatten der RAF – ein Dialog." Die Bitterkeit im Herzen, der Schmerz und das Antwortlose sind nicht zu überwinden – das wird sehr deutlich.
Ganz anders macht Jakobus deutlich, wie es dem Beter ergeht. Auch er muss oftmals mit Angst kämpfen und hat schlaflose Nächte. Trotzdem steht er schon jetzt völlig anders da als der Zweifler. Er kann schon jetzt getrost sein und darf das für sich ganz getrost in Anspruch nehmen.
Man muss nicht ein heldenhafter Dauerstrahler sein, dem keine schwierigen, ängstlichen Gedanken ins Herz kommen. Vielmehr darf man sich mit allen Fragen, der ganzen Not und Angst dem Herrn in die Arme werfen. Dann wird er dafür sorgen, dass die Anfechtung das Leben nicht kaputtmacht, nicht hart macht und den Glauben nicht ausdünnt.
Der Herr wird dafür sorgen, dass die Anfechtung dazu führt, dass man stark wird, geduldig im Glauben lernt, belastbar wird, Dinge aushält und treu bleibt. Das ist das Ergebnis, das Jakobus in Vers 4 beschreibt: "Die Geduld aber soll ihr Werk tun bis ans Ende." Die Geduld soll ihr Werk tun, und das Werk ist der christliche Charakter, den Gott in einem ausprägt.
Dieses Werk ist das edle Standbild, das Gott aus dem groben Felsklotz unseres Lebens modelliert. Es ist das Bild unseres Herrn Jesus, das Gott immer deutlicher in unser Leben hineinzeichnet. Das ist der Sinn der Anfechtung.
Deshalb sagt Jakobus, ist die richtige Antwort auf die Anfechtung, dass man mit Freuden "ja" sagt. Nicht, weil man es schön findet, unter Druck zu stehen, sondern weil man sich darauf verlassen darf, dass der Herr es gut macht und weil man nicht an seiner Liebe und Treue zweifeln muss.
Zum Schluss müssen wir noch einen wichtigen Unterschied verstehen, damit wir nicht verwirrt werden: den Unterschied zwischen Anfechtung und Versuchung. Das ist das Letzte.
Es ist auffällig, dass Jakobus in Vers 16 noch einmal ziemlich deutlich wird, wenn er sagt: "Irrt euch nicht, meine lieben Brüder." Bringt das nicht durcheinander, verwechselt es nicht. Alle gute und vollkommene Gabe kommen von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis. Gott kann nur Gutes geben.
Was ist der Punkt hier am Ende? Im Griechischen steht das Wort "Perasmos". Jetzt meint "Perasmos" nicht mehr Anfechtung, sondern Versuchung zur Sünde, ab Vers 13: "Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt. Und nachdem die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde. Die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod."
"Irrt euch nicht, meine lieben Brüder!" Was ist da am Schluss passiert? Im Griechischen steht, wie gesagt, ein und dasselbe Wort, "Perasmos", aber dieses Wort kann zwei verschiedene Bedeutungen haben, je nach Zusammenhang.
Wir kennen das im Deutschen ja auch: Wenn ich das Wort "Stoff" in den Raum rufe, denken die einen an das Material, aus dem Kleidung besteht, und die anderen an "Stoff" als Rauschgift. Es kann beides sein.
Ganz ähnlich ist es mit "Perasmos". Es kann "Stoff" oder "Stoff" bedeuten, also entweder Anfechtung, äußerer Druck, oder innere Verführung zur Sünde.
Die Anfechtung, wie wir gesehen haben, ist ein Mittel, das Gott benutzt, um unseren Glauben zu stärken. Aber mit Versuchung hat Gott nichts zu tun.
Die Anfechtung zielt darauf, dich in Gottes Arme zu treiben, deinen Glauben stärker und geduldiger zu machen und dich Jesus ähnlicher zu machen. Die Versuchung hingegen zielt darauf, dich von Jesus und von Gott wegzuziehen.
Darum hüte dich vor Versuchung und rede dich nicht heraus. "Ihr Brüder, irrt euch nicht", sagt Jakobus hier. Täuscht euch nicht, stiehlt euch nicht aus der Verantwortung, indem ihr eure Versuchung Gott in die Schuhe schiebt.
Es kann nämlich sehr gut sein, dass einige in der Gemeinde geflunkert haben und gesagt haben: "Wenn die Anfechtung von Gott kommt, dann kommt ja wohl auch die Versuchung von Gott." "Perasmos" ist ja dasselbe Wort.
Dagegen geht Jakobus hier vor. Er sagt: Pass auf, von Gott kann nichts Böses kommen, sondern immer nur Gutes.
Das sind die Verse 17 bis 18: Gott ist der Vater des Lichts, des schattenlosen Lichtes. Von Gott kann nur Gutes kommen, nie Böses. Damit ist das klar.
Wenn jemand Versuchungen nachgibt, die dich vom Herrn wegziehen wollen, bist du selbst verantwortlich. Sieh genau zu, wie das läuft.
Vers 14: "Jeder, der versucht wird, wird zunächst von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt." Das ist die erste Stufe.
Was sind Begierden? Begierden sind hier ein menschliches Verlangen nach etwas, das Gott verboten hat. Das ist eine Definition für Begierde.
Es gibt Begierde auch im positiven Sinne, wenn ich nach Dingen strebe, die richtig und gut sind, aber hier ist sie eindeutig negativ gemeint.
Also noch einmal: Begierde ist ein menschliches Verlangen nach etwas, von dem ich weiß, dass Gott es verboten hat. Ich weiß, es ist nicht gut. Der Herr hat "Nein" gesagt.
Diese Begierde wirkt wie ein Köder. Du wirst gelockt. Der Begriff, der hier steht, stammt aus der Anglersprache: wie ein Köder wirst du gelockt.
Die Begierde zieht dich in die Sünde hinein. Wenn die Begierde empfangen wird, das heißt, wenn sie von uns willkommen geheißen wird, wenn wir mit diesem sündigen Verlangen spielen und diesen Prozess nicht stoppen, wenn wir anfangen, uns in die Dynamik der Begierde einzuschwingen, dann gebiert die Begierde die Sünde.
Und die Sünde, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.
Da Jakobus hier zu Christen spricht, meint er mit Tod nicht die ewige Verdammnis, sondern die Zerstörung geistlichen Lebens.
Wenn du zu Jesus gehörst, kann dich die Begierde nicht mehr in die Hölle werfen. Aber sie wird unendlich viel geistliche Zerstörung in deinem Leben, Dienst und deiner Familie anrichten.
Begierden können an verschiedenen Stellen herausfordernd sein. Die Idee des Ehebruchs kann eine Begierde sein, die Gier nach Geld, die Sucht nach menschlicher Ehre – bereit zu sein, alles dafür zu geben, um einen bestimmten Status oder Anerkennung zu bekommen, auch wenn man dafür den Herrn verleugnet und seine Prioritäten über Bord wirft.
Ein anderes Beispiel für Begierde kann Klatschsucht sein. Manche Menschen haben eine diebische Freude daran, schlecht über andere zu reden, fühlen sich erst richtig gut, wenn sie andere gegenüber Dritten runtermachen können, und verbringen Stunden damit.
Das ist auch eine Form der Begierde: Ehebruch, Geldgier, Ehrsucht, Klatschsucht. Jeder von uns kann diese Liste noch erweitern.
Jakobus sagt: Pass auf, das ist wie ein Köder. Wenn die Begierde empfangen wird, das heißt, wenn du mitmachst, dann ist die Sünde nicht mehr fern. Und wenn die Sünde nicht mehr fern ist, gibt es Zerstörung – massive geistliche Zerstörung in deinem Leben, deiner Familie und Gemeinde.
Luther hat diesen Sachverhalt mit einem berühmten Vergleich beschrieben. Er bezog ihn mehr auf Sorgen und Kummer, aber er passt auch auf Begierde.
Er sagte: "Die Vögel, die über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern."
Das gilt auch hier. Du kannst nicht verhindern, dass dir bestimmte Gedanken kommen oder Impulse da sind. Du kannst nicht immer verhindern, ihnen nachzugehen.
Du kannst nicht verhindern, dass die Vögel über deinem Haupt fliegen, aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern – mit Gottes Hilfe.
Darum spiele nicht mit der Versuchung, sagt Jakobus. Weise sie ab und bedenke den grundsätzlichen, fundamentalen, kategorialen Unterschied zwischen Versuchung und Anfechtung.
Versuchung zerstört immer. Versuchung ist Versuchung zur Sünde: Begierde, dann ausgeführte Sünde, dann Tod und Zerstörung.
Anfechtung, wie wir in den Versen 2 und 4 gesehen haben, baut auf. Anfechtung bedeutet Druck und Widerstände, aus denen Bewährung wächst. Aus Bewährung entsteht Geduld und aus Geduld geistliche Reife und Heiligung.
Deshalb ist es so wichtig, die Anfechtung mit Weisheit anzugehen, dann wird sie zum Segen, sagt Jakobus.
Wenn wir uns dagegen sträuben und in der Anfechtung gegen Gott rebellieren – das ist die Logik dieser Verse –, dann kann aus der Anfechtung eine Versuchung werden.
Ein Beispiel: Armut als Anfechtung. Gott lässt sie aus bestimmten Gründen zu, vielleicht weil man sich zu sehr an sein Geld gehängt hat. Das kann eine Anfechtung sein, mit der Gott dich abhängiger von ihm machen will.
Wenn du aber in der Anfechtung der Armut Gottes Fürsorge anzweifelst, auf Gott schimpfst und seine Treue in Frage stellst, kann aus der Anfechtung eine Versuchung werden.
Oder Krankheit als Anfechtung: Viele haben erfahren, dass sie dadurch Gott nähergekommen sind und im Glauben gestärkt wurden.
Wenn du Gottes Macht jedoch in Zweifel ziehst, gegen ihn grollst oder innerlich rebellierst und daran festhältst, kann aus der Anfechtung eine Versuchung werden.
Darum sagt Jakobus: Wir brauchen so dringend Gottes Weisheit! Wir brauchen Weisheit, um nicht in diese Falle zu tappen.
Wir brauchen Weisheit, um Versuchung zu erkennen, abzuweisen und zu kapieren: "Das ist Versuchung, die Tür zu!"
Wir brauchen Weisheit, um Anfechtung als solche zu erkennen, aus Gottes Hand zu nehmen, darunter zu bleiben, daran zu wachsen und "Ja" zu sagen zu der Last, die Gott uns zumutet.
Dann greifen wir umso erleichterter und entschlossener mit beiden Händen nach dieser Verheißung in Vers 5: "Wenn jemand unter euch Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der jedermann gern gibt und niemandem Vorwürfe macht, so wird sie ihm gegeben werden."
Dann lesen wir mit leuchtenden Augen in Jakobus 1,12: "Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieben."
Jakobus macht noch einmal deutlich: Gott will dich reichlich beschenken. Er wird das belohnen, obwohl wir den Lohn nicht verdient haben. Er will ihn uns schenken.
Darum sei treu, halte durch! Es erwartet dich so viel, Gott wird dich überreich beschenken. Er ist jetzt schon da.
Hier hat Jakobus so schön reingeschrieben, worauf es ankommt, was eigentlich Glaube ist. Wem hat Gott das verheißen? Denen, die ihn lieben, denen, die ihn als ihren Vater lieben, die Jesus vertrauen, seinem Wort glauben und sagen: "Mir ist es das Wichtigste, in einer geheilten Beziehung mit meinem Gott und Vater zu leben."
Auch wenn man immer wieder mal vom Weg abkommt, sich andere Motive einschleichen – aber man sagt: "Herr, ich habe dich lieb", wie Petrus gesagt hat: "Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe", nachdem er übel gescheitert war.
"Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen."
Streicht euch auch diese letzten beiden Verse an, wo noch einmal deutlich wird: Dieser Gott ist höchstpersönlich unser Vater, der unser Leben beschützt, der uns fest in seinen Händen hält, der Vater des Lichts, bei dem es keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis gibt.
Er ist immer gleich, immer treu und hat uns zu seinen Kindern gemacht.
Möge der Herr es schenken, dass wir beim weiteren Studium seines Wortes in den nächsten Tagen erkennen, wo wir angefochten sind oder wo Versuchung droht. Aber vor allem, dass wir durch all dies hindurch unseren Herrn, unseren Vater und Herrn Jesus Christus immer deutlicher erkennen und sehen.
Wir sollen verstehen, wie treu er ist, dass er uns festhält, ans Ziel bringt und auch diese Tage, die wir gemeinsam in Schönblick verbringen, dazu gebrauchen will.
Ich bete: Herr Jesus Christus, danke, dass du treu bist und an unserem Leben wirkst. Danke, dass du es festhältst.
Herr, du weißt, dass wir alle Angst haben, auch vor Anfechtung, und dass wir manchmal unter Druck stöhnen und wirklich zu kämpfen haben.
Danke, dass du das alles siehst und immer und unter allen Umständen das Beste mit uns meinst.
Danke, dass du garantiert hast, keines deiner Kinder zu überfordern und dass du auch dann noch da bist, wenn alle Kräfte schwinden, und uns festhältst.
Schenke uns vor allem, dass wir dich wirklich liebhaben, uns an dich klammern und immer dankbarer werden dafür, dass du uns festhältst und unser gnädiger, treuer, fürsorglicher Vater bist – durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.