Die Lehre der Apostel: Der zweite Korintherbrief, Vers für Vers. Eine Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, praktisch in der Nachfolge begleitet und dir einen geistlichen Impuls für den Tag gibt.
Mein Name ist Jürgen Fischer. Heute beschäftigen wir uns mit dem zweiten Korintherbrief, Kapitel 12, Verse 3 bis 10.
Die unerwartete Erfahrung einer himmlischen Entrückung
Obwohl Paulus solche Erfahrungen für eine Torheit hält, beginnt er doch damit, von Erlebnissen zu berichten, die er mit Gott gemacht hat. Darunter fällt auch eine Entrückung in den Himmel. In 2. Korinther 12,3-4 heißt es:
„Und ich weiß von dem betreffenden Menschen, ob im Leib oder außer dem Leib, weiß ich nicht, Gott weiß es, dass er in das Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte hörte, die einem Menschen nicht zustehen, sie auszusprechen.“
Paulus betont hier zweimal, dass er nicht genau weiß, ob er während dieser Erfahrung leiblich anwesend war oder nur eine Vision außerhalb des Leibes erlebt hat. Das weiß nur Gott. Man spürt, wie sehr ihn diese Erfahrung überfordert hat. Außerdem wird deutlich, dass Paulus diese Erfahrung nicht gesucht hat. Sie ist auf eine für ihn unerklärliche Weise einfach geschehen.
Was genau dort passiert ist, versteht letztlich nur Gott. Es geht also nicht darum, durch menschliche Techniken solche Erfahrungen zu erzwingen oder sie beliebig oft zu wiederholen. Paulus wurde in den dritten Himmel, beziehungsweise das Paradies, entrückt. Im Judentum gibt es die Vorstellung eines dreigeteilten Himmels. Der dritte Himmel ist dabei der oberste Himmel.
Ganz im Stil eines synthetischen Parallelismus wird hier das Paradies eingeführt, weil man dachte, dass die Toten nach dem Tod dorthin gelangen und dass dort Gott wohnt. Der dritte Himmel und das Paradies bezeichnen also denselben Ort.
Nun wird es etwas merkwürdig. Erstens schreibt Paulus nicht, was er sieht, sondern nur, dass er etwas hört. Zweitens hört er Worte, die unaussprechlich sind. Das bedeutet, man kann sie nicht in menschlicher Sprache wiedergeben.
Und selbst wenn es möglich wäre, steht es den Menschen, die diese Worte irgendwie verstanden haben, nicht zu, sie auf der Erde auszusprechen. Es gibt also Themen im Himmel, die nicht auf die Erde gehören.
Jeder, der davon berichtet, was er im Verlauf einer himmlischen Vision gehört hat, ist entweder – so denke ich – ein Aufschneider oder er versündigt sich an Gottes Gebot.
Die Bedeutung von Paulus’ Selbstverständnis und Demut
2. Korinther 12,5
Über diesen will ich mich rühmen, über mich selbst aber will ich mich nicht rühmen, nur der Schwachheiten. Merkt ihr, wie wichtig Paulus die Trennung ist? Es gibt diesen anderen, sagen wir mal privaten Paulus, der sich über das Erlebte freut, weil es ein ganz persönlicher Teil seiner Gottesbeziehung ist.
Aber in seiner Außenbeziehung, wo es um seine Berufung als Apostel geht, spielt nicht einmal eine so grandiose Erfahrung wie die Entrückung in den höchsten Himmel eine Rolle. Warum nicht? Weil sie keinen Wert für die Gemeinde hat, weil sie nicht angemessen kommuniziert werden kann, weil solche Erfahrungen nur Spaltungen und komische Sehnsüchte produzieren.
Häufig genug werden auf Visionen falsche Lehren aufgebaut, doch die Lehre der Gemeinde soll auf dem ruhen, was Jesus uns geboten hat. Der Paulus, den Sie als Gemeindegründer erlebt haben, hat nicht mit einer Entrückung in den Himmel geprahlt, sondern er rühmt sich seiner Schwachheiten.
2. Korinther 12,6
Wenn ich mich nämlich wirklich entschlösse, mich zu rühmen, wäre ich deshalb kein Tor, denn ich würde die Wahrheit sagen. Doch ich unterlasse es, damit niemand höher von mir denke, als dementsprechend, was er an mir sieht oder von mir hört.
Noch einmal 2. Korinther 12,6 – das war eben die Mengeübersetzung, jetzt nach der Neuen Genfer Übersetzung:
Wenn ich wollte, könnte ich mich sehr wohl auch mit anderen Dingen rühmen, ohne mich deshalb zum Narren zu machen, denn was ich sagen würde, wäre die Wahrheit. Trotzdem verzichte ich darauf, weil ich nicht möchte, dass jemand eine höhere Meinung von mir hat, als die, die er sich selbst bilden kann, wenn er sieht, wie ich lebe und hört, was ich lehre.
Es ist selten, dass mir die Elberfelder Bibel nicht so gut gefällt, aber hier ist es so. Sie ist mir einfach nicht verständlich genug, deshalb diese beiden anderen Übersetzungen.
Die Herausforderung des „Dorns im Fleisch“ als göttliche Disziplin
Paulus hat also diese Entrückung in den Himmel und besondere Offenbarungen erlebt. Doch was bringen sie ihm ein? Einen besonderen Status als Apostel? Nein, vielmehr einen Dorn im Fleisch.
In 2. Korinther 12,7 heißt es: „Auch wegen des Außerordentlichen der Offenbarungen, darum damit ich mich nicht überhebe, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, der mich mit Fäusten schlägt, damit ich mich nicht überhebe.“
Hier stehen zwei Erfahrungen gegenüber: Auf der einen Seite das Außerordentliche der Offenbarungen, auf der anderen Seite der Dorn im Fleisch. Gott selbst sorgt dafür, dass sein Apostel nicht stolz wird. Paulus betont dieses Ziel Gottes sogar zweimal: „damit ich mich nicht überhebe.“
Eine Entrückung in den Himmel ist keine kleine Sache. Es scheint, als stünde selbst ein Paulus in der Gefahr, sich darauf etwas einzubilden. Deshalb bekommt er einen Dorn oder einen Pfahl im Fleisch – einen Engel Satans, der ihn schlägt.
Was Paulus genau damit meint, wissen wir nicht. Es scheint sich um eine körperliche Einschränkung zu handeln. Was es genau ist, bleibt unklar. Doch wir wissen, dass es für Paulus eine Belastung war – eine andauernde, schmerzhafte Einschränkung seines Dienstes.
Gott benutzt einen bösen Engel, um seinen Diener zu demütigen. Das mag ein ungewöhnlicher Gedanke sein, doch dahinter steckt ein genialer Plan. Diesen hat Paulus auf folgende Weise entdeckt:
In 2. Korinther 12,8 steht: „Um dessen Willen habe ich dreimal den Herrn angerufen, dass er von mir ablasse.“
Was tun wir, wenn wir vom Teufel angefeindet werden? Ganz klar: wir beten. Paulus betet, dass der Engel Satans von ihm ablasse. Er begreift, dass hinter dem Dorn im Fleisch eine dämonische Macht steckt, und er betet dagegen an – dreimal, also ernsthaft und wiederholt, ähnlich wie Jesus in Gethsemane.
An dieser Stelle versteht Paulus noch nicht, was Gott will. Doch dann wird sein Gebet beantwortet – nur anders als erwartet.
Gottes Kraft in der menschlichen Schwachheit
2. Korinther 12,9: Und er hat zu mir gesagt: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung.“ Das ist die Antwort: Nein, ich heile dich nicht. Das, was du an Gnade hast, reicht völlig. Du musst verstehen, dass Gottes Kraft dort am besten wirken kann, wo der Mensch, der sie bekommt, schwach ist.
Dann bekommt der Dorn im Fleisch eine neue Bedeutung. Er ist jetzt nicht mehr eine Einschränkung seines Dienstes, sondern sorgt dafür, dass Gottes Kraft sich besser entfalten kann. Wenn man so will, steht jetzt durch den Dorn im Fleisch der Kraft Gottes weniger Ego im Weg. Gehen wir einfach mal davon aus, dass Paulus davon genug hatte.
Wichtig: Paulus bleibt schwach, der Dorn im Fleisch bleibt. Er bekommt nur eine neue Bedeutung im Leben des Apostels. Ich weiß nicht, ob wir das glauben wollen, aber immer dann, wenn Gott mir Schwäche und Schmerz zumutet, ist das auch eine Chance, dieser Welt seine Kraft zu offenbaren.
Hoffentlich verstehen wir, was hier steht. Manchmal steht meine Gesundheit dem Wirken Gottes im Weg.
2. Korinther 12,9: „Sehr gerne will ich mich nun viel mehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi bei mir wohnt.“ So wie Gott unter seinem Volk wohnt, so wohnt die Kraft Christi bei einem schwachen Apostel. Wenn unsere Ressourcen klein sind, ist Gottes Kraft groß.
Deshalb dürfen wir Momente der Schwäche feiern, wie eine nächtliche Flucht in einem Korb aus Damaskus. Wir mögen die Schwäche fühlen, aber es sind diese schwachen Momente, in denen wir völlig auf Gott vertrauen müssen und einmal mehr erleben, dass Gott bei den Demütigen ist, bei denen, die auf ihn harren.
Je mehr Verantwortung Gott uns im Reich Gottes gibt, desto mehr müssen wir die Lektion lernen, dass nicht wir es sind, die über den Erfolg unseres Dienstes entscheiden. Unser Ego und unsere natürlichen Begabungen stellen womöglich ein viel größeres Problem dar, als wir oft denken.
Ich mag dir einen Tipp geben: Ich habe damit angefangen, mich meiner Schwachheiten zu rühmen. Ich habe eine Liste angelegt, in der ich alles aufschreibe, was mich schwach macht, was mich einschränkt, und ich habe angefangen, Gott dafür zu danken.
Frage: Woran erkennt man einen echten Apostel? Antwort: Daran, dass er sich selbst zurücknimmt und es Gott erlaubt, seine menschlich schwächsten Momente in die geistlich stärksten zu verwandeln.
Die paradoxe Kraft der Schwäche als Lebensprinzip
2. Korinther 12,10
Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Misshandlungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten um Christi willen. Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.
Das ist das Fazit: Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark. Vorsicht, diese Stärke fühlt sich womöglich nicht stark an. Paulus erlebt, dass die vermeintlichen Katastrophen seines Lebens – Schwäche, Misshandlungen, Nöte, Verfolgungen, Flucht und Ängste – ihm dennoch etwas Positives bringen können.
Es sind Momente, in denen Gott mächtig durch ihn wirkt. Genau das ergibt heilsgeschichtlich Sinn: Wenn sich Gottes Retterkraft in der Hilflosigkeit und Schwäche eines gekreuzigten Messias offenbart, wie viel mehr dürfen wir dann erwarten, dass sich die Kraft dieses auferstandenen Rettergottes in genau den Menschen zeigt, die um Christi willen alle Arten von traumatisierenden Erfahrungen machen.
Es wäre merkwürdig, wenn man Christus kreuzigt, aber seine Apostel feiert.
Das war's für heute. Morgen geht es mit dem zweiten Korintherbrief weiter. Das Skript zum Vortrag findest du auf frogwords.de oder in der App.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
