Einführung in die Geschichte und die Hauptpersonen
Herzlich darf ich Sie bitten, bei 2. Samuel 18, insbesondere Vers 19, aufzuschlagen. Dort findet sich der erste Hinweis auf die Person, um die es gehen wird: Ahimaz, der Sohn Zadoks.
Zadok war der Sohn des Oberpriesters und befreundet mit einem anderen Priesterssohn, Jonathan, dem Sohn Abjatas. Abjatas stammte aus einem angestammten, alten Priestergeschlecht, das von Eli aus Silo herkam. Mit Zadok kam eine neue Priestergeneration, das heißt: Im Buch der Ersten Chronik wird Zadok als mannhafter Kämpfer beschrieben – eine ganz ungewöhnliche Pfarrersgestalt. Auch Ahimaz hatte etwas von diesem Kämpferischen in sich.
Es gab eine gewisse Rivalität zwischen den Vätern, wie das bei Pastoren üblich ist, doch die Söhne verstanden sich gut. Diese Rivalität bezog sich darauf, dass Zadok mehr dafür war, dass Salomo Nachfolger von David werden sollte, während der hohe Priester Abjatas eine andere Vorliebe für Amnon hatte.
Die beiden Söhne, Ahimaz und Jonathan, durchstreiften wahrscheinlich gemeinsam die neue Hauptstadt Jerusalem, den Berg Zion. Dabei wunderten sie sich nur darüber, wie ihr verehrter König David so blind sein konnte. War ihm nicht bewusst, dass Absalom am Thron seines eigenen Vaters sägte? Oder war David so vernarrt in seinen Sohn Absalom, dass er dachte: Der von Gott durch Nathan verheißene Sohn, dem will ich das Reich bestätigen? Der Sohn, der nach dir kommen wird, dem will ich das Reich bauen – das sei Absalom.
Kann David wirklich so verblendet sein, dass er diesen genialen, schön aussehenden Absalom, der brutal vorgehen konnte und der Herrscher sein wollte, ernsthaft für den richtigen Nachfolger hielt? Konnte David meinen, Absalom habe die Fähigkeit, auch die schwierigen Stämme Israels – das spätere Nordreich – an Jerusalem, an das Königtum zu binden?
Doch Ahimaz und Jonathan waren sich einig: Unser König David ist spitze. Die beiden Freunde, von denen die Bibel dann einiges gemeinsam berichtet, standen fest zu ihrem König.
Die Trauer des Königs und die Bedeutung des Evangeliums
Aber wir wollen heute nur den Abschnitt bis Kapitel 19, Vers 1 lesen. Da erbebte der König richtig, so wie bei einem Schüttelfrost, den wir bei Leidenden oder Trauernden erleben, wenn sich das Leid körperlich ausweitet. Er erbebte also der König.
Er ging hinauf in das Obergemach des Tores und weinte. Im Gehen rief er: „Mein Sohn Absalom, mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben, o Absalom, mein Sohn, mein Sohn!“ (19,1-4).
Und das Kriegsvolk stahl sich an diesem Tag in die Stadt davon, wie sich Kriegsvolk wegstiehlt, das sich schämen muss, weil es im Kampf geflohen ist. Denn der König hatte sein Angesicht verhüllt und schrie laut: „Ach, mein Sohn Absalom, Absalom, mein Sohn, mein Sohn!“
Wir können uns gar nicht vorstellen, wie diese Totenklage hebräisch geklungen haben muss: „Abschalom, beni, beni, beni, Abschalom, Abschalom, beni, wollte Gott, ich wäre für dich gestorben, beni, Abschalom, mein Sohn!“
Seitdem ich das im Ohr habe, hat uns mal der alte schweizerische Professor Köhler diese israelische Totenklage vorgesungen, fast vorgeschrien. Dieser Professor Köhler war damals wesentlich jünger als ich heute bin, kam uns aber furchtbar alt vor. Dennoch war es eindrücklich: „Absalom, mein Sohn, mein Sohn!“ Seit ich das gehört habe, tut es mir immer ein wenig weh.
Wenn in manchen unserer gut gemeinten geistlichen Lieder, sobald im Schnaderhüpfelton gesungen wird: „Er gab seinen Sohn, er hängte ihn ans Kreuz und er starb für mich“, können wir uns eigentlich den Schmerz des Vaters ausmalen. Er, der seines eigenen Sohnes nicht verschont hat.
Es dürfen von mir aus die Schwarzen in Südrastaten singen: „Oh happy day, when Jesus took my sins away“ – wie „Glücklicher Tag, als Jesus meine Sünden wegnahm“. Aber hören Sie immer als Grundton den Schmerz des Vaters mit. Die Choräle haben das viel besser aufgenommen. Sein Sohn ist ihm nicht zu teuer, nein, er gibt ihn für mich hin, damit er mich vom ewigen Feuer durch sein teures Blut gewinnt.
O, du unergründeter Brunnen! Wie will doch mein schwacher Geist, ob er sich auch hoch befleißigt, deine Tiefe ergründen können? Alles Ding wert seine Zeit: Gottes Liebe in Ewigkeit.
Sie merken, warum diese Geschichte der Hintergrund ist, damit wir das Leiden Jesu richtig einordnen können. Schon die Formulierung „Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben“ zeigt, dass David bereit gewesen wäre, sein Leben für seinen Absalom zu lassen – für den Unwürdigen.
Ähnlich und doch ganz anders ist der Wille des Vaters im Himmel, der nicht bloß sagte: „Wollte Gott, ich möchte das Leben lassen für dich“, sondern der die ganze Herrlichkeit seines Sohnes gab.
Aber diese Geschichte, die paar Verse, die wir heute ein bisschen ansehen wollen, haben auch noch einen anderen Hintergrund. Es wird uns deutlich gemacht, was Evangelium ist.
Man versucht heute, das ein bisschen attraktiv zu machen und übersetzt „frohe Botschaft“ oder „gute Nachricht“. Doch was heißt „gute Nachricht“? Wenn vorher schlechte Nachrichten kamen, wie etwa: „Gegen Himmelfahrt wird das Wetter wieder langsam besser und wärmer“, dann ist das eine gute Nachricht – aber kein Evangelium.
Die biblische Bedeutung des Evangeliums
Die ersten Christen haben bewusst einen Begriff gewählt, der außergewöhnlich ist. Im Alten Testament, genauer in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, gibt es zwei Geschichten, die eigentlich immer klar machen, was Evangelium, Evangelion, bedeutet.
Einmal ist es der ganze Geschichtenzyklus um Elisa, als Samarien von den Aramäern belagert und ausgehungert wird. Die Situation ist so verzweifelt, dass man sogar Taubenmist verkauft und Mütter ihre eigenen Kinder schlachten. Vor dem Stadttor stehen einige Aussätzliche, die sagen: „Wir verhungern hier. Jetzt gehen wir ins Lager der Aramäer, in die Zeltstadt. Vielleicht kriegen wir dort einen Brocken Abfall.“ So ähnlich hatten wir in der Nachkriegszeit gehofft, von den Amerikanern ein paar alte Stücke Weißbrot zu bekommen – vielleicht etwas Abfall.
Als sie ins Lager der Aramäer kommen, ist das Lager leer. Die Esel und Pferde sind angebunden, die Zelte aber voll mit Nahrung und Kleidung. Denn Gott hatte einen Schrecken über das Lager der Aramäer kommen lassen, und sie waren geflohen. Die Aussätzlichen schlagen zu und essen, bis sie nicht mehr können – so wie wir hier in Langenstein Barhöhe – und sagen: „Da ist so viel, es wäre doch ein Verbrechen, wenn wir es nicht in die Stadt hinausrufen würden: Leute, hier gibt es Essen, ihr müsst nicht verhungern. Hier gibt es in Hülle und Fülle zu essen.“ Dies ist ein Tag des Evangeliums, ein Tag der guten Botschaft.
Das Evangelium bedeutet also: Leute, hier gibt es etwas, ihr könnt euch das kaum vorstellen, welche Herrlichkeiten es gibt. Ihr könnt leben, ja ewig leben. Deshalb wurde der Begriff Evangelium übernommen – „gute Botschaft“.
In diesen wenigen Versen zwischen 2. Samuel 18, ab Vers 19 bis Kapitel 19, kommt fünfmal der Begriff Euangelion, „gute Botschaft“, vor. Vers 19: „Job sprach zu ihm: Du bist nicht der Mann für eine gute Botschaft.“ Vers 22: „Du hast keine gute Botschaft zu bringen.“ Vers 25: Der König sprach: „Ist er allein, so ist es eine gute Botschaft.“ Vers 27: „Eine gute Botschaft.“ Ein Abschnitt, der erklärt, was das Evangelium ist – eine gute Botschaft.
Es geht darum: Wenn Evangelium „gute Botschaft“ heißt, dann muss der Bote, auch wenn er kein geübter Läufer oder Meldegänger ist, so schnell er kann laufen. Auch wenn es keinen Lohn bringt, muss er loslaufen. So sagt Apostel Paulus einmal: „Ich habe meinen Lauf vollendet.“ Er meint damit, dass er das Evangelium verkündigen muss. Was ist denn sein Lohn? Auch wenn er keinen Lohn bekommt, ist es für ihn eine Ehre, es tun zu dürfen.
Paulus hat mit dem Material, das er in dieser Geschichte fand, den Begriff übernommen, der schon bei Jesaja vorkommt: vom Friedensboten. „Wie lieblich sind die Füße der Boten, die den Frieden verkündigen!“ Diese Dringlichkeit, die in der Heimatgeschichte zu spüren ist, zeigt: Man muss laufen, wenn es eine gute Botschaft ist. Paulus sagt: „Ich schäme mich der guten Botschaft nicht. Ich bin Schuldner.“ (Römer 1) Er muss die gute Botschaft verkündigen.
Die Bedeutung des Laufens und der Einsatz für das Evangelium
Vor vielen Jahren hat der Missionsarzt Dr. Gottfried Riedl, der in Bhutan eine Arbeit gegen Aussatz aufgebaut hat, unseren Konfirmanden in Ulm von seinen Erfahrungen berichtet. In seiner etwas spröden und zurückhaltenden Art erzählte er, wie beim Aussatz, also der Lepra, die Finger immer mehr verkrümmten.
Obwohl die Amerikaner damals, um 1960, Pillen erfunden hatten, die die akute Lepra zum Stillstand bringen konnten, konnten die von der Lepra Befallenen ihre Finger nicht mehr benutzen. Daraufhin kam Dr. Riedl als Missionsarzt auf eine besondere Beobachtung: Der Schöpfer, unser treuer Gott, hat in seiner großen Fürsorge rechts und links in die Wade eine Ersatzsehne eingebaut.
Er behauptete, ich kann das nicht nachprüfen, dass es sich um eine Sehne handelt, die wir sonst nicht brauchen. Diese Sehne kann man leicht herausnehmen. Als er erzählte, wie das gemacht wird, wurden zwei Konfirmandinnen ganz blass und kippten fast um. Die Sehnen werden herausgenommen, dann wird an der Hand die Ersatzsehne eingesetzt, und plötzlich lässt sich die Hand wieder bewegen.
So hat der Schöpfer dafür gesorgt, dass Material vorhanden ist. Diese Geschichte scheint mir auch symbolisch zu sein. Paulus erkannte nicht nur die Suche, die die Schrift bezeugt, die von Jesus spricht, sondern er fand auch ein Anschauungsmaterial, mit dem er seinen Dienst als Evangeliumsbote verdeutlichen konnte.
Er sagte: Ich muss es tun, auch wenn es keinen Lohn als Bote gibt. Es ist eine gute Botschaft, ähnlich und doch ganz anders. Nicht wie ein König, der seinen Sohn verschonen wollte, sondern ich erzähle euch von dem König, der seinen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für euch alle hingegeben hat.
Ähnlich ist der Bericht von der Opferung Isaaks auf dem Berg Moria. Dort wird derselbe Begriff benutzt: „Weil du deinen eingeborenen Sohn nicht verschont hast.“ Der gleiche Begriff, der auch von Absalom gesagt wird: „Verschone meinen Sohn.“
So gibt es geheimnisvolle Linien. Ich denke immer, die Bibel ist großartig wie eine toll konzipierte Symphonie, in der das Thema immer wieder auftaucht. Wir sind oft Stümper, wenn wir nur oberflächlich darüber gehen. Wir sollten in die Tiefe gehen und die Herztöne darin erkennen.
Das lernt man nicht in der Theologie, auch nicht an der Universität. Man bekommt es durch treues Bibellesen, langsam erkennt man die Zusammenhänge und Beziehungen.
Die Flucht Davids und die Intrigen in Jerusalem
Aber lassen Sie mich heute Abend, an diesem späten Abend, ein wenig diese Geschichte nacherzählen. Damals waren der junge Ahimat, der Priestersohn, und Jonathan, ein weiterer Priester, sehr besorgt. Sie fragten sich, wie es weitergehen würde mit Absalom. Dem könne man nicht trauen, denn er hatte sich einige Gespanne und eine Leibgarde organisiert. Das Herz der Leute begann zu wanken.
Schon bald kam ein Bote nach Jerusalem und berichtete: „Majestät, alles ist verloren. Dein Sohn Absalom hat sich in Hebron zum König ausrufen lassen.“ Hebron war die Stadt, in der auch David sich einst zum König hatte ausrufen lassen. Hebron liegt ganz im Süden; die Israeliten wissen, wie das im Süden liegt. Absalom hatte die Vertreter Israels aus dem Nordreich dorthin kommen lassen – genial konzipiert – und ließ sich dort zum König krönen.
Die Freunde Davids sagten, das werde nicht gut ausgehen. David antwortete: „Was heißt schon, nicht gut ausgehen? Wir müssen abhauen, so schnell wir können. Meinem Absalom ist alles zuzutrauen. Der hat ganz große Gaben. Wenn der mal anfängt, dann gibt es kein Halten mehr.“ Das waren die Worte Davids.
Er verließ mit seinen Getreuen Jerusalem, ließ seine Nebenfrauen im königlichen Schloss zurück und ging über den Kidron, das Haupt verhüllt, den Ölberg hinauf. Noch ein letztes Mal blickte er zurück, mit tränenden Augen. Er, der ehemalige Hirte, der seine Herde nie verlassen hatte, dessen Herz fast zerriss, weil er seine treuen Menschen und sein Jerusalem verlassen musste – jenes Jerusalem, in das er die Lade Gottes gebracht hatte.
Da kam Itai mit ein paar Soldaten. Der Priester Zadok brachte die Lade Gottes aus der Stadt, und Abiathar brachte Opfer dar. David sagte: „Moment mal, lasst die Lade hier in Jerusalem zurück. Wenn der Herr Wohlgefallen an mir hat, wird er mich wieder zurückbringen. Und wenn er kein Wohlgefallen an mir hat, so tue er, wie ihm wohlgefällt.“ So ist auch die Auslegung von „Er wird es wohl machen.“
In der Geschichte mit Batseba hatte David erfahren, dass Gott durch seinen eigenen Nachkommen, der von seinem Leib kommen wird, ihm große Beschwerden bereiten werde. Diese Rechnung würde nun fällig.
Auch kam Huschai, der Kluge, der Arachider, zu ihm – von dem wir sonst kaum etwas wissen. Huschai sagte: „Ich gehe mit dir.“ David antwortete: „Moment mal, Huschai, du könntest mir einen Dienst tun. Ich habe ein großes Problem. In der Stadt ist bei Absalom der clevere Ahitophel zurückgeblieben. Es gibt keinen Klügeren. Ich traue Absalom schon alles Böse zu, aber wenn jetzt auch noch Ahitophel da ist, gibt es für mich keine Rettung mehr.
Könntest du nicht versuchen, dich bei Absalom einzuschmeicheln und so tun, als würdest du auf seiner Seite stehen? Versuche aber, den Rat des Ahitophel ein wenig zu verändern, ein bisschen Wasser in seine Pläne zu gießen. Und gib mir Bescheid, wie die Lage in Jerusalem steht und wie sich die Dinge entwickeln.“
David fuhr fort: „Die beiden Priester Zadok und Abiathar habe ich auch in die Stadt zurückgeschickt. Ihnen könntest du Meldungen geben und ihren Söhnen. Ahimaz und Jonathan können dann Meldegänger sein, Kuriere, die mir Nachrichten bringen. Ihr sagt ihnen Bescheid. Wir werden sie außerhalb von Brunnen Rogel lokalisieren, nicht in der Stadt. Eine Magd soll die Nachrichten von den Priestern zum Brunnen Rogel bringen, durch eine Kurierstaffette.
Dann gehen die beiden los und sagen mir, dass wir jetzt über die Berge auf einer Spur gehen, die sonst nicht üblich ist, bis an den Jordan. An dem Jordan wollen wir dann hören, wie sich die Dinge in Jerusalem entwickeln.“
Die Intrigen und die Flucht der Boten
So hat der junge Ahimaz eine Aufgabe bekommen. Der Priestersohn ist plötzlich mitten im Geschehen. Dann überschlagen sich die Dinge in Jerusalem.
Absalom feiert oben auf dem Dachgarten des königlichen Schlosses seine Siege mit den Nebenfrauen Davids. Damit bringt er Schande über das Haus Davids, als wollte er sagen: „Es geht mich nichts an, was David, mein Vater, wollte!“
Dann fragt er Ahitophel: „Was rätst du? Sollen wir sofort losgehen, David nachjagen, ihn einholen und schlagen? Oder sollen wir ein bisschen abwarten?“ Ahitophel antwortet: „Es gibt nichts anderes, als so schnell wie möglich loszugehen. Sonst ist der Sieg verloren. Wir müssen nachstoßen, so schnell wir können.“
Absalom macht einen Fehler und fragt Huschai: „Was meinst du? Du kennst meinen Vater vielleicht noch besser.“ Huschai sagt: „Dein Vater ist ein gefährlicher Mann. Er ist wie ein Bär, der verwundet ist. Wenn er verletzt wird, schlägt er um sich und ist unberechenbar. Wenn ihr euren Vater oder sein Heer nur leicht verletzt, dann schlägt er um sich und wird fanatisch. Besser ist es, du sammelst alle verfügbaren Soldaten aus dem ganzen Nordreich. Mit der gesamten Heeresmacht erdrückst du ihn.“
Huschai wollte Zeit gewinnen. Absalom sagt: „Gut, das ist ein guter Rat, das machen wir. Wir holen zuerst alle verfügbaren Soldaten aus dem ganzen Nordreich zusammen.“
Als Ahitophel merkt, dass sein guter Rat nicht gehört wird, zieht er sich zurück. Er geht hinaus, setzt sich auf seinen Esel und reitet nach Arach. Dort erhängt er sich. Er hatte noch Stolz: „Wenn ich so brüskiert werde, wenn man mich nicht hören will, bin ich bis auf die Knochen blamiert.“
Dann lässt Huschai durch den Priester Zadok und durch die Magd Ahimaz und Jonathan am Brunnen Rogel ausrichten, David solle so rasch wie möglich über den Jordan ins Ostjordanland fliehen.
Doch in dem Moment, als die Magd die Botschaft überbringen will – also an Ahimaz und Jonathan, an die Kuriere – werden sie von einem kleinen Burschen entdeckt. Der Feind hört mit. „Was spielt sich da ab? Was tut die Frau mit den beiden Priestersöhnen?“ Das meldet er sofort im königlichen Schloss.
König Absalom lässt sofort die Polizei ausreiten, die ganze Feldgendarmerie. Zuerst verstecken sich Ahimaz und Jonathan in einem Brunnen, ähnlich wie die Kundschafter bei Jericho. Die Frau, die sie versteckt, legt eine Decke über den Brunnen und streut Gerste darauf.
Dann gehen sie auf einer falschen Spur durch das Gebirge zu David und sagen: „Auf, über den Fluss!“ Huschai lässt es ausrichten: „Flieh, flieh, flieh!“
Bei den Römern hieß das „Fuge, Fuge, Fuge“, „Cito, Citius, Citissime“ – flieh, flieh, flieh, so schnell du kannst. Was die Hebräer gesagt haben, weiß ich nicht.
David flieht ins Ostjordanland, in die kleine befestigte Stadt Mahanaim.
Die Schlacht und der Tod Absaloms
Und dann wird David berichtet, dass Absalom sein Heer versammelt hat. Die großen Heerscharen sind beieinander, und sie ziehen ins Ostjordanland. Sie werden uns in Mahanaim erdrücken.
Das kleine Heer, das bei David verblieben ist, zieht durchs Tor aus. Das einzige schöne Gebäude in Mahanaim ist kein Schloss, sondern bloß der Torturm, in dem David wohnt. David tritt ins Tor und lässt diese armselige Parade an sich vorbeimarschieren.
Die drei Heerhaufen sind im Karree aufgestellt: einer unter Joab, einer unter Abischai und einer unter Amasa. Der Dritte heißt Itai. David gibt den drei Befehlshabern und den Hauptleuten, die er vortreten lässt, einen klaren Tagesbefehl: Verschont den Jungen – so wird Absalom immer auf Hebräisch genannt. Hoffentlich siegt ihr, aber habt Acht auf meinen Sohn Absalom. Er muss am Leben bleiben. Verschont ihn und das ganze Heer!
Das ganze Heer hört diesen merkwürdigen Tagesbefehl. Dann ziehen sie aus. Es entbrennt eine furchtbare Schlacht auf dem Gebirge Ephraim. An diesem Tag fressen der Wald, die Gehege, die Hecken und die alten Steinbrüche mehr Menschen als die eigentliche Schlacht. Es muss eine schreckliche Schlacht gewesen sein.
Absalom wird vor den Männern Davids geschlagen. Auf der Flucht reitet er auf seinem Maultier unter einer Eiche hindurch und bleibt im dichten Geäst hängen. Schnorr von Carolsfeld hat ihn so dargestellt, dass er mit seinen schönen, langen, gepflegten Haaren – wie manche junge Leute sie heute haben – hängen bleibt. Vielleicht ist er aber auch in eine Astgabel geraten, und das Maultier ritt unter ihm weg, sodass er hängen blieb.
Einer der Soldaten entdeckt ihn, den Königssohn, den Aufrührer, der da an der Eiche hängt. Er sucht Joab, den Feldhauptmann, und sagt: „Herr General, ich habe Absalom gefunden, er hängt da an einer Eiche. Warum hast du ihn nicht gleich getötet? Ich hätte dir ein Geschenk gegeben. Heute Morgen haben wir ja schon darüber gesprochen.“
Joab antwortet: „Herr General, ich habe doch heute Morgen den Tagesbefehl gehört: Verschont mir den Sohn.“ Doch dann sagt Joab: „Ich kann nicht lange mit dir diskutieren.“ Er nimmt vier Stäbe und stößt sie in Absaloms Leib. Seine Waffenträger kommen hinzu und schlagen ihn endgültig tot.
Grausam! Die Welt ist grausam. Man braucht nur in eine Zeitung zu schauen, um zu merken, wie grausam die Welt ist.
Wie in Korntal mit unseren Kinderheimen. Während des Irakkrieges, als Hunderttausende gegen den Krieg aufstanden – ein Krieg, der bestimmt schlimm war – fragten wir: Wer steht denn auf gegen die Zerstörung so vieler Familien und die Schäden, die Kinder dabei erleiden? Da muss man sehen, was das für Sozialarbeiter und Pädagogen bedeutet, die nur versuchen, ein kaputtgegangenes Kind noch ein bisschen zu retten.
Ein Krieg geht durch unsere Welt – gegen die Kinder. Aber die Welt ist grausam.
Die Überbringung der Nachricht und die Reaktion des Königs
Als Ahimat das gehört hatte, ging er zu Joab und sagte: „Jetzt darf ich unserem verehrten König die Nachricht bringen, dass er endlich gesiegt hat, dass die gerechte Sache gesiegt hat.“
Joab antwortete: „Ach, kommen Sie, wir lesen den Text.“
Achimat, der Sohn Zadoks, Vers 19: Ich versuche immer wieder, zwischendurch hineinzukommentieren. Achimat, der Sohn Zadoks, sprach: „Lass mich doch laufen und dem König die gute Botschaft bringen, dass der Herr ihm Recht verschafft hat gegen seine Feinde.“
Aber Joab sagte zu ihm: „Du bist heute nicht der Mann für eine gute Botschaft. An einem anderen Tag darfst du eine Botschaft bringen, aber heute nicht. Denn der Sohn des Königs ist tot, der Grabe griffen.“ Das ist der Punkt.
Ja, keine gute Botschaft, wenn der Sohn des Königs tot ist. Und wir hatten den klaren Befehl, dass er erhalten bleiben soll, verschont bleiben soll.
Joab befahl dem Mohren – im Hebräischen heißt das Kushi. So wurde es früher genannt. Ich habe immer geglaubt, das sei ein Eigenname, aber es bedeutet „der Kuschiter“, also der Afrikaner. So wie in unserer Jugend bei den Olympischen Spielen 1936 Jesse Owens der schnellste war und der beste Weitspringer. Dunkelhäutige können irgendwie schneller laufen.
Damals waren die Schwarzen offenbar die Meldegänger, die Schnellläufer, die Nachrichtenüberbringer.
Joab befahl dem Mohren: „Geh hin, lauf, sage dem König an, was du gesehen hast.“
Der Mohr warf sich vor Joab auf die Erde und lief los wie angebrannt.
Ahimat aber, der Sohn Zadoks, sprach abermals zu Joab: „Komme, was da will, ich möchte auch laufen, von mir aus dem Mohren hinterher.“
Joab sagte: „Was willst du laufen, mein Sohn? Du hast keine gute Botschaft zu bringen.“
Ahimat sagte: „Komme, was da will, ich laufe.“
Da sprach Joab zu ihm: „Los, von mir aus!“
Ahimat lief auf dem Weg durchs Jordantal und kam dem Mohren zuvor.
Durch das Jordantal war es zwar ein bisschen weiter, aber man konnte schneller loslegen.
Es ist wie wenn ich von Korntal über die Vizinalstraße nach Langensteinbach komme. Das ist zwar ein bisschen kürzer, aber auf der Autobahn geht es schneller.
Ahimat hat begriffen: Wenn ich durch die Schleichwege im Gebirge gehe, ist das zwar kilometermäßig kürzer, aber unten in der Jordanaue kann ich schneller starten.
Beflügelt von der Botschaft, dass mein König durch Gott Recht bekommen hat, war das wie eine neue Bestätigung durch Gott.
Mit dieser neuen Dynamik lief er los und überrundete den Mohren.
Die Ankunft der Boten und die Reaktion Davids
Jetzt Szenenwechsel: David saß zwischen den beiden Tortürmen. Der Wächter ging aufs Dach des Tores an der Mauer, hob seine Augen auf und sah einen Mann allein laufen. Er sagte es dem König an.
Der König fragte: „Ist er allein?“
„So ist sicher ein Evangelium, eine gute Botschaft, in seinem Mund“, antwortete der Wächter. Solange es nicht Hundertschaften eines geschlagenen Heeres sind, ist ein einzelner Mann eine gute Nachricht.
Als der Mann immer näher kam, sah der Wächter einen zweiten Mann laufen. Er rief hinunter ins Tor: „Siehe, da kommt noch ein Mann allein!“
Der König sagte: „Er ist auch ein guter Bote.“
David war oft wie ein Engel Gottes, der wusste, was im Menschen war. Aber es war auch rein taktisch: Wenn nur zwei laufen, dann ist es noch kein geschlagenes Heer. Das ist sicher auch eine gute Botschaft.
Der Wächter sprach: „Ich sehe den Ersten laufen, es ist Ahimath, der Sohn des Zadochs.“
Der König sagte: „Er ist ein guter Mann, er bringt Evangelium, eine gute Botschaft.“
Ahimath rief zum König hinauf ins Tor: „Friede!“ Er fiel nieder vor dem König auf sein Antlitz zur Erde und sprach:
„Gelobt sei der Herr, dein Gott, der die Leute dahingegeben hat, die ihre Hand gegen meinen Herrn, den König, erhoben haben.“
Der König fragte: „Geht es auch meinem Sohn Absalom gut? Geht es dem Jungen gut?“
Ahimath antwortete: „Ich sah ein großes Durcheinander, ein großes Getümmel, als Joab, des Königs Knecht, und ich, dein Knecht, gesandt wurden. Ich weiß aber nicht, was los war.“
Der König sagte: „Tritt zur Seite! Stell dich da hin!“
Ahimath trat zur Seite und blieb stehen.
Da kam der Mohr und sprach: „Gute Botschaft, mein Herr und König! Der Herr hat dir heute Recht verschafft gegen alle, die sich gegen dich auflehnten.“
Der König fragte den Mohr: „Geht es meinem Sohn Absalom auch gut?“
Der Mohr antwortete: „Es möge den Feinden meines Herrn, des Königs, ergehen, wie es dem jungen Mann ergangen ist, und allen, die sich böswillig gegen dich auflehnen.“
Da erbebte der König und rief: „Absalom, mein Sohn, mein Sohn!“
Die theologische Bedeutung der Erzählung
Könnem erzählte eine Geschichte, wie wir sie selten in der Bibel finden. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die biblischen Berichte, besonders die über Jesus, sehr prägnant sind? Die Reporter der Bild-Zeitung könnten davon lernen: drei, vier Sätze, und die Geschichte ist erzählt. Zum Beispiel: „Es kamen Aussätzige, er rief und sprach: Herr Barmati! Und Jesus legte die Hand auf ihn und heilte ihn.“ Ganz kurze Berichte.
Warum aber ist hier ein so ausführlicher Bericht mit erzählerischem Können gestaltet? Es hätte doch genügt, wenn nur der Kummer des Vaters beschrieben worden wäre. Es hätte einfach heißen können: „Und Absalom wurde von Joab totgeschlagen. Als David davon hörte, erbebte sein Herz.“ Und die ganze Geschichte mit Ahimaaz – was bringt sie? Man könnte sie weglassen.
Warum also diese ausführliche Geschichte? Selbst wenn es darum gegangen wäre, die Thronwirren in der Thronfolge Davids zu schildern, hätte man die ganze Ahimaaz-Geschichte nicht gebraucht. Die Bibel lässt vieles weg und berichtet nicht ausführlich wie ein Geschichtsbuch. Die Geschichte ist fast beiläufig erzählt, fast nur packend wie eine Tragödie.
So wie die Gestalt des Läufers von Marathon, der nach der Schlacht von Marathon, die ja wesentlich später war als die Schlacht Absaloms, bis heute die Menschen bewegt. Nicht nur wegen des Marathonlaufs, sondern weil dieser Läufer seine vierunddreißig Kilometer herunterpreschte und nur noch rufen konnte: „Wir haben gesiegt!“ Dann brach er atemlos zusammen und starb. Bewegend, tragisch und faszinierend ist, wie er seine letzte Kraft im Laufen einsetzte, um die Botschaft zu überbringen: „Wir haben gesiegt! Friede!“
So könnte es sein, dass diese kleine Erzählung aus dem Altertum Israels einfach hinein gehört in die Geschichte des von Gott erwählten David. Ich habe mich lange gefragt, warum. Ich glaube, dass wir verstehen können, was Markus mit seinem ganzen Evangelienbericht meint, wenn er schreibt: „Das ist der Anfang des Evangeliums.“ Er schreibt nicht einfach die Geschichte von Jesus. Nein, das ist etwas, das hinausgeschrien werden muss. Es ist eine Nachricht, die wie ein Lauf durch den Mittelmeerraum gehen muss – die Nachricht von Jesus.
Warum sagt Paulus in Römer 1, dass er verpflichtet ist, das Evangelium zu verkünden? Er ist berufen als Apostel durch den Vater von Jesus Christus ausgesondert, das Evangelium Gottes zu predigen. Er schämt sich dieses Evangeliums nicht, denn es ist die Kraft Gottes.
Schon in diesem alten Bericht über Ahimaaz finden sich Materialien, die geistliche Tatsachen anschaulich und lebendig machen können. Sie geben uns auch einen Impuls, die oft verhockte Christenheit zu wecken. Es ist, als ob ich rufen würde: „Lauf doch!“ Wir bleiben oft in den engsten Kreisen stecken. Wir schaffen es nicht einmal, unserer eigenen Familie das Evangelium zu vermitteln. Wir tun uns schwer, als wollten wir einen stinkenden Hering aus der Tasche ziehen, wenn wir von Jesus reden.
Doch nein, es ist Evangelion – die frohe Botschaft vom Sieg. Nicht nur vom Sieg, sondern von dem, der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat. Wenn David in verständlicher Vaterliebe, fast wie eine Affenliebe, gesagt hat: „Verschon mir meinen Absalom!“, dann hatte Jesus noch viel mehr Würde in der Ewigkeit beim Vater. Dennoch konnte Gott sagen: Für diese Lumpenkerle da auf der Welt, die keinen Anstand in ihr Leben bringen, soll mein Sohn sterben. Wozu? Dann lassen wir es eben. Sie verdienen es nicht besser als Sodom und Gomorra. Nein, Gott hat seinen eingeborenen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle dahingegeben.
Das ist das Evangelium, die gute Botschaft von der großen Liebe Gottes. Er hat Jesus für den Glauben hingestellt, in seinem Blut. Wir sollten nicht so viel argumentieren und diskutieren, sondern einfach bezeugen: Gott will dafür sorgen, dass diese Botschaft ankommt.
Wir können das nicht nur intellektuell klarmachen, mit unserem Verstand. Der große amerikanische Schriftsteller John Updike, der selbst kein bekennender Christ sein will, hat gesagt: In den Zweifeln der modernen Welt ist unsere irdische Existenz sinnlos, wenn keine übernatürliche Rettungsaktion geschieht. Wenn da nichts Überirdisches passiert, das über unseren Verstand hinausgeht, hilft nichts.
Gott hat seinen heiligen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns dahingegeben. Er wollte sagen: Ich wäre für dich gestorben. Jesus hat sich für uns hingegeben. So wie ich rufe: „Lauf doch!“ Wir brauchen wieder diese Dynamik des Evangeliums, diese Freude, es zu bezeugen.
Ich habe mich manchmal komisch, fast armselig gefühlt, wie ich mein Pfarrleben bürokratisch gelebt habe. Aber da ist einer gelaufen mit letzter Kraft, nur um die Botschaft zu überbringen, mit vollem Einsatz und dabei überglücklich.
Wir haben eine viel bessere Botschaft zu verkünden und sollten alle Phantasie, alle Dynamik und alle Kraft aufwenden, um sie weiterzugeben.
Herr Jesus, hab Dank, dass du dich für uns hingegeben hast. Und dass wir davon leben, auch in unserem Glauben. Dass es Boten gab, die diese Dynamik in ihrem Leben hatten und sie weitergegeben haben.
Kindergottesdienst-Helferinnen, Patentanten, Großmütter, Erzieherinnen und Lehrer – danke für die vielen Menschen, bei denen wir gespürt haben, dass bei Ihnen keine Routine herrscht. Sie haben uns auf den großen Vater hingewiesen, deinen Vater, Herr Jesus, der dich nicht verschont hat, und du hast Ja dazu gesagt.
Damit wir wissen: Es ist etwas geschehen, damit wir aus dem Verderben gerettet werden können. Die überirdische Rettungsaktion ist in Kraft.
Gib, dass wir uns hier anvertrauen und mit Liebe und Eifer versuchen, diese Botschaft weiterzugeben. Amen.