Begrüßung und Einführung in das Thema Alkoholkonsum und Geistfüllung
So, jetzt sind alle Mann an Bord! Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Liebe Gemeinde, die Bibel ist immer wieder für Überraschungen gut. Vielleicht ist es Ihnen heute Morgen genauso ergangen: Sie kommen hierher, setzen sich in die Reihe, bekommen Ihren Gottesdienstzettel und das Erste, was Sie lesen, im Predigttext lautet: „Sauft euch nicht voll Wein.“ Na, das ist ja eine Begrüßung am Sonntagmorgen, sage ich Ihnen.
Dass es für einen Christen eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, sich nicht mit Wein vollzusaufen, wird hier sehr drastisch ausgedrückt. So entspricht es auch dem griechischen Wort, das dort steht. Die Bibel ist übrigens nicht grundsätzlich gegen den Gebrauch von Alkohol, wenn er maßvoll erfolgt. Denken Sie daran, dass Jesus bei der Hochzeit in Kana Wasser zu Wein gemacht hat. Auch Paulus hat seinem Mitarbeiter einmal geraten, um besser mit seinem Magenproblem klarzukommen, ab und zu mal einen Schluck Wein zu trinken.
Aber natürlich warnt die Bibel an vielen Stellen und gibt genügend Beispiele, wo Leute sich nicht an den maßvollen Gebrauch gehalten haben. Die Bibel warnt ganz klar vor einem Missbrauch des Alkohols.
Wir fragen uns natürlich, warum Paulus gerade hier im Epheserbrief so betont: „Sauft euch nicht voll mit Wein.“ Der eigentliche Zielpunkt, auf den er zusteuert, steht nämlich im zweiten Teil des Verses: „Lasst euch vom Geist erfüllen.“ Darauf zielt alles hin.
Gemeint ist der Heilige Geist. Lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen – darauf zielt das Ganze ab. Die Frage ist natürlich, warum Paulus ausgerechnet den Gegensatz zwischen Betrunkenheit und Erfüllung mit dem Heiligen Geist betont. Eine interessante Frage.
Aber auch ohne diesen ersten Teil mit der Warnung vor dem Alkoholmissbrauch wäre dieser Vers 18 noch brisant genug: „Lasst euch erfüllen vom Geist.“ Denn seit Jahrzehnten – was sage ich – seit Jahrhunderten diskutieren Christen darüber, was es bedeutet, mit dem Heiligen Geist erfüllt zu sein.
Die Bedeutung der Geistfüllung im Epheserbrief
Der Vorteil einer solchen Predigtreihe besteht darin, dass sie uns – ob wir wollen oder nicht – immer wieder an bestimmte Textzusammenhänge heranführt, an die wir uns vielleicht freiwillig gar nicht herantrauen würden. Ich freue mich sehr, dass wir heute damit weitermachen können, nachdem wir in den letzten Wochen verschiedene andere Texte untersucht haben und die Unterbrechung durch Urlaub und Ferienzeit dazwischen lag. Nun können wir unsere Predigtreihe wieder fortsetzen.
Eine Predigtreihe zwingt uns, das Wort Gottes Schritt für Schritt wirklich zu behandeln. So werden wir heute vor den Vers 18 und die folgenden Verse gestellt, die von der Erfüllung mit dem Heiligen Geist sprechen. Sind wir erfüllt mit dem Heiligen Geist? Eigentlich sollte dieser Vers kein Zankapfel sein, sondern eine Ermutigung und Erleichterung für uns Christen bedeuten.
Denn gerade wenn man die Abschnitte davor studiert hat – also das, was wir in den Monaten und Wochen vor den Sommerferien getan haben – wird deutlich: Der Epheserbrief ist ganz schön anspruchsvoll. Und mit anspruchsvoll meine ich nicht in erster Linie das intellektuelle Verständnis. Das kann man sich erschließen, wenn man gut studiert, miteinander die Bibeltexte vergleicht und sich Zeit nimmt.
Ich meine vor allem den Anspruch an den Lebensstil, den Paulus hier beschreibt. Nicht der Epheserbrief an sich ist anspruchsvoll, sondern wir müssen sagen: Gott ist anspruchsvoll. Wenn wir sehen, was hier zuvor in den Versen steht, wird das klar. Zum Beispiel in Vers 5: Wir sollen alles am Wort Gottes prüfen, was uns begegnet. Oder in Vers 11: Wir sollen keine falsche Gemeinschaft haben. „Habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, deckt sie vielmehr auf.“
In Vers 15 heißt es: „So seht nun sorgfältig darauf, dass ihr euer Leben als Weise führt und nicht als Unweise.“ Vers 16 fordert uns auf: „Kauft die Zeit aus.“ Und in Vers 17 steht: „Versteht Gottes Willen.“ Gott ist anspruchsvoll.
Wenn man das so liest und ernst nimmt, merkt man sehr schnell, wie wir an unsere Grenzen stoßen und sich die Frage stellt: Wie kann ein Mensch das überhaupt schaffen? Wieder ist es so, wie schon so oft: Paulus rechnet mit unserer Zwischenfrage oder unserem Seufzen. Er weiß um die Gefahr des gesetzlichen Krampfes. Das hatte er selbst als Pharisäer jahrelang erlebt. Er mühte sich, die Gebote Gottes so klein und klar wie möglich einzuhalten. Doch er fand keinen Frieden in seinem Herzen. Oft genug hat er erfahren, was gesetzlicher Krampf bedeutet.
Deshalb sagt Paulus: Gut, du hast verstanden, dass Stillstand Rückschritt im geistlichen Leben ist. Du willst Jesus ähnlicher werden, aber du merkst auch deine Grenzen. Wenn du im Glauben wachsen willst, wenn du immer mehr in das Leben hineinwachsen möchtest, das im Epheserbrief beschrieben wird, dann hat Gott dafür einen Weg vorgesehen. Dieser Weg heißt: Lass dich erfüllen vom Heiligen Geist.
Missverständnisse über die Erfüllung mit dem Heiligen Geist
Und wir fragen: Was meint Paulus?
Es gibt ein Missverständnis, das in christlichen Kreisen ziemlich weit verbreitet ist. Viele denken, Geisterfüllung bedeute, dass man durch ein einmaliges, spezielles Erlebnis eine Art Power-Ausrüstung bekommt. Vielleicht geschieht das bei einer Konferenz oder dadurch, dass man in seiner stillen Zeit plötzlich eine Vision hat. Danach sei man ausgefüllt mit dem Heiligen Geist und strotze geradezu vor geistlicher Kraft.
Gerade im Rahmen der charismatischen und der Pfingstbewegung gibt es viele Angebote, die genau das versprechen. Man wird eingeladen zu Konferenzen mit dem Versprechen: Komm zu dieser Konferenz, und dort wirst du erleben, dass du ausgefüllt wirst mit dem Heiligen Geist. Oft erhält man dort Handauflegung von besonders geistbegabten Christen, wie man sagt.
Diese Veranstaltungen sind häufig begleitet von spektakulären und enthusiastischen Phänomenen, bei denen viel passiert und die Emotionen stark aufgewühlt werden. Dann sagt man: So, jetzt hast du eine spezielle Erfüllung mit dem Heiligen Geist erfahren.
Übrigens gehört auch Peter Wenz von der sogenannten Glaubensgemeinde in Stuttgart zu dieser schwärmerischen Gruppierung. Wenn ich richtig informiert bin, wird er heute Abend die evangelische Seite bei Sabine Christiansen um 21:45 Uhr vertreten. Nur damit Sie das einordnen können.
Ich weiß nicht, ob das heute Abend deutlich werden wird. Es ist aber natürlich auch betrüblich, dass ausgerechnet ein so dezidierter Vertreter einer extrem charismatischen Bewegung die evangelische Seite in dieser Diskussion vertritt.
Viele Menschen haben die Aufforderung von Paulus falsch verstanden: Hol dir Power, lass dich erfüllen mit dem Heiligen Geist. Dabei wird der Heilige Geist nicht, wie die Bibel ihn vorstellt, in erster Linie als Person gesehen. Stattdessen wird er als eine Energie verstanden, als eine zusätzliche Kraft und Power-Ausrüstung mit einer speziellen Energie, einer geistlichen Kraft, die man für den Heiligen Geist hält.
Aber hat Paulus das gemeint?
Man beruft sich immer wieder auf Stellen wie diese und sagt: Leute, die Bibel sagt doch, wir sollen uns erfüllen lassen mit dem Heiligen Geist. Drum kommt doch zu den Konferenzen, macht das doch mit, lasst euch mal richtig mitreißen, und dann werdet ihr merken, wie ihr mit neuer Power in euren Alltag zurückkehrt.
Das ist sicher gut gemeint. Aber was hat Paulus tatsächlich gemeint?
Die Gemeinde hat den Heiligen Geist bereits empfangen
Sehen wir genauer hin: Paulus wendet sich hier an Menschen, die den Heiligen Geist bereits empfangen haben.
Wir haben das vor einiger Zeit studiert, als wir Epheser 1,13 gelesen haben. Dort sagt Paulus, dass die Gläubigen, als sie zum Glauben kamen, mit dem Heiligen Geist versiegelt wurden. Dieses Versiegeln war ein einmaliges Ereignis, das geschah, als sie sich zum Glauben an Jesus Christus bekehrten.
In diesem Moment erkannten sie, dass sie den Herrn Jesus und seine Vergebung brauchen, um mit dem heiligen Gott versöhnt zu sein. Da wurden sie mit dem Heiligen Geist versiegelt und bekamen vom lebendigen Gott den Heiligen Geist.
Der Heilige Geist wurde ihnen gewissermaßen als ein Siegel aufgedrückt. Ein Siegel bedeutet: „Du gehörst zu mir.“ Damit bindet Jesus sich und uns untrennbar zusammen. Ein Siegel bezeichnet Eigentum. Denken Sie an die Versiegelung von Rindern in einer Herde: Sie bekommen ein bestimmtes Siegel und tragen damit das Kennzeichen ihres Eigentümers.
So tragen auch wir das Kennzeichen Jesu. Er hat uns mit dem Heiligen Geist ausgestattet und dadurch deutlich gemacht: Du bist jetzt mein Eigentum, du gehörst zu mir. Keine Macht der Welt kann einen Christen mehr aus der Hand von Jesus Christus reißen.
Jesus ist jetzt bei uns, untrennbar mit unserem Leben verbunden. Er lebt in uns durch den Heiligen Geist, sagt die Bibel. Das ist ein Geheimnis.
Der Heilige Geist hilft uns jetzt, die Bibel besser zu verstehen, zu beten und Gott zu vertrauen.
Das ist das Erste, was wir hier bedenken müssen: Paulus wendet sich an Menschen, die den Heiligen Geist bereits haben.
Die Gemeinde als Ganzes und der andauernde Prozess der Geistfüllung
Dann Beobachtung B: Paulus wendet sich an die ganze Gemeinde. Er sagt: Lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen. Er spricht nicht einzelne Leute an, keine Elite, die in besonderer Weise geisterfüllt ist, während die anderen nur ganz normal Jesus Christus nachfolgen sollen. Stattdessen wendet er sich passend an alle. Er sagt: Lasst euch erfüllen – das ist wichtig für die ganze Gemeinde.
Dann Beobachtung C: Das ist eine grammatikalische Beobachtung. Ich möchte Sie nicht mit Grammatik quälen, aber hier ist es einfach wichtig. Dieser Befehl, dieser Imperativ „lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen“, ist ein Imperativ Präsens, also Gegenwartsform. Im Griechischen drückt das immer etwas Andauerndes aus. Es gibt auch einen Imperativ, der einen einmaligen Akt beschreibt, aber dieser Imperativ hier beschreibt einen andauernden Prozess. Das heißt, die Erfüllung mit dem Heiligen Geist ist kein einmaliges Erlebnis, sondern ein beständiger Prozess, in dem wir immer leben sollen. Lasst euch beständig erfüllen mit dem Heiligen Geist – so ist das hier gemeint, Imperativ Präsens.
Und dann Beobachtung D: Jetzt kommt die Sache mit dem Alkohol in den Blick. Paulus sagt: Sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen. Das heißt, bei diesem Prozess der Erfüllung mit dem Heiligen Geist geht es nicht um ein rauschhaftes Geschehen. Es geht nicht darum, dass unsere Sinne benebelt werden und wir in Ekstase geraten, so dass wir nicht mehr wissen, was wir tun sollen und plötzlich erfüllt mit dem Heiligen Geist sind. Gerade das schließt Paulus hier aus. Wir sollen nicht von irgendwelchen Emotionen weggerissen werden.
Und wenn Paulus das schreibt, dann bestand offensichtlich schon damals die Gefahr, die Sache mit der Geisterfüllung misszuverstehen. Das ist kein Phänomen unserer Tage. Damals gab es ein heidnisches religiöses Umfeld. Zum Beispiel war es im Dionysos-Kult üblich, sich durch Alkohol in religiöse Ekstase zu versetzen. Beim Dionysos-Kult wurde man durch Rauschmittel inspiriert. Je mehr man in Ekstase war, umso näher glaubten die Leute, war man der Gottheit. Man war fasziniert, außer sich, in einem religiösen Rausch. Das war das religiöse Umfeld damals.
Paulus sagt: Lasst euch nicht mit Wein füllen, sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt. Er meint damit, der Verstand wird benebelt, du wirst unnüchtern. Das Wort, das hier steht, beschreibt ein zügelloses, haltloses Leben. Der Mensch hat sich nicht mehr unter Kontrolle, er verhält sich wie ein Tier. Das ist im Grunde genommen gemeint.
Es ist gut denkbar, dass auch in der Gemeinde dort – wir wissen das zum Beispiel von der Gemeinde in Korinth, aber möglicherweise auch in Ephesus – solche Tendenzen existierten. Dort gab es ähnliche Phänomene, dass einige sagten: „Mensch, Ekstase, auch wir wollen Ekstase haben, um Christus näher zu kommen. Auch wir wollen eine emotional stimulierte und aufgeladene Situation in unserem Gottesdienst erleben, weil wir uns dann mehr angepackt fühlen im Herzen. Das tut uns gut, das brauchen wir.“
Auch denen macht Paulus mit diesem Satz indirekt deutlich: Geisterfüllung hat nichts zu tun mit Ekstase. Die Wirkung des Heiligen Geistes besteht nicht darin, unseren Verstand zu benebeln. Die Wirkung des Heiligen Geistes besteht nicht darin, uns einzulullen. Die Wirkung des Heiligen Geistes will uns nicht emotional aufpushen. Sauft euch nicht voll Wein, lasst euch nicht von Emotionen mitreißen.
Das Wirken des Heiligen Geistes zielt darauf ab, unseren Verstand zu schärfen und uns wachzumachen. Der Heilige Geist will uns zu einem nüchternen Urteil führen – das macht die Bibel immer wieder deutlich. Gerade so will er uns eine bewusste, klare und gewisse Freude des Glaubens schenken.
Die Frucht des Geistes: Selbstbeherrschung als Zeichen geistlicher Reife
Wenn Sie zum Beispiel einen anderen Brief von Paulus lesen, etwa Galater 5, dann spricht Paulus dort von den Früchten des Geistes. Das sind die Früchte, die der Heilige Geist in unserem Leben wachsen lässt. Er zählt neun Früchte auf. Wissen Sie, was die neunte Frucht ist, die das Ganze abschließt? Selbstbeherrschung.
Diese Frucht wird oft mit Keuschheit übersetzt. Das ist auch nicht falsch, denn Keuschheit hat ebenfalls mit Selbstbeherrschung zu tun. Doch der Grundbegriff, der im Griechischen steht, ist Selbstbeherrschung. Das bedeutet: Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes verlieren wir nicht die Kontrolle über uns, sondern wir gewinnen sie in einem viel bewussteren, klareren Maß.
Einer der wichtigsten Prediger des zwanzigsten Jahrhunderts, Martin Lloyd Jones, war in seinem ersten Leben, wenn man so will, Mediziner – ein hochbegabter Mediziner. Er hat die Wirkung von Alkohol und des Heiligen Geistes einmal miteinander verglichen, und zwar aus medizinischer Sicht. Dabei sagte er, dass die beiden genau entgegengesetzte Wirkungen haben.
Alkohol ist pharmakologisch gesehen ein Beruhigungsmittel oder Betäubungsmittel. Martin Lloyd-Jones erklärte, wenn er den Heiligen Geist pharmakologisch einordnen müsste, dann würde er ihn unter den Stimulanzien einordnen – also unter den Mitteln, die eher wach machen.
Ich lese Ihnen mal einen kleinen Ausschnitt aus dieser Predigt vor: Lloyd-Jones sagt, aus pharmakologischer Sicht sei Alkohol ein Beruhigungsmittel. Alkohol versetze jene höheren Zentren im Gehirn außer Gefecht, sodass die primitiveren Elemente aufkämen und die Kontrolle über uns übernehmen. Alkohol schalte die höheren Zentren des Gehirns aus und setze die eher instinktiven frei.
Der Mensch glaubt zwar, dass er dadurch stimuliert werde, in Wirklichkeit sei er aber mehr wie ein Tier geworden. Seine Kontrolle über sich selbst sei vermindert worden.
Dann fährt Martin Lloyd-Jones fort: Das sei das genaue Gegenteil des Erfülltwerdens mit dem Heiligen Geist. Wenn es möglich wäre, den Heiligen Geist in ein Lehrbuch für Pharmakologie einzutragen, dann würde er ihn unter den Stimulanzien einordnen, denn da gehöre er eigentlich hin.
Der Heilige Geist sei ein aktives, positives und wirkliches Stimulans. Er stimuliert jede unserer Fähigkeiten, zum Beispiel spornt er den Verstand und den Intellekt an. Das kann ich einfach beweisen: Die Geschichte zeigt, dass der Wunsch nach Bildung immer auf eine geistliche Erweckung folgt.
Das geschah bei der Reformation, das geschah nach der puritanischen Erweckung und auch bei jener Erweckung in Großbritannien vor zweihundert Jahren. Dort lebten viele ungebildete, betrunkene Bienenarbeiter in Mittel- und Nordengland sowie um Bristol. Plötzlich wurden sie durch die Kraft des Heiligen Geistes bekehrt und begannen, nach Schulen zu verlangen und lesen lernen zu wollen.
Der Heilige Geist stimuliert also nicht nur den Intellekt, sondern auch das Herz. Er bewegt das Herz.
Ich denke, das ist deutlich geworden: Der Heilige Geist benebelt uns nicht, sondern sorgt für Klarheit. Er schenkt uns Freude am Denken, schärft unser Denken und macht uns urteilsfähig. Und liebe Leute, das haben wir gerade in dieser Zeit besonders nötig.
Die Bedeutung von Urteilskraft und geistlicher Klarheit in der heutigen Zeit
Ein aktuelles Beispiel ist der Papstbesuch. Es ist erstaunlich, wie der Papst sich selbst als Stellvertreter Jesu Christi darstellt und versucht, eine sehr starke politische Macht auszuüben.
Der Präsident, die Kanzlerin und andere kommen alle zu ihm, knien vor ihm nieder und huldigen dem Bischof von Rom. Er bewegt sich hier quasi auf einer Ebene mit weltlichen Machtträgern, ja sogar auf einer höheren Ebene als diese.
Leider herrscht auch unter vielen protestantischen Christen große Verwirrung. Der Papst sagt manches, was wir in vielen ethischen Fragen für sehr wichtig und gut halten. Dabei vergessen viele Protestanten, dass Kardinal Ratzinger beziehungsweise Papst Benedikt an den entscheidenden Punkten die uralte Position des Katholizismus nicht um einen Millimeter verändert hat.
Wäre Martin Luther heute auf der Welt, würde wieder eine Reformation stattfinden. Diese Reformation würde betonen, dass wir allein durch Gottes Gnade, allein durch Jesus Christus und allein durch den Glauben gerettet werden. Das lehrt die katholische Kirche jedoch nicht. Stattdessen wird immer die kirchliche Institution, das Amt, der Papst und die Priester als eine Zwischeninstanz eingeführt.
Man sagt zwar klar, dass wir allein durch Christus gerettet werden, aber zugleich braucht man die Kirche und die Fürsprache von Maria. Diese scheinbaren Kleinigkeiten sind jedoch von großer Bedeutung. Für solche Fragen haben sich die Reformatoren auf den Scheiterhaufen legen lassen. Sie sagten, es gehe um die Wahrheit des Evangeliums.
Werden wir allein durch Jesus Christus gerettet oder nicht? Werden wir allein durch den Glauben gerettet oder müssen wir noch in einer kirchlichen Institution unsere Beiträge leisten? Es geht hier um unendlich viel.
Leider haben auch viele evangelische Christen ihre Urteilskraft so weit verloren, dass sie sagen: „Ach, ist doch prima, dass jemand öffentlich über den Glauben redet. Lasst uns nicht über diese Kleinigkeiten streiten.“ Doch es geht hier nicht um Kleinigkeiten.
Es geht darum, ob wir allein durch den Herrn Jesus Christus, der am Kreuz für uns starb, gerettet werden – allein durch den Glauben an ihn. Oder ob wir noch bestimmte kirchliche Vermittlungssysteme brauchen, um gerettet zu werden.
Wir brauchen Urteilskraft, und diese will uns der Heilige Geist schenken. Er macht uns urteilsfähig.
Das Wesen der Erfüllung mit dem Heiligen Geist: Ganzheitliche Durchdringung und Kontrolle
Und dann eine weitere Beobachtung: Was bedeutet es, mit dem Heiligen Geist erfüllt zu sein? Das griechische Wort für „erfüllen“ meint, ganz durchdringen.
Wenn Sie zum Beispiel Fleisch marinieren und in eine entsprechende Sauce legen – ich weiß nicht, ob das kochtechnisch fachgerecht ausgedrückt ist – dann soll das Fleisch ganz vom Aroma durchdrungen werden. Genau das ist gemeint.
Der Heilige Geist will uns ganz erfüllen, er will uns vollständig durchdringen. Er möchte uns auch völlig kontrollieren und immer mehr über unser Leben bestimmen. Sie kennen das sicher: Manchmal sagt man, man sei plötzlich ganz von Angst kontrolliert, ganz von Angst erfüllt. Dann hat man das Gefühl, dass alles, was man denkt, fühlt und tut, in diesem Moment völlig von der Angst bestimmt wird.
Oder manchmal sagen wir, wir sind ganz von Ärger erfüllt. Dann sind wir ein einziges Ärgerbündel und haben überhaupt keinen Abstand mehr zu uns selbst. Der Nächste, der uns in die Quere kommt, bekommt dann meist einen heftigen Spruch zu hören, weil wir ganz von Ärger durchdrungen sind. Genau das meint „erfüllen“.
So will Gott, dass wir ganz vom Heiligen Geist erfüllt sind. Der Heilige Geist wohnt als Person in uns und soll unser Leben immer mehr durchdringen. Der Herr Jesus Christus will durch seinen Heiligen Geist unser Leben immer mehr bestimmen. Er will immer mehr auch die Dinge aus unserem Leben und unserem Herzen entfernen, die falsch sind und dort nicht hingehören.
Er will uns trösten, wie es kein anderer kann, und uns Klarheit über die Entscheidungen schenken, die vor uns liegen. Das möchte er uns schenken. Der Heilige Geist will unser Leben durchdringen, kontrollieren und erfüllen – und zwar der Heilige Geist, der im Leben eines Christen seit der Bekehrung wohnt.
Ich denke, wir haben jetzt einiges an Klarheit gewonnen. Es geht hier um Menschen, die den Heiligen Geist seit ihrer Bekehrung haben. Es geht um die ganze Gemeinde und nicht nur um eine Elite. Es geht um einen beständigen Prozess – ein Imperativ Präsens –, nicht um eine einmalige Sondererfahrung nach dem Motto: Erst kommt die Bekehrung, und dann irgendwann als zweite Erfahrung die Erfüllung mit dem Heiligen Geist.
Nein, es ist ein beständiger Prozess. Es geht nicht um einen Rauschzustand oder eine emotionale Überwältigung, sondern um ein ganz nüchternes Geschehen. Schließlich erfüllt der Heilige Geist, das heißt, er kontrolliert und durchdringt unser Leben und gestaltet uns immer mehr, damit wir Jesus ähnlicher werden. Das ist das Ziel.
Praktische Umsetzung der Geistfüllung durch das Wort Gottes
Nun fragen wir uns: Wie kann das praktisch geschehen?
Das kann dadurch geschehen, dass wir mit Jesus Christus leben – wie es für einen Christen der Normalfall ist. Wir beten zu ihm und fragen nach seinem Willen. Wenn wir in persönlicher Gemeinschaft mit Jesus Christus leben, erfüllt er uns mit dem Heiligen Geist.
Einen praktischen Hinweis möchte ich Ihnen noch geben. Das ist eine ganz interessante Entdeckung. In einem anderen Brief bringt Paulus eine ganz ähnliche Formulierung wie hier. Vergleichen Sie mal:
In Epheser 5,18-19 heißt es: „Lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen. Ermuntert einander, oder eigentlich redet zueinander, mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern. Singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen.“
Und jetzt hören Sie im Vergleich dazu einen anderen Paulusbrief, Kolosser 3,16. Dort ist der zweite Teil des Verses fast gleich mit unserem Vers 19. Da heißt es: „Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.“
Und wissen Sie, was davor steht? „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen.“
Wir haben also in beiden Fällen die gleiche Auswirkung: Man singt mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern, spielt dem Herrn und ermutigt einander.
In Epheser 5 steht: „Lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen“, und dann wird das geschehen. In Kolosser 3 steht: „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen“, und dann wird das geschehen.
Das ist jeweils die gleiche Auswirkung. Der erste Teil dieser beiden Verse ist austauschbar: „Lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen“ steht einmal da, und „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen“ steht im anderen.
Verstehen Sie, was das bedeutet? Die beiden Dinge gehören ganz eng zusammen: „Lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen“ und „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen“ sind praktisch austauschbar.
Wenn das Wort Christi reichlich unter uns wohnt, wenn wir uns intensiv mit der Bibel befassen und auf die Bibel hören, dann dient das dazu, dass wir mit dem Heiligen Geist erfüllt werden.
Das Wort Gottes und der Heilige Geist gehören ganz, ganz eng zusammen. Damit haben wir ein ganz praktisches Ergebnis: Wenn Sie fragen, wie Ihr Leben noch mehr mit dem Heiligen Geist erfüllt werden kann oder wie unser Gemeindeleben noch stärker vom Heiligen Geist geprägt werden kann, dann ist das die Antwort:
Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen! Lasst uns viel Zeit und Eifer darauf verwenden, die Bibel miteinander zu studieren – und zu beten: „Herr, lass uns dein Wort verstehen und wirke dadurch an unserem Herzen!“
Sehen Sie, das ist der ganz praktische Grund, warum in unserem Gottesdienst die Bibel so eine große Rolle spielt. Das ist nicht nur wegen unserer Tradition oder weil wir alle so theologisch interessiert sind, sondern weil der Herr Jesus sagt: „Lasst das Wort reichlich unter euch wohnen.“
Dadurch werde ich euch immer mehr mit dem Heiligen Geist erfüllen. Dadurch werde ich Veränderung schaffen – in eurem Leben als Christen und als ganze Gemeinde.
Darum habe ich mich so gefreut, als mir neulich jemand sagte: „Ach wissen Sie, am Anfang war es ziemlich schwer, in der Gemeinde Anschluss zu finden. Da hatte man den Eindruck, es gibt diese Gründergeneration, und es war oft gar nicht so einfach, wirklich Kontakt zu finden und miteinander ins Gespräch zu kommen.“
Aber es hat sich etwas verändert in dieser Gemeinde – das habe ich gespürt. Und so fügte diese Person noch hinzu: „Das ist bestimmt die Wirkung des Wortes. Das ist bestimmt die Wirkung der Predigt. Nicht jetzt, weil ich oder irgendeiner andere predige, sondern weil das Wort Gottes in sich die Kraft hat, Menschen und Gemeinden zu verändern.“
Deswegen habe ich mich so über diese Aussage gefreut.
Wenn wir also eine geisterfüllte Gemeinde sein wollen, eine Gemeinde, die vom Heiligen Geist erfüllt ist, und wenn wir Menschen sein wollen, die der Heilige Geist erfüllt, dann ist es wichtig, dass wir viel Gemeinschaft mit dem Wort Gottes haben.
Das Wort soll uns prägen und erfüllen, und wir müssen uns in diesem Prozess immer wieder hineinnehmen lassen.
Wenn das geschieht, wird Gott unter anderem drei Konsequenzen in unserem Gemeindeleben und auch in unserem persönlichen Leben wachsen lassen.
Diese können wir jetzt nur noch kurz ansprechen, wenn Sie auf die Uhr schauen. Ich werde die erste Konsequenz etwas ausführlicher erklären, die zweite und dritte Konsequenz nenne ich dann nur noch.
Die Folgen der Geistfüllung: Lieder, Dankbarkeit und Unterordnung
Also, was passiert, wenn der Heilige Geist immer mehr unser Leben erfüllt? Wenn Gott uns in diesen Prozess hineinnimmt, sodass wir durch sein Wort zunehmend verändert werden und dem Herrn Jesus Christus ähnlicher werden – was geschieht dann? Paulus nennt hier drei Konsequenzen. Die erste wollen wir etwas ausführlicher erklären.
Dazu müssen Sie sich eines klar machen: Die Verse 19 bis 21 hängen an Vers 18 dran. Eigentlich ist nur Vers 18 ein richtig vollständiges Verb, also ein richtig vollständiges Tätigkeitswort: „Lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen.“ Alle anderen Verben, die dann folgen, sind keine vollständigen Verben, sondern Partizipien. Sie sind gewissermaßen an Vers 18 angehängt und diesem zugeordnet. Wörtlich müsste man im Grunde so übersetzen: „Lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen, und dann kommen die ganzen Partizipien: einander ermunternd mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singend und spielend dem Herrn in euren Herzen, danksagend Gott dem Vater allezeit für alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus und euch einander unterordnend in der Furcht Jesu Christi.“
Verstehen Sie, was Paulus damit sagen will? Er will ausdrücken: Leute, wenn der Heilige Geist euch erfüllt, wenn Jesus Christus euch in diesen Prozess hineinnimmt, dann werden das die Konsequenzen sein. Dann werden diese Dinge geschehen, die hier in Vers 19 bis 21 stehen. Und diese Dinge, die da geschehen, tragen dazu bei, dass dieser Prozess immer weitergeht. Oder man könnte auch so sagen: Wenn der Heilige Geist uns erfüllt – Vers 18 – dann löst er die Konsequenzen von Vers 19 bis 21 aus. Und dann gebraucht er diese Konsequenzen, um uns immer weiter zu erfüllen, um uns immer mehr mit seinem Geist zu erfüllen.
Darum lohnt es sich sehr, zu fragen, wie diese Konsequenzen aussehen. Die erste wollen wir uns noch kurz anschauen: Wenn der Heilige Geist uns erfüllt, das ist die erste Konsequenz, dann gibt er uns Lieder ins Herz und in den Mund. Das ist eine erstaunliche Entdeckung, aber es steht hier so. Paulus sagt: „einander ermunternd oder zueinander redend mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singend und spielend dem Herrn in euren Herzen.“ Das ist also die erste Konsequenz: Wenn der Heilige Geist uns erfüllt, dann gibt er uns Lieder ins Herz und dann auch in den Mund.
Hier müssen wir wieder ein Missverständnis aufklären: Diese Stelle wird im Rahmen der charismatischen Bewegung oft so erklärt: „Singen im Geist“ ist ein ganz bestimmtes, direkt geistgeleitetes Singen, ohne vorgegebenen Text. Manche sagen auch, das sei ein Singen in Zungen, ein Zungengesang für Außenstehende, ein unverständliches Lallen, ein ungeplantes Durcheinandersingen. Dies wird dann durch eine bestimmte musikalische Begleitung oft stimuliert. Und wenn das geschieht, dann ist das geistliches Singen und ein Zeichen dafür, dass hier Erfüllung mit dem Heiligen Geist geschieht.
So steht das hier nicht. Gucken wir doch hin: Was sind das für Lieder, die da in der Gemeinde gesungen werden? Paulus nennt drei Kategorien: Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder. Schauen wir uns das mal an.
Psalmen – im Griechischen steht hier einfach das Wort „Psalmois“. Das waren größtenteils die klassischen Psalmen des Alten Testaments. Diese Psalmen wurden auch im Gottesdienst der frühen christlichen Gemeinde gesungen. Paulus sagt hier: „Redet miteinander“ oder „ermutigt einander“. Das wurde sich auch teilweise zugesungen, so wie im Wechsel. „Lasst uns Gott loben, kommt her, stimmt gemeinsam ein in das Lob Gottes.“ So sang man die Psalmen von der Macht Gottes, von den Taten Gottes, von seiner Person. Diese Psalmen wurden dann auch in den Gottesdiensten der frühen Gemeinden gesungen – ja, bis heute.
Dann die zweite Kategorie: Lobgesänge. Das Wort kennen Sie auch, es steht im Griechischen „Hymneus“, also Hymnen. Was sind Hymnen? Hymnen sind Loblieder. Daher kommen ja auch die Nationalhymnen, das sind meistens Lobgesänge auf eine Nation oder ein Volk. Hymnen sind Loblieder, die nicht im Psalter stehen, aber trotzdem gesungen werden. Also Loblieder auf Gott, den Vater, Loblieder auf Jesus Christus, auch solche, die nicht in den Psalmen stehen, sondern weitere Loblieder zur Ehre Gottes und zur Ehre Jesu Christi.
Im Neuen Testament finden wir noch Stücke, die wahrscheinlich Hymnen waren, die zur Ehre Christi gesungen wurden. Der zweite Teil der Lesung, die wir heute von Bruder Nordzig gehört haben – „Ein jener sei gesinnt, wie Christus es auch war, der obwohl in göttlicher Gestalt, es nicht für einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an usw.“ – das war wahrscheinlich eine urchristliche Hymne, die gesungen wurde, um Jesus Christus zu ehren. Paulus hat sie dann entsprechend auch im Philipperbrief mit aufgenommen.
Also: Hymnen sind Lobgesänge auf Gott, den Vater, und den Herrn Jesus Christus.
Die dritte Kategorie sind die geistlichen Lieder. Auch diesen Begriff kennen Sie. Im Dativ Plural steht hier „odeis pneumatikais“, also „Oden“. Das sind keine irgendwelchen lallenden, unkoordinierten Gesänge, sondern „Oden“. Wenn Sie im Duden nachschlagen, was „Ode“ bedeutet, dann ist es ein feierliches Gedicht, ein gesungenes feierliches Gedicht, geistliche Lieder. Das waren alle sonstigen Lieder, die keine Loblieder waren, also keine Lieder aus den Psalmen oder Hymnen, sondern Lieder mit geistlichem Inhalt.
Darüber wurde gesungen, wie wir von Sünde befreit werden, dadurch dass Jesus am Kreuz für uns stirbt. Es wurde gesungen über das ewige Leben, das der Herr Jesus denen schenken wird, die an ihn glauben. Es wurden Bitten gesungen: „Herr, schütze mich, ich bin in einer Notsituation, aber du kannst mich erretten, bitte rette mich.“ Oder in einem Lied wurde bezeugt: „Gott hat mich getröstet, er ist meine Stärke in meiner Not.“
Das sind die drei Kategorien: ganz normale Liedkategorien. Und wenn Sie so wollen, kommen diese drei Kategorien auch in unserem Gottesdienst heute vor. Das kann ich Ihnen beweisen:
Psalmen – das haben wir gleich am Anfang gesungen, EKG 187 „Nun jauchzt dem Herrn alle Welt“, das ist eine Vertonung von Psalm 100.
Dann die zweite Kategorie: Loblieder, Hymnen, die nicht in den Psalmen stehen. Das war das zweite Lied, das Sie auf Ihrem Gottesdienstzettel haben: „Vater, unser Vater, alle Ehre deinem Namen.“ Das ist kein Psalm, es steht so nicht in den Psalmen, aber es ist ein Loblied auf Gott, den Vater, also die zweite Kategorie.
Gleich nach der Predigt werden wir ein Lied singen, in dem wir Gott bitten, dass er uns das Ziel unseres Lebens immer wieder klar vor Augen stellt: „Lass mir das Ziel vor Augen bleiben, zu dem du mich gerufen hast.“ Das ist ein geistliches Lied.
Und auch das Schlusslied, das wir dann singen werden, „Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesus Christ“ – da bitten wir ihn, dass er mit seiner Gnade bei uns bleibt. Das ist ein geistliches Lied, das wir als Gebet an unseren Herrn singen.
Psalmen, Loblieder, geistliche Lieder – darum geht es.
Und diese Lieder, sagt Paulus, sollen wir singen, wie hier steht, also mit dem Mund, vokal, und spielen, musizieren. Es ist schön, wenn das musikalisch begleitet wird. Das Wort, das für „spielen“ steht, meint eigentlich instrumentale Begleitung und ursprünglich das Zupfen eines Saiteninstruments. Das ist hier gemeint, aber es kann natürlich auch auf andere Instrumente übertragen werden.
Also: Wir sollen singen, und es ist schön, wenn das mit musikalischer Begleitung geschieht. Und dann sagt Paulus: „In euren Herzen sollt ihr singen.“ Das heißt nicht, dass wir nur im Herzen singen und den Mund zuhalten sollen, sondern das heißt: von ganzem Herzen, mit echter Anteilnahme. Es heißt auch: aus dem Herzen, unser Herz soll beteiligt sein, wir sollen auch das meinen, was wir singen.
Es bringt nichts, wenn wir die Strophen einfach nur runter singen, weil sie im Gesangbuch stehen, und wir schon längst ans Mittagessen denken oder es uns gar nicht wichtig ist, und wir es eben so runter singen, weil es zum Gottesdienst gehört.
Paulus sagt: Wir sollen von Herzen singen, uns damit identifizieren, es aufrichtig meinen. So sollen wir singen.
Ich denke, das ist auch ein Trost für Leute, die keine so gute Stimme haben: Sie sind hier absolut nicht ausgeschlossen. Entscheidend ist nicht, ob sie das hohe C treffen, sondern dass sie von Herzen singen. Gott sieht das, nimmt es als Gebet an und freut sich darüber, dass sie ihm damit die Ehre erweisen.
Denn das ist das Ziel des Gesangs, sagt Paulus auch: „Singt dem Herrn.“ Das heißt, unser erstes Auditorium ist der Herr Jesus Christus selbst, ist Gott der Vater selbst. Wir singen zu seiner Ehre, nicht aus Gründen der Unterhaltung. Wir singen im Gottesdienst. Das ist etwas anderes, als wenn wir irgendwo ein Konzert aufführen im säkularen Bereich.
Wir singen im Gottesdienst, um Gott zu loben. Darum geht es. Nicht aus Unterhaltungszwecken. Und wir singen auch nicht, um uns als Künstler zu präsentieren.
Das ist im Übrigen auch der Grund, warum es besser ist, in der Regel im Gottesdienst nicht zu klatschen bei musikalischen Vorführungen. Das ist ja nicht böse gemeint, und wenn Kinder etwas Schönes aufgeführt haben, freuen wir uns auch darüber. Darum geht es gar nicht.
Aber es kann sehr schnell zu einem Missverständnis führen, nämlich dass der Künstler, der sich präsentiert und eine kulturelle Leistung vollbringt, als das eigentlich Interessante angesehen wird.
Das ist aber nicht das Interessante, sagt Paulus, wenn die Gemeinde singt. Sondern das Entscheidende ist, dass wir dem Herrn singen, zu seiner Ehre. Er ist unser Auditorium.
Das haben viele Musiker sehr genau begriffen, allen voran wahrscheinlich der genialste Musiker, der je über diese Welt gegangen ist: Johann Sebastian Bach. Sie wissen, dass er unter fast alle seine Werke diese drei Buchstaben schrieb: S D G – Soli Deo Gloria, allein Gott sei die Ehre.
Das hat er so gemeint. Das können Sie auch in seinen Briefen nachlesen. Es war nicht einfach seine spezielle Note, dass Bach immer S D G unter seine Komposition schrieb, sondern das war die Überzeugung seines Herzens: „Ich mache diese Musik, ich schreibe diese Kompositionen, von deren Genialität er wahrscheinlich selbst oft gar nicht wusste, wie großartig sie war, zur Ehre des heiligen Gottes.“
Wenn der Heilige Geist uns erfüllt, dann gibt er auch uns Lieder, auch wenn wir keine Komponisten sind, Lieder ins Herz und in den Mund. Lieder, die wir im Gesangbuch finden oder anderswo. Diese Lieder sind nicht nur eine Nummer im Gesangbuch, sondern unser eigenes Gebet.
Lassen Sie mich zum Schluss dieses Abschnitts noch sagen: Es ist erstaunlich, wie viel Wert Gott auf Musik legt. Mir ist jetzt, als ich diesen Vers studiert habe, so deutlich geworden, wie nie zuvor, wie viel in der Bibel über Musik gesagt wird.
Ich habe gemerkt, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eine Predigt über Musik in der Bibel halten sollte.
Gott hat die Musik geschaffen als ein ganz besonderes Geschenk an die Menschheit.
So wie Gott seine Sonne aufgehen lässt über Gerechte und Ungerechte, so lässt Gott auch die musikalischen Töne, so lässt Gott auch Bachs h-Moll-Messe erscheinen über Gerechte und Ungerechte.
Wie andere Schöpfungswerke kann auch die Musik zum Guten gebraucht werden, aber sie kann auch missbraucht werden.
Musik kann missbraucht werden, um Menschen in Drogen, sexuelle Ausschweifung und Hoffnungslosigkeit hineinzustürzen. Auch dazu kann Musik gebraucht und missbraucht werden, wie jede Schöpfungsgabe zum Guten oder zum Schlechten.
Aber Gott will, dass wir sie zum Guten gebrauchen.
Ich denke, darin liegt wohl auch der Grund, warum Musik so starke Wirkung auf den Menschen haben kann. Überlegen Sie mal, welche Wirkung Musik entfalten kann, weil Gott Musik mit diesem Potenzial ausgestattet hat.
Der russische Schriftsteller Maxim Gorki berichtet, dass Lenin, der brutale Diktator, Folgendes gesagt haben soll: Er könne die „Appassionata“, jenes berühmte Stück von Beethoven, nicht so oft hören, weil er sonst liebevolle Dummheiten sagen und den Menschen die Köpfe streicheln wolle, auf die er doch einschlagen, mitleidslos einschlagen müsse, um seine Revolution zu Ende zu bringen.
Verstehen Sie? Lenin sagt: Ich darf Beethovens „Appassionata“ nicht so oft hören, denn wenn ich das tue, bin ich nicht mehr in der Lage, grausam genug zu sein, um meine Revolution zu Ende zu bringen.
Und wenn schon die Komposition eines, soweit wir wissen, weltlich gesinnten Menschen wie Beethoven eine solche Wirkung entfalten kann, weil auch Beethoven mit Schöpfungsprinzipien arbeitete, wie viel mehr kann jene Musik bewirken, die zu Gottes Ehre gesungen und gespielt wird und von Gottes Wahrheit kündet?
Darum wollen wir das heute festhalten: Wenn Gott uns mit dem Heiligen Geist erfüllt, dann legt er uns Lieder ins Herz und in den Mund.
Darum ist es so wichtig – das habe ich zum ersten Mal in dieser Woche in dieser Klarheit an diesem Vers lernen dürfen –, dass die Gemeinde Jesu auch eine singende Gemeinde ist.
Nicht nur im Gottesdienst, aber eben auch dort.
Wir können auch im Auto singen, in der Badewanne, am Mittagstisch. Dort können wir Gott auch mit unseren Liedern ehren, aber eben auch im Gottesdienst. Das ist wichtig.
Und wir sollen immer wieder solche Melodien und Begleitungen finden, die dem Inhalt angemessen sind.
Das Singen dient nicht der Auflockerung zwischen den Textpassagen nach dem Motto: „Jetzt haben wir so viel Text gehört, jetzt tut es uns ganz gut, wenn wir mal wieder singen, dann können wir uns besser konzentrieren.“
Das ist nicht die Aufgabe des Gesangs und der Musik im Gottesdienst, sondern das ist bestimmt, um Gott zu loben.
Ich will Ihnen sagen: Es war ein schwerer Schaden für die Kirche Jesu Christi, dass in weiten Teilen der Kirchengeschichte die Gemeinden nicht selbst gesungen haben, sondern die Musik im Gottesdienst an Fachleute abgeschoben wurde, die das für sie übernommen haben.
Das waren fast tausend dunkle Jahre, etwa von 500 nach Christus bis zur Reformation, also bis 1500 nach Christus.
In dieser Zeit wurde in den christlichen Gemeinden kaum selbst gesungen, und das war ein schwerer geistlicher Schaden.
Dann kam die Reformation, und Martin Luther reformierte den Gottesdienst.
Wissen Sie, was zu den ersten Änderungen gehörte, die er einführte? Dass er die Leute wieder singen ließ.
Aber es gab so wenig Lieder, das meiste war ja Latein. Wie sollten die da von Herzen singen, wenn sie nicht verstanden, was in den lateinischen Gesängen stand?
Was hat Luther dann gemacht in seiner Not? Er hat angefangen, Lieder selbst zu schreiben.
Zum Teil hat er Volksmelodien genommen und neue Lieder gedichtet, zum Teil hat er auch selbst komponiert.
Er hat über dreißig Lieder selbst geschrieben.
Nicht, weil er eine zweite Karriere als Liedermacher machen wollte, sondern weil er sagte: „Wir brauchen für den Gottesdienst Lieder in deutscher Sprache, die wir als Christen von Herzen singen können, weil Gott auf diese Weise gelobt werden will.“
Das ist das Kennzeichen einer neutestamentlichen, biblischen, reformatorischen Gemeinde: Wir sind eine singende Gemeinde.
Wenn der Heilige Geist uns erfüllt, dann gibt er uns Lieder ins Herz und in den Mund. Das ist die erste Konsequenz.
Die zweite haben wir im Grunde genommen schon vor den Ferien besprochen: Wenn der Heilige Geist uns erfüllt, dann gibt er uns Dankbarkeit ins Herz. Das ist Vers 20: „Danket Gott dem Vater allezeit für alles.“
Und die dritte Konsequenz: Wenn der Heilige Geist uns erfüllt, dann gibt er uns die Bereitschaft zur Unterordnung ins Herz, Vers 21: „Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.“
Lasst das die Grundhaltung sein, die nur der Heilige Geist in euch bewirken kann: dass ihr euch demütig wirklich einander unterordnet.
Liebe Gemeinde, genau an diesem Vers werden wir nächsten Sonntag weiterarbeiten. Darauf freue ich mich jetzt schon.
Wir werden dann sehen: Dieser Vers 21 ist das Scharnier zwischen dem Abschnitt davor und dem großen, spannenden Teil, der jetzt folgt.
Das ist genau die Verbindung, die diesen Teil, den wir heute gesehen haben, abschließt: Wenn ihr mit dem Heiligen Geist erfüllt seid, dann wird Gott schenken, dass ihr euch einander unterordnet.
Und wenn ihr euch einander unterordnet – da geht es jetzt zum nächsten großen Abschnitt –, dann werden eure persönlichen Beziehungen untereinander davon geprägt sein.
Darauf wird Paulus dann nächsten Sonntag zu sprechen kommen, beziehungsweise in den nächsten Versen.
Dann geht es endlich um die Beziehungen zwischen Mann und Frau, zwischen Frau und Mann, Eltern und Kindern, Kindern und Eltern, und dann Arbeitgeber und Arbeitnehmer und umgekehrt.
Paulus wird zeigen, dass alle Beziehungen, in denen wir als Christen stehen, nur dann im Sinne Gottes gelingen können, wenn wir bereit sind, uns einander unterzuordnen.
Das heißt nicht – das werden wir ganz klar sehen nächsten Sonntag –, dass jeder das Gleiche machen soll, dass jeder die gleiche Aufgabe hat oder die gleiche Funktion.
Aber einander unterordnen heißt, dass jeder von uns sich gern der Aufgabe unterordnet, die Gott für ihn vorgesehen hat – als Ehemann oder Ehefrau, als Eltern oder Kinder, als Leute, die Verantwortung für andere Arbeitnehmer tragen, oder als Leute, die selbst als Arbeitnehmer tätig sind.
Paulus sagt: Für uns als Christen ist es entscheidend. Diese Beziehungen werden nur gelingen können, wenn wir bereit sind, uns demütig einander unterzuordnen.
Und das wird nur gelingen, wenn der Heilige Geist uns erfüllt und uns dazu treibt.
Schlusswort: Die Verheißung der Veränderung durch den Heiligen Geist
Ich komme zum Schluss. Lasst euch erfüllen vom Heiligen Geist!
Das ist nicht nur ein Auftrag, sondern vor allem eine Verheißung. Jesus sagt uns durch Paulus: „Ich will euch verändern, ich will dein Herz verändern, ich will dein Leben verändern.“ Du, Christ, sollst Jesus immer ähnlicher werden.
Ihr Gemeinde, wir Gemeinde, wir dürfen durch den Herrn Jesus verändert werden. Das will er tun. Das heißt, wir sollen nicht in unserer Mittelmäßigkeit stecken bleiben, nicht in unserer Freudlosigkeit. Wir sollen nicht stecken bleiben in unserer Muffeligkeit und Undankbarkeit.
Wir sollen auch nicht in unserer Knieseligkeit, Rücksichtslosigkeit, Herrschsucht, Schrulligkeit, Kantigkeit oder in unseren Launen verharren. Darin sollen wir nicht stecken bleiben. Wenn Gottes Geist uns erfüllt – und das will er immer mehr tun – dann gibt er uns Lieder ins Herz und in den Mund.
Dann gibt er uns Dankbarkeit ins Herz, und er wird uns auch die Bereitschaft zur gegenseitigen Unterordnung ins Herz legen. Das wird dazu führen, dass wir dem heiligen Gott Ehre machen und einander noch viel Freude und Hilfe schenken können. Amen.