Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode einundvierzig: Augustus und Quirinius
Einführung in die chronologische Einordnung der Weihnachtsgeschichte
Als wir uns zuletzt mit den Ereignissen rund um Jesu Geburt beschäftigt haben, waren wir im Matthäusevangelium bei Joseph stehen geblieben. Matthäus fährt in seinem Bericht mit dem Erscheinen der Magier aus dem Osten fort. Chronologisch können wir an dieser Stelle jedoch nicht weitermachen – und zwar aus zwei Gründen.
Zum einen fehlt die eigentliche Geburt Jesu in Matthäus’ Bericht. Zum anderen kommen die Magier zu einer Zeit, als Joseph und Maria bereits in einem Haus in Bethlehem wohnen. Sie hatten also die notdürftige Unterkunft, in der Jesus zur Welt gekommen war, bereits verlassen und sich häuslich eingerichtet. Es kann gut sein, dass die Magier kamen, als Jesus bereits krabbeln konnte oder gerade anfing, die ersten Worte zu sprechen.
Da Matthäus in seiner Geschichte zeitlich springt, springen auch wir – und zwar mitten ins Lukasevangelium.
Die Volkszählung unter Kaiser Augustus und Quirinius
Es geschah aber in jenen Tagen, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben. Diese Verordnung geschah als erste, als Quirinius Statthalter von Syrien war.
Alle gingen hin, um sich einschreiben zu lassen, jeder in seine Vaterstadt. Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, ging hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt. Er ging dorthin, weil er aus dem Haus und Geschlecht Davids war.
Joseph wollte sich einschreiben lassen, zusammen mit Maria, seiner Verlobten, die schwanger war. Als sie dort waren, wurden ihre Tage erfüllt, dass sie gebären sollte.
Und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Raum für sie war.
Historische Einordnung und Glaubwürdigkeit des Textes
Fangen wir vorne an. Dieser Text ist kein Märchen und kein Mythos, sondern ein Geschichtstext. Es ist immer wieder wichtig, sich das vor Augen zu halten.
Konkrete Personen wie Augustus und Quirinius treffen auf konkrete Titel wie Kaiser und Statthalter. Lukas möchte, dass seine Leser im ersten Jahrhundert ganz genau wissen, wann sich diese Ereignisse zugetragen haben.
Der Kaiser Augustus erlässt also eine Verordnung: Jeder soll sich einschreiben lassen. Wir wissen nicht genau, warum dies geschieht. Es könnte um Steuern gehen, aber wahrscheinlicher ist, dass es sich um eine Volkszählung handelt.
Die Motivation hinter Lukas’ Bericht
Frage: Hat Lukas sich diese Geschichte ausgedacht?
Gegenfrage: Warum sollte er das tun? Warum sollte er sich eine solche Geschichte ausdenken und sie mit historischen Bezügen schmücken, wenn zur Zeit ihrer Abfassung noch Menschen lebten, die alt genug waren, um seine Darstellung als Lüge zu entlarven?
Noch etwas spricht stark für die Echtheit dieser Darstellung: Kaiser Augustus liebte Zahlen. Leute zu zählen war wirklich sein Ding. Zu sehen, wie das römische Reich unter seiner Führung blühte und damit zu zeigen, was für ein großartiger Kaiser er war – genau das war Augustus.
Er war übrigens auch der Erste, der das Konzept der Volkszählung auf die Provinzen des römischen Reiches ausdehnte.
Wenn Lukas also schreibt, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben, dann entspricht das genau dem, was man von diesem Kaiser erwarten würde.
Die Schwierigkeit mit der zeitlichen Einordnung der Einschreibung
Etwas problematischer zu verstehen ist Lukas 2,2: „Diese Einschreibung geschah als erste, als Quirinius Statthalter von Syrien war.“
Problematisch ist diese Formulierung, weil Quirinius, soweit wir wissen, erst im Jahr sechs nach Christus Statthalter der Provinz Syrien geworden ist. Das passt nicht dazu, dass Jesus geboren wurde, als Herodes der Große noch lebte. Herodes starb jedoch vier Jahre vor Christus.
Lösungsansätze zur zeitlichen Diskrepanz
Wie löst man das Problem, dass Lukas die Einschreibung auf die Zeit von Quirinius datiert, Jesus aber mindestens zehn Jahre früher geboren sein muss?
Ich mache es einfach und gebe euch im Skript noch einen Link zu einer ausführlicheren Betrachtung, falls ihr mehr wissen wollt. Die einfache Antwort ist folgende: Im Original wirkt der griechische Satz, den Lukas geschrieben hat, etwas ungelenk. Deshalb kann man ihn ganz unterschiedlich übersetzen.
Man kann ihn so übersetzen, wie es in meiner Elberfelder Bibel steht: Diese Einschreibung geschah als erste.
Man kann ihn aber auch anders übersetzen: Diese Einschreibung fand vor derjenigen statt, die vorgenommen wurde, als Quirinius Statthalter von Syrien war. Beide Übersetzungen sind möglich – entweder, die Einschreibung geschah als erste, oder sie fand vor derjenigen statt, die unter Quirinius stattfand.
Wenn man die zweite Übersetzung wählt, wird klar, dass es noch eine andere Einschreibung gab. Diese gab es tatsächlich. Die Einschreibung unter Quirinius war die bekanntere, einfach deshalb, weil sie zu Ausschreitungen geführt hatte.
Lukas selbst nimmt auf diese spätere Einschreibung unter Quirinius Bezug, wenn er in der Apostelgeschichte Gamaliel zitiert: „Nach diesem stand Judas der Galiläer auf in den Tagen der Einschreibung und machte eine Menge Volk abtrünnig und brachte sie hinter sich“ (Apostelgeschichte 5,37).
„In den Tagen der Einschreibung“ bezieht sich hier auf die Einschreibung, die alle kannten – nämlich die Einschreibung mit dem Judasaufstand.
Doch das war nicht die einzige Einschreibung, die es gab. Es gab davor noch eine, und die beschreibt uns Lukas im Lukasevangelium.
Die jüdische Praxis der Einschreibung und die Reise nach Bethlehem
Diese Zählung der Bevölkerung erfolgt typisch jüdisch. Sie richtet sich nicht nach dem Wohnort, sondern nach der Herkunft. So bestimmt der Geburtsort meines Urur-Urgroßvaters den Ort, zu dem ich ziehen muss, um mich dort registrieren zu lassen.
Für Joseph bedeutete das folgendes: In Lukas 2,4-5 heißt es: Es ging aber auch Joseph von Galiläa aus der Stadt Nazareth hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Haus und Geschlecht Davids war, um sich einschreiben zu lassen mit Maria, seiner Verlobten, die schwanger war.
Wir erinnern uns: Maria war kurz nach der Begegnung mit dem Engel für etwa drei Monate zu Elisabeth gegangen. Danach kehrte sie zurück. Joseph erfährt von der Schwangerschaft, will sich scheiden lassen, bekommt einen Traum und nimmt sie zu sich.
Sie leben zusammen, der Bauch wird immer runder, inzwischen ist ein weiteres halbes Jahr vergangen. Die Geburt steht kurz bevor. Genau zu diesem ungünstigsten Zeitpunkt mischt sich die Weltpolitik in das Leben dieses jungen Paares ein.
Gerade dann, wenn man besser nicht reisen sollte, weil das Gehen oder das Sitzen auf einem Reittier Wehen auslösen kann, muss Joseph seine Maria nehmen und sich mit allen anderen Nachfahren Davids auf den Weg nach Bethlehem machen.
Kein Wunder, dass dieser kleine Ort völlig überfüllt war. Es war so voll, dass kein Raum für eine hochschwangere Frau in der Herberge gefunden werden konnte.
Die Geburt Jesu in der Krippe als Zeichen göttlicher Demut
Und während sie darauf warten, dass die Formalitäten erledigt werden, lesen wir: „Und es geschah, als sie dort waren, wurden ihre Tage erfüllt, dass sie gebären sollte.“
Sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Raum für sie war.
Der erstgeborene Sohn – es sollten noch weitere folgen. Vier von ihnen sind uns mit Namen bekannt. In Matthäus 13,55 lesen wir von Jakobus, Joseph, Simon und Judas.
Aber wie grotesk ist diese Situation? Gott wird Mensch, der Schöpfer des Universums betritt seine Schöpfung, und es ist kein Platz für ihn da – außer in einer Krippe. Eine Krippe ist ein Futtertrog.
Gott liegt in einem Stall. Was für ein Wahnsinn und was für ein Bild! Davon morgen mehr.
Abschluss und praktische Anregung
Was könntest du jetzt tun? Schau dir auf einer Karte den Weg an, den Maria und Josef von Nazareth nach Bethlehem zurücklegen mussten. Präge dir ein, wo beide Orte liegen.
Das war's für heute. Wenn dir mein Podcast gefällt, erzähle heute doch jemandem davon.
Der Herr segne dich, schenke dir seine Gnade und lasse dich in seinem Frieden leben. Amen.
