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Gemeinschaft leben - Leben teilen

06.12.1999Apostelgeschichte 2,42-47

Einleitung

Ein Arzt erzählt: Vor der Tür stand der Seppli aus der Bachwies. Er habe mit seinem Bruder auf dem Heustock gespielt. Und dann habe ihn sein Bruder vom Heustock zur Tenne hinuntergestoßen. Die Untersuchung ergab, dass ein beträchtlicher Teil der Kopfhaut abgerissen war. Das ergab eine schwierige Operation. Mit etwa zwanzig Haften musste die abgerissene Kopfhaut wieder an ihrem alten Platz befestigt werden. Der kleine Seppli verhielt sich während der über eine Stunde dauernden Prozedur mäuschenstill. Kein Zappeln und kein Wehklagen. Endlich war es geschafft. Als er dann in seinem dicken Verband weggehen wollte, gab ihm meine Mutter eine Tafel Schokolade als Belohnung für das Stillehalten. Sie riet ihm, sie auf dem Heimweg zu essen. Aber der sagte: Nur die Hälfte, die andre bringe ich meinem Bruder Andreas." Aber der Andreas habe ihn doch zur Tenne hinuntergestoßen! Da blitzten die Augen des Seppli unter dem Verband: "Er ist doch mein Bruder!" Geschwister haben eben eine besondere Beziehung zueinander. Einerseits können sie sich streiten, auf der anderen Seite halten sie zusammen. Was sie verbindet ist die Familie, in der sie aufwachsen.

In der Bibel wird von den Christen auch in Kategorien von Familie gesprochen. Die Christen werden als Geschwister bezeichnet Brüder und Schwestern und Gott der Schöpfer ist unser Vater. Schon immer konnte man bei Christen beobachten, dass sie eine besondere Beziehung zueinander haben. Ein ganz harter Kritiker sagte anfangs des 2. Jhd. sagte in spottender und verachtender Weise: An geheimen Zeichen und Merkmalen erkennen sie einander und lieben sich schon, fast ehe sie sich noch kennen. Unterschiedslos vollziehen sie miteinander eine Art Ritual der Lüste; sie nennen einander Brüder und Schwestern, so dass die bei ihnen übliche Unzucht durch den Gebrauch eines so heiligen Wortes sogar zum Inzest wird. So prahlt ihr sinn- und gehaltloser Aberglaube noch mit seinen Verbrechen. (1)

Er konnte sich das gar nicht vorstellen, dass sich Christen so schnell lieben können. Aber er hat nicht verstanden, dass die Christen durch den Glauben an Jesus in einer ganz besonderen Weise verbunden sind. Mir ist es auch im Militär so gegangen. Wie froh war ich, als ich einen Mann kennenlernte, der auch an Jesus glaubte. Wir verspürten sofort eine besondere Verbundenheit. Es freute uns, wenn wir uns trafen.

Gemeinschaft ist ein wichtiger Aspekt des christlichen Lebens. Nach Pfingsten, als die erste Gemeinde entstand, lesen wir: Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. / Es kam aber Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. / Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. / Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nach dem es einer nötig hatte. / Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen / und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich hinzu, die gerettet wurden. Apg.2,42-47.

I. Gemeinschaft Leben

Idealvorstellung von der Urgemeinde

Für viele Christen ist das, das Modell für die Gemeinde schlechthin. Wir begegnen der Aufforderung zur Lebensweise der Urgemeinde zurückzukehren. Diese Forderung ist sicherlich nicht ganz falsch. Doch müssen wir dabei vorsichtig sein. Hier wird uns nämlich die Lebenswiese der Gemeinde in Jerusalem unter ihren Bedingungen gezeigt. Würden wir das so verwirklichen wollen, dann müssten wir uns praktisch täglich treffen. In unseren Häusern wäre ein reges ein und aus, Tischgemeinschaft würde intensiv gepflegt usw. Wenn wir solche Forderungen stellen, müssen wir uns ehrlich fragen, ob wir zu einem solchen Lebensstil bereit sind, und ob wir überhaupt in der Lage sind, so unser Leben zu gestalten. Ich meine, heute sind die wenigsten in der Lage Gemeinde so zu leben. Zu stark sind die Herausforderungen des Lebens. Würden wir so leben wollen, müssten die meisten von uns ihren Beruf aufgeben und sozusagen "Vollzeitchristen" werden, in dem Sinn Vollzeit, dass sie ihr Hauptbetätigung auf Gemeinschaftspflege legen.

Anwendung

Ihr müsst keine Angst haben, ich möchte Euch heute nicht mit unmöglichen Forderungen konfrontieren. Ich will nicht, dass wir alle nach Hause gehen und irgendwie den Eindruck haben, das war zwar schön, aber doch etwas Weltfremd. Wenn ich noch wollte, könnte ich so nicht leben. Andererseits, möchte ich aber doch, dass wir den Aspekt von Gemeinschaft leben und Leben teilen, betrachten und suchen wie wir in unserer Welt, im Raum Zürich, als Christen Gemeinschaft leben können.

Was Jesus zur Gemeinschaft sagt

Jesus gibt der Gemeinschaft einen sehr hohen Stellenwert. Die Liebe unter den Christen soll geradezu auf Jesus weisen. Er sagt seinen Jüngern: Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. / Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. Joh.13,34-35. Diese Liebe wird in der Bibel ganz praktisch verstanden. Eben nicht einfach Gemeinschaft haben, sondern auch das Leben teilen. So sagt Paulus: Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Gal.6,2. Und wenn jemand in Schwierigkeiten geraten ist, sollen wir ihm wieder aufhelfen. Liebe Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. Gal.6,1.

Anwendung

Das mit der Liebe, ist aber gar nicht so einfach. Reiner Marquardt sagte einmal: "Millionen" kann man leicht "umschlingen". Aber dem einen bestimmten Bruder oder der einen bestimmten Schwester nach einer heftigen Meinungsverschiedenheit wieder von Herzen die Hand zu drücken – das ist schon ein bisschen schwerer. (Reiner Marquardt) Paul Deitenbeck gibt zu bedenken: "Eigentlich müsste man unter jede Visitenkarte schreiben: Verliert bei näherer Bekanntschaft."
Wie leicht liebt es sich doch auf Distanz! Da sind die Glaubenshelden und alle unsere Bekannten so nette Leute. Gott müsste uns einmal mit Vorder- und Nebenmännern zusammen in Noahs Arche einschliessen; wenige Tage würden vollauf genügen. Dann würden wir nicht nur die Sonntagsvormittags-Gesichter unserer Freunde kennen, sondern auch ihre weniger sympathischen Seiten, die sie eine Zeitlang genauso gut zu verbergen verstehen als wir. Erst wenn wir sie dann noch "lieben", gebrauchen wir dieses Wort genaugenommen zu Recht. (Paul Deitenbeck)

Wie sollen wir uns lieben, wenn wir uns kaum kennen? Unsere Zurückgezogenheit hängt ganz eng mit unserer Prägung zusammen, denn wir sind ein zurückhaltendes Volk. Wir sind es uns nicht gewohnt in Sippen zu leben. Wenn ich von Missionaren höre, die z.B. nach Afrika reisen, dann verbringen sie die ersten Tage damit, die Menschen zu begrüssen. Die Menschen kommen zu ihnen. Es ist für sie selbstverständlich. Wir würden das nicht so machen. Wir wären da diskreter. Vielleicht eine Karte, vielleicht einen Blumenstrauss, aber ja nicht vorbeigehen, denn man könnte ja stören. Als Schweizer haben wir gerne unsere – möglichst eigenen – vier Wände in denen wir nicht gestört werden möchten. Wir lieben es, dass wir uns zurückziehen können. Diese Prägung hat natürlich Auswirkungen auf unser Leben als Christen. Wächst jemand in einer Kultur auf, die eher sippenhaftes Leben kennt, wird sich, wenn Menschen zum Glauben kommen, das sehr stark auf ihre Art von Gemeinschaft auswirken.

Auch wenn wir hier lesen, dass die Gemeinde einmütig im Gebet war, so haben wir es mit Menschen zu tun, die auch bevor sie Christen wurden ein Gebetsleben führten. Jetzt beten sie einfach zu ihrem Gott, dem sie begegnet sind. Ganz anders ist das heute bei uns. Wenn Menschen zum Glauben an Jesus kommen, dann müssen sie oft zuerst lernen, was beten überhaupt ist. Sie müssen lernen, wie man beten kann. Sie sind sich nicht gewohnt bestimmte Zeiten für das Gebet zu haben. Wir müssen diesen Unterschieden Rechenschaft tragen. Wir müssen uns überlegen, wie wir in unserer Kultur, in unserem Umfeld in Liebe und Gemeinschaft leben können.

II. Leben teilen

Einfach zusammensein

Da möchte ich einmal bei den ganz normalen Dingen des Lebens beginnen. Leben teilen kann einmal ganz einfach bedeuten, dass man miteinander etwas unternimmt. Man kennt sich aufgrund verschiedener Erlebnisse, die man miteinander gemacht hat. z.B. ein Ausflug, eine gemeinsame Sportart, beim grillieren, Ferien, Gemeindetag usw. Es ist wichtig, dass wir uns in verschiedener und natürlich Umgebung begegnen. Wir uns gegenseitig unbeschwert erleben und uns kennen und schätzen lernen, wie wir eben sind. Wir könnten z.B. am Sonntag nach dem Gottesdienst an einem See oder im Wald bröteln. Einen gemeinsamen Badeplatz am See, wo man weiss, dort sind unsere Leute.

  1. Wir sind überzeugt, dass liebevolle Beziehungen jeden Aspekt des Gemeindelebens prägen sollen. Joh.13,34-35; 1.Kor.13,13; Phil.2,1-2.

Sich tragen

Ein weiterer Aspekt von Leben teilen und Gemeinschaft ist, dass wir uns gegenseitig tragen. Meine Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit. 1.Joh.3,18. Johannes geht sogar so weit, dass er sagt: Daran haben wir die Liebe erkannt, dass er sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. / Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schliesst sein Herz vor ihm zu, wie bleibt dann die Liebe Gottes in ihm? 1.Joh.3,16-17. Im Hebräerbrief heisst es: Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott. Hebr.13,16. Wir sollen eigentlich für alle Menschen gutes tun, aber besonders für die Christen, so sagt Paulus: Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. Gal.6,10.  5. Wir sind überzeugt, dass die Gemeinde eine Gemeinschaft von Dienenden ist, die ihre Gaben zum Dienst für das Reich Gottes einsetzen. 1.Kor.12 u. 14; Röm 12;
 Eph. 4; Ps.133,1.

Treffpunkte zum Austausch schaffen

Um wirklich so leben zu können, reicht es nicht, dass wir uns am Sonntag im Gottesdienst treffen. Es braucht verschiedene Treffpunkte. Eine Art dieser Treffpunkte sind Kleingruppen. Sie sollen Orte sein, wo man Gemeinschaft pflegen und Leben teilen kann. Ein Ort, wo man nicht einfach über theologische Erkenntnis spricht, sondern wo man einander hilft im Alltag als Christ zu leben.

  1. Wir sind überzeugt, dass geistliches Wachstum und Lebensveränderung des Einzelnen sich besonders gut in einer Kleingruppe entfalten kann. Lk.6,12-13; Apg.2,46; Pred.4,12; Spr. 27,17.

Schluss

Gemeinschaft ist ein wichtiger Aspekt in unserem Leben als Christen. In unserer Lebensweise ist es gar nicht so einfach gute Wege zu finden. Ich verstehe, wenn man nicht immer mit vielen Leuten für lange Zeit zusammensein will. Irgendwann, muss man auch ausruhen können. Oft ist man von der Arbeitswoche so erschlagen, dass man Ruhe braucht. Oft fühlen wir uns überfordert. Einerseits sollen wir am Arbeitsplatz eine gute Leistung bringen, dann sollten wir gute Beziehungen zu nicht Christen pflegen und das möglichst intensiv. Ferner haben wir noch Dienste, die wir in der Gemeinde wahrnehmen und dann sollen wir auch noch genügend Zeit für die Gemeinschaft aufbringen. Trotzdem ist es wichtig, dass wir uns Gedanken machen, wie wir als Christen miteinander leben. Es würde mich freuen, wenn wir viele unkomplizierte Wege finden, wie wir als Christen in der Gemeinde zusammenwachsen können. Amen

(1) M.Minucius Felix: Octavius, 9,2.