Ich freue mich, viele bekannte Gesichter hier zu sehen, und stelle fest: Wir sind eine wirklich bunte Gemeinde, eine Gemeinde aus vielen Nationen.
Ich habe mich gerade umgeschaut und gedacht, wie viele von uns wohl nicht in Deutschland geboren sind. Vielleicht steht einfach mal jeder auf – ich hoffe, ihr versteht mich, ich spreche Deutsch – steht doch mal auf, wenn ihr nicht in Deutschland geboren seid. Alle, die nicht in Deutschland geboren sind, schaut euch mal um! Ist das nicht Wahnsinn? Das sind locker ein Drittel der Gemeinde.
Ihr dürft euch gerne setzen.
Jetzt möchte ich euch einfach mal fragen: Was meint ihr, wie viele verschiedene Nationen wir in der Mitgliedschaft haben? Nicht alle von euch sind Mitglieder, aber wie viele Nationen sind in der Mitgliedschaft der FG München Mitte vertreten? Ich habe diese Woche mal gezählt.
Wer mag einen Tipp abgeben? Zwanzig? Dreißig? Fünfunddreißig? So wie bei einer guten Auktion würde ich sagen: Wer bietet mehr? Vierzig? Vielleicht sind es sogar zweiundvierzig. Ich war mir bei einigen nicht ganz sicher.
40 verschiedene Nationen! Manche sind schon als kleine Kinder nach Deutschland gekommen und sind wirklich komplett deutsch. Andere kämpfen noch ein bisschen mit der Sprache und der Kultur. Manche sind vielleicht noch gar nicht lange hier, aber fühlen sich komplett zuhause in Deutschland, haben sich angepasst und sind einfach so deutsch, wie es nur geht. Und wieder andere sind vielleicht schon viele Jahre hier, aber sind nie so ganz heimisch geworden in Deutschland.
Doch bei all der Unterschiedlichkeit, egal wo wir herkommen, eint uns eines alle: Als Christen haben wir unser Bürgerrecht im Himmel. Wir gehören alle zum Reich Gottes.
Gleichzeitig eint uns auch, dass wir hier in Deutschland nach biblischer Definition alle Fremdlinge und Pilger sind.
Die Familie Jakobs: Von Trennung zur Wiedervereinigung
Und damit sind wir schon mitten im Thema der heutigen Predigt. Heute kommen wir in unserer Predigtreihe durch das erste Buch Mose zu einem Abschnitt, in dem wir lesen, wie die Familie Jakobs wieder vereint wird und zusammenkommt. Außerdem lesen wir, wie sie nach Ägypten übersiedeln, wo sie dann als Fremdlinge leben werden.
Unser Predigttext heute ist nicht ganz so lang wie der von letzter Woche, aber immer noch ausführlich. Es ist die zweite Hälfte von 1. Mose 45, beginnend in Vers 16, und dann das gesamte Kapitel 46.
In der Betrachtung dieser anderthalb Kapitel wollen wir sehen, wie das Erleben und Erfahren der großen Gnade Gottes die Familie Gottes, das entstehende Volk Gottes, wieder zusammenbringt und zugleich von anderen aussondert. Anschließend wollen wir darüber nachdenken, was das für uns bedeutet.
Bevor wir uns dem Wort Gottes zuwenden, möchte ich mit uns beten, dass der Herr uns hilft, sein Wort zu verstehen.
Himmlischer Vater, wir wollen dir danken für dein heiliges Wort. Danke, dass du ein Gott bist, der zu uns redet. Danke, dass dein Wort die Wahrheit ist. Danke, dass dein Wort ohne Irrtümer und Fehler ist, dass es zuverlässig ist und mächtig und kräftig in unser Leben hineinspricht.
Danke, dass wir in deinem Wort finden, was wir brauchen, um selig zu werden durch den Glauben an Christus Jesus. Und danke, dass dein Wort ein Licht für unseren Weg des Glaubens ist.
So hilf uns, zu hören, hilf uns, deine Stimme zu hören. Herr, bitte schenke, dass meine Stimme nur dein Sprachrohr ist, dass meine Worte wirklich nur das sagen, was du sagen möchtest, so dass wir nicht einen Prediger, sondern dich, den heiligen Gott, hören.
Darum bitten wir dich in Jesu Namen. Amen.
Die Geschichte Josefs und die göttliche Führung
Letzte Woche, zu Beginn von Kapitel 45, haben wir gesehen, wie Joseph sich nach 22 Jahren seinen Brüdern zu erkennen gibt. Zweiundzwanzig Jahre lang waren sie getrennt. Zweiundzwanzig Jahre zuvor hatten seine Brüder ihn herzlos und brutal in die Sklaverei nach Ägypten verkauft. Sie gingen davon aus, ihn nie wiederzusehen.
Viele Jahre später kam eine Hungersnot nach Kanaan, in das gelobte Land. Deshalb wurden Josephs Brüder, die Söhne Jakobs, losgeschickt, um in Ägypten Brot und Getreide zu kaufen. Gott hatte es so geführt, dass Joseph durch viel Leid schließlich an den Punkt gelangte, der zweite Mann in Ägypten zu sein.
So standen seine Brüder plötzlich vor Joseph – ohne ihn zu erkennen –, um Brot und Getreide zu kaufen. Es gab ein Hin und Her: Sie kamen einmal, dann ein zweites Mal. Schließlich und endlich wurde Joseph von seinen Gefühlen überwältigt. Während er vor seinen Brüdern stand und hörte, was sie sagten, gab er sich zu erkennen: „Ich bin Joseph, euer Bruder!“
Was für ihn ein sehr emotionaler Moment war, wurde für seine Brüder zu einer Schreckensnachricht. Sie standen starr vor Angst und fragten sich: Was wird Joseph jetzt tun? Wird er sich an ihnen rächen für all das Böse, das sie ihm angetan hatten? Wird er sie einsperren oder vielleicht töten?
Doch Joseph machte deutlich, dass er nichts dergleichen im Sinn hatte. Er wollte seinen Brüdern in Gnade begegnen, denn er erkannte nun, dass Gott all diese Dinge geführt hatte. Gott hatte einen großen Plan ausgeführt – auch durch das böse Handeln seiner Brüder. Joseph verstand, dass sein Leiden nicht einfach etwas war, das er aushalten musste, sondern dass es der Weg war, den Gott geplant hatte, um seine Familie zu retten.
Das verkündete er in den Versen 7 und 8 unseres Predigttextes von letzter Woche. Dort heißt es, wie Joseph zu seinen Brüdern sagt: „Gott hat mich vor euch hergesandt, dass er euch übrig lasse auf Erden und euer Leben erhalte zu einer großen Errettung. Und nun, ihr habt mich nicht hergesandt, sondern Gott. Der hat mich dem Pharao zum Vater gesetzt und zum Herrn über sein ganzes Haus und zum Herrscher über das Ägyptenland.“
Joseph erkannte die große Gnade Gottes. Davon war er so tief bewegt, dass er nun bereit war, seinen Brüdern auch in dieser Gnade zu begegnen. Er vergab ihnen nicht nur ihre Schuld und sagte, er wolle sie ungestraft ziehen lassen. Nein, er tat viel mehr: Er sagte, er wolle ihnen vergeben und dass sie zu ihm kommen sollten. Sie sollten ihren Vater holen, ihre Frauen und Kinder mitbringen und sich bei ihm niederlassen.
Joseph versprach, sie in dieser großen Hungersnot zu versorgen. Er wollte ihnen nicht nur vergeben, sondern ihr Retter sein. So lud er sie ein, nach Ägypten zu kommen.
Die Einladung des Pharao und die großzügige Versorgung
Und hier beginnt unser Predigttext. Wir lesen, dass der Pharao davon hört und nun selbst den Brüdern etwas ausrichten lässt. Er bestätigt, sozusagen, die Einladung, die Joseph seinen Brüdern bereits gegeben hat.
Das sehen wir zu Beginn unseres Predigttextes in Vers 17. Dort spricht der Pharao zu Joseph und sagt: „Sage deinen Brüdern, macht es so, beladet eure Tiere und zieht hin. Wenn ihr ins Land Kanaan kommt, nehmt euren Vater und alle, die zu euch gehören, und kommt zu mir. Ich will euch das Beste im Land Ägypten geben, damit ihr das Fett des Landes essen könnt. Gebiete ihnen: Macht es so! Nehmt euch Wagen aus Ägyptenland für eure Kinder und Frauen, bringt euren Vater mit und seht euren Hausrat nicht an. Denn das Beste des ganzen Landes Ägypten soll euer sein.“
Erstaunlich ist, dass hier ein heidnischer König zum Versorger von Gottes Volk wird. Er ist so großzügig, dass er sagt: Ihr könnt euren Hausstand, ihr könnt alles in Kanaan zurücklassen. Ich richte euch komplett neu ein mit dem Besten, was unser Land zu bieten hat.
Joseph gibt diese Anweisung dann an seine Brüder weiter. Ab Vers 21 heißt es: „Joseph gab ihnen Wagen nach dem Befehl des Pharaos, Verpflegung für den Weg und jedem von ihnen ein Festkleid. Benjamin gab er dreihundert Silberstücke und fünf Festkleider. Seinem Vater sandte er zehn Esel, beladen mit dem Besten aus Ägypten, sowie zehn Eselinnen mit Getreide, Brot und Verpflegung für den Vater auf den Weg.“
Damit entlässt er seine Brüder, und sie ziehen hin.
Wir sehen hier noch mehr Gnade! Joseph sorgt großzügig für seine Brüder. Er beschenkt sie mit Festkleidern und Silberstücken, sodass sie nun zurückkehren dürfen zu ihrem Vater nach Kanaan.
Ich kann mir vorstellen, dass Joseph dabei etwas im Sinn hatte. Denn schon einmal waren seine Brüder mit Kleidern von ihm und Silberstücken zu ihrem Vater zurückgekehrt.
Am Ende von Kapitel 37 lesen wir davon: Damals hatten sie Jakob ein Kleid, seinen besonderen Mantel, entrissen, bevor sie ihn in die Sklaverei verkauft hatten. Sie hatten diesen Mantel in Tierblut gedrängt und ihrem Vater gegeben, um anzudeuten oder vorzutäuschen, dass er durch wilde Tiere zerrissen worden sei. Außerdem brachten sie Silberstücke mit, die sie erhalten hatten, weil sie Joseph für diese Silberstücke verkauft hatten.
Jetzt sagt Joseph: Dieses Mal nehmt ihr nicht einen gebrauchten Mantel, sondern diesmal bekommt jeder ein neues Festkleid. Benjamin, der damals nicht dabei war, bekommt sogar fünf. Und ihr kehrt nicht nur mit zwanzig Silberstücken zurück, sondern mit dreihundert.
Was für eine Gnade! Ich kann mir vorstellen, dass die Brüder das gar nicht richtig fassen konnten. So viel Gnade erleben sie.
Die Wirkung der Gnade auf die Familie
Und dann sehen wir, was diese Gnade in ihnen bewirkt. Wir beobachten, wie diese erfahrene Gnade das Volk Gottes, die Familie, einen soll. Joseph kennt seine Brüder. Er weiß, dass sie streitsüchtig, neidisch und egoistisch sind. Deshalb gibt er ihnen noch eine Ermahnung mit auf den Weg.
Am Ende von Vers 24 ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass ich den letzten Satz nicht mitgelesen habe. Dort steht der literarisch eindrucksvolle Satz: „Zank nicht auf dem Weg, streite nicht!“ Die erfahrene Gnade soll die Brüder dazu bringen, verändert zu sein – nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander unterwegs.
So gehen sie zurück und kommen zu Jakob, ihrem Vater, und berichten ihm, dass Joseph lebt. Er kann es gar nicht glauben. Seit 22 Jahren ist er in tiefer Trauer und kommt nicht darüber hinweg, dass sein Sohn gestorben sein soll. Erst als er die Wagen sieht, die Joseph ihm gesandt hat, erkennt er, dass es wirklich wahr ist.
Jakob fasst einen Entschluss und sagt: „Wir müssen alle zusammenkommen. Ich will ihn sehen, ehe ich sterbe.“ So soll die Familie wieder vereint sein.
Die große Familie zieht nach Ägypten
Im Kapitel 46 lesen wir in einem langen Mittelteil, der im Gottesdienstblatt nicht mit abgedruckt ist, wie beschrieben wird, wie groß die Familie ist, die sich jetzt auf den Weg macht. Dort lesen wir von siebzig männlichen Nachkommen, die nach Ägypten ziehen.
Die Funktion dieses Abschnitts ist sicher vor allem, uns vor Augen zu führen, dass Gott treu ist und sich seine Verheißungen zu erfüllen beginnen. Gott hatte bereits Abraham, dem Großvater Jakobs, und Isaak, dem Vater Jakobs, sowie Jakob selbst verheißen, dass er sie zu einem großen Volk machen wollte. Dieses Volk sollte eines Tages im gelobten Land leben und unter guter Herrschaft Gottes reichen Segen erleben.
Hier sehen wir, dass der erste Schritt beginnt. Bisher war es immer nur einer: Abraham und seine Frau Sarai, die kinderlos waren. Dann, durch ein Wunder Gottes, kommt ein Sohn, Isaak. Doch es bleibt wieder nur bei Isaak und seiner Frau Rebekka, die ebenfalls kinderlos ist, weil sie unfruchtbar war. Doch durch ein weiteres Wunder Gottes wird sie schwanger und gebiert Jakob und Esau.
Esau ist jedoch nicht der Sohn der Verheißung, sondern nur Jakob – und es bleibt wieder nur einer. Doch jetzt, hier, entsteht plötzlich eine große Familie mit zwölf Söhnen und vielen Enkeln. Gottes Volk beginnt zu wachsen.
So kommt diese große Familie nach Ägypten. In Kapitel 46, Verse 28 bis 30, lesen wir schließlich, wie die Familie in Ägypten ankommt und wieder vereint ist:
Jakob, genannt Israel, spricht zu Joseph, dass dieser ihm Goschen anwiese. Als sie in das Land Goschen kamen, spannte Josef seinen Wagen an und zog seinem Vater Israel entgegen. Als er ihn sah, fiel er ihm um den Hals und weinte lange an seinem Hals.
Da sprach Israel zu Josef: „Ich will nun gerne sterben, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, dass du noch lebst.“
Was für ein Happy End! Die Predigttexte der letzten Wochen handelten von viel Leid und vielen Tränen. Wegen des Leidens gab es viele Boshaftigkeiten. Unser heutiger Predigttext ist einfach nur schön – ein Happy End.
Die Familie ist wieder vereint, aller Streit hat ein Ende. Man liegt sich in den Armen, die Herzen sind voller Dankbarkeit und Liebe. All das bewirkt die erfahrene Gnade Gottes.
Absonderung und Bewahrung der Identität in der Fremde
Aber wir sehen noch etwas anderes. Die große Gnade bringt nicht nur das Volk und die Familie zusammen, sondern sie sondert nun auch diese Familie in besonderer Weise aus.
Ich weiß nicht, ob euch das aufgefallen ist: Der Pharao hatte ja die Brüder eingeladen, all ihr Hab und Gut in Kanaan zurückzulassen und sich in Ägypten neu einzurichten. Ich lese das noch einmal: „Macht so, nehmt mit euch aus Ägypten lange Wagen für eure Kinder und Frauen und bringt euren Vater mit und kommt. Und seht euren Hausrat nicht an, denn das Beste des ganzen Landes Ägyptens soll euer sein.“ Er sagt also: Lasst alles hinter euch, fangt ein neues Leben an, werdet quasi Teil von Ägypten.
Aber dann heißt es gleich zu Beginn von Kapitel 46 in Vers 1: Israel, ein anderer Name für Jakob, zog hin mit allem, was er hatte. Er zog hin mit allem, was er hatte. Er gehorchte dem Pharao nicht, er packte die alten Kamellen ein. Und wir merken, er lässt sich nicht so ganz auf dieses Angebot ein, denn er weiß um die Verheißung Gottes. Er weiß, dass seine Familie ein großes Volk werden soll, das im gelobten Land leben wird.
Vielleicht weiß er auch darum, dass sein Opa Abraham einst nach Ägypten gezogen war. In 1. Mose 12,10 wird berichtet, wie Abraham im Ungehorsam gegenüber Gott nach Ägypten zog und Sarai damals als seine Schwester ausgab. Es war ein Desaster. Dann, bei einer weiteren Hungersnot in Kapitel 26, war auch Jakobs Vater Isaak versucht, nach Ägypten zu gehen. Gott erscheint ihm in einem Traum, spricht zu ihm und sagt: „Zieh nicht hinab nach Ägypten, sondern bleibe in dem Land, das ich dir sage.“
Weil Jakob das weiß, zögert er. Er zögert, nach Ägypten zu ziehen. Wenngleich er Sehnsucht hat, Joseph wiederzusehen, lesen wir dann in Vers 2, wie er seine Reise nach Ägypten unterbricht. Noch im gelobten Land, in Beerscheba, stoppt er, um dort Gott ein Opfer zu bringen und wegweisend von Gott zu empfangen.
Wir lesen, dass ihm dort auch Gott erscheint und was Gott zu ihm sagt. Kapitel 46 beginnt in Vers 2: „Gott sprach zu ihm des Nachts in einer Offenbarung: ‚Jakob, Jakob!‘ Er sprach: ‚Hier bin ich.‘ Und Gott sprach: ‚Ich bin Gott, der Gott deines Vaters. Fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen, denn dort will ich dich zum großen Volk machen. Ich will mit dir hinab nach Ägypten ziehen, und ich will dich auch wieder heraufführen. Und Joseph soll dir mit seinen Händen die Augen zudrücken.‘“
Jetzt wusste Israel, jetzt wusste Jakob, dass es okay war, nach Ägypten zu ziehen. Aber er wusste auch, dass Gottes Verheißung weiter gilt. Gott hat sie ihm noch einmal bestätigt und sagt: „Ihr, deine Familie, soll ein großes Volk werden, und dieses große Volk soll zurück ins gelobte Land kommen.“
Und damit war eines keine Option, nämlich sich einfach in Ägypten zu integrieren. Das ist das, was typischerweise immer passiert, wenn man in ein fremdes Land zieht und dort lebt. Dann heiratet man vielleicht irgendwann dort hinein, und irgendwann wird man einfach Teil dieses Landes. Das ist ein ganz natürlicher Prozess, und vielleicht hält die erste Generation noch ihre nationale Identität aufrecht, aber die zweite oder dritte Generation ganz sicher nicht mehr.
Aber Jakob weiß, Gottes Verheißung ist, dass wir unsere nationale Identität nicht verlieren sollen und eines Tages zurückkehren. Deshalb gibt er sich nicht in die Abhängigkeit des Pharaos.
Deswegen heißt es dann im Vers 5: „Da machte sich Jakob auf von Beerscheba, und die Söhne Israels hoben Jakob, ihren Vater, mit ihren Kindern und Frauen auf die Wagen, die der Pharao gesandt hatte, um ihn zu holen. Sie nahmen ihr Vieh und ihre Habe, die sie im Land Kanaan erworben hatten, und kamen so nach Ägypten, Jakob und sein ganzes Geschlecht mit ihm.“
Und das erklärt jetzt auch, was Joseph seinen Brüdern ganz am Ende unseres Predigttextes sagt. Ein etwas komischer Abschnitt, wenn man ihn einfach nur so liest. Man liest vielleicht ein bisschen drüber hinweg, wundert sich und liest einfach weiter. Aber lasst uns mal ein bisschen langsamer hinschauen.
Kapitel 46, Vers 31: Joseph sprach zu seinen Brüdern und zu seines Vaters Hause: „Ich will hinaufziehen und dem Pharao ansagen und zu ihm sprechen: ‚Meine Brüder, meines Vaters Haus, sind zu mir gekommen aus dem Land Kanaan und sind Viehhirten, denn es sind Leute, die Vieh haben, ihr Kleinvieh und Großvieh. Und alles, was sie haben, haben sie mitgebracht.‘ Wenn euch nun der Pharao wird rufen und sagen: ‚Was zu euer Gewerbe soll?‘, so sagt: ‚Deine Knechte sind Leute, die Vieh haben, von der Jugend an bis jetzt, wir und unsere Väter.‘ Damit ihr wohnen dürft im Land Goschen, denn alle Viehhirten sind in Ägypten ein Gräuel.“
Okay, strange. Vieh, Vieh, Vieh, Vieh, Vieh, Vieh, Gräuel! Na, was soll das? Joseph hat einen guten Gedanken. Die Ägypter haben ein Problem mit Viehhirten, das sind unreine Leute, mit denen man nichts zu tun haben will. Und anstatt das runterzuspielen, um hier willkommen zu sein, sagt Joseph, dass sie das Gegenteil betonen.
Damit wird deutlich: Mit uns wollt ihr eigentlich nichts zu tun haben. Gebt uns dieses Land Goschen, ein sehr fruchtbares Land, das quasi in der Grenzregion am nächsten zu Kanaan liegt. Gebt uns dieses Land, und ja, mit uns wollt ihr nichts zu tun haben.
Wir leben quasi in Goschen fast so, als wenn es ein Teil einer Exklave von Kanaan ist, ein Stück Kanaan mitten in Ägypten. So sorgt Joseph dafür, dass sich das Volk Gottes, die Familie Jakob, absondert von den Ägyptern. Sie gehen nicht auf, verlieren nicht ihre nationale Identität, sondern bleiben ein Volk, das dort an diesem Ort unter dem Segen Gottes weiter wachsen darf.
Und so kommt es: Das Volk bleibt zusammen. 430 Jahre später, so lesen wir im zweiten Buch Mose in Kapitel 12, gibt es immer noch dieses Volk. Es hat sich nicht vermischt, es ist nicht aufgegangen in diesem großen Staat Ägypten.
Und diese Familie Jakobs, 70 Männer plus Frauen, ist nun gewachsen, 430 Jahre später, zu einem Volk mit 600.000 Mann. Gott ist seinen Verheißungen treu. Er hat die Familie zusammengebracht, er hat sie ausgesondert und er hat sie gesegnet.
Das ist unser Predigttext.
Die Bedeutung für unser Leben heute
Was hat das jetzt mit uns zu tun? Immer wenn jemand vorhat, nach Ägypten umzuziehen? Es sind ja keine Nachkommen Jakobs. Nun, ob dieser Text etwas mit dir zu tun hat, hängt davon ab, ob du auch die große Gnade Gottes erfahren hast.
Wir haben in den letzten Wochen immer wieder darüber nachgedacht, dass die Geschichte Josefs nicht einfach nur irgendeine Geschichte ist. Vielmehr ist die Geschichte Josefs – wie überhaupt das ganze Alte Testament – uns gegeben, damit wir dadurch etwas über den Herrn Jesus lernen.
Jesus selbst sagt in einem Gespräch mit den Juden seiner Zeit, die ihn kritisieren: „Ihr kennt die Schriften nicht“, gut deutsch: „Ihr kennt das Alte Testament nicht.“ Denn die Schriften zeugen von mir. Und Paulus schreibt später und betont, dass die Dinge, die uns im Alten Testament aufgeschrieben sind, zu unserer Belehrung dienen. Sie sollen uns helfen, durch den Glauben an Christus Jesus selig zu werden und uns zu jedem guten Werk ausrüsten.
Das heißt, Gott will durch die Geschichte Josefs zu uns sprechen und uns durch Joseph auf einen hinweisen, der größer und besser ist als Joseph. Wir haben das in den letzten Wochen ausführlich betrachtet. Heute will ich es nur ganz kurz andeuten: Joseph wurde von seinen sündigen Brüdern abgelehnt, verkauft und verstoßen. Sie dachten, er sei tot.
In ähnlicher Weise kam Jesus zu uns Menschen und wurde von den Menschen abgelehnt, verstoßen und gekreuzigt. Auch wir dachten, er sei tot. Aber Joseph lebte und vergab seinen Brüdern ihre Schuld, als sie zu ihm kamen. Er segnete sie und beschenkte sie.
Ebenso lebt Jesus, denn er ist am dritten Tag auferstanden. Er nimmt jeden an, der zu ihm kommt. Er erweist uns Gnade, vergibt unsere Schuld, segnet uns und versorgt uns mit allem, was wir für dieses Leben und für die Ewigkeit brauchen.
So wie bei Joseph sein Weg des Leidens nicht einfach ein großer Unfall war, sondern der gute Plan Gottes, so war es auch bei Jesus. Sein Leiden und Sterben am Kreuz war der große Plan Gottes zur Erlösung von Menschen wie dir und mir.
Jesus ist bewusst am Kreuz gestorben, um dort für unsere Sünden und unsere Schuld die gerechte Strafe auf sich zu nehmen. In gewisser Weise nahm er uns am Kreuz, jedem, der im Glauben zu ihm kommt, unsere durch Sünde befleckten Kleider ab. Er gibt uns stattdessen sein reines Gewand, seine Kleider der Gerechtigkeit – so beschreibt es das Neue Testament.
Wir werden nicht mit Feierkleidern beschenkt wie die Brüder Josefs. Wir werden beschenkt mit der Gerechtigkeit Christi, die uns umkleidet, wenn wir eines Tages vor Gott, dem Vater, stehen. Dann werden wir im Gericht bestehen – nicht weil wir gut genug sind, sondern weil Jesus gut genug für uns war und unsere Schuld auf sich genommen hat.
So möchte ich fragen: Kennst du den, der größer und besser ist als Joseph? Kennst du Jesus? Hast du diese große, unverdiente Gnade erfahren?
Wenn du das noch nicht ganz sicher sagen kannst, dann lade ich dich ein, dich Jesus im Glauben zuzuwenden. Wenn du Fragen hast, wie das geht oder was das genau bedeutet, kannst du zum Christseinenden-Decken-Kurs ab dem 2. März hier in diesem Raum kommen oder mich ansprechen. Ich stehe nachher vorne an der Tür oder du sprichst mit Jonathan, der heute den Gottesdienst geleitet hat.
Lass uns darüber ins Gespräch kommen. Denn egal, wer du bist, egal was du getan hast, egal wo du herkommst und egal wie lange du den christlichen Glauben bisher ausgeblendet oder ignoriert hast – die Einladung gilt auch dir.
Jeder, der zu Jesus Christus kommt und sich ihm im Glauben zuwendet, darf wissen, dass er uns gerne alle unsere Schuld vergibt, uns segnet und versorgt. Das ist die große Gnade Gottes, die wir alle erfahren dürfen.
Ich weiß, die allermeisten von uns sagen: Ja, das habe ich erfahren. Die Gnade Gottes ist in mein Leben gekommen. Und dann darf uns diese Gnade Gottes auch verändern. Sie darf uns verändern, indem sie uns mit anderen Menschen verbindet, die Jesus ebenfalls als ihren Retter und Herrn kennen.
Die Bibel sagt, dass wenn wir Gottes Gnade erfahren haben, Gott uns in seiner Gnade zu seinen Kindern macht, uns adoptiert und uns in seine große Familie einfügt – die Familie Gottes. Wir werden Teil des Leibes Christi. Jesus ist unser Haupt, und wir sind sein Leib.
Joseph hat seinen Brüdern gesagt: „Zankt euch nicht!“ Er rief seine Familie zusammen, um sie zu versorgen und zu segnen. Genau das Gleiche tut der, der größer und besser ist als Joseph. Jesus ruft uns zu: „Zankt euch nicht, streitet euch nicht!“
So wie Josefs Brüder nicht einfach nur sagen sollten: „Okay, dann streiten wir uns halt nicht und gehen getrennte Wege“, sondern zusammenkommen sollten, so sollen auch wir zusammenkommen und in herzlicher Liebe miteinander verbunden sein.
Das ist Jesu Berufung für seine Nachfolger. An unserer Liebe füreinander soll die Welt erkennen, dass wir seine Jünger sind.
Gemeinde als Heimat und Gemeinschaft
Das ist unsere Berufung. Er ruft uns zusammen in der Gemeinde. Er will uns einen. Er ruft uns an diesen Ort, den die Bibel Gemeinde nennt, weil das der Ort ist, an dem er bei uns sein will, für uns sorgen und uns segnen will – so wie Joseph seine Familie in Goschen.
Er hat uns verheißen, dass er uns eines Tages aus diesem Ort hinführen wird in das gelobte Land.
Ihr Lieben, ihr merkt: Gemeinde ist so viel mehr als nur der Ort, an dem man sich sonntags mal für eine Stunde versammelt. Ich hoffe, du kennst Gemeinde als einen Ort, der Heimat ist. Ich hoffe, du kennst Gemeinde als eine Gemeinschaft, die inniger, herzlicher und verbindender ist als alles, was du sonst kennst in dieser Welt.
Und ja, in der Gemeinde kommen Menschen zusammen, die nicht perfekt sind, die Fehler machen, sich mal streiten und Sünder sind. Aber die Gnade Gottes wirkt in uns, und sie darf uns verändern und einen.
Für mich ist das ein großartiges Zeugnis, wenn ich manchmal in Aufnahmegesprächen von Geschwistern höre, die aus einem fernen Land nach Deutschland gekommen sind und mir sagen: "Hier in der FG München Mitte habe ich wirklich Heimat gefunden. Hier durfte ich erleben, dass ich geliebt und angenommen bin."
Ich hoffe, du hast das erlebt. Und wenn du das noch nicht erlebt hast, dann gib uns noch mal eine Chance.
Ich kann sagen: Ich bin so dankbar, dass ich das selbst erleben durfte. Ich bin 1998 als ganz junger Christ nach Washington D.C. gezogen, fernab meiner Heimat. Dort kam ich in die Capital Baptist Church – und ich war zuhause. Ich glaube, ich war mehr zuhause als jemals zuvor in meinem Leben. Ich habe eine Familie gefunden. Diese Verbindung besteht bis heute. Wann immer ich zurück in Washington D.C. bin, fühle ich mich zuhause. Nicht, weil ich die Stadt so toll finde, sondern weil die Capital Baptist Church meine Heimat ist.
Dann komme ich zurück nach München, gehe in die FWG München mit und bin wieder zuhause. Ich liebe es, in der Gemeinde zu sein.
Später bin ich beruflich nach Dubai gegangen und war mitten in der islamischen Welt, einer fremden Kultur. Doch dann kam ich in die United Christian Church of Dubai und fühlte mich wieder zuhause.
Ich hoffe, du kennst das. Ich hoffe, du kennst Gemeinde so.
Wenn du Gemeinde bisher als einen Ort kennst, an den du sonntags mal gehst und vielleicht noch irgendwo im Haus kreist, aber ansonsten hat das nichts mit dir zu tun, dann bitte: Sieh zu, dass du Gemeinde noch einmal anders erleben darfst. Finde Gemeinschaft. Finde Menschen, die für dich Heimat sein dürfen. Lass dich darauf ein.
Gemeinde in der Corona-Zeit: Zusammenhalt und Fürsorge
Und, ihr Lieben, inmitten der Corona-Krise tut Gott große Dinge hier in dieser Gemeinde. In den ersten sechs Wochen dieses Jahres haben wir 14 Gemeindeaufnahmeanträge entgegengenommen. Diese Anträge stammen von Menschen, die aus Südafrika, Hongkong, Rumänien, Argentinien, Korea und auch aus Deutschland kommen.
Ihr Lieben, das sind Geschwister, die aus fernen Ländern hier angekommen sind oder vielleicht auch aus nicht ganz so weit entfernten Orten. Sie dürfen hier eine neue Heimat finden. Lasst uns ihnen den Start erleichtern, damit sie hier ankommen und Heimat finden können. Jede Woche kommen mehr Menschen hinzu, jede Woche neue Gesichter.
Ich weiß, dass wir in dieser Corona-Zeit die Sehnsucht haben, unsere Familienmitglieder mal wieder zu sehen. Sonntags kommen wir zusammen und sagen: „Ach, da ist der und da ist die, die habe ich länger nicht gesehen.“ Unter der Woche hat man ja so wenig Kontakt, und dann freut man sich, die Leute zu sehen. Das geht mir auch so.
Aber lasst uns dabei auch die im Blick behalten, die neu sind und vielleicht noch nicht diese Beziehungen haben. Vielleicht nehmt ihr euch heute nach dem Gottesdienst ganz bewusst Zeit und geht auf mindestens eine Person zu, die ihr noch nicht kennt. Es ist völlig in Ordnung, wenn die Person euch später sagt: „Ach, ich bin schon seit zehn Jahren hier.“
Ich kann euch sagen, als Pastor stehe ich an der Tür. Jetzt während der Corona-Zeit kommen da so vermummte Menschen, am besten noch mit einer Wollmütze bis hier und einer Maske bis da. Und ich frage: „Bist du heute zum ersten Mal hier?“ Dann schauen sie mich an und sagen: „Matthias, wir kennen uns doch schon seit Jahren.“
Das ist doch völlig egal. Dann wissen sie trotzdem, sie sind geliebt. Wir kümmern uns auch um die, die neu sind, und vielleicht haben wir ihnen damit etwas vorgelebt. Lasst uns darauf achten, dass wir wirklich als Familie miteinander unterwegs sind.
Ich möchte uns auch Mut machen, in dieser Zeit die im Blick zu haben, die vielleicht aus Sorge um Corona oder aus Platzgründen gerade nicht an den Versammlungen der Gemeinde teilnehmen können. Gibt es Geschwister, die wir aktuell nicht sehen? Lasst uns sie anrufen, dranbleiben an ihnen und ihnen sagen: „Wir haben euch nicht vergessen, ihr gehört immer noch zu uns.“
Wenn du im Livestream dabei bist, möchte ich dich einladen, die Möglichkeiten zu nutzen, die es gibt, um Gemeinschaft zu leben. Vielleicht rufst du nach dem Gottesdienst jemanden an, von dem du denkst, er war vielleicht auch nicht im Gottesdienst, hat aber den Livestream verfolgt. Dann sagst du: „Hast du die Predigt gehört?“ Ihr tauscht euch aus, und du fragst: „Wie kann ich für dich beten?“ Dann betet ihr miteinander. Das geht auch am Telefon, über Zoom oder Skype.
Gott will uns sammeln als seine Gemeinde, und er will uns zugleich auch aussondern von dieser Welt. Nicht so wie Israel und seine Familie, als sie nach Ägypten kamen. So leben auch wir inmitten einer Welt, die uns erst einmal fremd ist, die uns feindlich gesinnt und ungläubig ist.
Wir haben die Verheißung, dass das nicht unsere ewige Heimat ist. Wir leben zwar in dieser Welt, aber wir gehören nicht zu ihr. Wie Paulus im Philipperbrief schreibt: „Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel, von woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus.“ (Philipper 3,20)
Wir warten noch auf unsere Heimat, und in gewisser Weise ist unsere Heimat schon ein kleines bisschen hier. So wie das Volk Gottes, die Familie Jakobs, in Ägypten noch auf die Zeit wartete, wenn sie das gelobte Land wieder besuchen und einziehen würden, so lebten sie doch schon quasi in dieser Exklave Karnahans in Goschen.
So leben auch wir ein bisschen Himmel auf Erden. Das soll die Gemeinde sein: der Ort, wo sich die Christen sammeln und sich von der Welt absondern. Das ist der Ort, an dem wir Gottes Versorgung und seinen Segen erleben.
Warnung vor der Verlockung der Welt
Nicht so wie Joseph uns
Wie Joseph seine Familie nach Goschen rief, damit sie sich nicht mit den Ungläubigen vermischten, so sind auch wir von Christus aus dieser Welt herausgerufen. Wir sollen nicht in dieser Welt aufgehen, sondern anders leben und eine Kontrastgesellschaft bilden.
Aber so wie einst der Pharao die Brüder Josephs lockte, so lockt uns auch diese Welt mit ihren Schätzen. Manchmal ist es in Ordnung, die Versorgung der Welt anzunehmen. Es ist wunderbar, wenn du einen ungläubigen Arbeitgeber hast, der dir einen guten Lohn zahlt. Preist den Herrn für die Versorgung, die er dir so zukommen lässt – wunderbar! Wenn du ungläubige Familie hast, die dich unterstützt, preist den Herrn für seine gnädige Versorgung.
Doch lasst uns nicht naiv sein. Der Fürst dieser Welt ist Satan. Er ist gegen den Herrn Jesus Christus und gegen den Leib Christi, gegen die Gemeinde. Er wird alles versuchen, um uns aus unserer kleinen Exklave, aus unserem Goschen herauszulocken, damit wir in Ägypten aufgehen. Er wird versuchen, uns aus der Gemeinde herauszurufen, damit wir in der Welt aufgehen. Und leider hat er immer wieder Erfolg.
Manchmal ziehen ganze Gemeinden fröhlich nach Ägypten und sondern sich nicht aus. Ich habe das gerade in den letzten Wochen und Monaten erlebt. Ein anderer Pastor erklärte mir, dass man doch nicht an allen Dingen festhalten könne, weil man ja schließlich in dieser Welt noch anschlussfähig sein wolle. Unter diesem Schlagwort war er dann bereit, einen ganzen Haufen biblischer Lehren einfach über Bord zu werfen – und die biblische Ethik gleich hinterher.
Aber das kann doch nicht sein! Gott hat uns doch aus dieser Welt herausgerufen, nicht damit wir wieder hineinlaufen. Es kann doch nicht darum gehen, dass wir dieser Welt gefallen, sondern unserem Herrn, der uns in seiner großen Gnade gerettet hat, damit wir für ihn leben und seinen Segen erleben.
Ich möchte gar nicht über die anderen Gemeinden reden, ich möchte zu uns sprechen. Ich möchte uns ermutigen, darauf zu achten, dass wir als Gemeinde treu beim Herrn bleiben, treu bei seinem Wort bleiben und treu so leben, wie er es uns sagt. Dabei sollen wir uns untereinander helfen, ermutigen, anspornen und wenn nötig auch mal ermahnen, damit wir nicht in die Welt abdriften, sondern in der Gemeinde Gottes leben.
Das gilt natürlich nicht nur für uns als Gemeinde insgesamt, sondern auch für jeden Einzelnen. Die Verlockungen Ägyptens gibt es überall. Da lockt der neue Job, da lockt vielleicht eine günstigere Wohnsituation, da lockt irgendetwas – und wir sind schnell dabei, dem nachzulaufen.
Ich möchte dir sagen: Prüfe, prüfe bei allen Verlockungen, so gut sie sich auch anhören mögen, ob sie dazu führen könnten, dass du komplett in der Welt aufgehst.
Eine wirklich traurige Sache für mich als Pastor ist, dass ich regelmäßig von ehemaligen oder teilweise auch noch aktuellen Mitgliedern höre, die sich aus welchen Gründen auch immer dazu entschieden haben, wegzuziehen. Sie haben alles geklärt: Schulen für die Kinder gefunden, wissen, wo der nächste Supermarkt ist, haben ein schönes Häuschen gefunden, der Job passt sowieso. Es ist alles klar, damit sie in ihrer neuen Heimat gut leben können.
Doch dann merken sie, dass sie in ihrer neuen Heimat keine Heimat haben, keine wirkliche Heimat. Sie kommen mitten in einer Dürrephase an und geistlich verhungern und verdursten. Dann sagen sie: „Können wir gerne noch ein bisschen in der FEG München Mitte Mitglied bleiben, auch wenn wir gar nicht mehr am Gemeindeleben teilnehmen können, weil wir nichts Neues finden.“
Solchen Leuten möchte ich sagen: Bevor ihr euch entscheidet, einen Job irgendwo anzunehmen, einen Studienplatz irgendwo zu wählen oder irgendwo anders hinzuziehen, klärt bitte, ob ihr da, wo ihr hingeht, geistlich versorgt seid. Ob ihr dort Familie habt – Familie Gottes, Gemeinde.
Die FEG München Mitte ist nicht die allein selig machende Gemeinde, aber stellt sicher, dass ihr an einen Ort kommt, wo ihr nicht in Ägypten aufgeht. Findet ein neues Goschen.
Manchmal muss man dazu gar nicht aus München weggehen. Manchmal muss man dazu gar nicht aus der Gemeinde austreten. Manchmal sind die Verlockungen Ägyptens quasi unmerklich in unser Leben gekommen.
Vielleicht ist es der Sport, der auf einmal so viel Raum einnimmt, dass alles andere in den Hintergrund tritt. Oder der Job und die Karriere, für die wir alles geben. Oder vielleicht sogar die Zweisamkeit einer neuen Beziehung, die uns so wichtig ist, dass wir uns vielleicht ohne es richtig zu merken mehr und mehr von anderen Geschwistern entfernen. Mehr und mehr entfernen wir uns hinein in die Welt und werden mehr und mehr geprägt von den Denkmustern und dem Verhalten der Welt, anstatt von dem, was uns wirklich prägen sollte: Christus.
Er ruft uns in seinen Leib, um auf uns Acht zu haben, uns zu versorgen und zu führen.
Abschluss: Die Gemeinde als leuchtendes Zeugnis
Ihr Lieben, ich möchte uns Mut machen. Lasst uns hören, was Joseph dem Volk Gottes gesagt hat. Er verkündet ihnen die Gnade Gottes, ruft sie zusammen und sondert sie ab von der ungläubigen Welt um sie herum.
So soll es auch bei uns sein: herausgerufen aus der sündigen, todverfallenen Welt um uns herum. Gesammelt als Gemeinde des Herrn Jesus Christus sollen wir miteinander leben, in herzlicher Liebe verbunden. So sollen wir leuchten als helle Lichter hinein in diese finstere Welt.
Das tun wir, indem wir als Jünger Jesu aufeinander bedacht sind und Zeugnis geben von der Gnade, die wir erfahren haben. Und, ihr Lieben, dann dürfen wir darauf vertrauen, so wie der Herr sein Volk in Ägypten reich segnete und wachsen ließ, dass er auch uns heute hier in seiner Gemeinde weiter versorgen, segnen und wachsen lassen wird.
Wer weiß, was wir noch erleben dürfen, wenn wir so leben. Denn der Herr wird seine Gemeinde bauen. Er wird Menschen herbeirufen aus allen Völkern, Stämmen und Nationen. Vierzig Nationen sind noch gar nichts, dreihundertfünfundachtzig, dreihundertneunzig Mitglieder sind noch gar nichts.
Der Herr baut seine Gemeinde mit Menschen, die aus dieser Welt herausgerufen sind. Wir leben in dieser Welt, aber wir sind nicht von ihr, sondern Zeugen für unseren Herrn und seine große Gnade.
Ich bete mit uns: Himmlischer Vater, wir wollen dir danken. Dein Wort erzählt uns nicht einfach nur Geschichten. Du hast die Geschichte der Welt so geschrieben und geführt, dass sie für uns ist, damit wir aus ihr lernen können – hier und heute für unser Leben.
Danke, dass wir in dir sehen dürfen, den Gott Jakobs, von dem wir vorhin gehört haben. Du bist der immer gleiche Gott, der ewig gleiche Gott – gestern, heute und in Ewigkeit.
Du bist ein Gott der Gnade, ein Gott, der Menschen zu sich ruft. Du bist ein Gott, der denen vergibt, die sich dir zuwenden. Du bist ein Gott, der die, die zu dir gehören, reich versorgt und segnet.
Und du bist ein Gott, der uns verheißen hat, dass wir eines Tages unsere Pilgerreise beenden und einziehen werden in deine Herrlichkeit.
Herr, hilf uns, nicht von diesem guten Weg abzukommen. Hilf denen, die dich noch gar nicht kennen, auf diesen Weg mit uns zu kommen. Hilf uns, noch viele mitzunehmen, und hilf uns, dir treu nachzufolgen, bis wir unsere Pilgerreise vollendet haben – zu deiner Ehre und zu unserem Besten.
So beten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.