Ich hatte mich gebeten, den Predigttext noch einmal komplett zu lesen. Das mache ich gerne aus Johannes Kapitel 11, Vers 1.
Es war aber einer krank, Lazarus von Bethanien, aus dem Dorf der Maria und ihrer Schwester Martha. Maria war diejenige, die den Herrn gesalbt und seine Füße mit ihren Haaren getrocknet hatte. Deren Bruder Lazarus war krank.
Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du liebst, ist krank. Als Jesus es hörte, sprach er: Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes, damit der Sohn Gottes dadurch verherrlicht wird.
Jesus aber liebte Martha und ihre Schwester und Lazarus. Als er nun hörte, dass jener krank sei, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er war. Dann erst sagte er zu den Jüngern: „Lasst uns wieder nach Judäa ziehen.“
Die Jünger antworteten ihm: Rabbi, eben noch wollten dich die Juden steinigen, und du begibst dich wieder dorthin? Jesus erwiderte: Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn jemand bei Tag wandelt, so stößt er nicht an, denn er sieht das Licht dieser Welt. Wenn aber jemand bei Nacht wandelt, so stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist.
Dies sprach er, und danach sagte er zu ihnen: Unser Freund Lazarus ist eingeschlafen, aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken. Da sprachen seine Jünger: Herr, wenn er eingeschlafen ist, so wird er gesund werden.
Jesus aber hatte vor seinem Tod geredet, sie dagegen meinten, er rede vom natürlichen Schlaf. Daraufhin nun sagte es ihnen Jesus frei heraus: Lazarus ist gestorben, und ich bin froh um euretwillen, dass ich nicht dort gewesen bin, damit ihr glaubt. Doch lasst uns zu ihm gehen!
Da sprach Thomas, der Zwilling genannt wird, zu den Mitjüngern: Lasst uns auch hingehen, damit wir mit ihm sterben!
Als Jesus nun kam, fand er ihn schon vier Tage im Grab liegend. Betanien aber war nahe bei Jerusalem, ungefähr fünfzehn Stadien entfernt. Viele von den Juden waren zu denen um Martha und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten.
Als Martha hörte, dass Jesus komme, ließ sie ihm entgegengehen. Maria aber blieb im Haus sitzen. Da sprach Martha zu Jesus: „Herr, wenn du hier gewesen wärst, wäre mein Bruder nicht gestorben. Doch auch jetzt weiß ich, dass dir Gott geben wird, was immer du von ihm erbitten wirst.“
Jesus spricht zu ihr: „Dein Bruder wird auferstehen.“ Martha antwortete ihm: „Ich weiß, dass er auferstehen wird, in der Auferstehung am letzten Tag.“ Jesus sagte zu ihr: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Glaubst du das?“
Sie antwortete ihm: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“ Nachdem sie das gesagt hatte, ging sie fort und rief heimlich ihre Schwester Maria. Sie sprach: „Der Meister ist da und ruft dich.“
Als Maria das hörte, stand sie schnell auf und begab sich zu ihm. Jesus war aber noch nicht in das Dorf gekommen, sondern befand sich an dem Ort, wo Martha ihm begegnet war.
Als die Juden, die bei ihrem Haus waren und sie trösteten, sahen, dass Maria so schnell aufstand und hinausging, folgten sie ihr nach. Sie sagten: „Sie geht zum Grab, um dort zu weinen.“
Als Maria an den Ort kam, wo Jesus war, und ihn sah, fiel sie zu seinen Füßen nieder und sprach zu ihm: „Herr, wenn du hier gewesen wärst, wäre mein Bruder nicht gestorben.“
Als Jesus sah, wie sie weinte und wie die Juden, die mit ihr gekommen waren, weinten, seufzte er im Geist und wurde bewegt. Er sprach: „Wo habt ihr ihn hingelegt?“ Sie antworteten ihm: „Herr, komm und sieh.“
Jesus weinte. Da sagten die Juden: „Seht, wie sehr hatte er ihn lieb!“ Einige von ihnen aber sprachen: „Konnte der, welcher dem Blinden die Augen geöffnet hat, nicht dafür sorgen, dass auch dieser nicht gestorben wäre?“
Jesus seufzte tief bei sich selbst und ging dann zum Grab. Es war eine Höhle, und ein großer Stein lag davor.
Jesus sagte: „Hebt den Stein weg!“ Martha, die Schwester des Verstorbenen, antwortete ihm: „Herr, der Geruch ist schon stark, denn er liegt schon vier Tage hier.“
Jesus erwiderte: „Habe ich dir nicht gesagt, dass du die Herrlichkeit Gottes sehen wirst, wenn du glaubst?“ Daraufhin hoben sie den Stein weg, wo der Verstorbene lag.
Jesus richtete seinen Blick zum Himmel und sprach: „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich weiß, dass du mich allezeit erhörst. Aber ich habe es um der umstehenden Menge willen gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.“
Nachdem er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: „Lazarus, komm heraus!“
Der Verstorbene kam heraus, an Händen und Füßen mit Grabtüchern umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch bedeckt. Jesus sagte zu ihnen: „Bindet ihn los und lasst ihn gehen!“
Viele von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus getan hatte, glaubten an ihn. Einige aber gingen zu den Pharisäern und berichteten ihnen, was Jesus getan hatte.
Als Christen haben wir eine ganz besondere Beziehung zu Jesus Christus. Viele Menschen in unserer Umgebung können das oft nicht so richtig nachvollziehen. Immer mehr Menschen wissen zunächst gar nicht, wer mit Jesus gemeint ist, wenn wir von ihm sprechen. Und wenn sie ihn kennen, dann meist nur durch einige biblische Geschichten, die auch uns vertraut sind.
Wenn wir Jesus jedoch näher kennenlernen und uns mit ihm auseinandersetzen, so wie er uns im Neuen Testament vorgestellt wird, treten zwei Aspekte besonders hervor. Beide sind auch in der hier beschriebenen Geschichte vorhanden.
Der erste Aspekt ist die göttliche Seite Jesu. Jesus vollbringt außergewöhnliche Wunder, wie in diesem Fall, als er einen Toten wieder zum Leben erweckt.
Der zweite Aspekt ist ebenso wichtig. Christen haben über Jahrhunderte darum gerungen, wie sie das genau formulieren. Jesus ist auf der anderen Seite auch ganz normaler Mensch. Das zeigt sich ebenfalls in dieser Geschichte. Jesus hat ganz normale Freunde, wie wir auch. Er weint, wenn etwas Trauriges passiert, und zeigt Mitgefühl mit Menschen, denen es gerade schlecht geht.
Wenn wir uns die Geschichte anschauen, müssen wir uns als Bibelkenner zunächst einige Dinge bewusst machen. Eines ist klar: Wer sind überhaupt die Personen, die hier eine Rolle spielen? Einerseits ist es Jesus, und andererseits seine zwölf Jünger. Diese begegnen uns im Neuen Testament an vielen Stellen. Einige der Jünger werden in der Geschichte auch namentlich genannt, zum Beispiel Thomas und Petrus. Sie sind mit dabei, aber auch all die anderen, die unterwegs sind.
Was uns nebenbei gesagt wird, ist, dass wir uns nicht in Judäa befinden. Jesus sagt ja: "Lasst uns nach Judäa ziehen." Wenn sie also dorthin ziehen wollen, sind sie momentan nicht dort. Die Jünger raten Jesus davon ab, nach Judäa zu gehen, weil es dort gefährlich ist, und damit haben sie recht. Dort sind inzwischen die Hauptgegner Jesu versammelt. Jesus befindet sich also schon ziemlich am Ende seiner Wirksamkeit, als diese Geschichte spielt. Das wird auch deutlich, wenn wir im nächsten oder übernächsten Kapitel weiterlesen. Im nächsten Kapitel lesen wir vom Einzug Jesu nach Jerusalem, danach folgt das letzte Abendmahl und dann die Leidenszeit. Gerade das Johannesevangelium legt einen großen Fokus auf diese letzten Tage Jesu, die mit der Auferweckung des Lazarus beginnen.
Jesus und die Jünger befinden sich also außerhalb von Judäa, höchstwahrscheinlich in Galiläa, unterwegs. Sie erhalten eine Nachricht von den Schwestern Maria und Martha, die uns aus anderen Geschichten bekannt sind. Zum Beispiel aus der Erzählung, in der Jesus zu Maria und Martha kommt: Martha ist fleißig und versorgt Jesus, während Maria zu seinen Füßen sitzt und ihm zuhört. Diese Maria und Martha sind dieselben Schwestern, die hier erwähnt werden. Die Bibel schweigt darüber, wie Jesus diese Schwestern kennengelernt hat, das wissen wir nicht genau.
Nebenbei wird erwähnt, dass Maria Jesus die Füße gewaschen hat – ein Hinweis auf eine andere Szene. Außerdem wird in der Geschichte gesagt, dass es sich um ein Dreiergespann von Geschwistern handelt: Maria, Martha und Lazarus. Lazarus wird als Bruder bezeichnet, der gestorben ist, und die Schwestern sind davon betroffen. Jesus hat eine besondere Beziehung zu diesen drei, sie werden als Freunde Jesu bezeichnet.
Bei Jesus sind nicht nur die zwölf Jünger, sondern auch andere Menschen wichtig. Seine Familie wird gelegentlich erwähnt, ebenso eine andere Maria als die bereits genannte, sowie Jesu Geschwister. Auch die Gruppe der Siebzig beziehungsweise Zweiundsiebzig, die mit Jesus unterwegs sind, wird manchmal genannt. Hier finden wir ganz persönliche Beziehungen, die scheinbar über Jahre gewachsen sind. Vielleicht ist Jesus jedes Mal an diesen Ort gekommen, wenn er auf dem Weg nach Jerusalem war.
Es wird erwähnt, dass der Ort etwa so viele Stadien von Jerusalem entfernt ist – eine antike Maßeinheit. Umgerechnet sind das etwa zweieinhalb bis drei Kilometer. Das ist nicht weit, fast in Sichtweite. Wenn man sich den Tempelberg vorstellt, liegt gegenüber das Kidrontal, auf der anderen Seite geht der Ölberg hoch. Wenn man am Ölberg entlanggeht, ist Betanien etwa drei Kilometer entfernt.
Auch in der Geschichte merken wir, dass Leute mal eben zu den Pharisäern gehen, die in Jerusalem sind, und ihnen berichten, was passiert. Das ist einer der Gründe, warum die Jünger Jesus davon abraten, nach Betanien zu gehen, weil die Pharisäer im Hohen Rat die Hauptfeinde Jesu sind und ihn umbringen wollen. Deshalb wird in der Geschichte gesagt: "Lasst uns hingehen und mit ihm sterben." Das heißt, es wird richtig gefährlich, dorthin zu gehen.
Der Name Lazarus taucht im Neuen Testament mehrfach auf. Einige denken an die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus, die beide sterben und im Schoß Abrahams sind. Dieser Lazarus ist jedoch ein anderer als der Freund Jesu, der hier erwähnt wird. Der Name bedeutet auf Deutsch so viel wie „Gott rettet“ oder „Gott wird retten“. Das passt sogar gut zur Geschichte, aber die Menschen bekommen ihre Namen nicht unbedingt immer mit einem vorausblickenden Schicksal.
Maria, Martha und Lazarus sind Freunde Jesu und wohnen in Betanien. Übrigens gibt es in der Bibel noch ein anderes Betanien, das in der Nähe des Jordans liegt, auf der östlichen Seite, im heutigen Jordan, der Ort, aus dem Johannes der Täufer stammt. Dieses Betanien ist ein Vorort von Jerusalem, etwa zweieinhalb bis drei Kilometer entfernt.
Jesus kennt diese drei Geschwister und den Ort, er war wohl schon öfter dort. Jetzt wird er benachrichtigt, dass Lazarus schwer krank ist. Man wusste, dass die Krankheit lebensbedrohlich war – es war also keine einfache Erkältung. Was genau die Krankheit war, lesen wir nicht. Die Lebenssituation von Maria und Martha war damals besonders. In der damaligen Zeit heirateten Mädchen meist zwischen 14 und 18 Jahren, Jungen ein paar Jahre später. Wer Mitte zwanzig ledig war, war eine Ausnahme.
Dass in einer Familie gleich drei Geschwister unverheiratet sind, war ungewöhnlich. Sie scheinen zusammengelebt zu haben. Martha geht zu Maria, und später sehen wir, dass sie im selben Haushalt sind. Von der Familie Lazarus wird sonst nichts berichtet. Die Eltern scheinen tot zu sein, denn normalerweise lebten Kinder bis zur Heirat bei ihren Eltern. Wenn keine Eltern erwähnt werden, müssen wir davon ausgehen, dass sie verstorben sind.
Diese drei Geschwister leben also zusammen, haben eine enge Beziehung zueinander. Für die beiden Schwestern hat der Tod ihres Bruders weitreichendere Folgen als für uns heute. Natürlich ist man traurig, wenn ein naher Verwandter stirbt, aber damals war das noch intensiver. Wenn die Eltern nicht mehr lebten, war das älteste männliche Familienmitglied Vormund der restlichen Familie. Alleinstehende Frauen zu sein war fast unmöglich. Sie hatten meist einen Onkel, Cousin oder Bruder als Vormund. Wenn der Bruder starb, war das nicht nur traurig, sondern bedeutete auch, dass sie relativ schutzlos waren. Die Eltern waren tot, Ehemänner hatten sie nicht, und der Bruder, der sie nach außen vertreten hatte, war nun gestorben. Das war ein sozialer Einschnitt, der die Zukunft der Schwestern unsicher machte.
Jesus erfährt also, dass Lazarus krank ist. Medizinische Versorgung war damals sehr eingeschränkt. Es gab Hausmittel, Kräuter und einige Wunderheiler, aber im Großen und Ganzen war man auf Gott angewiesen. Das ist heute zwar auch noch so, aber damals war man sich dessen noch viel bewusster. Die Therapie eines Arztes kann nur erfolgreich sein, wenn sie von Gott abgesegnet wird. Ansonsten hilft auch die beste Medizin nicht. Viele Menschen sterben trotz intensivmedizinischer Betreuung, wenn Gott es bestimmt. Das war den Menschen zur Zeit Jesu klar.
Maria und Martha wissen das auch. Sie wenden sich an Jesus und sagen, wie Martha später auch sagt: „Wenn du da wärst, wäre Lazarus nicht gestorben.“ Sie erwarten, dass Jesus Lazarus hätte heilen können, weil sie aus der Vergangenheit wissen, dass Jesus Kranke gesund machen kann. Da Lazarus sein Freund ist, vertrauen sie darauf, dass Jesus ihn gerettet hätte. Nun ist Lazarus aber gestorben.
Wie lief das normalerweise ab? In der Geschichte heißt es, dass Lazarus schon vier Tage im Grab liegt, als Jesus ankommt. Die Krankheit hat sich verschlimmert, und Jesus ist nicht gekommen. Lazarus ist gestorben. Im Nahen Osten, teilweise auch heute noch, wurden die Verstorbenen sehr schnell begraben. Das ist verständlich, denn es gab keine Kühlmöglichkeiten, und die Verwesung begann schnell im warmen Klima. Das wollte man den Angehörigen nicht zumuten, und es war auch gesundheitsgefährdend. Deshalb wurden die Toten meist am selben Tag oder spätestens ein bis zwei Tage später beerdigt.
Wie die Beerdigung ablief, lesen wir auch im Neuen Testament. Der Tote wurde gewaschen und mit wohlriechenden Ölsalben eingerieben. Das war eine Ehrung des Verstorbenen und sollte unangenehme Gerüche der Verwesung überdecken. Danach wurde der Leichnam mit Binden eingewickelt und in ein Grab gelegt. In Israel gab es keine Feuerbestattungen, sondern ganzkörperliche Bestattungen. Zwischen 200 v. Chr. und 100 n. Chr. war es üblich, wenn möglich, ein Felsengrab zu benutzen, wie später auch bei Jesu Begräbnis.
Manche Details erinnern an die Geschichte von Jesu Begräbnis und Auferstehung, zum Beispiel die Binden. Der Leichnam wurde in eine in den Felsen gehauene Höhle gelegt. Dort gab es meist zwei Liegeplätze: Frisch Verstorbene wurden dort etwa ein Jahr lang aufbewahrt, bis der Körper verwest war. Danach wurden die Knochen in einen Knochenkasten, ein sogenanntes Ossoarium, gelegt. Solche Ossoarien werden bis heute in Jerusalem und Umgebung gefunden.
Vor etwa 20 Jahren wurde ein Ossoarium mit der Aufschrift „Jakobus, Bruder Jesu“ gefunden. Das sorgte für Diskussionen, denn Jakobus war ein häufiger Name. Ob es sich um den Jakobus der Jerusalemer Gemeinde handelte, ist nicht sicher. Die Knochen wurden in solche Kästen gelegt und an die Wände der Höhlen gestellt. Dort standen ganze Wände voller dieser kleinen Särge. Wenn man solche Särge in Israel sieht, sind das nicht Kindersärge, sondern Behälter für die Knochen der zuvor bestatteten Personen.
Die zwei Liegeplätze in einer Grabeshöhle ermöglichten es, dass bei mehreren Todesfällen innerhalb eines Jahres Platz war. In so einer Höhle liegt auch Lazarus. Das sind die Rahmenbedingungen der Geschichte: So war die Beerdigung damals, so lebten Maria, Martha und Lazarus, und so lag Betanien. So können wir uns die Situation besser vorstellen.
Wenn wir die Geschichte betrachten, fallen mir einige merkwürdige Dinge auf. Diese Merkwürdigkeiten betreffen verschiedene Personen: Jesus, mich, Maria, und auch Martha. Wenn wir genau hinschauen, können wir aus dem, was uns auffallen sollte – und was euch beim Zuhören oder Lesen vielleicht auch aufgefallen ist – lernen. Das sollte dazu führen, dass sich unser Bild von Jesus immer wieder neu prägt, korrigiert oder erweitert. Außerdem können wir von den Menschen lernen, die auf Jesus reagiert haben, wie sie reagiert haben und ob das mit unserem Verhalten übereinstimmt.
Zunächst fällt mir bei Jesus auf, dass er die Nachricht erhält: „Dein Freund Lazarus ist krank.“ Die Jünger stehen vor der Entscheidung, entweder sofort hinzugehen, um Lazarus zu helfen – denn Hilfe unter Freunden oder Familienangehörigen war damals selbstverständlich – oder zu warten. Es war eigentlich schon ein unfreundlicher Akt, dass Jesus sich entschied, noch zu bleiben. Die anderen Jünger raten Jesus sogar davon ab, sofort zu gehen, da die Situation in der Nähe von Jerusalem lebensbedrohlich sein könnte, was verständlich ist. Trotzdem geht Jesus schließlich, aber er kommt zu spät. Wie wir in der Geschichte erfahren, weiß er bereits, dass er zu spät kommen wird.
Jesus erledigt zunächst noch sein Geschäft: Er predigt weiter und kümmert sich um Kranke, die Jünger sind dabei, obwohl er die Nachricht aus Bethanien erhalten hat, dass Lazarus dringend Hilfe braucht, weil er schwer krank ist. Nun können wir uns die Frage stellen: Warum wartet Jesus eigentlich so lange? Er könnte doch früher aufbrechen, wenn er sowieso vorhat, nach Bethanien zu kommen. Die Antwort gibt uns der Text: Jesus sagt zu den Jüngern, dass durch das, was jetzt mit Lazarus passiert, Gott verherrlicht wird.
Wenn wir die Geschichte weiterverfolgen, merken wir, dass Gott sogar noch viel mehr verherrlicht wird, weil Jesus einen Toten auferweckt hat, als wenn er nur einen Kranken geheilt hätte. Das wissen wir auch heute: Die Aufgabe vieler Ärzte ist es, Kranke zu heilen. Kranke gesund zu machen, kann im gewissen Rahmen auch ein normaler Arzt tun – sofern Gott es erlaubt. Tote wieder lebendig zu machen, ist Ärzten bisher verwehrt geblieben. Das gibt es nicht.
Hier scheint es so zu sein, als ob Jesus von Anfang an ahnt, wie das Ganze ausgehen wird. Er weiß, dass Lazarus bereits tot ist. In der Geschichte wird das ja auch deutlich, da sagt er zu seinen Jüngern: „Habt keine Sorge, Lazarus schläft nur.“ Jetzt könnten wir sagen: Jesus, du bist doch allwissend, warum sagst du, er schläft, wenn du weißt, dass er tot ist? Johannes, der Jünger Jesu, der diese Szene aufgeschrieben hat und dabei war, beschreibt dann, dass Jesus das bildlich meinte.
Ähnlich spricht Jesus auch bei anderen Totenauferweckungen, zum Beispiel bei der Auferweckung der Tochter des Jairus. Dort geht er mit den Eltern in das Zimmer, wo das Mädchen gestorben war, und sagt: „Seid nicht traurig, eure Tochter schläft nur.“ Die Leute lachen Jesus aus, weil sie wissen, dass das Mädchen tot ist. Hier ist es ähnlich: Jesus sagt den Jüngern, Lazarus schläft nur.
Von solchen Bezeichnungen Jesu stammen auch Formulierungen, die wir im Deutschen kennen. Wir sprechen zum Beispiel von der „toten Ruhe“. Ruhen tut eigentlich nur ein lebendiger Mensch. Die Idee der „toten Ruhe“ kommt eben von diesem „er schläft nur“, weil wir als Christen fest davon überzeugt sind, dass Gott am Ende der Zeiten alle Toten auferwecken wird. Das lesen wir auch am Ende der Offenbarung: Die Gräber werden geöffnet, das Totenreich wird aufgetan, und alle werden herauskommen. Hesekiel beschreibt die Totengebeine, die wieder auferstehen werden – das ist Gottes Werk am Ende der Tage.
Ich glaube, hinter dieser Formulierung steckt auch eine theologische Botschaft. Aus meiner Sicht sagt Jesus: Für mich ist der Tod ähnlich wie für euch der Schlaf. Wenn ihr jemanden habt, der schläft, könnt ihr hingehen, ihn an der Schulter rütteln, und er wacht auf. Dann ist er wieder ganz bei Sinnen. Solange er schläft, bekommt er von nichts etwas mit. Wenn ihr ihn aufrüttelt, wird er wach und ansprechbar.
Jesus sagt also: Für mich ist der Tod so wie euer Schlaf. Ihr habt die Macht, einen Schlafenden zu wecken, ich habe die Macht, auch einen Toten zu wecken. Für mich ist der Tod kein Weg ohne Wiederkehr, kein endgültiger Schlusspunkt. Für mich ist der Tod so wie euer Schlaf. Ihr könnt jemanden wecken, der schläft, ich kann jemanden, der tot ist, wieder zum Leben erwecken. Das können wir Menschen nicht.
Daraus ergibt sich eine Herausforderung, die Jesus an seine Jünger stellt. Die Jünger nehmen das auf, missverstehen es aber, weil sie denken, Jesus meint, Lazarus sei nur schwer krank und würde sich im Schlaf erholen. Jesus wusste jedoch längst, dass Lazarus tot war. Warum wartet er dann mehrere Tage? Er wartet nicht nur, bis Lazarus gestorben ist, sondern sogar noch länger. Maria und Martha sagen später, er sei schon vier Tage im Grab und deshalb schon verwest.
Ich glaube, Jesus wollte damit deutlich machen, dass Lazarus mit Sicherheit tot ist. Bei der Tochter des Jairus hätte man noch sagen können, sie sei vielleicht nur ohnmächtig oder im Koma, aber bei jemandem, der vier Tage tot ist, bei dessen Beerdigung das ganze Dorf anwesend war, und der bereits verwest ist, kann niemand mehr behaupten, er sei nur schwer krank oder gar nicht tot gewesen.
Das ist übrigens auch ein Maßstab, wenn heute Leute behaupten, Tote auferwecken zu können. Manchmal gibt es Berichte darüber, aber bei genauer Untersuchung stellt sich oft heraus, dass jemand nur in Ohnmacht gefallen ist und fälschlicherweise für tot gehalten wurde. Natürlich kann Gott jederzeit auch heute Tote auferwecken, aber viele Berichte über Totenauferweckungen entpuppen sich bei genauer Prüfung als keine echten Totenerweckungen.
Bei jemandem, der vier Tage tot und verwest ist, mit vielen Zeugen, ist die Sache eindeutig. Genau das kündigt Jesus an: Lazarus ist gestorben, wird aber auferstehen. Er sagt das seinen Jüngern, damit Gott verherrlicht wird. Gott wird verherrlicht, indem die Menschen im Dorf, vor allem Maria und Martha, die Macht Gottes und Jesu über Leben und Tod hautnah erleben.
Das ist eine ganz besondere Angelegenheit, und darin liegt die Verherrlichung. Wenn wir den weiteren Verlauf des Johannesevangeliums betrachten, fällt uns auf, dass diese Geschichte kurz vor Palmsonntag spielt. Eine Woche später sind Jesu Tod und Auferstehung. Möglicherweise ist hier auch ein Ausblick für die Nachfolger Jesu, seine Jünger und Freunde. Jesus sagt ihnen: „Ihr wisst doch, dass ich Macht über den Tod habe. Ihr wart doch letzte Woche noch dabei, wie ich Lazarus aus dem Grab geholt habe.“ Vielleicht erinnern sich einige noch daran, wie Jesus gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Johannes 14,6).
Diese Aussage Jesu ist besonders herausragend und herausfordernd. Sie ist eine Antwort auf die Frage von Thomas, der wissen wollte, was Jesus meint. Jesus sagt hier nicht nur, dass er Macht über Leben und Tod hat, sondern: „Ich bin das Leben.“ Das ist eine ganz andere Ebene, die für uns kaum vorstellbar ist.
Wenn man versucht, Leben zu definieren, ist das gar nicht so einfach. In der Biologie gibt es keine eindeutige Definition von Leben. Manche sagen, lebendig ist, was sich bewegt. Aber ein Blatt Papier, das im Wind weht, bewegt sich auch – ist es deshalb lebendig? Oder die Wellen des Meeres, die sich bewegen – sind sie lebendig? Nein, Bewegung allein macht nicht lebendig.
Andere sagen, lebendig ist, was Stoffwechsel betreibt. Es gibt Blasen, in denen ein Stoffaustausch stattfindet, aber sie sind nicht lebendig. Viren können in kristalliner Form jahrelang überleben, bewegen sich nicht und haben keinen Stoffwechsel – sind aber unter bestimmten Umständen lebendig, wenn sie aktiv werden.
Biologisch können wir also nicht genau sagen, was Leben ist. Es bleibt ein Geheimnis, dem wir uns nur annähern können. Wir erkennen Unterschiede zwischen einem Toten, einem Schlafenden oder einem im Koma liegenden Patienten.
Jesus sagt von sich: „Ich bin das Leben.“ Nicht nur, dass er Leben hat, er ist das Leben selbst. Wenn wir das konsequent anwenden, müssen wir sagen, was andere Bibelstellen auch sagen: Alle Menschen, auch die Ungläubigen, können ohne Jesus nicht leben. Denn wenn Jesus das Leben ist, können wir nur durch seine Macht, Kraft und Zuspruch lebendig sein.
Wenn Jesus sich zurückziehen würde, würden alle sofort sterben. Theologen sprechen hier von „creatio continua“ – das bedeutet, Gott hat alles am Anfang geschaffen, aber hält auch ständig alles im Leben und in Existenz. Wenn er sich zurückzöge, würden unsere ökologischen Kreisläufe zusammenbrechen, und wir würden sofort sterben.
Unser Leben hier ist biologisches Leben, nicht nur ewiges Leben, und es kommt aus Jesus. Er hat es nicht nur am Anfang geschaffen, sondern erhält es ständig. Das ist ein für uns seltsamer Gedanke, besonders in einer materialistischen Welt, die sagt, das funktioniere auch ohne Gott. Die Bibel sagt dagegen: Jesus ist das Leben, nicht nur hat er es.
Deshalb kann das Leben auch nicht getötet werden. Das Leben kann von sich selbst sagen: „Ich bin wieder lebendig, ich komme aus dem Grab heraus.“ Wenn Jesus das Leben ist, wie er hier beweist, kann er einfach zu Lazarus sagen: „Komm aus dem Grab heraus!“ Das ist kein magischer Trick, sondern Ausdruck seiner Herrschaft über das Leben. Niemand hat so viel Autorität und Macht darüber wie er.
Er ist der Ursprung des Lebens. Der Kolosserbrief sagt es deutlich: Nichts, was geworden ist, ist ohne Jesus geworden. Er ist der Ursprung von allem. Das wird hier auch deutlich.
Lazarus ist gestorben, litt vorher an Krankheit, die offenbar einige Zeit dauerte, denn die Schwestern hatten Gelegenheit, Jesus Nachrichten zu schicken. Es dauerte, bis Lazarus starb. Obwohl nicht genau gesagt wird, was die Krankheit war, geschieht das alles, damit Jesus vor einem großen Publikum und vor Menschen aus Jerusalem zeigen kann: Ich habe nicht nur leere Worte, wenn ich sage, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ich kann das beweisen, indem ich einem Toten sage: Werde lebendig!
Wenn wir die Geschichte weiterverfolgen, ist das wahrscheinlich einer der Gründe, warum die Menschen Jesus so gefeiert haben, als er nach Jerusalem einzog. Er nahm einen Esel und ritt in die Nähe Jerusalems. Die Leute breiteten Blätter und Kleider aus und riefen: „Gelobt sei der, der kommt im Namen des Herrn!“ – eine Anrede an den Messias.
Warum? Viele Menschen hatten mitbekommen, dass Jesus wenige Tage zuvor in Bethanien war und bewiesen hatte, dass er Gott ist. Er hatte etwas getan, das im Alten Testament nur der Messias, der Sohn Gottes, tun kann: Macht über Leben und Tod.
Wahrscheinlich war das eine Vorbereitung auf den Einzug nach Jerusalem, der wenige Tage später stattfand. Den Leuten wurde deutlich vor Augen geführt: Wir haben nicht nur vom Hören-Sagen erfahren, was Jesus in Galiläa getan hat, sondern wir haben es selbst in Bethanien erlebt. Das war eine wichtige Grundlage für den weiteren Verlauf.
Wenn ich mir die Geschichte von Lazarus anschaue – er wird krank und stirbt, damit Gott durch Jesus verherrlicht wird – stelle ich mir natürlich die Frage: Hat Gott Lazarus vorher gefragt, ob er damit einverstanden ist? Wir lesen diese Geschichte, und für uns moderne Menschen ist das irgendwie schwer zu verstehen.
Stell dir mal vor, Gott würde dir eine richtig schlimme, schwere Krankheit zumuten. Du leidest unter Schmerzen, vielleicht monatelang. Dann fragst du: „Warum, Gott, machst du das? Habe ich etwas Böses getan?“ Manchmal kann Krankheit auch eine Korrektur Gottes sein, weil wir gesündigt haben. Die Bibel kennt Beispiele dafür, wie Miriam, die gegen Mose opponiert, und deshalb Aussatz bekommt. Oder Ananias und Saphira, die plötzlich sterben, weil sie gesündigt haben. Solche Fälle gibt es in der Bibel.
Aber es gibt auch Krankheiten wie bei Lazarus, bei denen keine Sünde dahintersteckt. Es war keine Alterskrankheit, der Mann war scheinbar noch nicht alt. Es geht hier darum, dass Gott durch diese Situation verherrlicht wird.
Ich würde sagen: Wenn Gott mich fragen würde: „Michael, willst du eine schwere Krankheit, damit ich verherrlicht werde?“, glaube ich, ich würde ablehnen. Wie geht es euch? Würdet ihr sagen: „Ja, ich bin dabei, ich liege zwei Jahre gelähmt im Bett oder laufe blind herum oder habe starke Schmerzen durch Arthrose?“ Gott mutet das sogar seinem Freund zu.
Man könnte denken: Jesus, wenn du so eine Aufgabe hast, warum nimmst du nicht einen bösen Pharisäer, der gegen dich wettert? Der leidet dann richtig, stirbt, und dann bekehrst du ihn wieder. Das wäre doch eine schöne Hollywoodgeschichte, oder? Aber Jesus macht das nicht so.
Jesus nimmt einen, der zu seinem engen Freundeskreis gehört. Er mutet ihm schwere Krankheit zu, ebenso den Schwestern, die den Tod und die Trauer erleben. Sie sind tagelang in Trauer, pflegen Lazarus und hoffen auf Heilung – diese Hoffnung wird enttäuscht. Jesus sagt, das müsse so sein, damit Gott verherrlicht werde.
Am Ende wird Gott verherrlicht, aber wir sehen nicht immer das Ergebnis. Gott fragt uns nicht immer, was er uns zumutet, und manchmal ist es nicht einmal dafür, dass wir etwas lernen. Was hat Lazarus davon gelernt? Nicht viel. Es ist eher ein Zeichen für die anderen Menschen, die das Handeln Gottes beobachten.
Diese Perspektive ist wichtig für schwere Lebensphasen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Gott jede schwere Lage unseres Lebens, genauso wie gesellschaftliche oder politische Situationen, in seiner Hand hält. Das glauben wir als Christen. Es muss nicht immer einen Sinn für uns geben, und Gott erklärt uns nicht immer, wofür das gut ist. Aber wir sollten ein Grundvertrauen in Gott haben.
Wenn du in einer schweren Lebenssituation bist und nicht verstehst, wofür sie da ist, kannst du trotzdem darauf vertrauen, dass Gott etwas damit bewirken will. Dieses Erreichen geschieht aber nicht automatisch. Die Schwestern hätten Jesus auch ablehnen können. Es ist kein Automatismus, sondern weil Jesus handelt und andere offen sind, wird Gott verherrlicht.
Genauso ist es, wenn Gott uns etwas Schweres zumutet, wie eine Krankheit, die Tage, Wochen oder Jahre dauern kann. Es ist nicht so, dass Gott uns vergisst oder hasst. Jesus will damit etwas erreichen. Vielleicht auch zum Wohl anderer Menschen.
Möglicherweise wird Jesus verherrlicht, wenn Menschen sehen, wie du mit deinem Leid umgehst. Andere sind verzweifelt, aber du bekommst Kraft von Gott, der dich tröstet, dir Perspektive und Hoffnung gibt.
Ich selbst hatte vor einigen Jahren Krebs und war fast ein Dreivierteljahr im Krankenhaus. Neben mir lag ein Mann mit ähnlicher Diagnose, der ungläubig war. Wir sprachen viel über Glauben. Seine Strategie war, die Krankheit zu verdrängen und nur an das Leben danach zu denken. Er starb, ich überlebte. Vielleicht wollte Gott, dass dieser Mann noch einmal das Evangelium hört.
Würdest du Krebs bekommen, damit dein Nachbar im Krankenhaus das Evangelium hört? Wenn Gott mich gefragt hätte, hätte ich gesagt: „Nein, danke, nimm jemand anderen.“ Oder ich gehe als Gesunder hin und besuche ihn. Aber wenn du krank bist, ist ein Besuch von einem Gesunden, der auch krank ist, etwas anderes. Dann hört man anders zu.
Manchmal mutet Gott uns etwas zu, damit andere auf ihn aufmerksam werden. Nicht, dass wir sofort gesund sind oder das Leiden wegfällt, sondern dass Gott uns im Leiden beisteht, uns Hoffnung gibt.
In der Kirchengeschichte haben Menschen oft durch ihr Leiden zum Glauben anderer beigetragen. Wenn es dir gut geht und du sagst: „Gott ist gut“, sagt dein ungläubiger Nachbar auch: „Mir geht es gut.“ Aber wenn du sagst: „Gott ist gut, auch wenn es mir schlecht geht“, dann wundert sich dein Nachbar. Er denkt vielleicht, du musst wirklich Kontakt zu Gott haben, weil du das alleine nicht schaffen kannst.
Gott kann sich durch Heilung oder Totenauferweckung verherrlichen, aber auch durch Kraft und Perspektive im Leid. Die Geschichte von Lazarus zeigt, dass Gott uns manchmal schwere Dinge zumutet, ohne uns vorher zu fragen.
Vielleicht fühlst du dich zu schwach. War Lazarus stark genug? Nein. Gott mutet es einfach zu. Er steht uns bei und wirkt über unsere Möglichkeiten hinaus, wenn wir offen sind. Manchmal denkt Gott anders, als wir es uns vorstellen.
Maria und Martha dachten, Jesus kommt rechtzeitig und heilt Lazarus. Das wäre eine Option gewesen. Aber Jesus handelt anders.
In deinem Leben kann das genauso sein: Deine Firma steht kurz vor der Pleite, du betest und hoffst auf einen Geldgeber. Oder du bist krebskrank und hoffst auf ein Wunder. Manchmal passiert das, aber manchmal sind Gottes Pläne anders. Wir verstehen sie nicht, Gott erklärt sie uns nicht immer. Trotzdem dürfen wir das Vertrauen nicht verlieren.
Die Pläne von Lazarus, Maria, Martha und der Bevölkerung erfüllen sich nicht. Jesus weint am Grab. Einige sagen, er weint um Lazarus, aber er weint auch über das mangelnde Vertrauen seiner Freunde. Sie denken, Jesus hat versagt, weil er nicht so handelt, wie sie es erwarten.
Als Christen können wir auch verzweifeln, wenn Gebete nicht so erhört werden, wie wir es uns vorstellen. Dann denken wir, unser Glaube sei zu schwach oder Gott habe uns verlassen. Aber das stimmt nicht. Gott ist da, wir müssen ihn nur sehen. Wir dürfen Jesus nicht nur auf unsere Erwartungen reduzieren, sondern offen sein, auch wenn wir es nicht verstehen. Er hat die Sache in der Hand und eine andere Perspektive.
Ich selbst erlebe gerade, wie meine Mutter im Hospiz liegt und dem Tod nahe ist. Trotz Schmerzen und Problemen hat sie Freude auf den Himmel. Das ist anders als bei anderen, die sich mit Medikamenten betäuben. Sie freut sich darauf, Jesus zu begegnen.
Diese letzte Phase kann gute Gespräche bringen, obwohl sie bald sterben wird. Das ist eine Perspektive, die Gott uns auch geben kann – nicht nur schöne Zeiten, sondern auch Kraft und Hoffnung in schweren Zeiten.
In der frühen Christenheit kamen viele zum Glauben, weil sie sahen, wie treu Christen unter Verfolgung blieben. Sie hatten eine Kraft, die kein normaler Mensch hat. Das ist übermenschlich.
Das ist auch der Umgang, den Jesus sich wünscht, wenn er uns schwere Dinge zumutet, ohne uns zu fragen. Wir sollen treu bleiben und vertrauen, auch wenn wir nicht wissen, wie es ausgeht.
Jesus kommt mit seinen Jüngern nach Bethanien und trifft Martha vor dem Dorf. Sie sagt: „Herr, wenn du hier gewesen wärst, wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber ich weiß, dass Gott dir alles geben wird, um ihn wieder lebendig zu machen.“ Jesus bestätigt das.
Theologisch weiß Martha, dass es eine Auferstehung am Ende der Tage gibt (Offenbarung 20). Aber im Konkreten fehlt ihr das Vertrauen. Sie sagt später sogar, Jesus solle nicht zum Grab gehen, weil Lazarus schon vier Tage tot ist und stinkt.
So geht es uns manchmal: Wir kennen die richtigen theologischen Wahrheiten, aber im Leben fällt es schwer, daran festzuhalten. Wenn es konkret wird, vergessen wir sie oder haben kein Vertrauen.
Das ist eine Herausforderung: Stück für Stück das, was wir theologisch wissen, auch im Alltag umzusetzen, besonders in schwierigen Zeiten. Wir können uns nicht selbst durch Gehirnwäsche helfen, sondern brauchen, wenn es uns gut geht, das Gebet, dass Jesus uns diese Wahrheiten erinnert, wenn wir in der Krise sind.
Wenn es uns schlecht geht, sollen wir uns daran erinnern: Jesus ist da, auch wenn wir es nicht spüren oder verstehen. Diese Wahrheit gilt gerade in schweren Zeiten.
Wir können uns gegenseitig daran erinnern und ermutigen, was wir mit Jesus erlebt haben. Jeder wird solche Situationen erleben, früher oder später. Dann soll unser Glaube sich bewähren und Gott verherrlichen.
Christen unterscheiden sich darin, wie sie mit Problemen umgehen. Wenn es uns gut geht, ist das einfach zu sagen: „Jesus trägt mich.“ Aber wenn es lange schlecht geht – emotional, psychisch, körperlich oder familiär – dann ist es schwerer.
Ich habe auch Erfahrungen in der Eheselsorge gemacht. Manche Paare sind in aussichtslosen Situationen. Auch Christen können ihre Ehe kaputtmachen. Wichtig ist, das Vertrauen neu zu wecken, dass Gott auch in scheinbar aussichtslosen Situationen Perspektiven hat.
Wenn diese Hoffnung fehlt, ist Seelsorge vergeblich. Dann suchen Menschen nur noch einen Seelsorger, der ihnen sagt, sie sollen sich trennen. Aber Gott kann auch Gefühle verändern und scheinbar aussichtslose Situationen wenden – in Ehe und Beruf.
Das geht nur, wenn wir Vertrauen auf Jesus haben. Wenn wir von vornherein sagen: „Das geht nicht“, dann bitten wir Gott nicht mehr um Hilfe, sondern nur noch um ein schnelles Ende.
Jesus ist größer als unsere Pläne oder Therapien. Diese Hoffnung brauchen wir gerade in schwierigen Zeiten, und dann werden wir erleben, wie Gott wirkt.
Wenn ihr das erlebt, erzählt in der Gemeinde davon. So wird Gott verherrlicht. Andere, die auch Krisen haben, sind froh, wenn sie sehen, dass Gott Kraft und Perspektive gibt, auch wenn Menschen selbst keine Kraft mehr haben.
Jesus mutet uns manchmal etwas zu, ohne uns zu fragen. Dann heißt es, treu zu bleiben. Wir kennen die theologischen Wahrheiten, aber die Herausforderung ist, auch dann daran festzuhalten, wenn es darauf ankommt, und das Vertrauen nicht zu verlieren.
Manchmal haben wir keinen Plan mehr, wie es weitergehen soll – wie Maria und Martha, die keinen Plan mehr für Lazarus hatten, außer der Auferstehung am Ende der Tage.
Ein dritter Punkt: Jesus zeigt sich als der Herr über Leben und Tod. In unserer modernen Welt scheint vieles machbar. Ich finde technische Entwicklungen faszinierend, zum Beispiel künstliche Intelligenz, die biblische Geschichten erlebbar macht.
Ich habe selbst Augenprobleme und hoffe, dass selbstfahrende Autos bald Alltag werden, damit ich unabhängiger bin. Manche sind skeptisch, aber ich vertraue darauf, ähnlich wie beim Fliegen, wo der Autopilot vieles übernimmt.
Trotz technischem Fortschritt gibt es Grenzen, die der Mensch nicht überwinden kann. Anfang der 2000er gab es eine große Diskussion über Gentechnologie. Ein führender Forscher sagte: „Wir sind besser als Gott.“ Viele Christen waren beunruhigt. Ich habe beruhigt: Gott hat alles in der Hand.
20 Jahre später sind wir nicht besser als Gott, und Gentechnologie hat nicht alle Probleme gelöst. Sie ist nicht schlimm, aber Gott setzt Grenzen.
Jesus sagt, wir können unser Leben nicht verlängern, egal wie sehr wir uns bemühen (Bergpredigt). Die Intensivmedizin kann vieles, aber wenn Jesus sagt, es ist Ende, dann ist Ende.
Es gibt keine lebensverlängernden Maßnahmen im biblischen Sinne, wenn Gott das Ende bestimmt. Das sollten wir bei allen technischen Entwicklungen bedenken.
Jesus ist der Herr über das Leben. Das gibt uns Grundvertrauen, auch wenn die Welt sich schnell verändert und uns Nachrichten und Krisen beunruhigen.
Daniel sagt, Gott lenkt die Herzen der Könige wie Wasserbäche. Auch Römer 13 sagt, Gott setzt die Obrigkeit ein. Gott hat die Kontrolle, auch wenn wir manchmal zweifeln.
Wissenschaftler und Politiker können nichts gegen den Willen Gottes tun. Manchmal gebraucht Gott sogar deren Egoismus und Dummheit – wie bei Nebukadnezar. Am Ende führt alles zu Gottes Plan.
In einer unübersichtlichen, stressigen Welt brauchen wir immer wieder dieses Grundvertrauen: Gott hat das Leben und die Welt in der Hand. Das gibt uns eine andere Grundlage als unser ungläubiger Nachbar, der von Nachrichten verunsichert wird.
Als Christen wissen wir: Der Antichrist wird nur auftreten, wenn Gott es zulässt. Er ist eine Spielfigur in Gottes Plan. Am Ende baut Gott sein Reich auf.
Jesus hat das letzte Wort, nicht der Antichrist. Das zeigt sich eindrucksvoll, wenn Jesus Lazarus, der vier Tage tot ist, auferweckt. Das kann kein Mensch und keine Technik.
Das gibt uns Vertrauen, egal was in der Welt passiert, gesellschaftlich, politisch oder wissenschaftlich. Auch wenn wir vieles nicht verstehen oder einordnen können, dürfen wir das Vertrauen nicht verlieren.
Jesus hat das letzte Wort, egal was Menschen versprechen. Sie sind nicht besser als Gott. Herrscher mit großer Macht gab es schon immer – Nebukadnezar, Nero, Napoleon, Hitler, die Sowjetunion. Wenn Gott das Licht ausmacht, ist es vorbei mit ihnen.
Gott ist der Herr. Das gibt uns eine andere Perspektive, auch bei beunruhigenden Nachrichten. Jesus ist der Herr über Leben und Tod, über alle letzten Fragen unseres Lebens und der Welt.
Ich habe drei Punkte herausgearbeitet, die euch hoffentlich im Alltag herausfordern und euch helfen, diese Dinge vor Augen zu haben:
Jesus sagt, Lazarus wird krank und stirbt, damit Gott verherrlicht wird. Gott mutet uns manchmal Dinge zu, ohne uns zu fragen und ohne dass wir den Sinn erkennen. Gott hat die Autorität, und es ist gut, wenn wir nicht rebellieren, sondern das Beste daraus machen und in seiner Nähe bleiben.
Wenn du theologische Wahrheiten kennst, bleib nicht nur bei ihnen, solange es dir gut geht. Lerne sie gut, und wenn du geprüft wirst, halte daran fest. Wenn du schwach bist, lies sie in der Bibel nach, lass dich von anderen ermutigen. Martha wusste, dass Jesus Macht über Leben und Tod hat, aber vertraute ihm nicht, als es um Lazarus ging. Manchmal vergessen wir Wahrheiten in der Krise. Dann ist es wichtig, sich daran zu erinnern und sie umzusetzen.
Jesus zeigt, dass er Herr über Leben und Tod ist. Er hat das letzte Wort, auch wenn die Welt sich verändert und wir beunruhigt sind. Gott entgleitet nichts. Der Teufel hat nur so viel Macht, wie Gott erlaubt. Am Ende steht Jesus und sein Reich.
Lasst euch nicht von Medien, Krisen und politischen Entwicklungen verunsichern. Jesus gibt inneren Frieden. Er ist der Herr, auch wenn wir es nicht immer verstehen.
Ich hoffe, ihr könnt diese Perspektive mitnehmen und sie euch in herausfordernden Zeiten Halt gibt. Amen.
Ich möchte an dieser Stelle gern mit euch beten.
Herr Jesus, vielen Dank, dass wir durch Augenzeugenberichte, wie den des Johannes, erfahren dürfen, was du vor zweitausend Jahren getan hast. Wie du dich verherrlicht hast und für alle sichtbar gezeigt hast, wer du bist und was du kannst.
Wenn ich diese Geschichte lese, finde ich es beeindruckend, wie du durch ein einziges Wort die Macht hast, einen Toten wieder lebendig zu machen. Das ist für unsere Vorstellungen medizinisch und logisch völlig unverständlich. Aber du kannst das.
Danke, dass mir das immer wieder Vertrauen gibt. Es zeigt mir, dass dir Möglichkeiten offenstehen, von denen ich keine Ahnung habe.
Wenn ich diese Geschichte betrachte, fordert sie mich heraus. Ich leide nicht gern und bin ungern in schwierigen Situationen. Du jedoch mutest Lazarus und seinen Schwestern genau das zu.
Ich möchte dich bitten, dass du uns in schwierigen Zeiten die richtige Perspektive gibst. Schenke uns deine Nähe und deinen Trost, auch wenn wir nicht verstehen, warum das passiert oder wohin es führt.
Gib uns die Kraft, die wir selbst nicht aufbringen können, an dir festzuhalten – auch in schwierigen Lebenslagen.
Ich bitte dich, dass du uns an die theologischen Wahrheiten erinnerst, die wir aus deinem Wort kennen. Wenn wir Probleme haben, gib uns den Glauben, den wir aus eigener Kraft nicht aufbringen können.
Lass dann diesen Frieden und dieses Vertrauen auf dich da sein – an Orten, wo sonst niemand es geben kann und wir es auch nicht aus eigener Kraft schaffen.
Öffne unsere Augen für andere Menschen, die gerade in schwierigen Situationen sind. Hilf uns, ihnen Mut zuzusprechen, wo sie es brauchen, und Wahrheiten zu vermitteln, die von dir kommen und durch dich bestätigt sind.
Ich bitte dich, dass du uns allen inneren Frieden und Ruhe schenkst, wenn wir durch Nachrichten aus Politik, Wissenschaft und Medien beunruhigt werden.
Diese Nachrichten zeigen uns, dass die Welt viele Probleme hat und vieles sich negativ entwickelt. Lass uns dabei nicht den Blick auf dich verlieren und das Vertrauen in dich bewahren.
Denn du bist das A und O, der Anfang und das Ende. Du setzt Könige ein und ab, hältst alles in deiner Hand – die Natur, die Wissenschaft, die Wirtschaft und die Politiker.
Bitte erinnere uns immer wieder daran, damit wir ruhiger leben können und diesen Frieden auch an andere weitergeben.
Auch wenn wir keine Antworten auf alle Fragen dieser Welt haben, wissen wir, dass du Antworten hast, die über unsere Möglichkeiten hinausgehen.
Wenn wir alles getan haben, was wir können, sind deine Möglichkeiten noch lange nicht erschöpft.
Bitte erinnere uns immer wieder daran, damit wir eine Herausforderung und ein Vorbild für andere sein können. Lass uns innerlich zur Ruhe kommen, auch wenn uns schlimme Nachrichten den Schlaf rauben wollen.
Gehe nun mit uns in die nächste Woche. Bereite uns auf alle Herausforderungen vor, öffne unsere Augen für die Probleme anderer, damit wir beistehen können, und gib uns die Kraft für das, was vor uns liegt.
Amen.