Einführung und Predigttext
Ich bitte euch, mit mir den Jakobusbrief aufzuschlagen, und zwar Kapitel 1. Dort finden wir unseren Predigttext für heute und auch für den Silvesterabend. Jakobus Kapitel 1, ich lese die Verse 1 bis 8:
Jakobus, ein Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christus, grüßt die zwölf Stämme in der Zerstreuung.
Freut euch vielmehr, meine Brüder, wenn ihr in verschiedene Anfechtungen geratet, denn ihr wisst, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld bewirkt.
Die Geduld aber soll ein vollkommenes Werk haben, damit ihr vollkommen und unversehrt seid und keinen Mangel leidet.
Wenn aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte Gott darum. Er gibt gern allen und ohne Vorwurf, und sie wird ihm gegeben werden.
Er bitte aber im Glauben und zweifle nicht. Denn wer zweifelt, ist wie eine Welle im Meer, die vom Wind getrieben und bewegt wird.
Ein solcher Mensch soll nicht denken, dass er etwas vom Herrn empfangen wird. Ein wankelmütiger Mensch ist unbeständig in allen seinen Wegen.
Jahreslosung und persönliche Reflexion
In den letzten etwa zwei Wochen hat mich das erste Kapitel des Jakobusbriefs immer wieder bewegt. Das geschah zwischen den Texten, die natürlich mit der Geburt unseres Herrn zu tun hatten. Gleichzeitig erinnerte es mich an die Jahreslosung. Ich denke, dass Thomas über die Jahreslosung 2020 gepredigt hat.
Ich weiß nicht, ob ihr den Text noch in Erinnerung habt. Es ist ja der Satz eines Vaters mit einem sehr schwer kranken Kind, der zum Herrn sagte: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben.“
Jedes Jahr wird diese Jahreslosung von einem bestimmten Gremium herausgegeben. Vielleicht haben wir nicht immer das volle geistliche Vertrauen in dieses Gremium. Doch es ist Gottes Wort, und es schien mir fast prophetisch zu sein – auch für das Jahr, das jetzt zu Ende geht.
Dieser Vater hat mit seinem Ruf ausgedrückt: „Ich will ja glauben, aber ich kann nicht. Ich glaube schon, aber ich fühle mich überfordert.“
Vielleicht hast du in diesem Jahr auch manchmal so gesprochen: „Herr, ich glaube, aber hilf meinem Unglauben.“ Wir sind in diesem Jahr auf verschiedene Weise erprobt worden, vielleicht auch manchmal verwirrt. Vielleicht ging es dir manchmal wie mir – dass man überfordert ist.
Wir haben Grenzerfahrungen gemacht, auch in unserem Glauben. Vielleicht haben wir manchmal gesagt: „Ich glaube schon, aber was soll ich denken angesichts dessen, was ich in meinem persönlichen Leben erlebe?“
Welcher Stimme soll ich folgen? „Herr, ich glaube ja schon, aber wie schnell lasse ich mich auch wieder mitreißen von Dingen, die in meinem Alltag passieren und mich in Unruhe versetzen?“
„Herr, wie und was soll ich denken? An wem und was soll ich mich orientieren?“
Herausforderungen und Glaubensfragen im Alltag
Wir haben auch festgestellt, dass die Kinder Gottes in theologischen Fragen oder auch bei ganz aktuellen Tagesfragen sehr unterschiedlich denken. Wie kann ich Ruhe in dir finden?
Auch in diesem Jahr wurden Gläubige krank. Manche haben liebe Menschen durch den Tod verloren, andere standen vor starken Versuchungen, den Weg des Herrn zu verlassen. Einige haben großen Stress bei der Arbeit erlebt oder mussten Entscheidungen treffen, die sie an den Rand ihrer Kraft brachten.
Manchmal haben wir gebetet und Gebetserhörungen erwartet, die sich jedoch nicht eingestellt haben. Und obendrein – wir haben ja nicht erwartet, wie aktuell dieses Wort werden würde, das sich mit dem Glauben und dem Unglauben beschäftigt.
Jetzt haben wir ein besonderes Jahr mit Einschränkungen erlebt, verbunden mit großen Belastungen. Zum Teil betraf das auch Familien, die ihre Kinder Wochen und Monate zu Hause unterrichten mussten. Auch als Gemeinde haben wir Einschränkungen erlebt, die man zumindest äußerlich immer noch sieht. Die Freizeiteinrichtungen sind weitgehend geschlossen, und manche haben in dieser Zeit mit Angst gelebt.
Manche haben jetzt Angst vor einem Impfzwang, obwohl Politiker sagen, es werde keinen geben. Man fragt sich, ob er doch noch kommen wird und ob das, was dort geschieht, ethisch sauber ist. Ja, dieses Jahr hat uns unvorbereitet getroffen.
Und wenn uns Horst vorhin sagte, es werde nichts mehr so sein wie vorher, dann muss ich manchmal sagen: Na hoffentlich! Ich hoffe, dass wir auch ein bisschen etwas dazugelernt haben.
Gesellschaftliche Veränderungen und geistliche Deutungen
Unser Land – ich kann hier nur für das Land sprechen, in dem ich lebe – wurde von diesen Ereignissen sehr unvorbereitet getroffen. Wir waren verwöhnt durch einen ungeheuren Wohlstand und eine immense Sicherheit, sowohl politisch als auch wirtschaftlich.
Vielleicht sind wir als Volk dadurch sehr selbstsicher geworden und auch immer individualistischer. Die Informationsgesellschaft, in der wir leben, ist manchmal ein Segen, aber auch ein Fluch. Denn wer kann die Fülle an Informationen überhaupt noch verarbeiten? Und wer weiß, was davon wirklich stimmt?
Als hauptamtliche Mitarbeiter haben wir uns Anfang des Jahres in einer Andacht immer wieder daran erinnert, dass wir Offenbarung 18 gelesen haben. Dort heißt es, dass Babel an einem Tag, ja in einer Stunde, fällt. Wir haben uns damals gefragt, wie das geschehen soll. Es schien uns zwar vorstellbar, aber in den letzten zehn Monaten wurde deutlich, wie schnell sich eine Welt komplett verändern kann.
Wir haben uns alle gewundert, wie eine ganze Welt auf einmal eine Meinung haben kann – zumindest im Wesentlichen zu einem großen Thema. Eine Methode, um das zu bewältigen, war sicherlich auch ein gemeinsamer Feind: das Virus.
Vielleicht hast du dir manchmal auch die Frage gestellt, die ich mir gestellt habe: Wenn die Weltveränderung kommt, bei der alle eine Meinung haben werden, wie es in der Offenbarung beschrieben ist, wird man dann auch einen gemeinsamen Feind brauchen, um das zu erreichen? Und könnten das vielleicht die Christen sein, gegen die man steht und deren störrische Meinung?
Gottes Wirken inmitten der Herausforderungen
Und trotzdem ist auch in diesem Jahr, mit oder ohne dieses Virus, Gottes Wort immer wieder in Erfüllung gegangen. Sein Wille und sein Plan haben sich verwirklicht.
John Piper hat zu diesem Thema gesagt, dass diese Zeit wie ein Posaunenstoß Gottes ist, der die Welt und die Gläubigen zur Buße ruft – für ihr Denken, ihr Fühlen und ihr Handeln.
Vielleicht musste es geschehen, wie es in Jeremia 48 über Moab gesagt wird, ein Schwestervolk der Juden. Dort lesen wir in Jeremia 48,11: „Moab ist von seiner Jugend auf sicher gewesen und nie in Gefangenschaft gezogen. Es ist auf seinen Häfen stillgelegen und ist nie von einem Fass ins andere gegossen worden. Darum ist ihm sein Geschmack erhalten geblieben und sein Geruch nicht verändert worden.“
So wie Wein von einem Fass ins andere umgegossen werden muss, um gewisse Stoffe auszuscheiden, damit wir am Ende ein klares Ergebnis in unserem Weinglas haben, so macht das manchmal auch Gott mit uns Menschen. Er wirft uns von einer Situation in eine andere – manchmal ohne Ankündigung und vor allem ohne uns um Erlaubnis zu fragen.
Deshalb, glaube ich, passieren manche Nöte, manche Kämpfe und manche Glaubensprüfungen, die wir in unserem Glaubensleben erleben können.
Jakobus als Vorbild im Glauben
Jakobus war ein Mann, der mit Anfechtungen vertraut war. Das lesen wir im Vers 2: „Meine Brüder, haltet es für lauter Freude, wenn ihr in verschiedene Anfechtungen kommt.“
Schon in der Zeit, als Jakobus mit dem Herrn Jesus unterwegs war, hatte er erlebt, wie starke Opposition gegen Jesus entstand. Er war dabei und hat diese Widerstände miterlebt. Auch als Jesus starb und sich die jüdischen Vorstellungen plötzlich auflösten, war Jakobus erschüttert.
Er erlebte die Verfolgung, die über die Gemeinde Jesu hereinbrach, wie sie ab Apostelgeschichte 4 beschrieben ist. Darüber hinaus berichtete er von internen Spannungen, die die junge Gemeinde fast zerrissen hätten. Diese Spannungen betrafen beispielsweise die Verteilung von Hilfsgütern oder später die theologische Frage der Beschneidung für die Heidenchristen. All das hat Jakobus miterlebt.
Sein Glaube blieb dabei nicht ohne Herausforderungen. Vielleicht hat er auch manchmal gesagt: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Ein Leiter wie Jakobus, und ich glaube, das gilt für jeden Christen, wird fortwährend geprüft – auch im Glaubensleben.
Wir werden geprüft in Bezug auf unseren Charakter, unsere Opfer- und Leidensbereitschaft. Ebenso werden wir geprüft in unserer Haltung Gott oder anderen Menschen gegenüber. Auch unsere Reaktionen, wenn Gott Dinge tut, die uns nicht gefallen, werden geprüft.
Für unser Glaubensleben brauchen wir ein stetiges Wachstum. Denn Stillstand ist, wie jemand einmal sagte, zugleich Rückgang. Geistliches Wachstum ist notwendig, und dazu dienen eben auch diese Herausforderungen.
Jakobus spricht deshalb von der Freude, die wir angesichts von Herausforderungen haben sollten. Diese Herausforderungen helfen uns, im Herrn zu wachsen und ihm näherzukommen.
Wie es schon im Psalm 73 heißt, der vor einigen Jahren als Jahreslosung diente: „Dir nahe zu sein, ist mein Glück.“ Die Herausforderungen unseres Glaubens haben von Gott her dieses eine Ziel: dass wir ihm näherkommen.
Die Bedeutung von Anfechtungen und Freude
Und er sagt hier sogar, dass wir verschiedene Anfechtungen erdulden müssen. Verschieden deshalb, weil deine Herausforderungen andere sind als meine. Außerdem sind die Herausforderungen für junge Menschen anders als die für ältere Menschen.
Als Einzelpersonen hatten wir vielleicht vor fünf Jahren bestimmte Herausforderungen. Nächstes Jahr stehen wir vor ganz anderen Problemen. Gott schüttet uns von einem Fass in das andere, damit unser Leben geklärt wird, damit es klar, schön und von gutem Geschmack in dieser Welt ist.
Dabei bleiben uns Herausforderungen, Überforderungen und Grenzerfahrungen nicht erspart. Das zeigt sich auch, wenn wir die Jahreslosung wiederholen. Ich glaube, hilf meinem Unglauben.
Wenn wir von Anfechtungen und Herausforderungen sprechen, fällt uns selten das Wort Freude dazu ein. Aber genau davon spricht Jakobus. Er sagt: „Achtet es für lauter Freude.“ Er nennt es nicht ein notwendiges Übel. Es geht nicht einfach nur, weil es nicht anders geht.
Vielleicht habt ihr das als Kinder auch gehört, wenn ihr eine Medizin bekommen habt, die ekelhaft schmeckte: „Bös muss bös vertreiben.“ Aber so ist Gott nicht. Er sagt, wir sollen die Anfechtungen als Freude ansehen.
Freude beginnt im Himmel. Sie hat für unser Leben an dem Tag begonnen, an dem wir – ähnlich wie Annina – mit Jesus Christus versöhnt wurden und sein Eigentum wurden. Da war Freude im Himmel. Diese Freude hat er durch den Heiligen Geist in unser Leben gebracht.
Diese Freude breitet sich in der Welt und in unserem Leben aus. Jesus hat gesagt: „Das habe ich zu euch gesagt, damit meine Freude in euch bleibt und eure Freude vollkommen wird.“
Im hohenpriesterlichen Gebet in Johannes 17, Vers 13, betet er: „Nun aber komme ich zu dir, Vater, und sage es in der Welt, damit meine Freude in ihnen vollkommen ist.“
Die Frucht des Geistes, die uns in Galater 5 aufgeschrieben ist, nennt an zweiter Stelle die Freude als eine wesentliche Wirkung des Heiligen Geistes.
Auch Johannes schreibt in seinem ersten Brief: „Das schreiben wir euch, damit eure Freude vollkommen sei.“
Die Freude eines Christen wächst mit der Nähe zu Christus. Sie kann nicht wachsen, wenn wir fern von ihm sind. Die Herausforderungen unseres Lebens sind dazu da, uns näher zu Jesus zu ziehen, weil wir abhängiger von ihm werden. Nur so kann die Freude wachsen, von der er spricht.
Werte, Prüfungen und wahre Freude
Warren Wiersbe hat in einem seiner Kommentare geschrieben: Unsere Werte bestimmen unsere Beurteilung. Wenn wir Komfort höher schätzen als Charakter, werden Prüfungen uns aufregen. Wenn wir das Materielle und Physische mehr schätzen als das Geistliche, werden wir nicht alles für Freude halten. Wenn wir nur für das gegenwärtige Leben leben und das zukünftige vergessen, machen uns Prüfungen bitter, nicht besser.
Die Freude, die Gott schenkt, ist nicht die Freude gewünschter Umstände. Gerade Weihnachten liegt knapp hinter uns, und als wir mit unseren Enkeln zusammen waren, gab es einen, der einen ganz bestimmten Wunsch hatte. Er hatte sich sehr gewünscht, dass die Oma ihm diesen Wunsch erfüllt. Deshalb konnte er es kaum erwarten, bis es Geschenke gab. In einem Geschenk war genau das, was er sich gewünscht hatte, und er hat sich mehrfach bedankt. Das war die Freude wegen gewünschter Umstände. Er hatte einen Wunsch, und die Oma hat ihn erfüllt – was sie nicht immer tut, aber diesmal hat sie es getan.
Die Freude, die Jesus schenkt, ist jedoch nicht einfach eine Freude wegen günstiger Umstände. Sie ist eine Frucht des Heiligen Geistes und eine Auswirkung der Gegenwart Gottes in unserem Leben. Diese Freude, liebe Freunde, und nur diese Freude hält den Anfechtungen stand. Unsere menschliche Freude vergeht sehr schnell. Es ist besser, wenn sie so schnell wie möglich vergeht, damit wir von einer falschen Vorstellung unseres Glaubenslebens aufwachen und merken: Das trägt ja gar nicht, was ich mir eingebildet habe, dass ich glaube.
Die Freude, die Gott schenkt, hält Herausforderungen nicht nur stand, sie wächst und wird tiefer und reiner – so wie Wein, der von einem Fass ins nächste gegossen wird. Diese Freude hat ihre Wurzeln im Himmel und nicht auf dieser Erde. Deshalb müssen manchmal auch Herausforderungen in unser Leben treten, ob es ganz persönliche oder weltweite Herausforderungen sind. Es spielt keine Rolle. Sie sind da, um uns klarzumachen: Wovon bin ich geprägt? Was ist mein Glaube wirklich wert?
Die Bedeutung des Glaubens und seine Bewährung
Wenn Jakobus hier im Vers 3 vom Glauben spricht, bedeutet das: Wisst, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld bewirkt. Daraus dürfen wir die Frage ableiten: Was bedeutet Glauben?
Ich möchte euch immer wieder ermutigen, Wortstudien zu machen. Nehmt auch einzelne Worte aus solchen Versen heraus, denkt darüber nach und glaubt nicht, ihr wisst schon alles darüber. Ich selbst mache das immer noch so. Ich will wissen, was „Glaube“ hier in diesem Zusammenhang bedeutet, was Jakobus sagen will und wovon er überhaupt spricht.
Für mich sind zwei Dinge wichtig: Erstens, wem glaube ich? Ich glaube dem souveränen Gott, dem, der alle Gewalt im Himmel und auf Erden hat, der schaffen kann, was er will, und den niemand hindern oder zwingen kann. Er ist der souveräne Gott. Es ist der Gott, der mich liebt. Und weil dieser allmächtige, souveräne Gott mich liebt, darf ich im Vertrauen auf ihn ruhen.
Petrus hat das in seinem ersten Brief gesagt, 1. Petrus 5,6: „So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes“, man könnte auch sagen: die allmächtige, die souveräne Hand Gottes, „damit er euch erhöht zu seiner Zeit, indem ihr alle eure Sorgen auf ihn werft.“
Es ist der Gott, dem ich glaube, der gesagt hat: Euer Vater weiß, was ihr braucht, ehe ihr ihn bittet. Wem glaube ich? Das ist ein Bestandteil meines Glaubens.
Aber der Glaube, von dem die Bibel spricht, ist nicht nur ein Glaube an Gott, sondern er hat auch einen Inhalt. Wenn ich jetzt anfangen würde, vom Horst bis zum Elias und weiter oben zu fragen: „Was ist Gegenstand und Inhalt deines Glaubens?“, dann hätten wir wahrscheinlich einen ziemlich bunten Strauß.
Darf ich euch an einige Glaubensinhalte erinnern, die im Zusammenhang mit Anfechtung besonders bedeutsam sind? Ich habe das neulich schon mal an einem Buch zitiert, das mir persönlich sehr weitergeholfen hat. Dort berichtet der Autor, dass ein Freund zu ihm gesagt hat: „Es ist Zeit, zu glauben, was du sagst, dass du glaubst. Es ist Zeit, zu beweisen, was du immer gepredigt hast.“
Nun, was glauben wir? Wir glauben, wie eben schon erwähnt, dass Gott souverän ist. Wir glauben, dass der Amerikaner oder der Engländer das Schöne ausdrücken kann: „History is his story“, also Geschichte ist Gottes Geschichte.
Wir glauben, dass die wichtigen Entscheidungen nicht im Europäischen Parlament fallen, sondern im Himmel. Wir glauben, dass wir in der Welt sind, aber nicht von der Welt. Wir glauben, dass es wahr ist, dass wir uns nicht fürchten müssen.
Wir glauben aber auch, dass der Herr Jesus gesagt hat: „In der Welt habt ihr Angst oder Bedrängnis.“ Das Wort bedeutet auch so viel wie: Da werdet ihr manchmal zusammengedrückt und bedrängt.
Wir glauben auch, dass der Herr Jesus gesagt hat: „Die Großen der Welt üben Gewalt aus.“ Das erleben wir heute auch. Manchmal scheint eine Entscheidung der Politiker nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in vergangenen Jahren nicht gerechtfertigt oder wirkt wie eine willkürliche Machtausübung.
Aber wir glauben auch, dass Jesus gesagt hat: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Das glauben wir.
Ich glaube aber auch, dass Gott gesagt hat, dass er kräftige Irrtümer senden wird, um die Welt zu verwirren, damit sie der Lüge glauben. Und das ist ein Wort, das sicherlich nicht nur Politikern gilt, sondern vielleicht auch manchem Internetnutzer, der glaubt, er könne alles herausfinden, was in der Welt von Bedeutung ist, weil es für jede Meinung irgendeinen Internetbeitrag gibt.
Ich glaube, dass es wahr ist, dass Gott auch Irrtümer sendet, um die Welt kopflos zu machen. Manchmal frage ich mich, ob er dann nicht im Himmel sitzt und darüber lacht, wie es im Psalm einmal heißt, weil wir so ad absurdum geführt werden mit unserer Selbstsicherheit.
Wir glauben auch, dass vor einer Geburt Wehen kommen. Damit meine ich jetzt das Körperliche, aber genau das gilt auch für die Weltgeschichte, für die große Geburt, dass das Reich Gottes anbricht. Es kommen Wehen, und die sind nicht angenehm – das könnten alle Mütter dieser Welt bestätigen.
Ich glaube auch, dass, bevor Jesus wiederkommt, Erschütterungen über diese Welt kommen müssen. Das hat mich in diesen Tagen im Hebräerbrief bewegt. Gerade unmittelbar vor unserem Text, in Hebräer 12,26, heißt es: „Gott, dessen Stimme zu jener Zeit die Erde bewegte.“ Nun aber hat er verheißen und spricht: „Noch einmal will ich nicht allein die Erde erschüttern, sondern auch den Himmel.“
Dieses „Noch einmal“ zeigt, dass das Erschütterliche verwandelt werden soll. Es ist geschaffen, damit das Unerschütterliche bleibt.
Deshalb muss manchmal auch in unser geistliches Leben Erschütterung kommen, wodurch auch immer das offenbar wird: ob wir fest gegründet sind im Wort Gottes oder lose, ob unser Glaube nur eine Theorie ist oder Realität, ob er auf meine Vorstellungen gegründet ist oder auf den lebendigen Gott.
Beides ist erforderlich: zu wissen, wem ich glaube, und auch zu wissen, was ich glaube. Es muss auch definiert sein.
Deshalb sagt Jakobus hier: Der Glaube muss bewährt werden, und dann bewirkt er Geduld.
Geduld als Frucht des bewährten Glaubens
Der Glaube muss bewährt werden; er muss als echt erwiesen sein. Wenn ich bei meinen Überzeugungen bleibe, werde ich auch Konsequenzen tragen müssen. Dabei werde ich nicht nur positive Ergebnisse erleben, sondern manchmal auch negative.
Vor Kurzem habe ich von einem Dorf in der Demokratischen Republik Kongo gelesen. Dort sind islamistische Rebellen eingefallen. Sie haben die Dorfbewohner zusammengetrommelt und jeden einzeln gefragt, ob er Christ sei. Dreißig Menschen antworteten mit Ja – und sie wurden erschossen oder erstochen. Diese Menschen hatten Überzeugungen und ahnten, was auf sie zukommt. Ich kannte sie nicht, doch ich habe Gott für ihre Standhaftigkeit gepriesen. Diese Standhaftigkeit kam nicht aus ihnen selbst, denn Glaube ist letztlich immer ein Ergebnis des Handelns Gottes.
Konsequenter Glaube trägt auch die Folgen und vertraut dem Herrn. Er vertraut auf Gottes Führung, auch wenn Widerstand kommt. Er vertraut, wenn Anfeindungen gegen uns gerichtet werden, er vertraut auch dann, wenn Verfolgung eintritt. Das ist eigentlich sehr leicht im Vergleich zu dem, was unsere Geschwister im Kongo erlebt haben. Wenn uns Einschränkungen auferlegt werden, wird es Zeit zu glauben, was wir sagen, dass wir glauben.
Auch das vergangene Jahr war, völlig unabhängig von der ganzen Corona-Geschichte, ein Jahr, in dem Gott unseren Glauben bewähren wollte und eine erstaunliche Wirkung hervorrufen wollte. Das hat mich fasziniert und zum Nachdenken gebracht. Ich habe mich besonders mit Vers 3 unseres Textes beschäftigt. Ich lese ihn noch einmal vor: „Wisst, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld bewirkt.“
Ich habe mir die Frage notiert: Warum bewirkt Glaube ausgerechnet Geduld? Vielleicht hätte ich erwartet, dass Glaube Freude, Triumphe, Sieg über Feinde oder die Erfüllung meiner Wünsche bewirkt. Aber hier steht, dass der bewährte Glaube Geduld bewirkt.
Geduld bedeutet, in einer Situation zu bleiben, die Gott in unser Leben gestellt hat. Im Griechischen heißt das „hypomone“ – darunter bleiben, drin bleiben. Wir sind ja alle Meister im Davonlaufen, oder? Wenn Schwierigkeiten auftauchen, ist unser Reflex meist: Wie komme ich da wieder raus? Manchmal gelingt uns das sogar. Ob es dann richtig war, steht auf einem anderen Blatt.
Doch es gibt Situationen, aus denen wir nicht herauskommen. Die Frage, die Gott in unserem Leben zur Wirklichkeit bringen will, ist: Nehmen wir die Zumutungen Gottes an? Ertragen wir den Verzicht, den Gott uns auferlegt?
Im Alten Testament heißt es einmal: „Wer glaubt, der flieht nicht.“ Wir alle waren im vergangenen Jahr in Situationen, in denen es uns zum Davonlaufen war. Habt ihr das vielleicht auch erlebt?
Ein Mann schrieb zu diesem Text: „Der einzige akzeptable Weg aus den Prüfungen ist durch die Prüfungen.“ Das ist wie in einem Tunnel. Du hast drei Möglichkeiten, wieder herauszukommen: Entweder du fährst einfach weiter, bis du auf der anderen Seite bist. Oder du fährst zurück – das wäre nicht besonders sinnvoll. Oder du versuchst, dich nach oben durchzugraben – das könnte lange dauern. Deshalb ist die einzig sinnvolle Lösung, im Tunnel zu bleiben, bis du auf der anderen Seite herauskommst.
Ich habe es vorhin auch erzählt: Ich war manchmal in Westafrika unterwegs, bei Veronika Volland, als sie noch im Missionsdienst war. Dort gab es interessante Straßenverhältnisse. Man musste oft von der Straße weg, um einen Umweg zu fahren – neudeutsch einen Bypass. Manchmal war auch dieser Umweg versperrt, und dann musste man vom Umweg noch einen Umweg fahren.
Der Umweg hieß in ihrer Sprache „Munumunu“. Wenn du vom Umweg noch einen Umweg fahren wolltest, hieß das Ganze schlicht „Munumunu Munumunu“. Ich dachte, das klingt für unser Ohr etwas lustig. Aber ist das nicht genau das, was manche machen?
Weißt du, wenn du so ein Orientierungsgenie bist wie ich – ich meine das selbstkritisch und spöttisch, denn ich habe keine gute Orientierung in der freien Wildbahn –, dann kann es sein, dass du vom Weg abgehst, den Umweg suchst und vom Umweg noch einen Umweg. Die Gefahr ist, dass du die Straße gar nicht mehr findest. Mir würde das in Afrika mit Sicherheit immer wieder passieren.
Die Alternative ist entweder, darunter zu bleiben und eine Situation als von Gott gegeben anzunehmen, oder zu versuchen, sich die Sache vom Hals zu schaffen.
Manchmal habe ich in diesem Jahr Menschen reden hören über ihre Lebenssituationen und wie sie dagegen ankämpfen – mit aller Gewalt. Sie klagen Menschen an, beschimpfen Gott oder andere. Mein Gott selten, aber Menschen und Situationen. Da musste ich manchmal an das Wort von Gamaliel denken, jenem Mann im Hohen Rat in Jerusalem, der mitbekommen hat, wie man die Christen bekämpft und fertig machen wollte.
Er sagte einmal: „Wenn es aber von Gott ist, also diese Bewegung, dann könnt ihr sie nicht zerstören, damit ihr nicht am Ende als solche erfunden werdet, die gegen Gott streiten wollen.“
Dieser Satz hat mich manchmal bewegt: dass wir nicht zu solchen werden, die gegen Gott streiten wollen. Denn manchmal, wenn man sich in einer Situation einfach nicht arrangieren kann und sich nicht unter die gewaltige Hand Gottes stellen will oder kann, gerät man in die Gefahr, gegen Gott zu streiten.
Eines kann ich garantieren: Wenn es einen Gegner gibt, der immer zu groß bleiben wird für dich, dann ist es Gott. Gott nutzt die Anfechtungen nicht, um uns zu schwächen – auch wenn wir uns manchmal so fühlen –, sondern um uns zu stärken und reifen zu lassen. Damit unsere Überzeugungen fester werden und wir immer tiefer begreifen: Gott ist gut, Gott ist genug, Gott ist allgegenwärtig und Gott ist souverän.
Abschluss und Ausblick
In unserem Predigttext, dessen Betrachtung ich für heute jetzt abschließe, sind einige wichtige Worte verwendet worden. Einen Teil davon haben wir bereits betrachtet: Freude, Glaube, Geduld. Ab Vers fünf lesen wir außerdem von Weisheit, Reife und Festigkeit.
Das vergangene Jahr mit den Herausforderungen, die Gott in dein Leben gestellt hat – da ist jeder ein Original – hat Gott dir genau das bewirken wollen, dass deine Freude an Christus wächst, dass dein Glaube an ihn tiefe Wurzeln bekommt, dass du geduldig wirst, also „drunter bleibst“ und dich unter die Hand Gottes demütigst, dass du seine Weisheit suchst und erlebst, und dass du fest wirst und reif. Immer wieder erlebst du: Gott will mich vervollkommnen. So haben wir es im Vers vier gelesen: Die Geduld soll ein vollkommenes Werk haben, damit ihr vollkommen und unversehrt seid und keinen Mangel leidet.
Liebe Freunde, in vier Tagen geht dieses Jahr zu Ende. Für manche ist das ein Anlass, ein bisschen Rückschau zu halten. Vielleicht ist es auch ein Gespräch wert mit deinem Gott: Herr, wie hast du mich erlebt in diesem Jahr, in den Anfechtungen, die du in mein Leben gelegt hast? Herr, durfte ich in der Freude wachsen? Dürfte ich im Glauben wachsen? Dürfte ich in der Geduld wachsen? Dürfte ich an Weisheit zunehmen und an Reife und an Entschlossenheit? Das ist es, was er hat wirken wollen. Und das wird sein Anliegen sein im nächsten Jahr.
Wenn wir unsere Kinder erziehen, dann gibt es ein sehr, sehr wichtiges Mittel – und das ist die Wiederholung. Es gibt ganz wenige Dinge, die Kinder für den Rest ihres Lebens durch eine einmalige Ansage begreifen. Das wissen Eltern, die darüber gestöhnt haben, dass man sich den Mund „ihr wisst schon was“ schwätzt, manchmal bei Kindern. Gott ist geduldig, und er wird uns weiterhelfen – nicht, weil er uns unterdrücken will oder pingelig ist, sondern weil er weiß, das ist es, was dem Menschen wahre Freude bringt: wenn er in den Anfechtungen Glauben, Geduld, Freude, Weisheit, Reife und Entschlossenheit lernt. Dazu war 2020 von Gott in dein und mein Leben vor Ort, mit all dem, was drin war.
Ich habe eine gute Nachricht für dich: Nächstes Jahr, so der Herr uns das Leben schenkt, dürfen wir weiter daran lernen und diesem Herrn vertrauen.
Lasst uns für einen Moment still werden – auf unserem Platz oder zuhause am Bildschirm. Niemand betet bitte laut, wir wollen einfach still vor Gott uns neigen und ihm das sagen, was wir jetzt ihm zu sagen haben. Ich schließe das hier ab:
Wir danken dir, Herr, dass du ein geduldiger Lehrmeister bist. Wir danken dir für all die Mühe, die du dir mit uns gemacht hast, auch in diesem zu Ende gehenden Jahr. Danke, dass du uns so viel Freude gegeben hast, dass du uns so viel Gnade hast erleben lassen. Danke für so viel Schönes, das geschehen ist, danke für jede Gebetserhörung, danke für alle Freundschaft und danke für alle Gemeinschaft, die wir erlebt haben.
Aber Herr, du hattest auch Anfechtungen und Erprobungen in unser Leben gelegt. Und Herr, du weißt, ich habe mich nicht immer gefreut, schon gar nicht immer gleich. Du weißt, dass meine Geduld auch manchmal versagt hat. Vergib mir, wenn ich in eigener Weisheit mit dem Kopf durch die Wand wollte, statt deine Weisheit zu erbitten. Danke für all deine Gnade und dein Zurechthelfen, für dein Schulen. Danke dafür, dass du uns hilfst, jetzt auch im Rückblick auf dieses Jahr unser Leben mit deinen Augen zu sehen und uns dort korrigieren zu lassen, wo es erforderlich ist. Danke, dass du weiter mit uns redest um deiner Güte willen. Amen.