
Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Thomas Powileit und Jörg Lackmann. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Im Evangelium liegt eine unglaubliche Freiheit. Heute sprechen wir darüber, welche Auswirkungen der Tod Jesu und seine Auferstehung auf unser Leben haben. Wir betrachten, wie das Evangelium unser Gottesbild und unser Selbstbild verändert und wie wir im Glauben wachsen können.
Was ist eigentlich das Ziel unseres Lebens? Wie reagieren wir auf Kritik? Und wie gehen wir mit schwierigen Lebensumständen um, wenn uns das Evangelium durchdringt? Es sind viele Themen, die alle mit dem Evangelium verbunden sind.
An Ostern feiern wir, dass Jesus für uns am Kreuz gestorben ist und vor allem seine Auferstehung. Darum geht es ja an Ostern. Manchmal glauben wir jedoch, dass dies wenig Einfluss auf unseren Alltag hat und nur eine theologische Wahrheit ist.
Jörg, woran liegt es deiner Meinung nach, dass wir theologische Wahrheiten wie „Jesus ist auferstanden“ so auseinanderreißen, aber diese Wahrheiten in unserem persönlichen Leben oft kaum Wirkung zeigen? Häufig ist es so, dass wir Dinge zwar glauben, sie aber nicht in unser Leben übertragen.
Der Podcast hat eine Vorgeschichte. Kürzlich war ich in der Kurzbibelschule mit dem Christusbund, wo es um den Galaterbrief ging. Detlef Gerd hat dort referiert. Er war früher beim Bibelstudienkolleg in Ostfildern und ist jetzt bei der Kontaktmission. Er hat mir den Galaterbrief nähergebracht, weil ich immer Schwierigkeiten hatte, Zugang zu diesem Brief zu finden – komischerweise.
Beim Römerbrief hatte ich keine Probleme, obwohl ich ihn komplizierter finde. Aber der Galaterbrief war für mich immer eine Hürde. Diese hat er mir genommen, was ich sehr interessant fand.
Die Problematik in Galatien war folgende: Die Gemeinde war frisch gegründet auf der ersten Missionsreise. Paulus zog schnell weiter. Die Menschen hatten das Evangelium kennengelernt, doch im Alltag kam dieses Evangelium nicht richtig an.
Paulus fragt sich manchmal, und ich erinnere mich nicht mehr genau, wie oft, aber im Kapitel sagt er viermal, dass er ratlos ist. Er fragt: „Wie kann es sein, dass ihr so schnell von dieser befreienden Botschaft abkommt?“ Dann wird diskutiert, was die Hindernisse sind.
Diese Hindernisse sehe ich auch in meinem Leben oder habe sie wiedergefunden. Denn eigentlich gilt ja in Galater 5,1 und 5,13: Paulus sagt dort zu den Brüdern, sie seien zur Freiheit berufen. „Dann macht das auch. Lebt in der Freiheit.“
Ihr habt eine unglaubliche Freiheit, aber ihr lebt in der Knechtschaft. Wie kann das sein? Das ist das Thema des Galaterbriefs. Und es gibt gewaltige Hindernisse, die auf dem Weg zur Freiheit stehen.
Diesmal habe ich mir für Ostern überlegt, wir beschäftigen uns mit den Auswirkungen von Ostern. Das finde ich sehr gut. Nicht immer nur, was an Ostern passiert – das haben wir zum Beispiel letztes Jahr gemacht –, sondern jetzt: Wie wirkt sich das aus?
Ich glaube, es macht einen riesigen Unterschied, ob diese Auferstehungskraft wirklich in unserem Leben stattfindet oder ob sie nicht ankommt. Und das ist, denke ich, das Thema des Galaterbriefs: Wie kommt das im Leben an? Also, wie wird es zur Praxis und nicht nur zur Theologie?
Der Galaterbrief und der Römerbrief sind Briefe, in denen das Evangelium sozusagen auf den Leuchter gestellt wird. Was würdest du sagen, was der Kern des Evangeliums ist?
Er beginnt im ersten Kapitel damit, sich zu verteidigen. Das ist heute nicht das Thema, denn sein Apostelamt und seine Evangeliumsverkündigung werden angegriffen. Deshalb sind die Leute durcheinandergekommen. Aber er sagt, er ist Apostel nicht von Menschen oder durch Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott den Vater, der ihn von den Toten auferweckt hat. Wir glauben an den Gott, den Sohn, der von den Toten wieder auferstanden ist.
Er schreibt: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus.“ Jesus ist unser Herr, der sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, um uns von dieser gegenwärtigen bösen Welt zu erretten, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters, dem Ehre gebührt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Das ist sozusagen das Credo am Anfang, sein Glaubensbekenntnis. Jesus ist auferstanden, Jesus ist unser Herr. Wir sind Sünder und können nicht aus eigener Kraft mit Gott zusammenkommen. Aber Gott liebt uns so sehr, dass er für unsere Sünden gestorben ist, um uns in dieser Welt zu retten.
Das würde ich sagen, ist das Evangelium. Ein paar entscheidende Punkte daran sind, dass wir uns nicht selbst rechtfertigen können. Dem wird jetzt jeder zustimmen, jeder Theologe, jeder Christ. Aber ich glaube, in der Praxis machen wir das nicht. Darauf möchte ich heute hinaus.
Das Ganze basiert, wie gesagt, auf Detlev Gerhard. Er hat eine schöne Tabelle, die ich sehr mag – ich liebe Tabellen –, auf zwei DIN-A4-Seiten. Darin geht er verschiedene Bereiche durch, wie das Selbstbild, den Umgang mit Kritik und andere Themen. Er zeigt, wie man damit umgeht, wenn man das Evangelium verstanden hat, und wie, wenn man es nicht verstanden hat, und zwar in der Praxis.
Das fand ich sehr hilfreich, und das wollte ich heute weitergeben, auch wenn es in meinem Leben gerne noch weiter reifen darf. Aber wir machen das jetzt schon mal.
Einen ganz spannenden Vers finde ich in Kapitel zwei. Dort diskutiert Paulus, welche Rolle das Gesetz hat. Er sagt, das Gesetz zeigt uns unsere Schuld auf. Gleichzeitig sind wir durch das Gesetz dem Gesetz gestorben. Das bedeutet: Das Gesetz im Alten Testament kann dich nicht retten und rechtfertigen. Das wissen wir. Es kann dir nur deine Schuld aufzeigen.
Jetzt passiert etwas Neues: Wir sterben mit Christus am Kreuz. In Galater 2,20 steht nach der Aussage „Ich bin mit Christus gekreuzigt“: „Ich lebe, doch nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir.“ Das finde ich einen sehr spannenden Satz.
Natürlich leben wir als Persönlichkeit weiter, auch wenn wir mit Christus gekreuzigt wurden. Das ist eine geistliche Realität und bedeutet nicht, dass wir physisch sterben. Wir leben also weiter, aber nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Das heißt, ich höre als Person nicht auf, denn ich lebe ja. Aber ich lebe nicht mehr selbst, sondern Christus lebt in mir.
Oft ist das jedoch nicht die gelebte Realität. Darauf kommen wir gleich im nächsten Kapitel zurück, wenn wir besprechen, was nicht der Realität entspricht.
Was ich jetzt aber in meinem irdischen Leib lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich hingegeben hat. Der Glaube an Christus in uns – das ist entscheidend. Man muss aufpassen: Der Glaube an Christus, der in uns wohnt, der uns liebt und uns letztendlich verändert, ist das Wesentliche.
Es gibt zwei Fehler, die man in diesem Zusammenhang machen kann. Die eine Seite betrifft die Frage nach der Freiheit, also wie man Wege in die Freiheit findet. Das ist das Grundthema dieses Podcasts.
Der erste Fehler besteht darin, dass man nicht weiß, wovon man befreit wurde – nämlich von der Sünde. Das betrifft oft Menschen, die man vielleicht als liberal bezeichnen würde oder die alles relativieren und sagen: „Ja, ist alles egal.“ Sie erkennen nicht die Tiefe, dass sie wirklich Sünder sind. Für sie sind Gebote und Regeln eher unwichtig. Die Antwort auf die Frage „Freiheit wovon?“ fehlt also.
Es gibt aber noch eine zweite Frage: „Freiheit wozu?“ Ich bin befreit, um mit Christus zu leben. Hier liegt die Gefahr der Religiosität oder der Gesetzlichkeit. Man sagt dann: „Ja, ich habe mich bekehrt, weil ich mich selbst nicht retten kann, ich bin Sünder. Aber jetzt, in der Nachfolge, muss ich liefern. Ich muss selbst die Ärmel hochkrempeln und es schaffen.“
Diese zweite Frage wird oft falsch beantwortet. Man denkt, man sei dazu befreit, alles selbst zu machen. Doch tatsächlich bin ich dazu befreit, dass Christus in mir lebt, mich liebt und sein Werk in mir erfüllt.
Diese beiden Pole müssen zusammenkommen. Genau das war bei den Galatern nicht der Fall. Galater 3,3 sagt: „Seid ihr so unverständig? Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr es nun im Fleisch vollenden?“ Das beschreibt genau die Problematik. Sie haben die befreiende Kraft des Evangeliums erfahren, die Rettung von der Sünde – nicht durch uns selbst, weil wir das nicht können. Aber plötzlich wollen sie es im Fleisch, also aus eigener Kraft, weitermachen.
Das passiert uns oft, nicht so sehr in der Theorie, aber in der Praxis. Es gibt einen schönen Satz: „Wir sind sündiger, als wir glauben möchten, doch durch Christus angenommener, als wir zu hoffen wagten.“ Auf der einen Seite sind wir also sündiger, als wir denken. Auf der anderen Seite sind wir angenommener, als wir je glauben können.
Beides zu schaffen, ist die Herausforderung. Meistens rutscht man auf der einen oder der anderen Seite ab. Deshalb können wir nun einige Bereiche praktisch durchgehen.
Wie sieht das aus, wenn das FNG (Falsche Nachfolge-Gefühl) durchgedrückt wird? Und wie sieht es aus, wenn man vergisst, wozu man befreit wurde und wovon man befreit wurde? Einfach mal die Praxis des Lebens durchgehen.
Was auch ganz wichtig ist: Das Evangelium verändert das Gottesbild. Fangen wir mal an mit einer Sicht, die ich jetzt gesetzlich nenne. Dort wird Gottes Heiligkeit und seine Gerechtigkeit groß gemacht. Das ist eine Stärke. Man lebt auch in diesem Bewusstsein, aber was zu wenig beachtet wird, ist seine Liebe und Gnade.
Man sagt dann immer: „Oh, da könnte man ja in die falsche Richtung gehen, also vorsichtig sein.“ Das hat man nicht verinnerlicht. Dann gibt es den anderen Pol, von denen sagen: „Ach, Gott vergibt uns schon, es ist alles nicht so wild.“ Dort wird seine Heiligkeit vergessen.
Das Evangelium wäre jetzt: „Gott ist heilig und gerecht, aber er ist auch liebend zugleich.“ Es wird ja immer der Vorwurf gemacht, wenn die Gnade so groß wird, dann werdet ihr doch danach nicht mehr richtig leben, sondern sündigen.
Das ist falsch, weil wer das Evangelium verstanden hat, weiß, wovor er gerettet wurde, nämlich von der Sünde. Und der tut Buße über der Sünde, der wird deswegen nicht sündigen. Das macht jemand, der immer sagt: „Gott ist Liebe, nein, die Heiligkeit ist nicht so wild.“
Aber wenn ich das Evangelium verstanden habe, dann weiß ich: Ich habe einen heiligen Gott, vor dem ich nicht bestehen kann. Aber er liebt mich so, dass er mich trotzdem annimmt durch Jesu Kreuzestod. Und dann werde ich nicht sündigen.
Und die fallen immer auf der einen Seite runter, indem sie sagen: „Nee, nicht so viel von Liebe reden, dann sind wir nicht mehr heilig.“ Und die anderen sagen: „Heiligkeit ist nicht so wichtig, ich kann machen, was ich will.“
Das Evangelium ist: Er ist heilig, ich kann vor ihm nicht bestehen, aber er liebt mich. Also meine Sünde ist größer, als ich dachte, aber auch seine Liebe ist größer, als ich dachte. Aufgrund dessen lebe ich dann aus seiner Kraft heraus.
Damit hat man diese Balance. Das wäre jetzt mal das Gottesbild.
Ja, das erinnert mich auch an etwas, was Paulus dem Titus sagt. Er schreibt, dass die Gnade Gottes uns erzieht, die weltlichen Lüste zu verleugnen.
Es ist also nicht meine eigene Anstrengung, sondern die Gnade, die mir die Kraft gibt, die Dinge zu verleugnen – genau wie du es auch gesagt hast. Denn diese Lüste führen in die Sünde, und das versteht man ja.
Was denkst du, wie wir im Glauben wachsen? Ganz praktisch gesehen: Zunächst muss ich im Kopf verstanden haben, was das Evangelium ist. Es ist im Grunde genommen Anspruch und Zuspruch zugleich.
Es gibt einen Anspruch, aber Gott sagt mir auch immer wieder, dass er es in mir schafft. Das muss ich dann aber irgendwie in meinem Alltag umsetzen. Wie gelingt mir das?
Also, das von Galater 3,3 habe ich schon vorgelesen. Sie haben im Glauben begonnen und wollten dann mit der eigenen Kraft weitermachen. Ich denke, das ist die größere Gefahr bei vielen.
Sie sehen es so, dass das Evangelium am Anfang steht, wie das A, A, B, C. Aber dann kommen die restlichen Buchstaben, die Nachfolge. Da meinen sie, wir müssen uns jetzt als würdiger erweisen. Ich muss jetzt beten, ich muss dies machen, ich muss jenes tun. Und ich tue diese Dinge auch, aber nicht aus mir selbst heraus.
Deswegen sagt er, ihr verendet im Fleisch. Letztendlich versucht man plötzlich, seine Nachfolge aus sich selbst herauszuholen. Da ist aber immer noch nichts drin. Christus ist da, aber man versucht, es aus dem eigenen Ich zu holen.
Ich weiß nicht, ob das verständlich ist, dieser Unterschied, aber da liegen Welten dazwischen. Ob Christus in mir das tut und nicht mehr ich lebe – oder ob ich jetzt versuche, als Christ, der ich jetzt bin, der ich errettet bin, das zu erfüllen. Dann wird es zum Krampf und schwierig.
Man hofft und traut bei der Errettung erst auf die Vergebung, aber danach denkt man: Jetzt ist das meine Sache. Im Grunde genommen bräuchte ich dann gar keine Erlösung, weil ich es ja selbst schaffe, oder? So würde ich das sehen.
Ja, ich glaube, die Erlösung ist schon klar – dass das nicht geht. Aber das ist auch nicht so bewusst, habe ich den Eindruck. Viele machen sich einen unheimlichen Druck: Ich muss jetzt gehorsam sein. Eigentlich könnte man sagen: Ich freue mich so, dass ich aus Gnade angenommen bin. Und aus dieser Freude heraus bin ich dann gehorsam.
Das ist ein anderes Denken. Ich mache das jetzt nicht, weil ich es machen muss und weil ich jetzt gehorsam sein muss und weil das Gottes Gebot ist. Sondern ich mache es, weil Gott sich mir gnädig zuwendet und das das Beste ist, was für mich ist.
Das sind zwei völlig verschiedene Denkweisen. Sie können sehr nah beieinanderliegen und sehr ähnlich aussehen, aber es kommt etwas ganz anderes heraus. Bei der einen Denkweise entsteht echter Druck, und ich kann ihm nicht genügen. Alles stimmt nicht.
Der andere weiß: Nein, ich bin angenommen, ich bin gelebt. Und aus dieser Kraft heraus mache ich es, nicht mehr aus mir selbst.
Natürlich sagen Leute, die es nicht so ernst nehmen: Na ja, ich picke mir aus der Bibel raus, was wichtig ist. Gehorsam ist nicht so wichtig. Ich glaube, darüber brauchen wir jetzt nicht zu reden.
Das ist ein komplett anderer Antrieb. Das eine ist: Ich versuche, besser und heiliger zu werden – Kampf. Das andere ist: Ich bin frei, mich voll für Gott einzusetzen, weil ich weiß, dass er mein größtes Glück ist. So könnte man es auch ausdrücken.
Eine andere Quelle.
Ja, wie wirkt sich diese Veränderung im Mindset, also in meinem Denken, auf das Wachstum meines Glaubens aus? Was würdest du dazu sagen?
Wenn ich aus der Gnade lebe, bekenne ich natürlich meine Sünde. Diese wird immer wieder vorkommen, das ist so. Dann lebe ich, wie es in Galater 2,20 heißt, im Glauben auf den Sohn Gottes. Das heißt, ich lebe im Vertrauen auf Christus und in der Beziehung mit ihm.
Oft wird so etwas als Frucht bezeichnet. Im Galaterbrief gibt es auch die Frucht des Heiligen Geistes. Der Geist spielt dort eine wichtige Rolle. Christus, der Geist, der Glaube und die Gnade sind die vier Hauptthemen, die häufig vorkommen. Sie werden dem Gesetz, den Werken und dem Fleisch gegenübergestellt.
Wie lebe ich im Vertrauen mit Jesus? Indem ich eine Beziehung zu ihm pflege und weiß, dass er es tut. Ich selbst kann es nicht schaffen. Deine Kraft hilft meiner Schwäche, sodass ich so werde wie Jesus.
Außerdem unterstützt mich seine Kraft. Wenn ich gesetzlich denken würde, müsste ich es selbst machen. Aber nein, ich kann auch als Christ nichts aus eigener Kraft tun. Er muss es tun. Er lebt in mir – derjenige, der mich liebt und sich für mich hingegeben hat.
Aus dieser Gnade heraus entsteht das Wachstum. Es ist nicht so, dass ich mich anstrenge und versuche, Christ zu sein, während Gott mir hilft. Oder dass ich mich darum sorge, was andere denken. Nein, ich bin angenommen, und die Meinung anderer macht meine Identität nicht aus. Ich bin ein angenommener Mensch, und mit Christus kann ich im Glauben leben.
Das leuchtet mir ein. Jemand hat das mal mit einem Handschuh verglichen, in den eine Hand hineinkommt. Entscheidend ist die Hand in diesem Handschuh. Trotzdem brauche ich den Handschuh. Aber ich bin nicht der Handschuh, der sich selbst bewegt. Man könnte ihn ja anschreien und sagen: „Jetzt beweg dich mal!“ Wenn ich diese Kraft nicht in mir habe, kann es einfach nicht funktionieren.
Ich denke, manche Christen denken: „Jetzt bin ich doch errettet, ich habe diesen Handschuh an, und jetzt muss ich mich selbst als Handschuh bewegen.“ Das ist aber nicht der Fall. Ich habe zwar Christus in mir, aber Christus muss sich bewegen.
Der Handschuh allein, auch wenn er errettet ist, kann nichts bewirken. In ihm ist Christus der Weinstock, und wir sind die Reben. Das gilt auch für Christen.
Manchmal habe ich den Eindruck: Zum Glauben kommen wir, das glauben wir, aber im Leben heißt es dann: „Jetzt habe ich Christus, jetzt muss ich es selbst machen, weil ich ja alles habe.“ Aber das ist ja Christus! Wie bei dem Handschuh: Es ist immer noch seine Hand. Der Handschuh selbst kann nichts.
Wenn mir dann Dinge gelingen, darf ich sagen: „Herr Jesus, danke, dass du das in mir gewirkt hast.“ Er tut unheimlich viel. Ich bin froh über viele Dinge. Manchmal fliegen einem die Sachen zu.
Natürlich gibt es auch schwierige Zeiten, keine Frage. Manchmal wird man ganz überrascht, dass er wirkt. Das Leben ist kein Ponyhof, es gibt auch viele leidvolle Erfahrungen.
Hat diese veränderte Sicht, diese Freude über das Evangelium, einen Einfluss darauf, wie ich mit negativen Lebensumständen umgehe? Macht das einen Unterschied?
Detlef hat ein Beispiel gebracht, weil er Missionare betreut. Das kann auch aus jedem anderen Bereich sein, aber er wählte ein Beispiel aus seiner Lebenswelt. Oft begegnet ihm das Denken, oder es gibt die Problematik, dass Menschen auf ihn zukommen und sagen: „Warum geschieht mir jetzt dies und jenes Schlimmes? Ich habe doch alles für den Herrn hingegeben.“
Das ist genau dieses Leistungsdenken: „Ich habe Gott gegeben, also bekomme ich etwas zurück.“ Das ist letztendlich Gesetzlichkeit, wenn man es genau betrachtet. Es zählt dann meine Anstrengung, und deshalb muss Gott jetzt handeln. Man muss das ganz brutal runterbrechen.
Vom Evangelium her würde ich sagen: Natürlich sind die Dinge schlecht, und im Psalm haben auch Beter geklagt – das darf man, deshalb stehen solche Klagen ja in den Psalmen. Aber ich weiß, dass Jesus meine Strafe getragen hat. Ich verstehe vielleicht nicht, warum er das tut, aber ich weiß, dass seine Liebe trotzdem bei mir ist – trotz meines Leides.
Das heißt nicht: „Ich habe gegeben, jetzt geht es mir gut.“ Sondern: Er ist mit seiner Liebe trotzdem auch in dem Leid mit dabei, das da ist. Es gibt keinen Automatismus. Ich bin nicht besonders schlecht, weil mir etwas zustößt, und umgekehrt darf mir nicht nichts zustoßen, nur weil ich viel gegeben habe. Das ist kein Evangeliumsdenken.
Das Evangeliumsdenken ist: Ich habe gar nichts verdient. Christus ist trotzdem mit mir. Christus kommt in dieses Leiden hinein, und er ist in diesem Leiden dabei.
Andere würden sagen – die eher liberalere oder nicht religiöse Seite – sie versuchen entweder, Erfüllung im Hier und Jetzt zu suchen oder das, was ihnen widerfährt, stoisch zu ertragen.
Und, wie gesagt, das Evangelium ist: Ich bin ein Sünder, der geliebt wird, und auch in dieser Situation ist Gott dabei. Daraus kommt die Kraft.
Ja, super. Du hast vorhin auch gesagt – beziehungsweise ich habe es in der Anmoderation erwähnt, weil du es mir vorher verraten hast –, dass diese veränderte Sicht auf das Evangelium auch etwas mit meiner Kritikfähigkeit machen kann. Oder wie soll ich sagen: Dass ich diese Kritik nicht immer als Angriff werten muss. Was würdest du dazu sagen? Wie verändert sich meine Annahme von Kritik, wenn ich diese Sicht des Evangeliums verstanden habe?
Nun ja, wenn ich mich so sehe, wie es jetzt beschrieben wurde, dann liegt meine Identität nicht im guten Sprechen oder anderen Dingen. Nein, meine Identität liegt nicht in meiner Leistung, nicht darin, wer ich bin oder wie ich angesehen werde. Stattdessen weiß ich: Ich bin jemand, der ein Sünder ist, der dennoch geliebt wird. Und ich darf auch Fehler machen. Das wird auch vorkommen, aber das definiert mich nicht.
Mich macht aus, dass ich ein Kind Gottes bin, dass er mich liebt und dass er mich errettet hat. Deshalb muss ich Angriffe auf meine Person nicht abwehren, weil ich dann am Boden zerstört bin oder wütend werde – je nachdem, wie berechtigt die Kritik ist oder wie mächtig derjenige ist, der etwas zu mir sagt. Stattdessen bin ich jemand, der trotzdem in Christus geliebt ist.
Dadurch werde ich viel kritikfähiger. Ich muss nichts abwehren. Warum? Was soll der andere mir sagen, was ich nicht selbst schon weiß? Natürlich weiß ich manchmal Dinge nicht. Was ich meine ist: Er kann mir nichts Negativeres sagen, als ich nicht schon weiß. Denn ich weiß ja, dass ich sündig bin, aber ich weiß auch, dass ich von Gott geliebt werde.
Ich will die Dinge richtig machen, aus Dankbarkeit und aus ihm heraus. Aber wenn ich es nicht schaffe, dann definiert mich das nicht als Person. Wenn du aber denkst, du musst dein Christenleben, dein Wachstum alles selbst machen, dann definierst du dich darüber. Dann sagst du: „Oh weh, jetzt bricht alles zusammen, weil der hat einen Punkt gesagt, der stimmt, jetzt ist alles am Ende.“
Nein, ist es nicht. Weil wir Begnadigte sind, ist es eben nicht das Ende.
Ich finde es einen ganz wichtigen Punkt, wie du es auch gesagt hast: Ich bin Kind Gottes.
Ich glaube, es ist zentral, einfach zu wissen, dass man ein geliebtes Kind Gottes sein darf und mit diesem Gott unterwegs sein kann.
Manchmal sage ich, mir geht es nicht anders. Da gibt es Leute, die Kinder von Milliardären sind und sagen: „Das ist mein Vater, super!“ Wenn du dir das vorstellst und sagst: „Gott ist mein Vater“, denkst du: Wow!
Aber wir müssen auch langsam zum Ende des Podcasts kommen.
Wie würdest du das Ganze im Blick auf das Evangelium zusammenfassen? Eine Sache möchte ich noch hinzufügen.
Du hast da zwei Dinge gleichzeitig: Zum einen eine tiefe Demut, weil du den großen Gott erkennst und auch deine eigene Unwürdigkeit. Zum anderen spürst du eine unheimlich sichere Gewissheit in dir, weil Gott dich liebt.
Wenn du auf dich selbst zurückgeworfen bist, gibt es zwei mögliche Reaktionen. Die eine ist Hochmut, wenn du denkst, du seist besser als die anderen. Die andere ist Niedergeschlagenheit, wenn du dir sagst: „Oh je, ich bin ja gar nichts.“ Wenn du aber weißt: „Nein, ich bin geliebt und angenommen“, dann bist du einerseits demütig und andererseits voller Sicherheit. Das ist eine ganz andere Haltung.
Genau das war das Problem bei den Galatern. Sie hatten vieles ausprobiert und wollten nun wieder zum Gesetz zurückkehren. Damals war das Judentum sehr einflussreich, und sie versuchten, alles wieder zu erfüllen. Paulus sagte ihnen: „Lebt in eurer Freiheit! Christus ist für euch gestorben, ihr könnt in ihm leben.“
Das ist das Zentrum. Die eine Seite sieht Sünde und Gnade zu oberflächlich. Sie erkennt weder die Tiefe der Sünde noch die der Gnade richtig.
Wenn du im Evangelium lebst, willst du zu Gottes Ehre leben – aber nicht aus dir selbst heraus. Denn dann ginge es dir auch um deine eigene Ehre. Stattdessen sagst du: „Ich will seine Ehre groß machen, weil er mich liebt und weil er mir durch Gnade im Glauben begegnet.“ Daraus entsteht Dankbarkeit, denn er ist dein Retter. Daraus erwächst Freude am Leben.
Dann zeigt sich die Frucht des Geistes. Der Geist wirkt mit, auch wenn das im Galaterbrief nicht so stark betont wird, eher im Kolosserbrief oder anderen Schriften. Dieser Geist bringt Frucht: Liebe, Frieden und Freude.
Neulich war ich nachts wach wegen einer bestimmten Sache, die wir mal zwischen den Podcasts besprochen hatten – du weißt, was ich meine. Ich fragte mich: „Wo ist jetzt der Friede und die Freude des Geistes? Bin ich wirklich vom Geist geleitet?“ Natürlich war ich noch schlaflos, und das habe ich in Gedanken bemerkt. Aber dann wurde mir klar: Ich denke zu sehr aus mir heraus. Ich muss die Dinge nicht selbst machen oder steuern. Es hängt nicht von mir ab, ob etwas gut oder schlecht wird. Ich darf darauf vertrauen, dass der Geist wirkt und Christus wirkt. Er kann Dinge bewirken, die ich nicht kann. So darf Schritt für Schritt Frieden einkehren. Es ist ein Wachstumsprozess.
So wirkt sich die Auferstehungskraft aus. Man muss sie nur entfesseln, den Löwen loslassen, damit diese Kraft in uns wirkt. Dabei gilt es, der Gefahr zu begegnen, zu denken, man müsse alles selbst können. Denn dann kommen Niedergeschlagenheit, Krampf und Anstrengung. Stattdessen fließt die Kraft aus Christus heraus.
Galater 2,20 ist dafür ganz wichtig: „Ich lebe, doch nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir, der mich geliebt hat und sich selbst für mich hingegeben hat.“ Im Bewusstsein der Gnade lebt Christus in mir.
Deshalb kann man beten und durch das Wort immer mehr von ihm kennenlernen. In der Anbetung kann der Geist wirken, und dann kommen diese Früchte hervor. Man kann sich auch immer wieder prüfen: Bin ich wirklich in der Gnade? Ist diese Frucht da? Aber man soll nicht verzweifeln, sondern sagen: „Gott, ich bekenne es. Du hast recht, ich danke dir. Du bist trotzdem für mich gestorben. Ich habe dadurch mehr als jeder Mensch haben kann. Wirke du jetzt in meinem Leben, damit das Realität wird.“
Das hat Paulus den Galatern gewünscht, die so verwirrt waren, weil Leute von außen kamen und sagten: „Ihr seht das falsch, ihr müsst dies und jenes tun, sonst seid ihr falsch.“ Und Paulus antwortet: „Nein, ihr habt im Evangelium alles. In Christus ist alles. Er ist gestorben, er ist auferstanden, und diese Kraft wirkt in euch. Lebt in ihm!“
Ich finde es schön, einfach so stehen zu können und zu sagen: „Herr, du siehst, ich kann es nicht. Aber danke, dass du es durch mich tun willst.“ Und dann das auch zu erleben.
Ja, das ist eine konkrete Auswirkung der Auferstehungskraft, die vorhanden ist, und auch eine konkrete Auswirkung von Ostern.
Das war es schon wieder mit dem Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet einen Impuls für euren Alltag mitnehmen. Lebt aus der Gnade und nicht aus dem Gesetz oder eurer eigenen Kraft.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gerne unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und ein Leben im Geist, damit die Freiheit, zu der ihr berufen seid, immer deutlicher sichtbar wird.