Mit diesem Bachchoral „Du Friedefürst, Herr Jesu Christ“ hat uns das Ehepaar Günther und Frau Kübler begrüßt. „Drum allein im Namen dein wird zu dem Vater schreien“ – so heißt es in diesem Vers. Im Namen unseres Herrn Jesus, den Gott uns zur Erlösung gemacht hat, wollen wir diesen Gottesdienst feiern.
Ich gratuliere Ihnen, dass Sie das Vorrecht haben, hier eingeladen zu sein. Ich kann das ermessen, denn auch ich bin heute eingeladen und fühle mich bei Ihnen zuhause. Wir freuen uns, dass wir uns nicht nur begegnen können – das ist schon schön – sondern dass Jesus uns selbst mit seinem Wort begegnen will.
Gemeinsames Singen und Gebet zu Beginn
Ich lade Sie ein, gemeinsam das Lied 49 zu singen: "Der Heiland ist geboren", und zwar die ersten vier Strophen.
Manchen erscheint es so, als dürften wir nicht mehr vom Heiland Jesus sprechen. Das heißt, in einer Zeit, in der ein Volk zwölf Jahre lang einem Verführer Heil zugerufen hat, sollten wir es uns zur Pflicht machen, Wiedergutmachung zu leisten. Wir müssen dem Einzigen, dem Heil gebührt, seinen Namen geben – dem Heiland Jesus Christus, der uns geboren ist.
Wir wollen die vier Strophen singen. Dabei wollen wir mit Jesus reden und beten. Ich bitte Sie, dazu aufzustehen.
Herr Jesus, wir danken dir. Wir können es kaum fassen, dass du die Herrlichkeit beim Vater verlassen hast, um in unserer Welt und in unserem Leben Erlösung zu wirken – Heil zu bringen.
Gib uns jetzt, dass wir dich nicht nur äußerlich an uns heranlassen, sondern dass du in uns wirkst. Wir sind darauf angewiesen, dass du auch diesen Gottesdienst dazu benutzt, uns zu dienen.
Nun hören wir still, was jeder von uns dir an Dank und Bitte zu sagen hat. Es ist mir lieb zu wissen, dass der Herr meine Stimme hört. Amen!
Ich bitte Sie, sich zu setzen. Nun hören wir das Adagio aus einer Triosonate von Krebs.
Die Suche nach Urworten und die Bedeutung von Erlösung
Bevor wir einen weiteren Satz hören dürfen, steht nach der Ordnung Ihrer Gemeinde „Schriftlesung“ oder „Lebenszeugnis“. Was ich zu sagen habe, ist weder Schriftlesung noch Lebenszeugnis, sondern eine Erfahrung.
Seit einigen Jahren bin ich auf der Spur nach Urworten, nach Stichworten der Menschheit. Ein solches Urwort ist etwa „Brot“, das überall in allen Kulturen und Nationen vorkommt. Ein anderes Urwort ist „Mutter“. Auch das Reich war ein Urwort: Napoleon ging es ums Reich, den Staufern ebenfalls.
Ein weiteres Urwort, das bei modernen Schriftstellern auftaucht, ist „Erlösung“. Der Nobelpreisträger Isaac Singer schreibt etwa bewegend: „Wann gibt es Erlösung für mich in meiner Selbstliebe? Weder Enttäuschung noch Schläge können mich hindern, mich selbst zu lieben. Erst mit meinem Tod wird die Selbstliebe aufhören.“
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich gewahre mich mal ein bisschen – ich liebe mich arg. Wann werde ich erlöst von der Selbstliebe?
Ein anderer amerikanischer Schriftsteller schreibt: „Warum sprechen eigentlich die Christen nur in schummrigen Kirchen“ – da hat er sich nicht in der Ludwig-Hofager-Kirche gemeint – „nur in schummrigen Kirchen davon, dass es Erlösung im Herrn Jesus gibt? Das müsste hinausgeschrien werden.“
Moderne Schriftsteller, die noch gar keine Christen sind, sehnen sich nach Erlösung.
Die Erwartung der Erlösung in Israel und der Weltgeschichte
Nun wissen wir, dass Erlösung in Israel eine große und eindringliche Erwartung war.
„Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“ (Psalm 130).
„Beim Herrn ist viel Erlösung, und er wird Israel erlösen, wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird. Dann werden wir sein wie Träumende.“ Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen mit Jauchzen. Diese große und gespannte Erwartung besteht in Israel bis heute.
Unser Professor Otto Michel brachte einmal in eine Vorlesung eine Postkarte mit. Darauf stand: „Uns ist ein Kind geboren, wir haben ihn Goel genannt, Erlöser – vielleicht ist er es?“
In Israel wartet man bis heute auf den Erlöser. Deshalb müssen wir Israel sagen, was nicht unser Verdienst ist: Er ist gekommen, er ist da.
Die große Erwartung auf den Erlöser zieht sich quer durch die Weltgeschichte Israels. Auch bei modernen Schriftstellern ist sie bewegend dargestellt.
In der Missionsgeschichte zeigt sich dies ebenfalls. Als die ersten Herrnhuter Missionare nach Grönland gingen, wurden sie von der gelehrten Welt Europas ausgelacht. Wie könne man den Christen glauben und den Inuits das Evangelium bringen? Damals sagte man noch Eskimos zu ihnen. Man hielt sie für näher bei den Robben als bei den Menschen. Robben wurden sogar totgeschlagen.
Die Mission war auch schwierig, denn die Inuits waren Nomaden. Es war schwer, ihre Sprache zu erforschen und zu verstehen.
Die Begegnung mit Erlösung bei den Inuits
Als Matthias Stach eines Tages das Matthäusevangelium in die Sprache der Inuits zu übertragen versuchte, blieb einer stehen. Wir wissen seinen Namen: Kajarnak. Die Geschichte ist so bewegend, dass sogar Theodor Fontane sie übernommen hat, Wort für Wort von Doktor Christian Gottlob Barth, in seinem Roman „Vor dem Sturm“.
Als dieser Kajarnak stehen geblieben war, fragte Matthias Stach: „Was machst du da?“ Kajarnak antwortete: „Ich schreibe von Jesus.“ Daraufhin fragte Matthias: „Ja, was ist da von dem Jesus?“ Kajarnak erwiderte: „Er ist in unsere Welt gekommen und hat für uns gelitten.“ Matthias fragte weiter: „Ja, warum hat er das gemacht?“
Da antwortete Matthias Stach, typisch herrnhutig: „Um uns zu erlösen.“ Wenn wir damals dabei gewesen wären, hätten wir vielleicht gedacht: „Ich kann den Eskimo überhaupt nicht verstehen. Erlösung? Die Eskimos haben kaum eine religiöse Vorstellung von einem höchsten Wesen.“
Doch Kajarnak blieb wie elektrisiert stehen und sagte: „Sag mir das noch einmal, dass es Erlösung gibt. Ich will mehr von dieser Erlösung hören.“
Selbst bei Menschen, die wir als die Wilden, die Ungebildeten bezeichnet haben, gibt es ein Sehnen nach Erlösung. Deshalb ist dieses Kernwort so wichtig: „Gott hat uns Jesus Christus gemacht zur Erlösung“ (1. Korinther 1,30).
Aber jetzt dürfen wir den nächsten Satz hören. Vielen Dank!
Das Kommen des Erlösers in der Weltgeschichte
Die Völker haben dein Gehart, bis die Zeit erfüllt war. Da sandte Gott von seinem Thron das Heil der Welt, dich, seinen Sohn.
Wir singen vom Lied 42: "Dies ist der Tag, den Gott gemacht." Die ersten vier oder fünf Strophen, was ist angesagt? Wir singen, solange die Orgel spielt.
Liebe Gemeinde, an Anschaulichkeit ist der Bericht von Lukas über die Geburt Jesu kaum zu überbieten. Auch an dichterischer Kraft, wie sie Martin Luther geschenkt wurde, bis hinein in die Vokale. Ihr werdet finden: Das Kind ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Krippe. Wunderbar! Das tiefe Adar machte sich auf, auch Joseph aus Nazareth.
Das jüdische Land darum, dass er aus dem Haus... Lesen Sie mal selber. Kein Wunder, dass uns die Geschichte so lieb ist.
An Präzision ist die Geburtsgeschichte, die Jesus selbst vor Pilatus gesagt hat, nicht zu überbieten: "Dazu bin ich geboren, dazu bin ich in die Welt gekommen, damit Wahrheit laut wird, dass Wahrheit bezeugt wird."
Und an geistlicher Tiefe, damit wir nicht bloß am weihnachtlichen Lametta hängenbleiben – Klingklöckchen, Klingelingeling – oder sagen: "Wir tun den Menschen so leid, die merken, Weihnachten ist doch etwas ganz anderes, ein Christfest, als was wir machen."
Damit wir nicht an Oberflächlichkeiten hängenbleiben, sagt uns Paulus auf seine Weise, was Jesu Geburt bedeutet hat, in Galater 4,4: "Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen."
Also: Als die Zeit erfüllt war – das war noch etwas anderes, als wenn am 31. Dezember die letzten Schläge der Turmuhren zeigen, jetzt ist ein Jahrtausend vorbei oder auch die erste Milliarde, man weiß es nicht so genau. Aber ein neuer Kalenderzettel kommt dran, nicht mit großem Lärm, mehr auch nicht.
Erfüllte Zeit, Höhepunkt der Gottesgeschichte und Weltgeschichte war, als Gott gesagt hat: Jetzt braucht die Welt einen Erlöser, jetzt soll der Angekündigte kommen. Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau – wie jeder von uns und doch total anders als jeder von uns.
Wir sind erlösungsbedürftig, er der Erlöser. Aber damit wir wissen, dass wir die Adressaten sind, wurde er geboren wie wir – von einer Frau geboren, Mutter gehabt – und unter das Gesetz getan.
Er hat all das durchgemacht, was wir kennen: die ganzen Gesetzmäßigkeiten. Hast du etwas, so bist du etwas. Der Tod ist nicht umsonst, jeder, der lebt, muss sterben. Tod ist sicher. Jeder ist so viel wert, wie er sich gefallen lässt. Wer alt ist, hat eigentlich das Leben gelebt, ist vorbei, braucht man nicht mehr. All die Gesetzmäßigkeiten.
Dazu all die anderen, von der Steuerschätzung des Augustus bis hin zu unserer Straßenverkehrsordnung – unter das Gesetz getan, aber noch mehr: unter das Gesetz Gottes.
"Du sollst Gott lieben, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen deinen Kräften." Das hat er fertiggebracht, was uns so schwer gelingt: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."
Noch unter dem Kreuz haben ihm seine Feinde, seine Kritiker bescheinigt, dass er den anderen geholfen hat.
Ich möchte gar nicht wissen, was meine Kritiker mir einmal bescheinigen. Da kommt einiges zusammen, jedenfalls nicht das als Quintessenz meines Lebens, dass ich anderen geholfen habe.
Weil Jesus so war – das ist eben das Entscheidende in seinem Leben. Er hat sich unter das ganze Gesetz Gottes gebeugt, gegeben.
Die Bedeutung von Jesu Kommen und Erlösung
Jetzt, wozu? Jesus hat vor Pilatus gesagt: „Ich bin dazu in die Welt gekommen, dass Wahrheit laut wird.“ Oder er hat einmal gesagt: „Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit es bei den Menschen nicht dunkel bleiben muss.“
Er sagte: „Ich bin in die Welt gekommen, damit die Menschen leben und volle Genüge haben sollen.“ Da kann es noch schöner kaum gesagt werden.
Jetzt möchte ich es noch einmal mit meinen Worten versuchen, auch wenn ich weiß, dass es nicht gelingen wird. Denn was kein Auge gesehen hat, kein Ohr gehört hat und was in keinem Menschen Sinn gekommen ist – wie kann ich das ausdrücken?
Aber jetzt sage ich es noch einmal: Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, unter das Gesetz getan, damit er die erlösen konnte, die unter dem Gesetz sind, damit sie die Kindschaft empfangen.
Erlösung – Jesus konnte erlösen von all dem, was Menschen bedrängt. Den Zachäus von seiner Geldgier, von seiner Raffgier hat Jesus erlöst. Die Tochter des Jairus vom Sterben musste er erlösen, er hat sie aus dem Tod geholt und hat noch dazu gesagt: „Wer an mich glaubt, wer mit mir verbunden ist, der kann gar nicht mehr richtig sterben, der ist mit mir dem Leben verbunden. Er wird leben, auch wenn er stirbt.“
Erlösung von unserem Todesschicksal, wir, die wir im ganzen Leben aus Furcht vor dem Tod Sklaven sein müssen. Wir denken an alles gern im Leben – an Vorstellungen, was kommt, von Urlaub bis hin zu großen Festivitäten. Denken Sie manchmal auch daran, wie Ihre Beerdigung aussehen könnte? Das verbiete ich mir.
Aus Furcht vor dem Tod sind wir Sklaven. Da kann uns Jesus davon erlösen, von dieser Furcht des Todes.
Aber Paulus gräbt noch einmal tiefer: Er erlöste die, die in der Gefangenschaft sind, in der Sklaverei der Gesetze, des Gesetzes, damit wir die Kindschaft empfangen.
Die Herausforderung der Kindschaft und das Ringen des Paulus
Herr Paulus, entschuldigen Sie, gehen Sie doch einmal zum Landesrabbiner. Der würde erklären, dass Israel die Kindschaft hat und Jesus nicht braucht. Paulus, das habe ich schon in jungen Jahren durchdacht. Das ist nichts Neues, was wir im jüdisch-christlichen Dialog darüber diskutieren. Das schreibe ich ja schon im Römerbrief: Israel gehört die Kindschaft. Aber was ist daraus geworden?
Wir sind doch Kinder des Zorns geworden, nicht nur ihr Heiden, sondern auch wir Juden. Gott sagt über sein Volk: „Ich strecke meine Hände aus den ganzen Tag nach einem Volk, das von mir nichts wissen will.“ Wir müssen die Kindschaft erst wieder ganz neu empfangen. Sie ist eine Verheißung über Israel, aber wir müssen sie gemeinsam mit euch, die ihr nicht zu Israel gehört, empfangen, in die Hand nehmen und in den Griff bekommen.
Herr Paulus, wie meinen Sie das? Mich hat das so bewegt, dass ich bis zu einer Weihnachtsfeier eingeladen wurde. Manchmal werde ich in der Vorweihnachtszeit eingeladen, wenn die Herren Direktoren in ihren Betrieben sich selbst verbieten, eine weihnachtliche Ansprache zu halten. Dann holt man auch noch Pfarrer. Schön durfte einer schon bei Helmut Thielicke Entwürfe machen, was man als Christ bei einer Betriebsweihnachtsfeier sagen kann. Aber diesmal war ich mir bei der Geschichte, die ich erzählte, etwas unsicher. Soll ich da nicht doch bloß von Frieden reden, von Frieden auf Erden?
Da dachte ich: Nein, dazu ist Jesus gar nicht gekommen, sondern als der große Erlöser. Also habe ich von Jesus gesprochen. Danach kam vom Direktor des Instituts, in dem ich war, ein Brief: „Ich möchte doch ein vollkommener Mensch sein. Gibt es Erlösung für mich, damit ich heilig werde, nichts mehr falsch mache, kein Zorn mehr kommt, damit ich vollkommen bin für Gott? Ich kann doch eigentlich nur in die Ewigkeit kommen, wenn ich ein vollkommener Mensch bin.“ So denkt man in allen Religionen, so denken ehrliche Menschen.
Und der tiefe Stachel im Leben eines Christen ist: Ich möchte durch Jesus dazugehören, ich möchte mit dem lebendigen Gott rechnen. Und jetzt ist wieder die Ungeduld gekommen, jetzt ist wieder der Familienfrieden weg. Jetzt hänge ich schon wieder an diesem Hundertmarkschein, den ich für die Versicherung überweisen muss.
Ich habe gedacht, sie kommen mit einem guten Hab und einem schönen Guthaben ins neue Jahr. Jetzt kommen all die Versicherungen. Erst jetzt merke ich, wie ich an meinem Geld hänge. Lieber Gott, ich möchte doch dir gehören, nicht den Kleinlichkeiten des Lebens.
Das Ringen mit dem Gesetz und die Hoffnung auf Erlösung
Paulus sagt: „Das ist die Urknechtschaft, die kenne ich.“ Als Christ schreibt Paulus: „Wollen habe ich wohl das Gute, aber vollbringen finde ich nicht.“ Theologen diskutieren oft darüber, ob dieser Satz von Paulus vor seiner Bekehrung in Damaskus stammt. Doch nein, auch als Christ erfährt er immer wieder, dass Dinge passieren, die er gar nicht will.
Als jemand, der zu Jesus gehören will, tut er das Gute, das er will, nicht. Und das Böse, das er nicht will, das tut er. Wer wird ihn da erlösen? Hier kommt wieder das Stichwort „Erlösung“ ins Spiel – von diesem Leben, von diesem Leib, Gott sei Dank! Jesus.
Dieses Ringen hat schon Israel umgetrieben. Ich weiß nicht, ob in Ihrer Adventszeit über den großen Text aus Jesaja 63 gepredigt wurde: „Du bist doch unser Erlöser, lieber Gott! Warum lässt du uns abirren von deinen Geboten?“ Wir wollen doch deine Gebote halten, wir wollen heilig sein, unser Leben soll geordnet sein. Und doch leben wir Panne um Panne, und dann geht es wieder daneben.
Vor Gott können wir dann nicht bestehen. Jesaja hatte Recht, wenn er sagt: „Wem mir ich vergehe, mit meinem unreinen Lippen, was ich geschwätzt habe, und ich wohne in einem Volk unreiner Lippen.“ Dann hilft es doch nichts, wenn wir zu deinen Kindern berufen sind, wenn wir nicht mehr vor dich treten können.
Bei Hiob heißt es, dass der Bildner von Schuach sagt, Gott lasse die Hand des Gottlosen los. Er lasse ihn fallen. Lieber Gott, lässt du uns auch fallen? Ist es Ihnen nie die Angst gekommen, trotz Ihres schönen Gottesdienstes, dass er die Christenheit in Württemberg fallen gelassen hat, die Kirche in Deutschland fallen gelassen hat?
Vielleicht ist es Ihnen noch nie die Angst gekommen, dass Gott die Christenheit in Württemberg und die Kirche in Deutschland fallen gelassen hat. Es gibt viel Gutes in meinem Leben, aber vielleicht hat Gott sich längst zurückgezogen.
Die ausgestreckte Hand Jesu als Erlöser
Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, unter das Gesetz, damit er die erlöse, die unter dem Gesetz standen, damit sie die Kindschaft empfingen.
Von Jesus hört man nur, dass er die Hand ausgestreckt hat – der Erlöser ist gekommen, um zu erlösen. Da ist Petrus, der sagt: „Herr, wir passen nicht zusammen, ich bin ein sündiger Mensch.“ Doch Jesus antwortet: „Komm, komm zu mir, ich bin der Erlöser.“ Selbst im letzten Lebensaugenblick streckt er dem Verbrecher, der neben ihm gekreuzigt ist, die Hand entgegen. Wir empfangen, was unsere Taten wert sind, aber der Verbrecher hat nichts Böses getan. Jesus sagt zu ihm: „Komm mit mir in die Welt Gottes!“ Noch die gekreuzigte Hand ausgestreckt, ein Ruf: „Komm!“
Die große Sünderin in Samarien, in der Stadt Sychar, über die die Menschen gesprochen haben, wird plötzlich erlöst. Sie bekommt etwas zu sagen, denn da ist der Prophet, da ist der Messias. Es sind nicht nur Pannen im Leben, sondern plötzlich wird eine Botschaft auf die Lippen gelegt. Jesus kann erlösen, weil er die Hand ausstreckt – nicht nur nach Vollkommenen, nicht nur nach Reinen, nicht nur nach Leuten, die frei sind vom Zorn, von Gier oder von Kleinglauben. Er ruft: „Komm, komm!“
Wie viel Freude hat er dem Zöllner im Tempel gemacht, der sagte: „Herr, sei mir Sünder gnädig!“ Da antwortete Jesus: „Genau das ist es.“
Jetzt möchte ich wissen: Nach wem streckt Jesus bei Ihnen nicht die Hand aus? Ich weiß nicht, was die Schwachstellen in Ihrem Leben sind – bei uns sind sie unterschiedlich. Vielleicht kommen Sie von der Traurigkeit nicht los, haben Angst, wie Sie Ihr Alter meistern werden, oder wie Sie als alter Mensch die letzte Wegstrecke bewältigen. Ob Ihr Glaube dann durchhält? Jesus sagt: „Komm, ich bin doch dabei.“
Der Erlöser streckt die Hand aus zu den Erlösungsbedürftigen. Der Sohn Gottes, der Erlöser, ruft uns zu: „Kommt, ihr sollt meine Brüder und Schwestern sein. Mit euch will ich vor Gott treten.“ Mehr noch: Für euch tritt er vor Gott ein. Paulus schreibt im Römerbrief Kapitel 8, dass Jesus vor dem Vater für uns eintritt – für Menschen, an denen viel Verdammenswertes ist, viele Fehler.
Und die anderen sagen: „Soll das ein Christ sein, was ich von seinem Leben weiß?“ Ja, Christus ist hier. Er ist vor dem Vater und tritt für uns ein.
Verstehen Sie, warum Paulus Erlösung gefasst hat? Nicht nur Erlösung von Angst, nicht nur Erlösung von Halbheiten im Leben, sondern damit wir Kinder Gottes werden können.
Die Einladung zum Vertrauen auf Jesus
Und jetzt schauen Sie nicht darauf, nach dem geheimen Thermometer Ihres Lebens, ob Sie an Güte wachsen, an Glauben oder an Zuversicht. Sondern: Wer auf ihn sieht, der wird erquickt.
Dazu kommen wir zu den Gottesdiensten zusammen. Außerdem brauchen wir unsere stille Zeit zu Hause, immer wieder mit dem Gedanken: Jesus, du bist doch da.
Das ganze Evangelium ist voll davon, wie Jesus seine Hand ausstreckt. Jetzt dürfte er sagen: Jesus ist mit dir jeden Morgen in die Tage hinein. Dann sind wir nicht bloß beim Erlöser, sondern mit ihm – dem Würdigen, der vor dem Vater steht.
Und das ganze Wohlgefallen Gottes, von dem wir im Evangelium hören – „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“ – gilt dann auch uns.
So bringst du das mit. Ich freue mich sehr, dass du das mitbringst, dass diese Gesinnung zu dir gehört, auf dass wir die Kindschaft empfangen.
Die Erfahrung von Gottes Liebe und Erlösung im Leben
Es gab den Liederdichter August Dietrich Rische. Hier in der Hofhager Gemeinde werden ja Liederdichter erforscht, Winrich aus der Rische wurde auch schon einmal untersucht. Er hat das Lied gedichtet: „Gott ist die Liebe, bis es weitergeht, lässt nicht erlöst.“
Rische lebte im letzten Jahrhundert und ist 1910 gestorben. Er gehört also noch zu unserem zu Ende gehenden Jahrhundert. Ich hatte immer gedacht, er sei aus dem 17. Jahrhundert, aber das ist nicht so. Er lebte Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Es war ein sehr vitaler, geistreicher junger Mann, überzeugt von sich selbst und davon, dass Gott Menschen liebt. Er war sicher, dass Gott auch ihn liebte.
Dann kam er zu Professor Toluk nach Halle. Dieser sagte zu ihm den Satz: „Keiner hat je Gott erkannt, bevor er nicht in die Abgründe seines eigenen Herzens geschaut hat.“ Dieser Satz hat Rische nicht losgelassen. Die Abgründe seines Lebens wurden ihm bewusst, und dann hat Gott sie ihm aufgedeckt. So wurde ihm das große Geheimnis klar: Gott ist die Liebe und lässt mich erlösen.
Der Erlöser schämt sich nicht an den Abgründen meines Herzens, an meinem Zweifel oder an den Fehlern meines Lebens. Er ist wie ein guter Arzt, der sich freut, dass er als Arzt kommen kann – der Erlöser. Die ganze Liebe Gottes zeigt sich darin: Er sandte Jesum, den treuen Heiland. Er sandte Jesum und macht mich los.
Darum sage ich es noch einmal: Gott ist die Liebe, der mich erlösen lässt. Und Paulus sagt, dass dies geschieht, damit wir Kinder Gottes werden.
Die Bedeutung des göttlichen Adels und der persönliche Glaube
Bei meinen kleinen historischen Forschungen arbeite ich gerade an einer Reihe für den Evangeliumsrundfunk. Ich muss ein bisschen mit den Tonbändern nachziehen. Wenn mein Bruder schon so viel produziert, muss ich auch etwas vorweisen, sonst gerate ich als älterer Bruder schnell ins Hintertreffen.
Wir machen gerade eine Reihe mit dem Titel „Blaues Blut – von Gott geadelt“. Es gibt ja unheimlich viele Erfinder der Evangelisation in Deutschland. Das CV beispielsweise wurde von Friedrich von Schlümbach und der Herzogin Henriette von Württemberg geprägt.
Ich bin darauf gestoßen, wie viele Menschen erst im Laufe ihres Lebens einen Adelstitel erhalten haben. Besonders in Österreich wurde mit Adelstiteln geradezu um sich geworfen. Wenn jemand ein geschickter Apotheker war, wurde er zum „Pond“. In Württemberg war man sparsamer, wie auch mit allem anderen.
Doch wehe, die Leute wuchsen um zehn Zentimeter, wenn sie selbst vom österreichischen Kaiser geadelt wurden. Das waren sie natürlich nicht wirklich, aber sie konnten es sich aufschreiben lassen.
Ein noch viel größerer Adel ist mir klar geworden, selbst bei diesen Blaublütigen: Wenn Gott in ein Leben eingreift und sagt: „Du gehörst mir.“ Meistens geschah dies bei all diesen Menschen durch ein Zerbrechen im Innersten.
Ein Beispiel ist Fritz von Schlümbach, der Erfinder der Evangelisation in Deutschland. Er war ein verkrachter württembergischer Offizier. Wie eine Generalsfrau in Amerika, Frau Albright, einmal fragte: „Haben Sie auch eine Mutter? Erzählen Sie mir von Ihrer Mutter.“ Zunächst sagte er: „Glauben Sie an Jesus? Sie will Ihnen von Jesus erzählen.“
Da flossen Fritz von Schlümbach, diesem hart gedienten Offizier und Verbündeten von Richmond, die Tränen aus den Augen. Er dachte: „Meine Mutter betet täglich für mich, sie steht im Glauben, eigentlich sollte ich so sein.“ Das war für ihn der Weg zurück zum Glauben.
Der Erlöser streckt auch seine Hand nach mir aus. Von da an konnte er in Deutschland von diesem Erlöser sprechen, der uns mitnimmt zum Vater. Ein Adel, den wir vor Gott haben, mit Jesus zum Vater.
Als die Zeit erfüllt war, sagte Gott: „Jetzt sende ich meinen Sohn, der von einer Frau geboren wird, damit wir wissen, dass wir gemeint sind. Er wurde unter das Gesetz getan, damit er die erlöst, die unter dem Gesetz stöhnen und seufzen, und damit wir Kinder Gottes werden.“ Amen.
Abschlussgebet und Lobpreis
Und uns zu Lichtes Kindern macht, zu Gottes Kindern müsste man sagen. Vom Lied 23 singen wir die Strophen „Gelobet seist du, Jesu Christ“, die Strophe vier und dann die beiden letzten Strophen.
Ich darf Sie bitten, dass Sie sich erheben. Heiliger, ewiger Gott, du hast alles daran gesetzt, dass wir deine Kinder werden sollen. Du hast so viel aufgeboten, damit wir zu dir zurückfinden. Jetzt müssen wir nicht ängstlich darauf sehen, ob alles in unserem Leben in Ordnung ist. Du wirst alles in Ordnung bringen bis in die Ewigkeit.
Wir dürfen jetzt nur darauf schauen, dass Jesus der Erlöser ist, dem keiner von uns zu wenig ist, kein einziges von uns. Ja, du selbst leidest mit unseren Schwachheiten mit und willst uns helfen, damit wir nicht in die Gottferne geraten, sondern gerade deshalb wieder zu dir finden, dem ewigen Gott, dem Erlöser und Erbarmer.
Lass das mit uns hineingehen in die kommenden Tage, damit wir in der Christenheit nicht bloß von allen möglichen Dingen sprechen, von all den Klischees, vom Kind in der Krippe. Du bist der Herr, du bist der starke Held, der es fertigbringt, uns an die Hand zu nehmen und an der Hand zu halten. Sondern lass uns das aus unserem Leben bezeugen können, wie du uns geadelt hast.
Wir, die wir gar kein Recht darauf haben und keine Chance dafür, sind angenommen durch dich. Du bringst uns vor dem Vater in Erinnerung, dass all unser Beten erst ein Nachklappen ist hinter dem, dass du unsere Namen nennst vor dem Vater.
Schenk es deiner Christenheit, dass sie noch einmal ganz lebendig, taufrisch und einladend von dir redet und gespannt darauf wartet, was du in den kurzen Tagen unseres Lebens erst noch tun wirst. Amen!
Vaterunser und gemeinsames Singen
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Wir wollen uns noch einmal setzen und vom Lied 34 singen: „Freut euch, ihr Christen alle“, die Strophen drei und vier.
Jesu, wie sie dir danken, und Jesus, nimm dich deiner Glieder ferner auch in Gnaden an.
Dann singen wir das Halleluja, mit dem euch das Lied beginnt oder auch endet.
Gedanken zum Leben und zur Zugehörigkeit
Während des Krieges waren hier auf der Schwäbischen Alb evakuierte Fremdlinge am Ort. Wenn man abends zum Milchhäusle kam, war die Frage: Wem keierst du? Für Nichtschwaben hieß das: Wem gehörst du?
Da muss man sagen: Ja, Adolf Schäffu und seine Frau Maria, weil er die Eltern hat, sagte das. Bei unserem Leben ist ja oft die Frage: Wem gehöre ich?
Wenn ich vor dem Spiegel stehe, denke ich, ich komme immer mehr auf meinen Großvater heraus. Und da habe ich oft über ihn gelacht. Es sind so die Gene in meinem Leben drin. Gehöre ich ihnen? Gehöre ich den alt werdenden Zellen? Gehöre ich dem, was in meinem Leben versäumt ist?
Nein, sie gehören mit all ihrem Erbarmen und Erlösungsbedürftigen dem Erlöser, der sagt: Niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen.
Nehmen Sie es mit: Der Barmer nimmt mich vor Gott. Ich gehöre dem ewigen Gott.
Dank für Opfer und Mission
Das Opfer wird in diesen Weihnachtstagen erbeten. Wir danken herzlich für alle großen Opfer, insbesondere für die Missionare, die aus der Ludwig-Hofager-Gemeinde in aller Welt tätig sind – von Manila bis zur Elfenbeinküste, von Belgien über Kenia und Pakistan bis nach Japan.
Wenn wir heute unsere Opfer einlegen, sind diese für die Missionare aus der Gemeinde hier in der Wikowager Gemeinde bestimmt.
Vor 14 Tagen war ich bei einem Adventsgottesdienst in Blaufelden. Dort ist jemand auf mich zugekommen und hat gefragt: „Kennen Sie mich noch?“ Ich musste kurz überlegen und erkannte die Person dann. Sie sagte: „Helfen Sie mir.“ Es handelte sich um eine Helferin, die 1989 im Boat-People-Lager bei Manila war. Dort arbeitete sie für christliche Fachkräfte in diesem Hunger- und Notlager. Heute ist sie verheiratet und eine tragende Säule des Reiches Gottes im hochländischen Gebiet. Dieser Dienst hat sie geprägt und gestählt.
Zinzendorf hat einmal gesagt: „Ich zittere, wenn ich daran denke, dass Gott das Evangelium ganz von Europa nehmen könnte und dann die Stunde Amerikas, Asiens und Afrikas kommen könnte, um uns das Evangelium neu zu bringen.“ Bei dieser jungen Frau wird deutlich, wie sie im Glauben durch diesen Dienst gefestigt wurde.
Sie ist heute ein Segen im schwäbischen Galiläa, wie wir das württembergische Gebiet manchmal nennen, denn dort oben gab es nicht viel Erweckung. Sie ist eine Segensträgerin Gottes.
Herzlichen Dank im Voraus für Ihre Opfer!
Segen zum Abschluss
Lassen wir uns zum Segen erheben: Der Herr segne euch und behüte euch. Der Herr lasse sein Angesicht über euch leuchten und sei euch gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden.