
Über diesem Sonntag steht ein ganz gewaltiges Wort aus dem Propheten Jesaja, Kapitel 60, Vers 2: „Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint auf dir.“
Dieses Wort ist sozusagen der Schlusspunkt der Weihnachtszeit. Ich weiß gar nicht, ob ihr das wisst, aber mit diesem letzten Sonntag nach Epiphanias endet im Kirchenjahr offiziell die Weihnachtszeit. Uns wird hier noch einmal eindrücklich vor Augen geführt, dass mit dem Weihnachtsfest unser Herr Jesus Christus in diese Welt gekommen ist. Das ist das Evangelium, das schon gleich am Anfang dieses Gottesdienstes für jeden Einzelnen von uns gilt: „Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint auf dir.“
Ich liebe diese Epiphanias-Zeit. Ich weiß gar nicht, ob ihr sie bewusst erlebt. Es gibt so wunderbare Lieder, die mich seit meiner Kindheit begleiten. In meinem alten Gesangbuch, das ich zur Konfirmation geschenkt bekommen habe, ist das das Lied Nummer 50. Es geht um Jesus, der in diese Welt gekommen ist.
Jesus ist gekommen, und hier vorne sehen wir eine wunderbare Darstellung dessen, was viele Menschen in der Welt erleben, die gebunden sind. Jesus ist gekommen, nun springen die Bande. Er, der Durchbrecher, macht alle rechtfrei. Das ist die Hoffnung, die wir durch das Evangelium haben.
Heute ist auch der Bibelsonntag. Das freut mich ganz besonders, weil er unseren Fokus noch einmal auf die Bibel richtet. Ich werde nie vergessen, wie wir hier zu Gast Maggie Gobran hatten und wie sie uns so eindrücklich ermutigt hat: nur 15 Minuten jeden Tag die Bibel lesen – das wird euer Leben verändern.
Lasst uns in unserer Gemeinde für einen neuen Hunger nach dem Wort Gottes, nach der Bibel, beten. Lasst uns auch für unser Land beten, dass Gott noch einmal diesen Hunger nach seinem Wort schenkt.
Und wenn du einer von denen warst, die damals gesagt haben: „Ja, ich will da mitmachen“, dann geht es dir vielleicht so, wie es mir zwischendurch ging. Der Alltag ist wiedergekommen, der Entschluss wurde schwächer, und du hast das aus dem Blick verloren.
Dann nimm doch heute, an diesem Sonntag, an diesem Bibelsonntag, einen neuen Anstoß und sag: „Ja, ich will mit dieser Bibel, mit dieser Schrift leben.“
Das Thema des heutigen Gottesdienstes am Morgen ist Licht. Das Licht am Ende des Tunnels.
Dabei habe ich gedacht: Es reicht uns nicht, wenn wir nur auf das Licht am Ende des Tunnels warten. Denn vielleicht kommen wir dabei gar nicht bis ans Ende, sondern bleiben irgendwo auf dem Weg durch den Tunnel stecken.
Ich habe gebetet: Herr, gibt es ein Wort, etwas, das uns schon jetzt unterwegs Mut machen kann? Ja, es gibt Licht – nicht erst am Ende des Tunnels, sondern natürlich auch dort.
Der Tunnel unseres Lebens ist manchmal sehr schwierig, und wir brauchen dieses Licht.
Epiphanias, das Fest, an dessen letzten Sonntag wir heute stehen, ist das Lichtfest. Es ist das Fest der Erscheinung unseres Herrn, das Licht, das aus der Höhe kommt und in dein und mein Leben hineinkommt. Um dieses Licht geht es.
Das war auch das, was uns Jesaja noch einmal so zugerufen hat: Über dir geht auf der Herr, das anbrechende Gottesreich.
Als ich Student in England war, haben uns unsere Professoren zwei Begriffe vor Augen gestellt, die im Englischen sehr griffig sind: "yet and not yet" – "schon, aber noch nicht ganz".
Das ist das Geheimnis des Reiches Gottes. Es hat schon begonnen, und doch beten wir immer wieder: Herr, dein Reich komme. Da steht also noch etwas aus.
Und genau das ist es, worüber wir jetzt weiter nachdenken müssen.
Unser heutiger Text steht im Zweiten Korintherbrief. Korinth war eine Stadt, die auch heute eine moderne Großstadt hätte sein können. Es war eine Hafenstadt, vielleicht vergleichbar mit Hamburg, mit allem, was dazugehört: Geschäft, Wohlstand, aber auch Probleme.
Korinth war sogar eine doppelte Hafenstadt. An dieser Landenge wurden die Boote mit Holzrollen über den Isthmus von Korinth auf die andere Seite gebracht. So gab es in der Stadt quasi zwei Häfen. Es war eine moderne, reiche und wohlhabende Stadt.
In dieser Stadt gab es eine lebendige und tolle Gemeinde. Doch Paulus hatte Sorgen, wenn er an diese Gemeinde dachte. Seine Sorge war, ob diese Gemeinde eine Hoffnung hat, die wirklich trägt.
Mit „wirklich tragen“ meint Paulus, ob die Hoffnung auch in dunklen Tälern standhält. Ob sie sich im dunklen Tunnel bewährt und verlässlich ist – eine Hoffnung gegen den Augenschein.
Darum geht es Paulus im Zweiten Korintherbrief. Dieser Brief ist sehr persönlich. Es lohnt sich, ihn einmal zu lesen.
Unser Abschnitt steht in Kapitel 4, aber die Kapitel 3, 4 und 5 bilden eine Einheit im Korintherbrief. In Kapitel 3 spricht Paulus von der Herrlichkeit des Evangeliums. Ich habe das extra gezählt: Elfmal verwendet er das Wort „Herrlichkeit“, wenn er das Evangelium beschreibt – die Herrlichkeit des Evangeliums.
Dann kommt Kapitel 4. Das ist wie eine Ernüchterung. Hier geht es um die Nachfolge im Schatten des Kreuzes und um die Leidensgemeinschaft mit Jesus Christus.
Danach folgt Kapitel 5, in dem Paulus die Hoffnung auf die Ewigkeit beschreibt. Man könnte fast sagen – wie man in meiner Heimat Ostfriesland sagt: „Selig sind die, die Daheimweh haben, denn sie werden nach Hause kommen.“
Das ist eine Verheißung, die wir als Christen haben. Hast du Sehnsucht nach der ewigen Heimat? Paulus beschreibt das in 2. Korinther 5, aber unser Text steht in Kapitel 4 – die Nachfolge im Schatten des Kreuzes.
Paulus sieht sich als einen Boten des Lichts, der das Licht des Evangeliums in die Finsternis dieser Welt hineinträgt. Das hören wir auch bei Jesaja: „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkelheit die Völker.“ Manche hier heute Morgen unter uns sind vielleicht auch in der Dunkelheit von Sorgen und Problemen gefangen.
Doch Paulus weiß auch: „Über dir geht auf der Herr.“ Er lädt uns ein, in diese Leidensgemeinschaft mit Jesus hineinzukommen. Jesus hat Gemeinschaft mit uns, und wir haben Gemeinschaft mit ihm. Diese Gemeinschaft steht unter einer großen Verheißung.
Wir haben einen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft Gottes wirke und nicht wir selbst. Hier sehen wir so ein irdenes Gefäß, ein zerbrechliches Gefäß, dargestellt. Das führt manchmal zu Missverständnissen. Wenn wir an diese Paulusworte denken, stellen wir uns oft kleine Öllämmchen oder Ähnliches vor. Für uns sind das schicke Dinge, die wir irgendwo auf das Fensterbrett oder ins Regal stellen und bewundern, wie schön sie getöpfert sind.
Damals war das eigentlich nichts weiter als eine einfache Umverpackung. Es war eine Art Tüte. Wir haben diesen Schatz also in solchen „Tüten“. Die Tüten selbst sind nichts Besonderes. Wer noch eine braucht, ich habe gleich ein paar mitgebracht. Natürlich gab es damals keine Plastiktüten, aber es gab einfache Gefäße, die man für ein paar Cent kaufen konnte – so wie wir heute für eine umweltbewusste Plastiktüte bezahlen.
Paulus sagt jedoch: Es geht nie um die Tüte. Es geht nicht um dich oder mich, sondern um den Schatz, der in uns hineingelegt ist. Dieser Schatz, so sagt Paulus, ist das Wort Gottes. Das Wort Gottes ist der Schatz, der unser Leben reich macht.
Der Schatz ist nicht nur das Wort Gottes, sondern: Wer ist das Wort Gottes? Jesus Christus ist das Wort Gottes. Der Schatz ist Jesus Christus selbst in uns. Das ist es, was Paulus wichtig ist.
Nun lese ich uns unseren Abschnitt vor. Ich greife dabei auch die Verse drumherum auf, damit uns das noch einmal klar wird.
„Nun aber schauen wir mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel, und wir werden verwandelt, umgestaltet, verklärt in sein Bild – von einer Herrlichkeit zur andern, von dem Herrn, der der Geist ist. Darum – weil wir dieses Amt haben.“
Paulus spricht hier von seiner Berufung. Aber jeder, der in der Gemeinde Amt und Auftrag hat und auch dort, wo Jesus dich im Alltag hingestellt hat, für den gilt das ebenfalls.
„Darum, weil wir dieses Amt haben nach der Barmherzigkeit, die uns widerfahren ist, werden wir nicht müde. Sondern wir meiden schändliche Heimlichkeit und gehen nicht mit List um. Wir fälschen auch nicht Gottes Wort, sondern durch Offenbarung der Wahrheit empfehlen wir uns dem Gewissen aller Menschen vor Gott.“
Ist nun aber das Evangelium verdeckt, so ist es denen verdeckt, die verloren werden, den Ungläubigen. Ihnen hat der Gott dieser Welt den Sinn verblendet, damit sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher das Ebenbild Gottes ist.
„Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist.“
Er ist gekommen. Jetzt springen die Fesseln, die Bande, die dich und mich festhalten. Wir dürfen jetzt seine Knechte sein – um Jesu Willen.
Und nun überschlägt sich Paulus in Vers 6: „Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten“ – das ist der Bezug zur Schöpfungsgeschichte – „hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesichte Jesu Christi.“
Jetzt geht es hinunter in den Alltag. „Wir haben aber diesen Schatz in irgendwelchen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.“
Paulus beschreibt hier dein und mein Leben: „Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“
Denn „wir, die wir leben, werden immerdar dem Tod überantwortet um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu offenbar werde an unserem sterblichen Fleisch. So ist nun der Tod mächtig in uns, aber das Leben in euch.“
Jetzt zitiert Paulus aus dem Alten Testament, aus dem Psalm: „Weil wir aber denselben Geist des Glaubens haben wie die Psalmschreiber, wie geschrieben steht: ‚Ich glaube, darum rede ich.‘ So glauben wir auch, darum reden wir auch.“
Denn „wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken wird und uns vor sich stellen wird samt euch.“
„Denn es geschieht alles um eueretwillen, damit die überschwängliche Gnade durch die Danksagung vieler noch reicher werde zur Ehre Gottes.“
Darum werden wir nicht müde. „Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“
Denn „unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige, über alle Maßen gewaltige Herrlichkeit uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.“
„Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, aber was unsichtbar ist, das ist ewig.“
„Denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau von Gott erbaut, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“
Lieber Herr, wir wollen dich bitten, dass du uns diese Hoffnung heute Morgen ganz neu vor Augen stellst, damit wir davon ergriffen werden, was du in unserem Leben tun möchtest. Amen.
Licht nicht erst am Ende des Tunnels. Ich habe es gesagt: Die Weihnachtszeit geht zu Ende, und die Kerzen auf unseren Bäumen brennen natürlich nicht mehr. Heute ist der letzte Tag, der Sonntag, der letzte Sonntag nach Epiphanias.
Das Kind in der Krippe ist und wird der Heiland der Welt sein. Da scheint etwas durch von der Herrlichkeit Gottes. Das wird im Leben und im Wirken von Jesus offenbar.
Dort, wo Finsternis noch mein oder dein Gemüt oder die Seele bedeckt, da kommt der Herr und will mächtig wirken. Er will diesen Schatz, dieses Licht, diese Hoffnung in das irdene Gefäß unseres Lebens bringen. Und das ist für mich das Licht schon vor dem Ende des Tunnels.
Wir müssen nicht warten, bis wir in Gottes Reich hineinkommen, nein. Er spricht das in deine und meine Situation hinein, so wie wir hier heute Morgen versammelt sind.
Und dann sagt Paulus, dass unsere Schwachheit, unsere Gebrochenheit nicht sinnlos ist. Er sagt, dass in unserer Schwachheit, in unserer Verzagtheit und in unserer Not etwas sichtbar wird von der überschwänglichen Kraft Gottes.
Das brauche ich, das brauchst du in unserem Leben.
Licht am Ende des Tunnels – nicht erst am Ende des Tunnels. Warum ist mein Leben überhaupt so schwierig? Hast du dich das auch schon mal gefragt? Warum ist alles so kompliziert? Warum kann es nicht viel einfacher sein?
Paulus würde sagen, dass du und ich mit unserem Leben in einer Spannung stehen. Wir leben in der Spannung zwischen dem schon angebrochenen Reich Gottes und dem Reich Gottes, das erst in der Vollendung kommen wird. In dieser Spannung befinden wir uns.
Paulus ermutigt uns in diesem Zusammenhang. Als Jesus seine erste Predigt hielt, sagte er: „Kehrt um, tut Buße, denn das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen.“ Dabei meinte er nicht, dass das Reich Gottes wie ein Zug ist, der jetzt schon ziemlich nah ist und gleich ankommen wird. Jesus meinte, dass es bereits da ist.
Er sagte, wer nicht wie ein Kind das Reich Gottes aufnimmt, kann nicht hineintreten. Man kann das Reich Gottes nicht wie ein Kind aufnehmen und hineintreten, wenn es noch nicht da ist. Das Reich Gottes ist die Realität, die heilsame, wirkliche, lebendige Gegenwart Gottes, die uns umgibt.
Dennoch beten wir immer wieder: „Dein Reich komme“, weil noch etwas aussteht, weil wir noch auf etwas warten. Das Reich Gottes ist teilweise da, aber noch nicht ganz. Es hat schon begonnen, doch die Fülle steht noch aus.
Diese Spannung beschreibt Paulus in den Versen 6 und 7: „Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten.“ Er hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben. Doch in Vers 7 heißt es: „Aber diesen Schatz haben wir in irdenen Gefäßen.“ Die alte Ordnung ist noch nicht beseitigt, aber das Neue ist schon angebrochen.
Paulus geht es in Kapitel 4 darum, dass wir diese Spannung verstehen. Der Text erwähnt das Reich Gottes nicht explizit, wie ihr vorhin gehört habt, aber er beschreibt den Konflikt, den Widerspruch, in dem wir stehen. Wer das nicht versteht, kann in der Nachfolge kaum wirklich Schritte tun und vorankommen.
Paulus zeigt in diesem Text an sechs konkreten Beispielen, wie sich dieser Kontrast darstellt. Auf der einen Seite nennt er die alten Dinge, die noch nicht vollständig überwunden sind. Auf der anderen Seite geht es ihm um die Dinge, die mit Jesus gekommen sind – das eine und das andere. Mittendrin stehen wir, und beides realisiert sich in unserem Leben. Beides erleben wir täglich.
Wenn wir das nicht verstehen, werden wir in der Nachfolge keine Fortschritte machen. Die sechs Beispiele, die Paulus uns vor Augen stellt, sind:
Das erste Beispiel ist das, was wir hier auch dargestellt haben: Schwäche und Kraft. Da ist ein Gefäß, das unser Leben symbolisiert, eine Umverpackung, eine Tüte. In dieser Tüte, in diesem scheinbar wertlosen Gegenstand – natürlich nicht wertlos, aber damals, wenn man in irgendeiner alten Ausgrabung durch die verschiedenen Schichten buddelt, findet man überall Tonscherben, Tonscherben, Tonscherben ohne Ende. Das ist sozusagen der Müll der damaligen Zivilisation, nichts Besonderes, nicht besonders schmeichelhaft. Damit vergleicht Paulus unser Leben. Aber so ist unser Leben.
In diesem Leben, sagt Paulus, haben wir einen Schatz. Wir sind schwach und zerbrechlich, aber der Schatz ist das Evangelium. Unser Leben ist wie Töpfe, aber darin ist die gute Nachricht vom Reich Gottes. Damit ist eine Absicht verbunden: Damit sich in unserer Schwachheit seine Kraft zeigt.
Das zweite Beispiel – und da bin ich ja mitten in der Arbeit, in der wir als Hilfsaktion Märtyrer Kirche stehen – findet sich in den Versen 8 und 9. Paulus spricht von Verfolgung und von dem Schutz in der Verfolgung. Die Verfolgung kommt durch Menschen, durch Gesellschaften. Da ist der Druck da. Es geht nicht nur um Verfolgung, es geht um Anfechtung, um Bedrängnis, in der wir vielleicht auch stehen. Auf der anderen Seite ist Gott da mit seinem Schutz.
Wir werden in dieser Welt immer mal wieder umgehauen, sagt Paulus, aber wir kommen nicht um! Es gibt in dieser Welt Leid, sagt Paulus, aber nur so weit, wie Gott es zulässt. Schwäche und Stärke, Verfolgung und Schutz.
Das dritte Beispiel sind die Verse 10 und 11: Sterben und Leben. Sterben und Leben – in unserer Sterblichkeit zeigt sich sein Leben. Paulus gebraucht wirklich drastische Ausdrücke. Er sagt, wir werden allezeit in den Tod gegeben, wir sterben immer da. Auf der anderen Seite zeigt sich daran das Leben Jesu.
Ihr Lieben, das ist unsere normale christliche Erfahrung, das ist unsere Realität, so ist unser Leben. Paulus wiederholt das hier, in Vers 10 und 11, zweimal immer wieder: allezeit, immer da sind wir in den Tod gegeben. Der Tod ist eine gegenwärtige, permanente Bedrohung. Wir brauchen nur die Nachrichten zu schauen.
Und dann mittendrin sagt Paulus – ich liebe das, ich liebe die Bibel, ich finde das ist so überwältigend mutmachend – damit, sagt Paulus, in diesem „allezeit in den Tod gegeben“ sich jetzt in meiner Sterblichkeit, in diesem Leben, in diesem Körper, wo alles vergeht, was irgendwann verrotten wird, mittendrin das Leben Jesu entfalten darf in dieser Tüte, in dieser Umverpackung.
Das ist die große neutestamentliche Hoffnung: Leben durch den Tod hindurch.
Das vierte Beispiel ist Tod und Auferstehung. Das ist das Beispiel, wo Paulus jetzt auch den Psalm zitiert, aus Psalm 116. Er zitiert den Vers 10: „Ich glaube, auch wenn ich sage: Ich werde sehr geplagt.“ Der Psalmist erlebt das auch. Und er glaubt woran? Denn: „Ich werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen.“
Paulus sagt: Das glaube ich auch, das weiß ich auch, das ist meine Überzeugung, das ist meine Botschaft, das bekenne ich. Und in dieser Spannung stehe ich: Tod und Auferstehung, schwach und zerbrechlich, Schatz und Evangelium, Verfolgung und Schutz, Sterben und Leben, Tod und Auferstehung.
Selbst wenn wir sterben sollten, haben wir die Hoffnung auf das ewige Leben. Uns kann nichts umhauen.
Das fünfte Beispiel ist Verfall und Erneuerung. Das fängt ja so harmlos an, dass einem die Haare ausfallen. Irgendwann denkt man: Ganz so sportlich bin ich auch nicht mehr, man muss ein bisschen mehr aufs Gewicht achten. Wir wissen, wir verfallen. Da geht etwas kaputt, da wird etwas immer schwächer, immer weniger, immer weniger Leistungsfähigkeit.
Und mittendrin Erneuerung: Der innere Mensch wird erneuert, außen Verfall, innen Erneuerung. Paulus sagt: Dieser Prozess findet statt. Das kannst du verifizieren, wenn du zu Jesus gehörst. Das erlebst du in deinem Leben. Wir und Gott – zwei Prozesse. Noch nicht vollständig, aber es beginnt schon.
Das letzte Beispiel ist Trübsal und Herrlichkeit. Paulus, der so sehr verfolgt wurde, sagt: Die Trübsal ist leicht im Vergleich zur Herrlichkeit, die über alle Maße gewichtig ist. Er sagt, die Trübsal, die Bedrängnis ist zeitlich, aber das, was kommt, ist ewig. Er sagt, das, was uns bedrückt, ist sichtbar, aber auf das, worauf wir warten, das ist unsichtbar.
Mich macht das nachdenklich – nicht nur heute Morgen natürlich, sondern auch in den letzten Tagen in der Vorbereitung. Paulus scheint das wichtig zu sein, wenn er uns sechsmal immer und immer wieder Beispiel um Beispiel nennt, um uns etwas deutlich zu machen von der Spannung, in der wir stehen: Pötte und Schatz, Schwach und Kraft, Verfolgung und Schutz, Sterben und Leben, Tod und Auferstehung, Verfall und Erneuerung, Leiden und Herrlichkeit, sichtbar und unsichtbar.
Und es läuft alles auf die ewige Herrlichkeit zu.
Ihr Lieben, wie wollen wir diese Spannung erklären? In unserer gefallenen Natur – und jetzt sagt ihr natürlich: „Aber ich bin doch beim Herrn, ich bin doch gerettet!“ – ja, aber dennoch haben wir noch die gefallene Natur.
In unserer gefallenen Natur, in unserem Körper, erleben wir etwas von der Schwäche. In dieser gefallenen Welt erfahren wir, dass wir durch Krankheiten, durch Sünde, durch Zweifel infiziert werden können. Wir sind verletzlich, wir sind schwach, wie ein Topf, den man mit einem Hammer durch einen Schlag zerschmettern kann.
Aber mittendrin, schon in dieser gefallenen Natur, in dieser gefallenen Welt, in diesem Leben, ist ein Schatz. In dem Alten beginnt etwas Neues. Es ist eine Kraft, es ist Leben von Jesus her, es ist Erneuerung.
Das ist die Erklärung der Spannung in unserem Leben, das müssen wir verstehen.
Und jetzt bitte versteht mich nicht falsch: Es ist nicht so, dass wir denken könnten, das eine sei Fakt. So ist es: Schwäche, Verfolgung bei uns noch nicht, vielleicht Bedrängnis, Sterben, Tod, Verfall, Trübsal – das sind Fakten. Und das andere wäre ein schöner Traum: Kraft, Schatz, Schutz, Leben, Auferstehung, Erneuerung, Herrlichkeit – wo soll das sein?
Paulus sagt: Nein, dann hättet ihr es falsch verstanden. Beides ist Realität. Das, was wir erleben, und das, was Jesus jetzt schon in unserem Leben beginnt.
Nicht nur die Schwäche und all das sind die Fakten, und das andere nur ein schöner Wunschtraum. Paulus sagt: Ich glaube das, ich weiß das, ich bekenne das, das ist meine Botschaft.
Und was machen wir jetzt damit? Für uns Christen ist es wichtig, dass wir das verstehen, damit wir ausgewogen leben können. Lebst du in der Nachfolge ausgewogen? Wir müssen lernen, die Spannung zu ertragen.
Ich möchte kurz erklären, wie es falsch laufen kann. Es läuft dann falsch, wenn wir anfangen zu denken: „Ach, es ist alles so schwer, es ist alles so schlimm, es ist alles so schwierig.“ Dann konzentrieren wir uns nur auf das Alte. Unser Blick wird ganz negativ, und wir denken gar nicht mehr daran, was Jesus tut.
Das andere Extrem ist genauso verkehrt: Wenn wir nur noch an das Neue denken, zum Beispiel: „Ach, Jesus kann alles heilen, alles gut machen, alles richten.“ Das ist zwar richtig, aber dann verdrängen wir unsere eigene Schwäche, Not und Sündhaftigkeit. Wir müssen beides im Blick haben.
Wir müssen beide Tatsachen annehmen: unsere Schwäche und die Kraft Jesu. Verfolgung, Sterblichkeit, Tod – und das, was Jesus durch Auferstehung, Erneuerung und die Herrlichkeit bewirkt, die er bringt. Da ist Licht nicht erst am Ende des Tunnels, aber das ganz herrliche Licht kommt am Ende des Tunnels.
Paulus unterbricht seine Aufzählung zweimal, in Vers 1 und Vers 16, und sagt: „Darum werden wir nicht müde.“ Und in Kapitel 5 sagt er zweimal etwas, das einen Blick in sein Herz ermöglicht: „So sind wir denn allezeit getrost, ja, wir sind getrost.“
Wir werden müde, ich werde müde. Wie konnte Paulus in seiner Not nicht müde werden? Paulus hatte das Geheimnis, dass er immer wieder auf Jesus geblickt hat.
Wir gehen manchmal Irrwege. Von einem solchen Irrweg berichtet unser Text. Dort heißt es, man kann wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand stecken und sagen: „Mich geht gar nichts mehr an.“ Dann hat man den Mut verloren, und vielleicht ist das dein Problem.
Das darf nicht sein, sagt Paulus. Stattdessen wollen wir mutig vorangehen. Wir brauchen Mut und dürfen ihn nicht verlieren.
Ein weiterer Irrweg, so sagt Paulus, ist, dass man versucht, mit irgendwelchen Tricks weiterzukommen. Das passiert manchmal in Gemeinden. Man weiß, wie es richtig geht, aber man hat es gar nicht mehr. Dann tut man so, als ob – und das ist Heuchelei. Das ist ganz schlimm, wenn das geschieht.
Es gibt auch den Irrweg des Unglaubens, bei dem man sagt: „Für mich ist das gar nichts.“ Wenn das dein Problem ist, dann ist Paulus ganz deutlich: Woran liegt das? Du bist verblendet. Der Geist dieser Welt hat dich verblendet.
Aber dann ist es möglich, dass wir, wie Paulus sagt, sagen: „Ja, ich verstehe das. Es hat schon begonnen, es wird ganz kommen.“ Schon jetzt zeigt sich in meiner Schwäche, in meiner Not etwas von der Kraft, vom Schutz und vom Leben Jesu.
Paulus sagt, dass das, was wir hier und da schon erleben – Heilung, Zuspruch und Ermutigung – eines Tages vollendet sein wird, wenn Jesus Christus wiederkommt. Die Hoffnung, die wir für die Ewigkeit haben, begleitet uns bereits im Hier und Jetzt.
Ihr Lieben, dieser Veränderungsprozess, der in Kapitel 4, Vers 6, mit dem griechischen Wort „Metamorphose“ beschrieben wird, ist wie das Bild einer Raupe, die sich in einen Schmetterling verwandelt. Dieser Veränderungsprozess kann heute Morgen beginnen. Licht kann heute Morgen in dein Dunkel kommen.
In der Bibel gibt es immer wieder Dinge, die Gott tut, und Dinge, die wir tun. Was Gott tut, kann keiner von uns tun – niemand kann sein Leben aus eigener Kraft verändern. Das tut Gott. Aber was wir tun können, das sollten wir auch tun: Wir können ihn darum bitten.
Wie Johannes sagt, können wir ihn einladen. Denn denen, die ihn baten, dass sie Gottes Kinder sein dürften, gab er die Macht, Gottes Kinder zu werden – denen, die an seinen Namen glauben. Das können wir tun, wir dürfen ihn einladen: Herr, komm du in mein Leben. Ich will dich aufnehmen. Vergib du mir meine Schuld. Gib du mir die Macht, dein Kind zu werden. Gestalte mich um in dein Ebenbild. Verändere du mich zu dem Menschen, den du in mir siehst.
Das kann Jesus. Und das andere tun wir: Wir kommen zum Kreuz und bitten den Herrn: Komm du jetzt auch in mein Leben. Übernimm du die Führung in meinem Leben.
Vielleicht hast du schon alle Hoffnungen aufgegeben. Es gibt ein sehr eindrückliches Beispiel für die Dressur von Elefanten in Indien. Kleine Elefanten werden an einem Seil festgebunden, an einem Pflock. Der große Elefant gewöhnt sich so sehr daran, dass er nicht mehr versucht, sich zu befreien. Er glaubt, dass es unmöglich ist. Keine Hoffnung.
Vielleicht bist auch du so geprägt durch schwere Erlebnisse in der Kindheit, erschüttert durch das, was du durchgemacht hast, durch die große Not, die du erfahren hast. In solchen Situationen können wir gebunden sein, ohne selbst zu wissen, wie wir uns befreien können.
Dieser Sonntag nach Epiphanias ist für dich eine große Chance. Jesus ist gekommen. Nun brechen die Fesseln, denn er, der Durchbrecher, macht alle wirklich frei. Er kann auch dich freimachen. Wenn das dein Wunsch ist, dann komm heute Morgen. Vielleicht machst du es sogar bildlich: Kommst du hierher, dann räumen wir ein bisschen weg, und du kommst zum Kreuz und nimmst das einfach in Anspruch.
Jesus lädt dich ein: Komm jetzt! So kannst du beten: "Auch in meinem Leben, in meiner Schwachheit, in meiner Dunkelheit, damit bei mir deutlich wird, dass die überschwängliche Kraft von dir kommt und nicht von mir."
Wir haben auch die Möglichkeit zur Segnung, zur Seelsorge und zum Gebet. Marion, Susanne, Alex und Urs stehen dafür zur Verfügung. Jetzt haben wir einige Zeit für unseren Lobpreis und unsere Anbetung.
Ich lade dich ein: Komm zum Kreuz! Bleib nicht in deinem Tunnel. Nimm das Licht an, das heute Morgen auch über dir aufgehen darf. Amen.