Von Träumen und Berufung junger Menschen
Wir sind gestern stehen geblieben bei dem Punkt, dass man heute einen Traum hat. Für unsere jungen Leute spielt dieser Traum eine sehr große Rolle. Früher hätten wir gesagt: die Idee, was man alles gestalten und verändern will.
Ein junger Mensch wird sagen: „Ich möchte die Welt verändern, ich möchte sie menschlicher machen, ich will Gutes wirken, ich will die Ungerechtigkeit bekämpfen.“ Das ist heute sicher auch eine große Herausforderung. Es ist eine Art Gefangenschaft, wie wir sie im Raum der Landeskirche und der Theologie erleben. Dort wird oft vermittelt, dass die ganze Verkündigung darin besteht, was Christen tun müssen. Es wird ständig gesagt: „Das müsst ihr machen, das müsst ihr machen. Wir müssen jetzt politisch aktiver werden, die Gesellschaft durchdringen.“
Dabei ist es schwierig zu sagen, was man überhaupt tun kann. Wenn man einmal die Bibel anschaut, wundert es uns immer wieder, warum Jesus nicht die Welt verändert hat. Warum hat Jesus nicht das ungerechte System der römischen Zwangsbesatzung abgeschafft? Oder das völlig ungerechte Steuersystem, an dem viele Menschen seelisch und körperlich zerbrochen sind und das sie bis zum Letzten ausgebeutet hat?
Warum hat Jesus einen Mann wie Herodes Antipas, den er selbst als Fuchs bezeichnet, einfach gelassen und nicht beseitigt, obwohl dieser Johannes umgebracht hat? Es ist in der Bibel wunderbar zu sehen, wie Gott von Anfang an durch einzelne Menschen sein Reich baut. Nie wird die gottlose Welt direkt bekämpft – weder die Kanaaniter, noch Potiphar, noch im Neuen Testament die Römer oder zu Paulus’ Zeiten.
Vielmehr zeigt sich, wie schwach und klein die Kraft dieser Menschen war. Dennoch hat Gott durch die Schwachen gewirkt. Diese Menschen haben entdeckt, dass sogar ihre Schwäche der Hebel war, mit dem Gott wirken konnte. „Seine Kraft vollendet sich in meiner Schwachheit.“ Das ist erstaunlich. Ein Mann wie Paulus hat gesagt, dass er das ganz offen und freimütig leben will. Darum faszinieren mich immer wieder die Geschichten der Bibel und ihre Gestalten.
So wie wir jetzt den Daniel haben, den Sie auch schon gestern behandelt haben. Aber das Wunderbare ist, dass es mit der neutestamentlichen Zeit nicht aufhört. Gott hat durch die Geschichte von Menschen immer wieder geredet.
Ich bedaure, dass wir in unseren Tagen sehr wenig Erzählungen gebrauchen, auch in unserer Verkündigung. Früher war das viel besser. Wenn Sie einmal die Reden Jesu daraufhin prüfen, dann sehen Sie, dass Jesus die meiste Zeit Geschichten erzählte. Die wichtigsten Wahrheiten hat Jesus immer in Geschichten hineingepackt.
Die Kraft der Geschichten und das Zeugnis der Missionare
Und ich bin überzeugt, wo immer Sie einen Bibelkreis haben, werden die Menschen atemlos zuhören, wenn Sie Geschichten erzählen. Ganz gleich, ob Sie berichten, wie die Heilsarmee gegründet wurde, oder wie Gott in ihrem Leben gewirkt hat – die Menschen werden aufmerksam sein. Sie werden sagen, dass ihnen nichts so nahegegangen ist wie das, was in einer Geschichte erzählt wird. Wir sind eben Menschen, die etwas zum Sehen brauchen, etwas Anschauliches.
Mir war das besonders in der Missionsgeschichte bis in unsere Tage hinein interessant. Die Missionare sind nie hinausgegangen, um ein hohes Ziel wie „Ich will in Afrika die Sklaverei abschaffen“ oder „Ich will die Weltwirtschaft verändern“ zu verfolgen. Sie sind hinausgegangen, um einfach Christus, den Herrn, zu bezeugen.
Einer dieser großen Missionare war Adoniram Judson. Damals waren dies alles unbekannte, namenlose Leute, die niemanden hinter sich hatten. Adoniram Judson hatte sogar den Schmerz, dass Gott ihn nicht dort eingesetzt hatte, wo er es sich gewünscht hatte. Das ist in der Weltmission immer wieder so gewesen: Gott verwendet die Menschen anders, als sie es sich selbst vorgestellt haben.
Livingstone wollte eigentlich Missionar in China werden, der große Afrikaforscher. Doch Gott brauchte ihn in Afrika und befähigte ihn dort zu einem ganz großen Missionsmann. Ich habe Ihnen heute Morgen erzählt, dass es in meinem Leben ähnlich war. Ich habe immer geglaubt, Gott hätte mich als Missionar berufen, und habe immer wieder gesucht. Auf einmal war ich Pfarrer in Württemberg.
Vielleicht geht es Ihnen ähnlich, und Sie sagen: „Ich habe eine ganz andere Berufung.“ Wir sollten auch vorsichtig sein, bei jungen Leuten das Thema Berufung zu hoch zu hängen. Manche werden dadurch fast verrückt. Man sollte sagen: „Geh Schritt für Schritt weiter, lass dich von Gott leiten.“ So wird es auch Ihnen ergehen. Sie werden erleben, wie Gott vorangeht.
Adoniram Judson sagte einmal: „Ich gehe in alle Orte, nur nicht nach Burma.“ Doch Gott berief ihn genau dorthin, weil Gott auch Humor hat. Bis heute ist es so, dass die eigentlichen Burmesen sehr verschlossen gegenüber dem Evangelium sind. Es gibt, glaube ich, nur etwa 20 Gläubige unter dem Volk der Burmesen. Unter den Stammesvölkern, den sogenannten mongoliden Völkern, gibt es dagegen viele Christen – bis zu 80 in Burma.
Adoniram Judson wurde von einem Mann begleitet, einem ehemaligen Sklaven, von dem alle sagten, er sei ein Mörder. Er war ein ungehobelter Mensch, dessen Sprache und Charakter abstossend waren. Judson wollte diesen Mann eigentlich loswerden, weil er seine Verkündigung störte. Schließlich bot er ihm an: „Ich kaufe dich frei. Ich zahle den Betrag, und du kannst gehen, du musst nicht mehr dein Herr sein.“ Doch der Mann, Kutabio, antwortete: „Jetzt, wo du mich freigekauft hast, bleibe ich bei dir.“
Das war Judson gar nicht recht. Als Kutabio das Evangelium annahm, war Judson wohl erschrocken. Er dachte, dieser Mann sei ein schlechtes Aushängeschild. Man sagte über Kutabio, dass er nicht weit gekommen sei in der Heiligung und viele Fehler im Verhalten habe, die aus seiner schlechten Lebensgeschichte herrührten. Doch gerade dieser Kutabio war der Mann, der die größte Zahl von Menschen zu Jesus führte.
Denn das Wenige an Gnade, das er erlebt hatte, war so stark, dass die Menschen sagten: „Wenn das möglich ist, dass ein Mensch sich so wandelt – ein Mörder und ungehobelter, abstossender Mensch – dann kann das ganze Volk der Karen, das bis heute seit 50 Jahren in einem schweren Bürgerkrieg mit der burmesischen kommunistischen Regierung liegt, auf Kutabio zurückgehen.“ Ganz allein.
Das ist Gottes Geheimnis, das auch Sie in Ihrer Lebensgeschichte erleben können. In der Mittagspause habe ich von einigen von Ihnen gehört, wie Sie zum Glauben gekommen sind. Interessanterweise waren es immer Menschen, keine Institutionen, durch die Gott gewirkt hat.
Das kann sogar manchmal so sein: Einer nannte mir einen Mann, den andere vielleicht als Sektenmitglied einordnen würden. Ich kenne in Malawi eine Kirche, die von einem Mann gegründet wurde, der ein enger Freund von Russell war, bei den Zeugen Jehovas. Er hat eine saubere, bibel-evangelikale Kirche gegründet, die bis heute im Segen steht.
Gott kann also manchmal auch mit unregelmäßigen Leuten arbeiten. Das ist ganz merkwürdig. Wir wollen nicht alle Fehler gutheißen, aber trotzdem geschieht viel gute Frucht. Paulus meinte ja: Wenn nur Christus verkündigt wird. Wenn Christus wirklich uneingeschränkt, ohne Fehler und unverfälscht verkündigt wird, dann geschieht das Reich Gottes.
Zeugnis im Alltag und die Herausforderung der Anpassung
Für uns ist es immer wichtig, genau hinzuschauen: Wo sind solche Menschen in meinem Umfeld? Und wie kann ich selbst auf andere Menschen in meinem Umkreis wirken?
Das haben wir heute Morgen im Kreis meiner Familie besprochen. Es beschäftigt uns sehr, wie wir unsere Kinder prägen können, wenn sie oft einen schwierigen Weg gehen und sich nichts mehr von uns sagen lassen. Wie kann ich in meiner Verwandtschaft wirken, wo es oft am schwierigsten ist, ein Zeugnis zu sein?
Menschen und ihre Biografien sind sehr wichtig. Dabei muss man immer wieder erkennen und darauf achten, dass es oft ganz schlichte Menschen sind – wie du und ich –, die sich von Gott erfüllen ließen. Häufig sieht man zu Lebzeiten gar nicht, wie Gott später große und bleibende Frucht wirken wird. Denn Gott will es immer so machen, dass er die Spuren verwischt, damit wir uns nicht rühmen.
Wir sind Menschen, die Erfolg säen wollen, und sind oft sehr frustriert, wenn wir keinen Erfolg haben. Aber sagen Sie nicht, dass Ihr Einsatz vergeblich ist. Bleiben Sie treu dabei und sagen Sie: Ich habe gesät, und es kann nicht sein, dass Saat im Glauben vergebens ist. Wirken Sie einfach weiter, machen Sie Hausbesuche, kümmern Sie sich um andere und seien Sie ein Zeugnis des Herrn.
Was jetzt als zweites hinzukommt: Seien Sie jemand, der sich nicht an die Umwelt anpasst. Ich habe heute Morgen schon gesagt, dass auf uns ein großer Druck lastet. Wir wollen uns an die Gesellschaft anpassen. Wir leben in einer harmoniesüchtigen Zeit, in der man jeden verachtet, der ein wenig Unruhe hereinbringt und die Dinge deutlicher ausspricht.
Ich möchte Ihnen nochmals von einer Person erzählen, die mir sehr wichtig ist. In Singen, im badischen Singen, haben wir im Januar mit dem Heimatverein eine große Veranstaltung zum 300. Geburtstag von Johann Jakob Moser gemacht. Er gehört zu den Liederdichtern unseres Gesangbuches. Im württembergischen Gesangbuch ist ein Lied von ihm enthalten. Er war einer der ganz großen Geistesgelehrten seiner Zeit.
Mir war das immer wichtig, weil er sich unerschrocken zu den Pietisten hielt, zu den Gemeinschaftsleuten. Er hat viele Jahrzehnte regelmäßig an den Bibelstunden teilgenommen, was damals etwas ganz Verpöntes war. Johann Jakob Moser war ein Genie: Mit neunzehn Jahren war er Professor in Tübingen im Fach Jura. Er war der fruchtbarste Schriftsteller seiner Zeit und hat sechshundert Bücher geschrieben.
Wenn Sie im Internet einmal in die Bibliographie bei Bautz schauen, finden Sie 21 eng beschriebene Seiten mit allen Buchtiteln. Diese sind heute noch im Internet festgehalten. Johann Jakob Moser war der Begründer des europäischen Völkerrechts und gilt als Vater des deutschen Staatsrechts. Für Juristen hat er eine sehr hohe Bedeutung.
Er war überall in Deutschland bekannt, erhielt Ehrungen bei den Preußen und baute in Hannover eine Akademie auf. Dann kam er zurück nach Württemberg in einer ganz dunklen Zeit, als die Herzöge uneingeschränkt herrschten – in einer absolutistischen Herrschaft. Die Vertreter des Volkes durften nur Landschaftskonsulenten benennen, die man als Sprecher des Landtags bezeichnen könnte, obwohl es damals noch kein gewähltes Organ gab. Diese Landschaftskonsulenten mussten alle Gesetze gegenzuzeichnen.
Man fragte sich damals: Wer kann es wagen, gegenüber diesem absolutistischen Herzog aufzutreten? Der Herzog, der auch Schiller aus Stuttgart vertrieben hatte und ihn als Flüchtling nach Mannheim brachte. Wer stand da auf? Es gab nur einen, der unbeugsam war: Johann Jakob Moser.
Nach kurzer Zeit verweigerte er die Unterschrift und wurde daraufhin fünf Jahre lang auf dem Hohen Twil in Isolationshaft gehalten – ohne Fenster, ohne Besuch, ohne Kontakt zu Menschen außer dem Kommandanten. In dieser Zeit starb seine Frau. Doch Johann Jakob Moser hat diese Zeit mit Heiterkeit durchgestanden. Später schrieb er ein Buch mit dem Titel „Heitere Stunden eines Mannes in strengster Isolierhaft“. Er konnte diese schwere Zeit durchstehen, weil er mit Jesus diesen Weg gegangen ist.
Wenn man sieht, wie Moser am Ende freigelassen werden musste, weil die deutschen Fürsten revoltierten – man konnte das Recht nicht so brechen, wie es bei ihm ohne Gerichtsurteil geschehen war – standen die Leute auf den Straßen und sangen: „Unverzagt und ohne Grauen soll ein Christ, wo er ist, stets sich lassen schauen; wollte ihn auch der Tod aufreiben, soll der Mut dennoch gut und fein still bleiben.“ Das ist ein Vers von Paul Gerhardt.
Das war ein Zeugnis für Württemberg. Ich habe neulich im Gemeindeblatt bei uns in Württemberg einen kurzen Artikel über Johann Jakob Moser geschrieben. Daraufhin kamen gleich zwei empörte Leserbriefe. Die Leser meinten, der Artikel sei völlig falsch, weil nicht erwähnt wurde, dass Moser ein Querkopf war. Sie sagten, er habe nirgendwo länger als zwei Jahre in Stille ausgehalten.
Wenn Sie die Biografie von Moser anschauen, sehen Sie, wie harmonisch sein Familienleben war, wie seine Ehe über fünfzig Jahre bestand und wie er mit den Gemeinschaftsleuten lebte. Aber natürlich ist ein Christ ein Querkopf. In unserer Zeit will man das gar nicht mehr wahrhaben, dass das auch etwas Gutes sein kann.
Meinen Sie, Bonhoeffer wäre ein bequemer Mann gewesen? Im Dritten Reich standen nur Leute auf, die nicht harmoniesüchtig waren, sondern den Mut hatten, aufzustehen und zu sagen: „Die können mit mir machen, was sie wollen.“
Paul Schneider, der Pfarrer von Dickenschied, der im KZ so standhaft war, war ein Querkopf. Seine Studienfreunde sagten, er habe es provoziert, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Er war ganz ruhig und sagte seiner Gemeinde: „Jetzt sind wir endlich da, wo uns der Herr haben will, nämlich im Leiden.“
Im Dritten Reich konnte man natürlich lange lavieren, aber Paul Schneider sagte klar: „Das ist eine gottlose Ideologie, und sie muss sich entlarven.“
Mut zur Wahrheit und das Zeugnis in schwierigen Zeiten
Ich möchte Ihnen heute Mut machen, sich diesen „Schuh“ anzuziehen und zu sagen: Ich rege mich nicht mehr auf, wenn manche bei uns sagen, ich sei „im Kram“. So hat es bei Micha ben Jimla geheißen, beim Ahab – er redet nie etwas Gutes, wenn ich ihn frage.
Wir leben in einer gottlosen Zeit, und dennoch können wir nicht einfach alles gutheißen. Wir wollen nicht die „Meckerer vom Dienst“ sein. Ich fand das bei Johann Jakob Moser beeindruckend: Als er aus seiner Haft entlassen wurde, hat er nie ein böses Wort gesagt. Er hat auch nie Wunden geleckt oder Vorwürfe gemacht. Der Herzog hat sich nie bei ihm entschuldigt, und trotzdem hat Moser dem Herzog wieder seine Mitarbeit angeboten.
Das ist christliche Haltung: nicht zu sagen, ich muss zuerst ein Bekenntnis der Buße haben, und dann kann ich vergeben. Man kann das alles auch sehr theatralisch gestalten, aber wir haben nichts einzufordern in einer gottlosen Welt. Wir sollten Friedenstifter sein, nicht wehleidig oder überempfindlich. Aber wir müssen wissen, dass wir in dieser Welt eine schwierige Aufgabe haben. Es kann sein, dass manche Pfarrer in ihrer Kirchengemeinde Angst vor ihnen haben.
Wenn Sie etwas Kritisches sagen müssen, dann bitte unter vier Augen. Sagen Sie es so, dass der andere es wenigstens annehmen kann. Ich glaube, Johannes der Täufer hat Herodes, dem Antipass, unter vier Augen gesagt: Es ist nicht recht, dass du deines Bruders Weib hast. Das hat er nicht in seiner Verkündigung gesagt.
Wir sollten vorsichtig sein, aber heute müssen wir manches auch sagen – auch den jungen Leuten. Mir geht es oft so, dass ich mich frage: Hast du dir jetzt wieder eine Tür zugeschlagen? Aber ich denke, auch unseren jungen Leuten müssen wir es mit blutendem Herzen sagen. Das, was heute hier auch zur Sprache kam – das Problem in der Familie –, wenn wir Dinge wehren müssen, dann tut es uns furchtbar weh. Wir selbst haben hier viele Fehler gemacht. Ich möchte es nur als brüderlicher oder väterlicher Freund sagen: Wir können da nicht mitgehen.
Aber wir schulden es in einer schwierigen Zeit, wenn der Gräuel der Verwüstung da ist und viele verführt werden. Dann schulden wir es, dass das Zeugnis des Evangeliums nicht verändert wird, dass unser Gewissen in Gottes Wort verankert bleibt. Und das sollten wir sagen.
Hier ist mir die Gestalt Daniels eine große Hilfe, weil das in der Bibel so eindrucksvoll erzählt wird. Da war ein Mann, der das System nicht änderte, die Gesellschaft nicht veränderte, aber der einzelne Mann wirkte. Denken wir an sein Schicksal: Es war ein ungerechtes Schicksal. Er wurde deportiert. Er hätte sich auflehnen können. Heute würde man die Menschenrechte anrufen, eine Demonstration machen und sich beschweren.
Doch auffällig ist, dass dieser Weg in der Bibel nie gewählt wurde. Man bittet nicht die Welt um Unterstützung, sammelt nicht Stimmen, appelliert nicht an Botschaften, damit einem Recht geschieht. Daniel wurde mit seinen Freunden nach Babel deportiert. Und wenn der Name Babel fällt, wissen wir genau: Das ist unser Thema von heute Morgen – eine gottlose Welt, die sich gegen Gott auflehnt, eine antichristliche Welt.
Kann man in Babel überhaupt Gott dienen? Geht das denn? Heute reden wir viel von Systemen. Wie ist das im Wirtschaftsleben, wenn man Christ sein will? Wie ist das in unserer Gesellschaft? Liebe Freunde, das ist nicht so wichtig. Nach der Bibel spielt das kaum eine Rolle, wenn du nur ein Licht Gottes bist und der Herr durch dich wirken kann.
Daniel sagte mit seinen Freunden: Wir wollen uns nicht verunreinigen lassen. Dabei ging es um eine für mich sehr nebensächliche Frage – das Fleisch, die Speisegebote, die Jesus selbst als sehr nebensächlich bezeichnet hat. Aber Daniel war es wichtig, Gott treu zu dienen, bis zum letzten Häkchen. Er war ein Fundamentalist in diesem Sinn und sagte: Unter gar keinen Umständen will ich einwilligen.
Er hätte auch sagen können: Um bei den Babyloniern besser anzukommen, muss ich ein Stück weit auch ihre Musik machen und ihre Sprache sprechen, sonst hören sie mir nicht zu. Aber ihm war es gar nicht wichtig, ob die Leute zuhören. Er wollte nur Gott dienen.
Ich habe nichts dagegen, dass wir moderne Stilmittel verwenden. Wir wollen uns auch nicht anziehen, wie Oma es getan hat. Aber wir dürfen nicht unter Druck stehen, Menschen durch Kopieren gewinnen zu wollen. Wir sollen normal sein, so echt, wie wir sind.
Ich glaube, das kommt in unseren Versammlungen an: Wir machen das, was uns angemessen ist, so wie wir unseren Stil haben. Und dann lasst uns nur von Gott erfüllt sein. Ich will mich nicht verunreinigen lassen mit dem, was in Babel sonst üblich ist.
Die Tempelgefäße – das hören wir ja später – sie wurden deportiert. Aus ihnen tranken die Könige von Babel im Übermut. Aber da waren Menschen, die konnten das nicht missbrauchen. Und das ist das Herrlichste: Wenn der Teufel alles verwüsten kann, wenn er den Tempel von Jerusalem zerbricht, die Gefäße entweiht, so sind es doch Menschen, die ihre Knie nicht beugen.
Darum ist es in unseren Tagen ganz besonders wichtig, dass wir eine Festigkeit haben. Ich habe Ihnen von Personen erzählt, die einfach in ihrer Zeit das getan haben. Und ich erinnere noch einmal daran, dass in unseren Tagen Zivilcourage nötig ist.
Das ist das, was Johann Jakob Moser hatte. Er sagte zu seinem Herzog: „Euer Durchleuchten wird einen ehrlichen Mann finden.“ Wie er gesagt hat: „Ich will mich der allerschärfsten Inquisition stellen!“ Und der Herzog antwortete: „Tun Sie es!“ Moser sagte: „Mein Leben können Sie durchleuchten, Sie werden nichts finden, womit Sie mich anklagen können.“
Könnten wir das von uns sagen, wenn die weltlichen Polizisten alles prüfen? Dass sie nichts Unrechtes in meinem Leben finden, nichts, womit sie mich anklagen könnten? Das ist wichtig.
Wenn ich von Daniel rede, möchte ich Sie daran erinnern, dass alle biblischen Gestalten, auch Josef, nicht den Klageweg beschritten haben. Als die Frau Potiphars ihn mit falschem Zeugnis ins Gefängnis warf, saß er nicht da und fragte: Wie kann Gott das zulassen? Wo ist Gott geblieben?
Der Herr war mit ihm, und was er tat, gab der Herr Glück. Auf dem schwierigsten Weg dient er dem Herrn, und der Herr gebrauchte ihn als Evangelisten im Gefängnis, unter dem Mundschenk und unter dem Bäcker. Wie hat Gott sein Leben weitergeführt?
Ich denke immer wieder an Mose. Gott hat Mose nicht gebraucht, er hätte immer sagen können: Ich kann mit dem Pharao reden, ich kenne diese Welt, ich bin als Adoptivsohn der Tochter Pharaos aufgewachsen. Gott hat ihn gebraucht als namenlosen, barfüßigen Mann vom Sinai, als Hirten.
„Lass mein Volk ziehen!“ Doch er kam beim Pharao nicht an, bis Gott zu ihm sagte: „Ich habe mich den Vätern offenbart als El Schaddai, als der Allmächtige.“ Und auch nachdem Mose beim Pharao abgewiesen wurde, sagte Gott: „Bleib bei deinem Auftrag, ich werde mich in deinem Leben als der Allmächtige offenbaren.“
Es ist überwältigend, wie Gott zeigt: Selbst wenn seine Diener im Dienst scheitern, bleib dran! Das ist der Verheißungsweg. Diesen Weg ging Daniel. Darum ist das kein Randthema unserer persönlichen Glaubenshingabe an unseren Herrn, sondern das Zentrum dessen, was Christen der Welt geben können.
Natürlich sollen die Gottlosen der Welt auch etwas von den Segenströmen Gottes empfangen. Darum sollen wir uns dem Herrn hingeben. Sie wissen doch, wie immer wieder große Segenströme in die Welt hinausgingen durch Menschen, die ganz ungeteilt Gott dienten.
Unsere germanischen Vorväter saßen ja irgendwo auf den Bäumen und beteten Wodan an. Was hat das Evangelium für eine Revolution geschaffen – durch die Bekehrung der Menschen! Das ist für mich immer wieder groß.
Eine Kultur in Deutschland entstand, in der Johann Sebastian Bach seine Musik machen konnte, in der Wissenschaft gedeihen konnte, in der Universitäten gegründet wurden. All das kam im Umfeld des Christentums zustande, weil es Menschen gab, die ganz Jesus dienten.
Das sind Nebenprodukte, weltverändernde Früchte. Aber die Hingabe war wichtig.
Daniel war von seinem Heimatboden entwurzelt. Er war nicht mehr dort, wo seine Umgebung war. Er stand ganz allein. Wenn unsere jungen Leute zur Bundeswehr gehen und die Eltern sie ziehen lassen müssen, können wir sie auch nicht betreuen.
Wenn Jesus es wirklich schenkt, dass einer mit Jesus etwas tut, dann geschieht überall etwas Wunderbares. Wir können das nicht kontrollieren oder reglementieren. Aber er weiß einfach: Ich muss in dieser Gesellschaft anders leben.
Es stört mich nicht, wenn die anderen sich über mich mokieren. Wir wollen unseren anderen Lebensstil auch nicht zum Aushängeschild machen. Es geht nicht darum, etwas Theatralisches zu tun, sondern einfach so zu leben, wie man seinem Gott leben muss.
Und dann schenkt Gott, dass dieser Mensch zehnmal mehr Geist hat als all die weißen Babels. Da zeigt sich wieder: Es ist eine Gabe.
Heute gibt es eine große Verunsicherung darüber, welche Gaben man hat. Manche machen sogar richtige Tests. „Erwecke die Gabe, die in dir ist!“ Was ist das? Die Gabe des Heiligen Geistes.
Wenn Sie Jesus als Ihren Herrn bekennen, wirkt der Heilige Geist schon in Ihnen. Aber der Heilige Geist will noch viel mehr tun. Was will er tun? Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Sanftmut, Keuschheit.
Lassen Sie diese Gabe wirken, damit Sie zehnmal mehr haben als alle anderen. Das ist ein Geschenk, und man darf es nehmen wie eine Quelle, die fließt.
Die Bedeutung des Lebens im Heiligen Geist und Verantwortung für die Welt
Ich bin ein Fan alter Schinken – und damit meine ich nicht BSE-Schinken, sondern antiquarische Bücher. Neulich habe ich in einem Antiquariat den alten Bogatzki „Leben im Heiligen Geist“ gefunden. 800 Seiten über das Leben im Heiligen Geist. Damit wäre unsere ganze charismatische Diskussion überflüssig.
Zunächst zeigt das Buch das gesamte Glaubensleben: vom Gläubigwerden, der Heiligung, dem Missionseifer und allem, was dazugehört – Christus in mir, natürlich. Aber lasst uns das Leben betrachten, und zwar nicht mit anderen Dingen, sondern mit dem, dass Christus in mir Raum gewinnt und mein Leben erfüllen kann. So kann ich ihm dienen, auch in einer fremden Umgebung, und sein Bote sein. Heute ist es nötig, mutig ein Einzelner zu sein.
Das Zweite, was nötig ist, ist Verantwortung für die Welt. Dieses Wort wird oft strapaziert: Man müsse Verantwortung für die Welt übernehmen. Mein Vater, der eigentlich Volkswirtschaftler und Währungstheoretiker war – er beschäftigte sich ein Leben lang damit, wie man Währungskurse und Goldkurse angleichen sollte, ähnlich wie Alan Greenspan – war in den Zwanzigerjahren junger Lehrer und Gewerbelehrer in Calw. Da kam der Dekan zu ihm und sagte: „Es ist ja schön, dass unsere Gemeinde so zugesogen ist. Helfen Sie mir, dass ich am Sonntag etwas zur Weltwirtschaftskrise sagen kann.“ Mein Vater antwortete damals: „Legen Sie das Wort Gottes aus, dann wissen wir Volkswirtschaftler, was wir tun müssen.“ Ich glaube, das ist richtig.
Das ist auch bei Daniel so schön. Er hat sich nicht aufgedrängt und sah sich nicht als Spezialist. Das Interessante ist, dass er von den Mächtigen geholt wurde. Warum brauchte der König von Babel Daniel? Das ist absolut unverständlich und ein Geheimnis Gottes. Wir sehen jedenfalls, dass die Großen in der Welt nicht so sicher sind, wie wir meinen. Wir haben oft falsche Vorstellungen von den Menschen, unter denen wir leben.
Ich hatte immer Herzklopfen, wenn ich an einer Tür klingelte, hinter der Leute wohnten, die ich nicht kannte. Ich hoffte immer, dass niemand da sei. Wenn wir Straßeneinsätze gemacht haben, zum Beispiel in der Königstraße, habe ich bis zum Schluss gesagt: „Lass es kräftig regnen, dann fällt es aus.“ Wir haben Angst, ganz normale Angst, die wir kaum zugeben. Es ist eine schwierige Situation.
In 30 Jahren in der Stuttgarter Innenstadt habe ich keine Tür gefunden, bei der mein Besuch nicht erwünscht war. Obwohl ich evangelisch war, habe ich oft auch an Nachbartüren geklingelt, ohne zu wissen, wer dort wohnt – ob Katholik, Atheist oder sonst jemand. Ich sagte dann: „Darf ich Sie kurz grüßen? Ich bin der Pfarrer. Ich weiß nicht, ob Sie zu uns gehören.“ Ich habe nie eine Liste mitgenommen. Meistens kam die Antwort: „Warum kommen Sie erst jetzt?“ Es gab kein Haus, wo ich nicht wenigstens ein Stück des Evangeliums sagen wollte. Natürlich, wenn sich ein Mann gerade rasiert hatte und dann wieder ging, konnte ich das Evangelium mit ihm teilen, aber sonst überall habe ich versucht, mit den Leuten zu beten.
Ganz gleich, ob es Atheisten waren – das Gebet wurde mir nur einmal abgelehnt. Es war eine Kirchenmusikerin, eine kirchliche Angestellte, beim Trauergespräch ihres Vaters. Sie sagte: „Nein, beten bitte nicht, das hat jetzt nichts damit zu tun.“ Aber sonst suchten alle gottlosen Menschen heimlich nach etwas. Das zeigt auch die Geschichte von Daniel: Sie merken die Grenzen ihrer Erkenntnis. Warum gehen so viele zur Esoterik? Warum laufen Menschen allen Religionen nach? Weil die Christen ihnen nicht helfen, ihre Nöte zu bewältigen.
Sicher, wir haben es auch falsch gemacht, aber Gott muss uns den Geist der Weisheit geben. Wir können das auch bei Daniel im Detail prüfen, wie er es sorgfältig getan hat. Der König von Babel sagt zu ihm: „Wir haben gehört, du hast den Geist.“ Daniel antwortet: „Nein, nein, ich habe nichts, ich bin eine kleine Nummer, aber Gott kann.“ Damit gibt er schon ein Zeugnis von Gott und sorgt dafür, dass es nicht zu Verwechslungen kommt, wie wir manchmal meinen, wenn wir sagen: „Ach, die bewundern uns.“
Ich bin nie glücklich, wenn mir jemand erzählt: „Mein Onkel hat gesagt, ich wollte so sein wie du.“ Ich glaube nicht, dass das ein ehrliches Bekenntnis ist. Wenn ein gottloser Mensch sagt: „Ich bewundere euch Christen“, glaube ich das nicht. Die Gottlosen bewundern uns nicht. Wir sollten uns nicht täuschen lassen. Das sind Lobesworte, Schleimerei wollen wir nicht haben. Stattdessen sollten wir den Menschen sagen: „An meinem Leben seht ihr viele Fehler. Wenn ich nicht täglich einen Herrn hätte, der mir meine Schuld vergibt, wäre ich verloren. Aber ich will euch von dem großen Christus erzählen, der mein Leben so weit gemacht hat.“ So macht es Daniel.
Er möchte das nicht demonstrieren und kann es auch nicht vorleben. Es ist falsch, wenn wir sagen, wir könnten das Evangelium vorleben. Unsere Kinder haben doch immer gesehen, wie ich kurz angebunden, ungerecht oder aus der Haut gefahren bin. Sie merken alles. Deshalb wollen wir unseren Kindern das Zeugnis mitgeben, wie wir bei Gott immer wieder Vergebung empfangen und wie wir umkehren dürfen aus unseren Fehlern.
Genauso macht es Daniel: Er sagt, der Herr ist es. Damit weist er darauf hin, was wir der Welt geben müssen – auch in all unserem Zeugnis. Wir können kein vorbildliches Christenleben führen. Ich habe oft gehört, wenn Leute sagen: „Bei Ihnen ist die Kirche so voll.“ Aber nach drei Wochen ärgern sie sich über mich. Ich will, dass sie Christus kennenlernen. Das ist eine kurze Frontverkürzung, aber es ist wahr.
Meine Frau hat die Größe, mit mir zusammenzuleben, aber viele würden sich an mir ärgern. Das ist auch bei Ihnen so, einige von Ihnen sind sicher besser. Aber Sie wissen, was ich meine. Wir müssen aufpassen, dass wir das nicht verschieben. Paulus hat nie gesagt: „Schaut mich an, wie fromm ich bin.“ Er sprach vom Kreuz und erzählte von Christus. Das war sein Thema.
Er sagte den Christen: „Ich will euer Vorbild sein“, aber das war für Christen, nicht für Ungläubige. Bei Daniel ist es wunderbar zu sehen, wie er das zeigt und wie er in dieser Situation merkt: Da ist ein König, der eine Nacht nicht schlafen konnte. Die Signale von erfolgreichen Menschen heute sind groß, weil sie am Leben verzweifeln.
Vergesst nicht, wie einer der großen Daimler-Manager von heute auf morgen sein Amt niedergelegt hat. Der Spiegel schrieb, er werde wahrscheinlich Unilever oder so übernehmen. Nein, er hatte keine Kinder, nur ein Adoptivkind, das mit 15 Jahren im Mittelmeer ertrunken ist. Er war des Lebens müde, obwohl er als Daimler-Manager zehnmal so viel wie der Bundeskanzler verdiente. Das ist kein Leben mehr. Erfolg war ein Traum, aber was hat man davon? Wenn man viel Geld hat, kann man nicht fünfmal am Abend essen oder acht Anzüge übereinander tragen. Man kann auch fünf Autos fahren, aber nicht gleichzeitig. Es ist immer begrenzt, was man machen kann.
Wenn man das betrachtet, sind das Träume, die uns etwas vorgaukeln. Die Menschen in der Welt sind unerfüllt. Wenn ich abends mit meiner Frau zu Abend esse, schmeckt es mir besser als vielen in einem Gourmetrestaurant, das verspreche ich Ihnen. Lebensglück ist immer relativ. Die Reichen dieser Welt haben große Not und enden oft unrühmlich, werden irgendwo gefeuert. Man sieht das an Geschäftskollegen, wie oft das passiert.
Was ist mein Leben? Wofür habe ich eigentlich gearbeitet? Am wenigsten erstrebenswert ist das, was wir heute mit unserer Lebensverlängerung machen. Gehen Sie in Pflegeheime, riechen Sie den Duft der Zimmer, sehen Sie, wie die Patienten liegen, wie einer sagt: „Ich wäre so gern gestorben.“ Wenn jemand eine Infektion hat, holt man ihn sofort auf die Intensivstation mit Blaulicht, selbst wenn er sterben will.
Ich habe das jetzt wieder bei einer 99-jährigen Frau im Krankenhaus erlebt. Warum bringt man sie eigentlich wieder? Man darf sie nicht sterben lassen. Das ist furchtbar. Das wird unsere Zukunft sein. Es herrscht heute große Not, die ich als Seelsorger erlebt habe.
Wir haben die einzige Antwort, weil wir Hoffnung auf ewiges Leben haben, eine Zukunft. Singen Sie nur die Verse von „Gehe aus, mein Herz, und suche Freud“: „Welch hohe Lust, welch heller Schein wird wohl in Christi Garten sein!“ Sehen Sie, wie arm die Welt ist. In dieser Zeit sollten wir unsere Weltverantwortung wahrnehmen. Das heißt Fürbitte für die Mächtigen. Nicht, dass wir die Gelderwölfe sehen, sondern dass wir die Menschen mit ihrer Not sehen und zu ihnen gehen.
Versuchen Sie, wo Sie Zugang haben, zu diesen Menschen in Ihrer Nachbarschaft zu kommen und ihnen das Zeugnis zu geben, so wie Sie sagen: „Ich habe es erlebt.“ In der kommunistischen Zeit kannte ich in der Tschechoslowakei einen Christen, der Leiter des Personaldienstes für das ganze medizinische Wesen war. Er war Kaufmann, dem die kommunistische Regierung drei Häuser beschlagnahmte. Er sagte mir damals: „Mich hat nie geärgert, was ich verloren habe.“ Sein Sohn, der später auch zum Glauben kam, wollte alles zurückhaben, was die Kommunisten weggenommen hatten. Aber er selbst war frei.
Er erzählte, wie er damals in Prag im kommunistischen Staat viele Stunden täglich Seelsorge an Ärzten, Hebammen und Krankenschwestern tat, die ihr Leid klagten und mit dem Leben nicht mehr fertig wurden. Das ist erstaunlich, wie Menschen verzweifeln. Er versandte damals seine Neujahrsgrüße mit dem Zusatz auf dem Absender: „Ich schäme mich des Evangeliums von Jesus Christus nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben.“ Das war ein Zeugnis an all diese gottlosen Leute. Der kommunistische Staat akzeptierte das. So wie es in Babel toleriert wurde, dass ein Daniel lebt.
Wir sollten nicht sagen, das geht nicht. Wir sollten aufpassen. Heute war auch von brüderlicher Kritik die Rede, dass man sagt: „Meinst du, man kann das so sagen? Wirkt das nicht zu klebrig?“ Es gibt eine fromme Weise, die abstößt. Aber es ist wunderbar, wenn Menschen hohen Respekt vor vielen haben. Sie erreichen Leute, die andere nie erreichen. Sie haben oft eine menschliche Art, mit einem netten Geschenk oder einer freundlichen Geste. Diese Menschen brauchen gläubige Leute.
Egal wie gottlos der Betrieb ist oder wie schlimm die Situation in Babel, wir sehen das noch einmal, wenn das schreckliche Festmahl in Babel abläuft. Dieses verrückte Fest, bei dem sie sogar heilige Gefäße aus dem Tempel holen ließen und sich betranken. Es muss ein wildes Fest gewesen sein (Daniel 5). Sie tranken, was das Zeug hielt, und plötzlich erschien die Flammenschrift an der Wand: „Gewogen, gewogen, zu leicht befunden.“
Heute hören Sie NTV, Börsennachrichten, jeder sagt, wann alles zusammenbricht. In Los Angeles sagen sie, das nächste Erdbeben kommt. Der Boden, auf dem wir stehen, ist nicht mehr sicher. Die Menschen haben das Gefühl, keine Zukunft zu haben. Natürlich reden sie nicht mit frommen Floskeln, aber in Babel erinnerte die Königinnenmutter daran: „Da war doch mal einer, der den Geist der großen Götter hatte. Sucht nach Daniel, er kann euch die Flammenschrift deuten.“
Das ist wunderbar, wenn wir den Leuten helfen dürfen. Ich bitte Sie immer wieder: Nutzen Sie besonders Krankenbesuche. Leider kommen viele Pfarrer heute nicht mehr dazu. Auch in Ihrer Nachbarschaft. Wenn Sie es kurz und unaufdringlich machen, gerade bei Kranken, bleiben Sie nicht lange. Die Länge macht es nicht aus, und Sie müssen auch nichts schenken. Sagen Sie einfach: „Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.“ Dann sagen Sie ein Lied, einen Vers oder ein Wort.
Mich hat immer wieder gewundert, wie schnell man heute bei Kranken, auch bei gottlosen Kranken, auf die Frage stößt: „Hat Sie das schon beschäftigt, warum Sie gerade krank sind?“ Die meisten sagen: „Ja, warum habe ich das verdient?“ Dann können Sie ganz einfach sagen, dass wir die Hölle verdient haben – am meisten wir –, aber wir leben von der Gnade. Krankheit ist keine Strafe, sondern Gott sucht Sie, um Ihnen seine Liebe zu schenken. Er sagt: „Ich würde gern noch für Sie und mit Ihnen beten, um Gesundheit.“
Ich glaube, fast jeder Mensch ist offen, wenn Sie so anfangen. Plötzlich kommt die Frage der Schuld auf. Jeder sagt: „Ich habe das doch gar nicht verdient.“ Aber eigentlich bin ich jeden Tag erschrocken, dass Gott mich noch nicht zusammengeschlagen hat, obwohl ich so viel gegen ihn mache. Dann erzählen Sie von der Güte Jesu und der reinen Gnade.
Da gibt es viele Möglichkeiten, denn diese gottlose Welt sucht. Das macht uns auch deutlich: Wir sind Priester und haben einen priesterlichen Auftrag. Gott hat uns so viel Einsicht gegeben, nicht um prophetische Geheimnisse auszupacken, sondern um das, was Prophetie im Neuen Testament meint, zu tun: Leuten auf den Kopf zu sagen, dass sie Frieden brauchen. Das war im Neuen Testament Weissagung.
Manchmal sagen Menschen: „Wenn du so weiterlebst, landest du im Elend. Ich habe dir zu sagen, was sich in deinem Leben ändern muss.“ Das ist biblische Prophetie. Was hat Nathan zu David gesagt? „Du hast gesündigt. Kehr um!“ Das ist der Prophetenauftrag.
Wir müssen immer aufpassen, was im Neuen Testament gemeint ist. Das ist das Wichtigste. Mit dem Kommen Christi sind alle Geheimnisse offenbart, die wir brauchen. Die Schrift, das Wort ist allgenügsam. Aber wir dürfen es zuspitzen und den Leuten auf den Kopf sagen. Das ist der Dienst des Propheten, auch von Daniel.
Er konnte Menschen helfen, ihr Leben vor Gott zu begreifen, und hatte eine priesterliche Stellung, um für die Menschen zu beten, damit sie Schuld ablegen können. Wir sind Priester, das allgemeine Priestertum aller Gläubigen. Das ist sehr wichtig.
Wir haben diesen Auftrag, gerade heute, wo in den Kirchen so viel versäumt wird, diesen Dienst zu tun: Für unsere Umgebung zu beten, für die Menschen, ihnen zu helfen, mit Gott Frieden zu finden und Versöhnung zu erleben. Es geht um Rettung der Welt und um die Übersetzung der Barmherzigkeit Gottes, seine Güte und Freundlichkeit zu dolmetschen, damit es ein König von Babel überhaupt verstehen kann.
Es ist erschütternd, wie Gott auch diesen König gedemütigt hat, sodass er am Ende Gras fraß. Das würden heute alle Menschen spüren. Die Welt ist ungnädig, wie sie miteinander umgeht – schon ungnädig. Wenn ich die Zeitung lese, sehe ich Scheinheiligkeit. Keiner spricht mehr von Schuld? Doch, sie reden alle von Schuld: von der Opposition, der Regierung, früheren Regierungen, Verbänden, der Geldpolitik. Alles ist Schuld – nur Schuldzuweisungen und Vorwürfe.
Lasst uns Menschen sein, die nur noch Priester sind und wissen, dass Leute mit einer großen Last herumlaufen, ob sie es zugeben oder nicht. Wir wollen ihnen helfen, dass sie frei werden. Das war Daniels Auftrag in Babel.
Noch das Letzte: Wir sollen nicht der Menschen Knechte sein. Das war eine Apostelweisung des Paulus: Werdet nicht der Menschen Knechte. Sie lassen sich oft knechten und sagen: „Das muss man so tun.“ Nein, lasst euch von niemandem knechten. Seid freie Menschen! Ein Christenmensch steht allein unter seinem Herrn Jesus. Dem sind wir Knechte, seine Diener, aber nicht der Menschen Knechte.
Das ist so toll, wie Daniel das lebt, als die Weisung herauskommt, dass man nichts mehr erbitten darf als das, was der König erlaubt. Daniel dreht sich nicht einmal um. Der König kann sagen, was er will, aber wenn es gegen die Gottesverehrung geht, kann er ihn nicht treffen. Das ist eindeutig. Da darf es keinen Kompromiss geben.
Ich bin nicht der Menschen Knecht. Das sollten wir uns auch angewöhnen: Wir sind nicht Knechte der Krankheiten. Wir sollen uns nicht von Sorgen und Ängsten vor Krankheiten beherrschen lassen. Wie viele von Ihnen sind heute belastet wegen schwerer Krankheitsbefunde? Wir haben oft erlebt, wie der Herr alles unter seiner Kontrolle hat, ganz anders, als wir denken und planen.
Wir sind nicht Knechte, sondern allein Jesu Eigentum, und wir dienen ihm. Daniel legte seine Sorgen bei dem Herrn ab. Er hatte offene Fenster nach Jerusalem, und dort betete er ohne Unterlass. Sogar der König von Babel wusste: „Der Gott, dem du ohne Unterlass dienst.“ Das heißt, bei Daniel gibt es keine Minute Pause. Man kann ihn nicht aus der Gottesbeziehung herauslösen.
Darum schätzte ihn der heidnische König am Ende doch, weil er seine Treue und Hingabe bewunderte. Sie können das in vielen Beispielen finden. Obadja, der fromm war, wurde sogar am Hof von Ahab als Hofmeister gebraucht, obwohl Ahab mit Isebel eine schreckliche Politik zur Vernichtung Gottes trieb. Aber solche treuen Leute waren nötig, die Gott uneingeschränkt dienten.
Darum wollen wir uns nicht von der Welt zurückziehen, sondern an unserem Platz bleiben. Das ist oft ein Problem. Es mag extreme Beispiele geben, wenn jemand sagt: „Ich arbeite bei Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar in der Waffentechnik – kann ich da gut dienen?“ Fragen Sie mich etwas Gescheiteres. Das ist schwierig.
Es ist sogar witzig, dass Leute, die bei der früheren Prager Friedenskonferenz gedient haben und strenge Antikommunisten waren, im Betriebsrat von Heckler & Koch waren. Da dachte ich mir: Das passt schlecht zusammen. Aber es gibt Beispiele, bei denen man sich fragt, ob man das mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Da kann man sich mit Brüdern beraten.
Aber es ist ganz wichtig, dass ich meinem Herrn diene und dass klar ist, dass die Leute wissen: „Da gibt es keine Chance, der Mann, für den kann ich die Hand ins Feuer legen.“ Das war ein Daniel in einer gottlosen Welt. Er hatte seine Gebetsstille, die unaufgebbar war, und das zog sich durch den ganzen Tag.
Wir sollten nie abhängig werden von unserer Karriere und meinen, erst wenn wir die Karriere erreicht haben, können wir Zeugen Jesu sein. Das war Daniel ganz wichtig. Wenn sie ihn in den Löwengraben werfen, wird er doch nicht ihre Götter anbeten oder niederfallen.
Liebe Brüder, lasst uns das wieder ganz konsequent packen, in den ganz verschiedenen Arten. Ich glaube, bei Ihnen stehen jetzt ganz andere Fragen an. Sie sagen vielleicht: „Ich bin heute mit einem Problem gekommen, das mich belastet.“ Trotzdem bekommen Sie die Antwort: „Ich möchte ganz zurück zur Grundlinie. Ich diene meinem Gott, lege auch diese Not dorthin und will sein fröhlicher Zeuge sein.“
Sie wissen, dass mich Liederdichter immer angesprochen haben. Ich habe erst bei meinen Forschungen gemerkt, dass die meisten Lieder in großer Not entstanden sind. Neulich schrieb einer unserer Wasserbauer, ein Geologe aus dem Rift Valley in Kenia, einem der heißesten Punkte der Erde, dass er in 27 Meter Tiefe in einem Brunnenloch das Lied „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren“ gesungen hat.
Da dachte ich, das hätte Joachim Neander nie gedacht. Wissen Sie, Joachim Neander wurde keine dreißig Jahre alt. Er fand keinen Job als Pfarrer, obwohl er Theologie studiert hatte. Er drehte eine Warteschleife als Lehrer in Düsseldorf und wurde dort rausgeschmissen. Nach ihm ist nur noch das Neandertal benannt, und die Knochen, die man dort fand, hat man nach dem Neandertaler benannt.
Das war Joachim Neander in Düsseldorf. Er flog aus der Schule und ging heim zu dem Mann, bei dem er zum Glauben kam, in Bremen. Dort war er mit achtzehn in der Kirche, wollte den Gottesdienst stören, war ein Pietist, und man sagte: „Den lassen wir in Luft.“ Als er anfing zu predigen, wurde sein Gewissen getroffen.
Das war Joachim Neander: ein kurzes Leben, aber ein Leben voller Lobpreis der Herrlichkeit Gottes. Alle seine Lieder – „Wunderbarer König“, „Herrscher von uns allen“ – sind voller Lob. Er erlebte wenig, durfte kaum wirken, war nur ein paar Monate Frühprediger, hielt morgens um fünf Uhr Gottesdienst, und wahrscheinlich war kaum jemand da.
Aber so hat Joachim Neander Menschen das Lob ins Leben gelegt. Und da merken Sie: Wenn Sie es schaffen, dass Sie von Gott gebraucht werden, an Ihrem Platz Zeuge zu sein, dann klingt das nach 300 Jahren noch irgendwo in der Welt nach. Sogar 27 Meter tief in einem Brunnenloch wird fröhlich gesungen: „Durch den habe ich das Heil gefunden.“
Ist das nicht herrlich, wenn das Zeugnis unseres Herrn weiterklingt? Dazu segne Sie unser Herr!
