Einleitung und Kontext des Sendschreibens an Laodizea
Unser Predigttext ist das letzte Sendschreiben aus dem dritten Kapitel der Offenbarung an die Gemeinde von Laodizea, Offenbarung 3,14-22.
Dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Dies sagt der Amen, das heißt auf Deutsch „Es ist gewiss wahr“, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: Ich kenne deine Werke und weiß, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärst! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.
Du sagst: Ich bin reich und habe alles im Überfluss und brauche nichts. Doch du weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. Ich rate dir, dass du von mir Gold kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich wirst. Und weiße Gewänder, um dich anzuziehen, damit du nicht nackt und beschämt dastehst. Außerdem Augensalbe, um deine Augen zu salben, damit du sehen kannst.
Wen ich lieb habe, den weise ich zurecht und erziehe ihn mit Strenge. So setze nun alles daran und kehre um. Das ist das gleiche Wort, das bisher in unseren Lutherübersetzungen mit „und tue Buße“ übersetzt wurde.
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür auftut, werde ich zu ihm hineingehen und mit ihm das Mahl halten und er mit mir.
Wer überwindet, dem will ich das Vorrecht geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, so wie auch ich überwunden habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe.
Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.
Herr, gib uns Ohren, die verstehen können. Amen.
Zwei Bilder für das Verständnis von Buße
Ich habe gestern in einem Schlampereduit eines Schülers gekramt und dabei zwei Stifte herausgeholt. Den einen Stift kennen Schüler sehr gut. Wenn man eine Klassenarbeit geschrieben hat, benutzt ihn der Lehrer. So manche gute Fleißarbeit errötet regelrecht, als sei die Abendröte angebrochen.
Der andere Stift sieht fast genauso aus, nur die Hülle ist ein wenig anders. Diesen Stift hatten wir in unserer Schulzeit nicht. Dafür beneide ich die Schüler heutzutage. Man stellt sich ja später, wenn man älter ist, nicht mehr so leicht um. Für einen Schüler heute gehört dieser Stift jedoch zum festen Bestandteil seines Etuis.
Ich habe mich gestern extra noch bei meinen Konfirmanden erkundigt und die Bestätigung bekommen: Jeder hat diesen einen Tintenkiller, oder besser gesagt, den Tintentod. Das ist wunderbar. Bei mir war das immer schlimm, wenn ich an der Schreibmaschine saß und schrieb. Nach einer gewissen Zeit war das Geschriebene verwischt und landete im Papierkorb.
Die Schüler machen das ganz anders. Sie nehmen den Tintenkiller, oder besser gesagt den Tintentod, und löschen alles aus. Dann ist wieder alles blitzsauber wie zuvor. Er frisst die Tinte einfach auf, wie sie kommt.
Wenn Sie ein Bild für den Bustag suchen, dann nehmen Sie dieses als Beispiel. Es gibt zwei Bußverständnisse, die sich wie Feuer und Wasser gegenüberstehen. Das eine Bußverständnis ist das vom roten Stift.
In allen Religionen der Welt finden sich Bußen, aber immer in der Weise, dass uns die Versäumnisse und Verfehlungen angestrichen werden. Die Menschen in den Religionen wissen viel mehr als wir von der Last der Sünde und von einem verfehlten Leben, unter das man sich beugen muss.
Wenn Sie in Ihren asiatischen Religionen um Erlösung schreien, biblische Buße, das ist wieder Tintenkiller. Es ist das Wissen, dass es in unserem Leben das Wunder gibt, Schuld auszulöschen, sodass nichts mehr übrig bleibt.
Buße als Tag der Freude und Vergebung
Auf der einen Seite wird Buße oft wie ein schwerer, trauriger, schwarzer Tag empfunden. Wahrscheinlich haben die Landesfürsten, die uns diesen freien Tag heute geschenkt haben, im letzten Jahrhundert auch nichts anderes gedacht, als dass man einfach einen Tag der Trauer einlegt. Sie haben von biblischer Buße nichts verstanden.
Die biblische Buße ist jedoch ein Tag der Freude und der Vergebung. Wenn Sie ein Bild brauchen, um von Anfang an zu verstehen, was biblische Buße bedeutet, dann stellen Sie sich morgen früh zehn Minuten vor halb acht am Hauptbahnhof vor. Dort laufen die Menschenmassen aus den Vorortzügen heraus. Schauen Sie in die Gesichter: verdrossen, träge, mürrisch, kaum ein Wort wird gesprochen.
Vergleichen Sie diese Menschen dann zehn Minuten vor fünf, wenn die Züge nach Hause fahren. Da schlenkern sie die Mappen, unterhalten sich, und einer pfeift ein Lied. Ja, das ist ein Unterschied. Es geht nach Hause. Es geht heim.
Der Bußtag ist der herrliche Tag, an dem wir aufbrechen dürfen in die offenen Arme unseres himmlischen Vaters. Dort finden wir endlich wieder festen Boden unter den Füßen und Geborgenheit aus all der Unruhe unseres Lebens. Es ist der Tag, an dem es uns wohl ist, an dem wir behütet und bewahrt sind.
Drei Schlaglichter biblischer Buße
Nun könnte man noch viele Bilder nacheinander erläutern. Ich möchte Ihnen heute jedoch diesen Bibelabschnitt, das Zeitschreiben an die Gemeinde von Laodizea, auslegen. Dort steht sehr viel drin.
Aus der Fülle, die in diesem Wort enthalten ist, sollten wir meiner Meinung nach drei wichtige Aspekte biblischer Buße mitnehmen.
Radikal einseitig sein
Das erste Schlaglicht, das Buse nennt, heißt radikal einseitig sein – radikal einseitig sein. Schade, dass ich Ihnen die Überschriften meiner Teile immer vorher nenne, denn das nimmt dem Ganzen ein Stück Spannung in der Predigt. Aber Sie werden es verschmerzen können.
In unserer Welt zählt das Radikale nicht. Heute braucht man mehr denn je Menschen, die auf Ausgleich bedacht sind. Das muss man sich einmal klar bewusst machen. In unserer Welt gibt es so viele Interessengruppen, so viele Bewegungen, die auseinanderziehen. Deshalb werden dringend Leute gesucht, die zusammenhalten können, Menschen, die ausgleichen. Die Radikalen sind die Gefährlichen, die unser Zusammenleben aufs Spiel setzen – nicht nur in unserer Demokratie, sondern im gesamten mitmenschlichen Miteinander. Das sind diejenigen, die nur ihre eigenen Ideen verfolgen.
Wir freuen uns, wenn wir endlich Leute finden, die nicht so arg kantig sind, sondern verbindliche, nette Menschen, die zwischen den verschiedenen Meinungen und Überzeugungen auch ein wenig tolerant sein können. Und dann muss heute Morgen dieses Wort Jesu in unseren Ohren gellen, wenn er sagt: „Ach, dass du kalt oder warm wärest!“ Wir wollen Jesus widersprechen und sagen: Jesus, weißt du nicht, dass das Temperierte das Schöne ist? Nicht dieses fanatisch Extreme. Das ist doch gerade schön! Wir sind doch auch so froh in unserer Kirche, wenn wir ein wenig zum Ausgleich, zur Mitte kommen, zum Verbindenden.
Darum setzt Jesus hinzu und sagt, das heißt Amen. Und er nimmt sich ausgerechnet für dieses Wort die allerhöchste Autorität, weil er uns hier korrigieren will. Das sagt der treue Zeuge, Jesus als der, der beim letzten Endgericht das entscheidende, lösende Wort über uns zu sprechen hat. Er will uns hierauf aufmerksam machen: Hier liegen wir falsch.
Nun, bitte, wir liegen nicht falsch, wenn wir in unserer Demokratie, in unserem öffentlichen Zusammenleben den Ausgleich suchen, wenn wir gemäßigt sind, wenn wir den Mittelweg suchen. Hier redet Jesus mit seinen Jüngern über unser Verhältnis zu seinem Wort und zu seinem Ruf. Und in dieser Frage kann es kein Mittelmaß geben. In dieser Frage kann es kein gedämpftes Mitlaufen geben.
In unserer Waschmittelwerbung spricht man vom gebremsten Schaum. In der Nachfolge Jesu gibt es keinen gebremsten Schaum. Man kann kein Christenleben mit halber Kraft führen. „Ach, dass du kalt oder warm wärest!“ Ich kann Ihnen hier nur sagen, dass ich diesen Satz nur mit Zittern aussprechen kann. Ich habe mich lange gefragt: Ist es wirklich so, dass Jesus sagt, es wäre besser, ein marxistischer Atheistenpropagandist geblieben oder geworden zu sein, als ein Mitläuferchrist? Lieber wäre es, ein fanatischer Christushasser zu sein wie Nietzsche, als einer, der sich Sonntag für Sonntag von seinem Wort berieseln lässt? Das geht nicht in meinen Kopf. Ich kann es Ihnen nicht verheimlichen.
Das sagt der treue Zeuge, der Amen heißt. Er ruft dies einer Christengemeinde zu, wie damals in Kleinasien. Nach einer großen Kriegskatastrophe im Jahr sechzig nach Christus wurde Laodizea, wie Kolosse, zerstört. Die Bürger haben die Stadt wieder aufgebaut, es gab einen großen Wirtschaftsaufschwung. Gleichzeitig wird diese Gemeinde zugerüstet, indem sie erfährt, wie der Lauf der Weltgeschichte weitergeht.
Uns ist die Offenbarung oft ein geheimnisvolles Buch. Oh ja, ein sehr geheimnisvolles Buch, was da drinsteht von der Macht des Bösen und dass Gott dem Bösen Raum in der Weltgeschichte gibt. Manchmal hat man in unseren Tagen gar kein Verständnis mehr dafür. Da meint man, man spinnt, wenn man von der Macht des Teufels redet, vom Unheimlichen, das geschieht.
Damals hat Gott der Gemeinde einen Blick gegeben, wie durch die Weltgeschichte die Zornesschalen Gottes sich über die Welt entleeren und unheimliche Katastrophen die Welt heimsuchen. Wir leben heute in einer großen Zeit des Friedens und sind so kindlich naiv geworden. Man muss nur nach einer Auslegung greifen, wie der von Karl Hardenstein zur Offenbarung, als er sie in den Tagen des Dritten Reiches ausgelegt hat.
Das waren ja keine schweigenden Leute, sondern Menschen, die gemerkt haben: Vor dieser Macht des Bösen verstummt unser Wort. Wir sind wie wehrlos hineingerissen in einen Abgrund. Was will ich denn tun, wenn die Macht des Antichristen sich aufbäumt? Da hat doch der erhöhte Herr der Armen seine Gemeinde auf diese unheimliche Weltentwicklung vorbereiten wollen.
Diese Vorbereitung geschieht in diesen Sendschreiben, der Zurüstung der Gemeinde – wenn Sie so wollen, dürfen Sie auch Kirche sagen. Die Zurüstung der Gemeinde Jesu geschieht dadurch, dass die Gemeinde Jesu Buße tut. Wir brauchen jetzt nicht von den Sünden unserer Väter zu reden und von den vorigen Generationen. Jesus hat nur das Wichtige im Blick auf die großen Weltkatastrophen, die vor unserer Generation vielleicht noch liegen.
Er fordert, dass wir kalt oder warm wären, nur nicht lau. Das spricht der, der Augen hat wie Feuerflammen und der in das Innerste unseres Herzens prüfend hineinsieht. Jesus sagt: Wenn du nicht umkehrst und ganz radikal einseitig wirst, werde ich kommen und dich ausspeien.
In unseren Tagen spricht man viel davon und rühmt sich damit, dass die Kirche Jesu Christi nicht untergehen kann. Dass es immer Gemeinde Jesu auf der Welt gibt, ist klar. Aber ich habe Angst, ob er mich ausspeit. Und er kann uns ausspeien, weil er unsere Lauheit nicht mehr erträgt. Er kann ganze Gemeinden und ganze Landeskirchen ausspeien, weil sie für ihn nichts mehr taugen.
Es gibt ganze große Länder und Kontinente dieser Welt, wo einst blühende Kirchen waren – ausgespien. Gehen Sie heute über die Trümmerfelder von Laodizea. Sie bekommen einen erschütternden Anschauungsunterricht über dieses Ausspeien.
Was ist denn das Gefährliche daran, dass wir uns im Glauben angleichen? Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, bei mir ist das eine so gefährliche Versuchung. Ich kann die Stimmen täglich gar nicht zählen, die auf mich eindringen und immer sagen: Nicht so krampfhaft einseitig! Merkst du nicht, die anderen lachen doch über dich. So kannst du doch nicht nach dem Wort Gottes leben, merkst du es nicht?
Jesus sagt: Ich bin der treue Zeuge. Wenn du dich rüsten willst für die kommenden Nöte, durch die wir gehen müssen: Ach, dass du kalt oder warm wärst!
Dieses Bild stammt von den Quellen von Hierapolis, die in der Nähe von Laodizea lagen. Das war kohlensäurehaltiges Gesundheitswasser, Gesundheitsquellen, die sich heiß ergossen haben. Sie sind sehr heiß, wenn sie direkt aus dem Boden kommen, und sie fließen über große Felsterrassen herunter.
Dort unten, wo dieses Wasser weiterläuft, hat die Zeit abgekühlt. Dieses Bild hat Jesus im Auge, das der Gemeinde fortwährend im Blickfeld lag. Werdet doch nicht wie die Quellen von Hierapolis! Ihr habt alle mal einen Anfang gemacht. Dort ist dieses Leben mit Jesus aus der Quelle geflossen – heiß, bewegt, fröhlich, frei.
Dann aber ist es allmählich diese Terrassen heruntergelaufen, und dort wurde es so angepasst, so moderat, so temperiert, so alltäglich, so wie alle anderen auch, so kirchlich, so allgemein.
Dort unten an unserer Hohenheimer Straße brausen oft die Lastwagen vorbei. Es ist ja eine Not mit diesen Fahrzeugen: 35 Fahrzeuge jeden Tag. Bevor dort unten an der Straßenbahnhaltestelle diese Schutzbleche dran waren, hatte ich immer ein wenig Angst, wenn man da auf der Straßenbahninsel stand und hinter einem fuhr ein Lastzug schon mit voller Geschwindigkeit vorbei. Sie ragen ja mit ihren Aufbauten noch etwas über die Reifen hinaus. Man hat immer Angst, dass da nicht einer einen mitreißt. Jetzt ist es ein wenig besser durch die Schutzbleche geworden.
Nehmen Sie dieses Bild mit, und wenn Sie noch einmal so am Straßenrand stehen und dann fährt so ein Lastzug an Ihnen vorbei, denken Sie an dieses Bild: So fährt das Geschehen des Reiches Gottes an uns vorüber. Entweder packt man zu und wird mitgerissen und fährt mit, oder man kommt unter die Räder.
Man kann bei Jesus nicht halbherzig dranhängen und sagen: Ich lasse mich mal so ein bisschen mitschleifen, ich höre da zu und mache es doch nicht zu meiner Sache. Es ist ja notvoll, dass man sogar eine glasklare Entscheidung für Jesus fällen kann und trotzdem lau wird.
Wer mitwill, der muss sich mit beiden Händen hinhängen, damit er nicht in den Versuchungen und Bewährungen weggerissen wird. „Ach, dass du doch kalt oder warm wärst! Weil du lau bist, will ich dich ausspeien!“
Wir haben es am letzten Samstag gehört, wie das die Ausstrahlung eines Ludwig Hofacker war, der sagte: Ich will einseitig werden, ganz einseitig. Ich will nicht Mitte sein.
Und es geht auch in all dem, was wir hier predigen, nicht um Fragen einer kirchenpolitischen Gruppierung. Es geht um die Frage, wie ich dem Wort Jesu und seinem Ruf mich gegenüber verhalte. Es gibt keinen anderen Weg, und es gibt keine andere Nachfolge als radikal und einseitig sich ihm auszuliefern.
Ungeniert zupacken
Das Zweite, was hier als Schlaglicht auf biblische Buße fällt, ist, wie diese aussieht: diese Hinwendung zu Christus, diese Freude. Dabei möchte ich besonders das ungenierte Zupacken herausgreifen.
Die Gemeinde in Laodizea war wirtschaftlich sehr gut entwickelt. Sogar in Rom wurden die Banken von Laodizea gerühmt, weil sie sehr zuverlässig und präzise arbeiteten. Es herrschte eine große Leinen- und Wollwarenindustrie, und es gab in Laodizea eine bedeutende medizinische Akademie, die weit in Asien bekannt war.
Auch die Gemeinde dort war recht gut entwickelt und hatte offenbar eine weite Ausstrahlung. Jesus sagt: „Ich weiß deine Werke.“ Sie hatten viel getan und waren freudig im Arbeiten. Doch dort wird deutlich, was biblische Buße meint.
Buße beschäftigt sich mit uns, mit den Christen, und es geht um unsere Hinwendung zu Jesus. Aber dort wird etwas ins Licht gerückt, das zu den Grundproblemen der Christen und der Gemeinden gehört. Mir ist dies erst beim Vorbereiten in seiner ganzen Schwere wieder aufgegangen.
Schon die alten Kirchenväter zählten zu den schlimmsten Sünden – wenn man das überhaupt so nennen darf – den Superbia, den Hochmut. Und da war ich erschrocken: Hochmut! Man ist doch oft sehr hochmütig. Wie oft sind wir als Christen sehr hochmütig?
Dann las ich bei dem Bibelausleger Karl Hardenstein, den viele von Ihnen noch kennen, als er unter uns predigte. Hardenstein sagte mitten im Kampf des Dritten Reiches: „Wir wollen den gottlosen Weltmächten nie mit einer Spur von Hochmut gegenübertreten. Wir wollen selbst vor diesen abgefallenen Mächten als Menschen stehen, die viel Schuld vor Gott haben.“
Als ich das las, dachte ich: Was ist eigentlich nur geschehen bei uns heute im Jahr 1978, dass Christen den Mund so pausbäckig vollnehmen können, als wären sie die Ratgeber der UNO? Als könnte der kleinste Dorfbewohner Ratschläge geben, wie man die Weltnöte löst, wie jemand die politischen und nationalen Nöte und alle anderen Probleme überhaupt angeht.
Das wäre ja schön, wenn wir es könnten. Aber Hochmut ist die Ursünde der Christen.
Die Gemeinde von Laodizea war eine Gemeinde, die allen sagen konnte, wie man es machen muss, aber selbst nicht merkte, dass sie in der Not war. „Merkst du nicht, dass du arm bist, jämmerlich, elend, bloß und blind?“ Wenn das heute nicht mehr als Grundthema unserer Verkündigung gesagt wird und wir es nicht unseren Zeitgenossen sagen, dann haben wir einen großen Schaden in unserem Leben.
Nein, wir wollen es heute gar nicht mehr sagen. Wir sind ja ganz froh, dass die Kirche so viel Glaubwürdigkeit bekommt und dass die Menschen die Christen anerkennen. Sie werden gewürdigt, bei Staatsempfängen sind sie vorne dran.
Sollten wir nicht immer wieder sagen: Freunde, ihr täuscht euch! Das sind wir nicht. Ihr werdet maßlos enttäuscht sein. Das ist es nicht, was wir sind. Wir sind Menschen, die gescheitert sind, die vor Christus das Verkehrte ihres Lebens fortwährend entdecken.
Und es geht uns bei jedem Bibellesen so, dass wir nur schreien können: „Herr, erbarme dich! Herr, erbarme dich!“
Sagen Sie, ist denn Ihre Kindererziehung so großartig, dass wir Sprüche machen könnten? Meine bestimmt nicht. Ist denn Ihre Pädagogik so grandios? Wir reden viel vom leuchtenden Christenleben – strahlt denn Ihre Liebe so? Fragen Sie mal Ihre Freunde und Nachbarn.
Wäre es nicht Zeit, dass wir bis an unser Lebensende nur dieses eine Thema haben: Herr, mein Schaden drückt mich, und mein verkehrtes Leben macht mir Not?
Es sollte nirgendwo so viel vom Tun gesprochen werden, ohne zuerst dies immer wieder zu sagen: Ach, der Herr steht vor uns jämmerlichen, elenden, armen, blinden und nackten Menschen und will uns zuerst anziehen.
Das haben die Leute aus der Leinen- und Wollstadt gut begriffen, von diesem neuen Kleid, das einem übergestreift wird. Und die Stadt der Banken, Laodizea, hat das begriffen, wenn es dort heißt: „Ich gebe dir einen Tipp.“
Ein Tipp für Leute, die Werte lieben: Wisst ihr, was Gold ist? Gold, das sich nicht entwerten lässt – das verstehen wir ja in diesen Tagen, wo der Dollar in die Tiefe rauscht und das Gold in die Höhe steigt.
Wisst ihr, was Gold im Glauben ist? Und wisst ihr, was ein Leben reich macht? Nicht die Sprüche, nicht die großen Reden, die man heute hält, auch im Namen Jesu Christi. Sondern es zählt, wenn ein Mensch mit all seiner Not zu Christus kommt, wie ein verlorener Sohn, und von ihm angenommen wird.
Da wollen wir immer an diesem Punkt stehen bleiben: Da ich nichts bringen kann, schmieg ich mich an dein Kreuz, nackt und bloß. O, gleite mich doch hilflos, ach, erbarme dich doch!
Wo er unsere Blöße zudeckt, dort sind wir wunderbar begleitet. Dann kann diese Gemeinde auch nicht mehr von der Pforte der Hölle überwältigt werden.
Unser Christenstand besteht aus diesem täglichen Stück: Wenn er uns reinigt und gerecht macht, sind wir eine unüberwindliche Gemeinde. Dann können wir unseren Mann stehen draußen in der Welt, dann können wir Tatmenschen sein.
Wenn das stimmt – täglich ein Zerbrochener vor ihm und einer, der seine Vergebung empfangen hat – dann ist das eine Gemeinde, zugerüstet auf die schweren Tage, die bevorstehen.
Gleichzeitig ist das ein Schlaglicht biblischer Buße.
So soll unsere Hinwendung nie im frommen Hochmut geschehen, als ob wir es doch ein bisschen besser könnten als die Weltweisen, als ob wir es besser könnten als die Berufspolitiker, als ob wir es besser in der Tasche hätten.
Wir haben nur eins: die Hand Jesu, die uns hält. Das macht uns demütig in dieser Welt, aber führt uns auch auf den einen Punkt, den wir immer wieder sagen könnten.
Das ist ja unsere Botschaft, die wir den Weltweisen verkündigen wollen: Ach, wenn ihr erst den erkennen würdet, der eure Blöße zudeckt!
Ich würde den Berufspolitikern sagen: Wenn ihr erst euren Dienst im Namen Jesu führen würdet – was gäbe das?
Also: ungeniert zupacken, das war das Zweite. Das Erste war radikal einseitig zu sein. Ungeniert zupacken.
Das Klopfen an der Tür als Zeichen der Buße
Drittes Schlaglicht der Buße: Ja, das fügt sich jetzt nicht ganz richtig ein, aber in unserem Abschnitt steht es so drin, und es gehört auch zur biblischen Buße. Es klopft, es klopft.
Ein ganz großes Bild noch einmal, denn immer wieder wurde in der Geschichte der Christen Buße falsch verstanden – als ein großes Tun, als eine Aktion von uns, um Gott zu versöhnen. Darum steht auch vor der Gemeinde von Laodizea der Herr warnend und muss sagen: „Ich will dich ausspeien.“ Vor diesem Ruf steht das Klopfen: „Pass mal auf, hör genau zu, es klopft.“
Da muss man still sein, um das Klopfen genau zu hören. Sie standen doch auch schon vor Türen und haben geklopft, und drinnen hat man das Klopfen nicht gehört, weil die Leute sich so laut unterhalten haben. Und genau das gibt es ja fortwährend in unserem Christenleben. Wie viele Tage und Jahre lang hat Christus an unserer Tür geklopft!
Neulich hat mir ein Mann gesagt, der im Reich Gottes eine wichtige Funktion hat: „Es ist merkwürdig, man kann drei Tage lang ohne Bibellese arbeiten, dann merkt man erst, wie man nicht mehr so die Kraft hat und kribbelig wird.“ Ja, wie überhören wir das auch als diejenigen, die doch tätig sind für den Herrn?
Es ist eine Not: Je mehr man im christlichen Glauben verwurzelt ist, desto lasser wird man, desto lauer. Und man merkt gar nicht mehr, dass an der Tür geklopft wird. Wann wird ein Fachmann... Ja, das ist doch unsere Not – und Ihre doch auch –, dass man gar nicht mehr merkt, am Morgen des Tages auf dieses zarte, sanfte Klopfen an der Tür.
Man kann sogar in der Bibel lesen und hört das Klopfen nicht mehr. Man kann eine Predigt vorbereiten und alle Bücher wälzen und hört das Klopfen Jesu nicht mehr. Man kann im Dienst rastlos unterwegs sein und hört das Klopfen nicht mehr.
Biblische Buße ist ein Klopfen an der Tür. Jesus Christus will bei mir eintreten, er will Einlass haben. Oh, welch ein Trost ist das für die Gemeinde von Laodizea, für die laue Gemeinde, für die kalt gewordene Gemeinde, für die kühle Gemeinde mit ihrer Blöße, mit ihrer Armut, mit ihrem Elend: Jetzt kommt er doch!
Das ist doch der ganze Schatz eines Christenlebens: Jesus klopft und will Eintritt bei mir. Sehen Sie, warum ich immer wieder dieses Predigtthema habe? Welches Thema sollte ich denn sonst wählen? Worüber sollten wir sonst noch reden, als Ihnen zu sagen: Mehr können Sie gar nie gewinnen.
Und wenn Sie Ihren Leib verbrennen ließen und Ihre Habe den Armen geben würden, hätten Sie doch nie so viel erreicht wie dort, wo Sie die Tür öffnen und Jesus bei Ihnen Einzug hält. Und das ist biblische Buße.
Ich will zu ihm kommen, ich stehe vor der Tür, ich will eingehen – ich, der Frieden und Vergebung mit sich bringt, der unser unruhiges und umgetriebenes Herz ganz ruhig machen kann. Sie werden seine Stimme hören: „Wenn er hineingeht, wenn jemand meine Stimme hört und die Tür auftut, zu dem werde ich eingehen.“
Das wird das Kennzeichen sein, dass man sein Wort liebt und sein Wort gerne hört. Und dort kommt erst die biblische Buße zu ihrer großen Freude. Dort kommt neues Leben bei uns herein. Dort wird auf einmal unser müdes und so gequältes Leben von einer neuen Freude durchzogen, weil er der Herr unseres Lebens wird, weil er uns führen und treiben kann.
Das ist das Wunder der Umkehr, um die es heute geht.
Schlussgebet und Bitte um Ausrüstung
Komm, o Sonne, meine Wonne, bleib nicht lange, dass ich ewig dich umfange. Amen.
Lieber Vater im Himmel, wir danken dir, dass du immer noch auf uns wartest, bis wir heimkehren aus der Leere ins neue Leben bei dir. Wir danken dir auch, dass du weiterhin wartest, bis wir endlich aus aller gequälten Frömmigkeit ausbrechen und nur von deiner Liebe, von deiner Vergebung und von deiner Begnadigung leben.
Das ist ja das einzige Wunder, das unser Leben groß macht: dass du uns nach deinem Namen nennst, dass wir dir gehören dürfen und dass du uns Aufgaben zuweist, die wir in deinem Namen auf uns nehmen dürfen. Dafür wollen wir dich jetzt auch bitten, dass du uns ausrüstest.
Wir wollen alles mit dir beginnen, was auch morgen wieder auf uns einstürmt: die Verpflichtungen, die wir in dieser Welt haben – im Beruf und Alltag, in der Familie und unter Freunden, in Politik und Öffentlichkeit, in der Schule und überall, wo wir stehen. Herr, sei mit uns und bedecke unsere Blöße und unsere Armut in deiner Vergebung. Das ist das Große.
Dass du bei uns Einzug halten willst und selbst in unserem Leben der Herr bist, das ist das große Wunder. Mache du aus unserem Leben etwas zu deinem Lob und zu deiner Ehre und gebrauche uns zum Bau deines Reiches.
Herr, bewahre uns vor allem Hochmut und vor aller Einbildung, auch anderen Menschen gegenüber. Lass uns nicht meinen, wir wären besser, sondern hilf uns immer zu wissen, dass du dich unser erbarmst und deine Güte viel größer ist als alles, was wir selbst sein können.
Dir sei Dank, dass du uns so trägst und durchträgst in deiner großen Liebe.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
