Ja, schön, dass wir miteinander Zeit verbringen können. Einige von euch sind jetzt schon mit dem Thema vertraut, die anderen, die von drüben kommen, sind noch nicht ganz dabei. Aber ihr werdet gleich mitkommen, das ist kein Problem.
Also, wir wollen uns heute Abend zuerst Römer 9 anschauen und dann ein paar Verse aus Römer 8, nicht das ganze Kapitel. Es geht um das Grundthema Erwählung und Vorherbestimmung. Ich habe heute Nachmittag schon mit denen, die da waren, ein paar Gedanken zu diesem Thema geäußert, auch ein bisschen zur Vorherbestimmung.
Ich kann kurz wiederholen: Erwählung bedeutet, dass die Erwählung des neuen Gottesvolkes in Christus geschieht. Die Erwählung des alten Gottesvolkes geschieht in Abraham beziehungsweise in Isaak und Jakob. Wir haben also zwei Erwählte: Christus ist ein Erwählter, und Abraham ist ein Erwählter – ebenso Isaak und Jakob. Es geht um diese zwei Völker.
Wenn wir Römer 8 oder überhaupt den Römerbrief lesen, dürfen wir nicht vergessen, dass es immer um die Frage Israel und die Heiden geht. In Rom waren einige Christen aus Israel und einige Christen aus den Heiden. Diese hatten miteinander nicht so harmonisch gelebt, wie es sein sollte. Es gab Probleme zwischen ihnen.
Es gab auch nicht nur eine einzige Gemeinde in Rom – ich meine jetzt eine Versammlung in Rom. Es gab viele Versammlungen. Es gab nur eine Gemeinde, die Gemeinde des Herrn, aber viele Versammlungen an verschiedenen Orten. Bei Aquila und Priscilla waren welche, und im Haus anderer ebenfalls. Das kann man aus Kapitel 16 feststellen.
Paulus möchte durch den Römerbrief Hilfe in das Miteinander zwischen Judenchristen und Heidenchristen bringen. Er erklärt sein ganzes Evangelium. In den ersten acht Kapiteln zeigt er schrittweise auf, dass Rettung allein aus Gnade und nur durch Glauben an Jesus Christus geschieht.
Das war für die Judenchristen natürlich sehr ernüchternd, denn die Juden waren stolz darauf, dass sie nach der babylonischen Gefangenschaft den Götzendienst abgelegt hatten. Götzendienst war vor der babylonischen Gefangenschaft ein großes Problem. Nach der babylonischen Gefangenschaft war Israel frei vom Götzendienst. Sie ließen keinen Götzendienst mehr zu und konnten darauf stolz sein.
Götzendienst war ausgerottet, denn Gott hatte Israel gezüchtigt. Aber als dann der Messias, Jesus Christus, kam, nahm nur ein Teil Israels den Messias an. Einige waren auch aus Rom gekommen, sodass das Evangelium nach Rom gelangte. So gab es auch in Rom die Gemeinde Jesu, und auch Heiden kamen dort zum Glauben.
Jetzt erklärt Paulus die Rettung allein aus Gnade, nicht durch Werke, und die herrliche Zukunft der Gemeinde.
Wir können es so machen, dass jemand von euch Römer 9, Verse 1 bis 5 liest. Dann spare ich mir ein bisschen meine Stimme, die heute schon einigermaßen angeschlagen ist. Liest jemand bitte die Verse 1 bis 5 aus Römer 9?
Einführung in das Thema Erwählung und Vorherbestimmung
Wobei mein Gewissen im Zeugnis gibt, heiliger Geist, sich große Traurigkeit und unabfällige Schmerzen haben bei Ärzten, wenn ich selbst… Ich habe gewünscht, der Flut zur Seite und Christus weg für meine Brüder, meine Verwandten nach dem Fleisch. Dies sind die, deren Sohnschaft ist und die Ehrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Gottesdienst und die Verheißung. Deren die Feder sind und aus dem Fleisch nach, der Christus ist, der über allem ist. Gott sei gepriesen in Ewigkeit.
Also Israel hat große Vorrechte. Paulus sagt, dass er ein großes Anliegen hat für Israel. Er wünscht, dass sie gerettet werden – ein großes Herzensanliegen. Am liebsten würde er Platz machen. Er sagt praktisch: Wenn ich jetzt Platz machen könnte, ginge ich raus aus Christus, damit ihr rein könnt. Ich komme dann später rein oder so. Ich weiß nicht genau, was er meint. Das ist auch nicht wichtig. Jedenfalls ist er bereit zu verzichten, damit sie hineinkommen können.
Das geht natürlich nicht. Aber er sagt, sie sind Israeliten, sie haben die Sohnesstellung. Gott hat Israel als seinen erstgeborenen Sohn angenommen, als sein Volk. Sie haben das Gesetz, den Gottesdienst und die Verheißungen. Und von ihnen kommt der Messias.
Die Bedeutung von Israels Vorrechten und die Frage nach dem Wort Gottes
Vers 6 bedeutet jedoch nicht, dass das Wort Gottes hinfällig geworden wäre. Man fragt sich: Welches Wort Gottes meint er jetzt?
Es geht um die Verheißungen. Die Israeliten haben Verheißungen erhalten, und nun sagt er, dass nur die Christen – also die Juden, die Jesus Christus in Gnade angenommen haben – das Heil bekommen.
Die nächste Frage wäre natürlich sofort: Was ist mit dem Rest Israels? Heißt das also, dass die Verheißungen, die Gott dem Volk Israel gegeben hat, jetzt alle hinfällig sind?
Er sagt nein. In Vers 6, in der Mitte, heißt es: „Denn nicht alle, die aus Israel sind, sind Israel.“
Das bedeutet, dass nicht alle, die aus Israel stammen, auch wirklich Israel sind – zumindest nicht zur Zeit von Paulus. Versetzen wir uns in diese Zeit hinein, etwa im Jahr 57 nach Christus.
Nicht alle Israeliten, die sich damals Israeliten nannten, waren von Gott anerkannte Israeliten.
Die wahre Bedeutung von Israels Nachkommenschaft
Vers 7: Noch sind alle Kinder nur deshalb Kinder, weil sie Abrahams Same sind. Aber nicht alle Juden sind das wahre Israel. Nur weil man von Abraham abstammt, ist man nicht automatisch das wahre Israel.
Schon in Kapitel 2 hat Paulus gesagt, dass diejenigen, die nach dem Fleisch beschnitten sind, nicht ausreichen. Die Fleischbeschnittenheit allein reicht nicht aus; man muss auch geistlich beschnitten sein.
Es sind also nicht alle Kinder Gottes nur deshalb, weil sie Nachkommen Abrahams sind oder nach seinem Samen kommen. Man kann sich nicht auf die fleischliche Abstammung von Abraham berufen. Das nützt nichts. Wenn man Christus nicht annimmt, ist man ausgeschlossen.
Dann zitiert Paulus ein Wort: „Sondern in Isaak wird dir ein Same genannt werden.“ Das bedeutet, dass Gott zu Abraham gesagt hat, dass die Verheißungslinie nur über Isaak geht, nicht über Ismael. Abraham hatte zwei Söhne, Ismael und Isaak, aber die Verheißung gilt nur Isaak.
Paulus zieht daraus eine Schlussfolgerung: Es sind nicht die Kinder des Fleisches, die Kinder Gottes sind, sondern die Kinder der Verheißung werden als Same gerechnet. Er sagt: Schaut, wie es damals war: Abraham hatte zwei Kinder, aber nur der Sohn der Verheißung gilt als die wahre Nachkommenschaft.
Heute ist es genauso. Es gibt auch zwei Arten von Juden: Die einen sind nur äußerlich von Abraham abstammend, wie Ismael, und die anderen sind geistlich. Diese haben den Messias angenommen, und ihnen gelten die Verheißungen. Das heißt, nur die Juden, die sich bekehrt haben, sind die Empfänger der Verheißungen.
Erläuterung zur geistlichen Erwählung und praktische Hinweise
Und ich habe jetzt eine Bitte an euch: Wenn ihr irgendetwas nicht versteht, könnt ihr mich sofort unterbrechen. Das ist kein Vortrag von einem Professor vor seinen Universitätskollegen. Wir sind hier unter uns. Einfach mich unterbrechen und sagen: „Ich komme nicht mit“, „Es ist mir zu hoch“ oder „Ich verstehe das nicht“. Einfach sagen.
Also, noch einmal: Das heißt, versagt, es sind nicht die Kinder des Fleisches. Das bedeutet, die Juden, die nur von Abraham abstammen, dem Fleische nach, sind nicht automatisch Kinder Gottes.
Nein, sondern die Kinder der Verheißung werden als Same gerechnet. Kinder der Verheißung heißt, die, die die echten Kinder Abrahams sind, die auch die Verheißung bekommen. Das wäre damals Isaak gewesen.
Zur Zeit von Paulus: Wer bekommt die Verheißung? Nur die gläubigen Juden. Es geht um Israel. Die ungläubigen Juden sind draußen, sagt er.
In Vers 9 heißt es: „Denn dieses ist ein Wort der Verheißung: Um diese Zeit werde ich kommen, und Sarah wird einen Sohn haben.“ Das ist der Isaak.
Das Beispiel von Rebekka und die Bedeutung göttlicher Erwählung
Aber nicht nur hier, nicht nur bei Abraham ist es so. Jetzt kommt das nächste Beispiel. Paulus bringt gerade zwei Beispiele: Nicht nur hier ist es so, sondern auch als Rebekka schwanger war von Isaak, unserem Vater.
Also gehen wir noch einmal langsam durch. Zuerst die Geschichte mit Abraham und seinen zwei Söhnen. Die Juden dachten, sie könnten sich auf ihre Abstammung berufen. Ihre Abstammung sei wichtig. Sie sind Israeliten und stammen von Abraham ab.
Doch nun kommt Paulus mit dem Evangelium und sagt: Die Abstammung zählt nicht. Darauf könnt ihr pfeifen. Was zählt, ist die Verheißung. Und die Verheißung gilt nur denen, die die Kinder Gottes nach der Verheißung sind.
Nun, die Kinder Gottes nach der Verheißung sind nicht diejenigen, die den Messias abgelehnt haben. Das hatten die Judenchristen schon verstanden. Die Judenchristen, die den Messias abgelehnt haben, erhalten die Verheißung nicht. Das heißt, sie bekommen keine Zukunft.
Verheißung bedeutet die Erfüllung der Verheißung. Diese Erfüllung wird ihnen nicht zuteil. Das ist die erste Lektion, die Sie lernen: Es geht nicht um fleischliche Abstammung.
Die zweite Lektion: Nicht nur hier ist es so, sondern auch als Rebekka schwanger war von Isaak, unserem Vater, war es so. Denn als sie noch nicht geboren waren und weder Gutes noch Schlechtes getan hatten, damit der Vorsatz Gottes nach Erwählung bestehen bliebe – nicht aus Werken, sondern aus den Rufenden – wurde zu ihr gesagt: Der Größere wird dem Kleinen dienen.
So wie geschrieben steht: Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst (Römer 9,10-13).
Die Bedeutung der Erwählung vor dem Tun und das Beispiel Jakobs und Esaus
Jetzt kommt die nächste Geschichte. Er sagt: Schau, Isaak hat jetzt auch zwei Kinder. Diese beiden Kinder sind noch im Mutterleib von Rebekka. Bevor sie irgendetwas Gutes oder Schlechtes tun konnten, sagt Gott: Jakob, nicht Esau. Jakob habe ich geliebt, Esau habe ich gehasst.
Das Wort „Hass“ klingt bei uns in unseren Ohren etwas brutal. Ich weiß nicht, wie das bei euch in Deutschland ist, aber in der Schweiz wird das Wort „hassen“ auch so verwendet, wie die Hebräer „hassen“ verwenden. Zum Beispiel sagt jemand: „Ich hasse Nudelsuppe.“ Gibt es das bei euch auch so? Im Englischen sagt man auch „I hate noodles“ oder so ähnlich. „Hassen“ sagt man, wenn man etwas nicht so gern mag, so ist es gemeint.
Und die Hebräer meinen es auch so. Wenn sie sagen: „Ich habe Esau gehasst“, dann heißt das nicht, dass sie ihn bis aufs Blut verfolgen oder möglichst bald umbringen wollen. Nein, es hat nichts Emotionales zu tun. Es bedeutet nur, dass er zurückgestellt wird, dass man ihn nicht so gern mag. Das heißt, ich habe mich entschieden: Die Heils-Linie soll nicht durch Esau gehen, sondern durch Jakob.
Jakob liebt dich, Esau hasst dich – übrigens hat das Gott gesagt. Es steht im Buch Maleachi. Das heißt, dieses Wort „Jakob liebte ich, Esau hasste ich“ stammt aus einer viel, viel späteren Zeit, etwa 400 bis 500 vor Christus. Gemeint sind die Stämme Jakob und Esau, die Nachkommen Esaus und die Nachkommen Jakobs. Die Nachkommen Jakobs sollten die Verheißungslinie weiterführen, die Nachkommen Esaus nicht.
Das hat nichts damit zu tun, wie manche meinen, dass der arme Esau in die Hölle kommt und Jakob in den Himmel. Jakob wäre auch nicht einfach so in den Himmel gekommen, liebe Leute. Jakob musste sich auch bekehren. Der betrügerische Jakob wurde nicht einfach geradewegs in den Himmel geschickt – so macht Gott das nicht.
Jakob musste viele Leiden durchstehen, bis der Gott seines Vaters und Großvaters auch der Gott Jakobs wurde. Das dauerte lange. Kennt ihr die Geschichte am Pniel? Am Fluss, wo Gott mit ihm gekämpft hat und ihn schließlich überwunden hat? Das heißt, Jakob wäre fast stärker gewesen als Gott. Der Engel des Herrn hat ihn berührt. Als er ihn berührte, war es mit Jakob vorbei.
Das zeigt, dass Jakob einen sehr starken Willen hat. Er hat seinen eigenen Sturkopf gegen Gott durchgesetzt. Doch dann hat Gott ihn gebrochen – nur durch eine Berührung. Jakob hat das nie vergessen. Seitdem ist er mit einem Stock unterwegs gewesen, dem Stab Jakobs, und seitdem hinkt er. Bei jedem Schritt musste er an jene Nacht denken, in der Gott ihn überwunden hat.
Dabei ging es um seine Kraft zu brechen. Gott erteilte ihm eine Lektion und sagte: „Du bist zu stark, Jakob. Du bist viel zu stark mit deinem Sturkopf, mit deinem fleischlichen Willen.“ Weil er zu stark war, hat Gott ihn zerbrochen. Aber er musste sich auch bekehren.
Es dauerte lange, bis der Gott Isaaks auch der Gott Jakobs wurde. Dann war er wirklich der Gott Jakobs. Jakob erhielt auch einen neuen Namen: Israel. Manchmal nennt Gott ihn so, um zu zeigen, dass eine Veränderung stattgefunden hat. Jetzt gilt er als jemand, der sich dem Allmächtigen übergibt.
Das will er auch jetzt tun. Also noch einmal zurück: „Jakob liebte ich“ heißt nicht, dass Jakob in den Himmel aufgenommen wurde. Es heißt, dass Gott Jakob erwählt hat, noch bevor er geboren war. Wofür hat er ihn erwählt? Damit durch ihn die Linie laufen soll.
Gott hat Abraham erwählt, dann Isaak und dann Jakob. Erwählen und lieben bedeuten hier dasselbe: Ich habe ihn vorgezogen und beschlossen, dass mein irdisches Gottesvolk durch diese Linie laufen soll. Von diesem Gottesvolk soll der Messias kommen.
Manche sagen, das heiße, er habe ihn für den Himmel erwählt. Das stimmt überhaupt nicht. Die Israeliten kamen nicht einfach deshalb in den Himmel, weil sie von Abraham abstammen. Diese falsche Lehre ist falsch.
Man kommt nur in den Himmel, wenn das Herz beschnitten ist. Remia hat gepredigt: „Beschneidet eure Herzen und nicht nur eure Leiber.“ Es musste also eine echte Bekehrung der Israeliten stattfinden. Ohne diese Bekehrung kommt man nicht in den Himmel.
Außerdem ging es damals noch gar nicht um den Himmel. Das war nicht das Thema. Damals war die Erde das Thema. Gott hatte auf der Erde ein Königreich. Das Königreich David war auf der Erde, das Königreich Salomo und so weiter.
Vom Himmel hat man in der damaligen Zeit kaum gesprochen. Das war nicht das Thema. Das Thema war ein herrliches, zukünftiges, ewiges Jerusalem. Und man stellte sich vor, dass es auf der Erde stattfinden würde.
Erwählung als souveräner Plan Gottes und die Bedeutung von Gnade
Jetzt zu unserem Text: Da waren zwei im Bauch, und Gott hat, damit der Vorsatz nach Erwählung bestehen bleibe – nicht aus Werken, sondern aus dem Rufenden – gesagt, der Größere werde dem Kleineren dienen.
Ja, was heißt das? Diese beiden haben weder Gutes noch Böses getan, das kann man im Mutterleib nicht. Und trotzdem hat Gott Jakob erwählt. Was kann man daraus lernen? Es ist eine ganz wichtige Lektion.
Ihr Israeliten, das ist eine Botschaft an die Judenchristen: Ihr Judenchristen seid so stolz darauf, dass ihr Juden seid? Vergesst es! Wenn Gott nach Werken vorgehen würde, dann wärt ihr alle schon weg. Gott geht nicht nach Werken vor, er geht nach Gnade vor.
Und in der Art, wie Gott Jakob berufen und Esau zurückgestellt hat, sieht man, dass Gott nicht nach Werken und Leistungen vorgeht. Die Juden hätten sich sehr gerühmt ihrer Leistungen. Schließlich haben sie den Götzendienst ausgerottet und darauf geachtet, dass die zehn Gebote Gottes eingehalten werden. Sie waren stolz auf sich. Die Juden hatten ja auch Grund dazu nach der Gefangenschaft.
Aber Gott sagt: Nein, es geht nicht nach Fleischesabstammung – siehe Abraham – und es geht nicht nach Werken. Das Heil ist rein aus Gnade.
Jetzt sagt Paulus, zu der Zeit, als er diesen Brief schrieb, gab es zwei Arten von Juden: Einige beriefen sich auf ihre Werke und ihre Abstammung, andere sagten: Nein, nicht unsere Werke, nicht unsere Abstammung, nur Christus, nur Gnade, nur Barmherzigkeit. Wir berufen uns nur auf Barmherzigkeit.
Paulus fragt: Wer sind die wahren Juden? Die, die sich auf Abstammung und gute Werke berufen? Oder die, die sich nur auf die Gnade Christi berufen? Ganz klar: Das wahre Israel sind nur die Juden, die sich auf die Gnade Christi berufen.
Es geht nicht nach Leistung – zuerst bei Abraham, es geht nicht nach Abstammung und zweitens nicht nach Leistung.
Jetzt könnte man fragen: Darf Gott das machen? Das ist doch ungerecht, oder? Jakob hat gar nichts Gutes getan, und Gott wählt ihn einfach aus. Diese Judenchristen, die zum Glauben kamen, haben auch nichts Gutes getan, sie kamen zum Glauben. Und die Heiden sind noch schlimmer: Die bösen Heiden haben nur Böses getan, kamen zum Glauben an Christus und werden einfach nur aus Gnade gerettet.
Das kann Gott so nie machen. Das ist doch ungerecht. Die guten Juden – ja, okay, wenn die gerettet werden, verstehen wir noch. Wenn sie das Evangelium annehmen, dann werden sie gerettet. Gott weiß ja, dass gute Juden es sind. Aber die Bösen? Das kannst du doch nicht machen!
Sag Gott das! Das ist ihm die Gnade, damit er versteht, was Gnade ist. Es geht weder um Abstammung noch um Leistung. Du kannst dich auf gar nichts berufen, du darfst dich nur auf die Barmherzigkeit Gottes berufen.
Wer hat diese Regel gegeben? Gott hat diese Regel gegeben.
Darf Gott so etwas machen? Man kann sagen: Nein, Gott, du musst nach Werken gehen, das geht nicht. Darf Gott barmherzig sein? Ist es erlaubt, dass Gott auch den Heiden, den schmutzigen, sündigen Heiden einfach Barmherzigkeit schenkt? Darf er das?
Das ist keine Frechheit, das darf Gott, weil Gott sein Heil aus Barmherzigkeit gibt und nicht aus Werken.
Die Frage nach Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit am Beispiel Pharaos
Lesen wir weiter in Vers 14: Was werden wir also sagen? Gibt es etwa Ungerechtigkeit bei Gott, weil er nicht nach Werken richtet? Ist das Ungerechtigkeit? Die frommen Juden, die seit der babylonischen Gefangenschaft bis zur Zeit von Paulus treu waren, waren sie etwa benachteiligt? Das darf nicht sein, denn Gott sagt zu Mose: „Ich werde barmherzig sein, mit wem ich barmherzig sein werde.“ Darf er das? Darf Gott sich erbarmen, wem immer er will? Oder sollte er einen Unterschied machen zwischen Heiden und Juden? Das ist die Frage. Darf Gott so handeln? Natürlich darf er das.
In Vers 16 heißt es: Es kommt also nicht auf das Wollen oder Laufen des Menschen an, sondern auf Gottes Barmherzigkeit. Paulus sagt hier, es geht überhaupt nicht um euer Wollen oder eure Anstrengungen. Ja, die Juden haben viel gewollt, gute Vorsätze gehabt und für Gott gelebt. Sie sind für den Herrn gelaufen seit der babylonischen Gefangenschaft, haben einen Tempel gebaut und Gottesdienste eingerichtet. Aber Paulus sagt: Vergesst euer Laufen! Es geht nicht um euer Wollen oder eure Werke, sondern allein um Gottes Barmherzigkeit. Beim Evangelium zählt nicht das Wollen oder Laufen, sondern nur die Barmherzigkeit.
Denn die Schrift sagt zu Pharao: „Eben hierzu habe ich dich aufgestellt, damit ich an dir meine Kraft zeige und damit mein Name auf der ganzen Erde bekannt wird.“ Hier kommt ein weiteres Beispiel mit Pharao. Gott sagt, er habe Pharao aufgestellt, um an ihm seine Macht zu zeigen und seinen Namen weithin bekannt zu machen. Das ist reine Barmherzigkeit.
Die Schlussfolgerung von Paulus lautet: Gott ist barmherzig, wem er will, und er verhärtet, wen er will. Wen hat er barmherzig behandelt? Pharao hat er verhärtet, das ist klar. Wem war er damals barmherzig? Dem Volk Israel. Mose und das Volk hatten Gnade erfahren, denn Gott hatte sich ihnen gezeigt und sie befreit. Aber Gott hatte einen noch größeren Plan: Er wollte, dass noch mehr Menschen seine Barmherzigkeit kennenlernen.
An wen dachte Gott, als er Pharao verhärtete? Was war der Zweck der Verhärtung des Pharaos? Nicht nur, um einen Pharao auszuschalten. Pharao hätte das Volk Israel längst töten können, doch Gott ließ ihn leben. In Vers 17 steht in der Mitte: „Damit er zeigt, wie groß und mächtig er ist, und damit sein Name weithin bekannt wird.“ Wer soll das sehen? Die ganze Welt. Gott hatte die ganze Welt im Blick. Er dachte an Kanaan, an die Hure Rahab, an die Kanaaniter, Amoriter, Moabiter und alle Völker. Gott möchte alle retten. Der Zweck, warum er Pharao verhärtete, war, dass alle Völker etwas von Jahwe und seinen großen Taten erfahren.
Ist das nicht interessant? Aus Barmherzigkeit gegenüber der ganzen Welt nimmt Gott den Pharao und sagt: „Jetzt kommst du an die Reihe, Pharao, ich gebrauche dich für meine Zwecke.“ Fünfmal hat Gott ihm gesagt, er solle das Volk ziehen lassen, fünfmal hat Pharao Nein gesagt. (Siehe 2. Mose 9,13-16.) Dort spricht der Herr zu Mose: „Mach dich früh am Morgen auf, tritt vor den Pharao und sag zu ihm: So spricht der Herr, der Gott der Hebräer: Lass mein Volk ziehen, damit sie mir dienen. Denn diesmal will ich alle meine Plagen über dich und dein Volk senden, damit du erkennst, dass niemand auf der ganzen Erde mir gleich ist. Ich hätte dich und dein Volk schon längst mit der Pest schlagen können, so dass du von der Erde ausgelöscht wärst. Aber ich habe dich stehen lassen, um dir meine Macht zu zeigen und damit man auf der ganzen Erde meinen Namen erkennt.“
Es ist also nicht so, dass Gott Pharao von Anfang an verhärtet hätte. Vielmehr heißt es in den ersten sechs Plagen, dass das Herz Pharaos hart war – ein Zustand, keine Handlung Gottes. Erst nach der sechsten Plage heißt es, dass der Herr das Herz Pharaos verhärtet hat.
Schauen wir uns das genauer an: In 2. Mose 7,13 heißt es, das Herz des Pharaos war hart – ein Zustand. In 2. Mose 8,11 heißt es, dass Pharao sein Herz verstockte – eine Handlung von ihm selbst. In 2. Mose 9,12 heißt es dann: „Doch der Herr verstockte das Herz des Pharaos.“ Das ist die erste Stelle, an der Gott aktiv eingreift und das Herz des Pharaos verhärtet.
Das bedeutet, Gott verhärtet nicht willkürlich, sondern nach bestimmten Kriterien und zu einem bestimmten Zweck: zur Verherrlichung Gottes, damit viele von Gott erfahren. Gott verhärtet den Pharao also nicht von Anfang an, sondern erst nachdem dieser sich selbst verhärtet hat.
Manche behaupten, Gott hätte Pharao von Geburt an verhärtet, damit er Gottes Plan erfüllen muss. Das steht aber nicht im Text. Der Text zeigt klar, dass Pharao zunächst selbst sein Herz verhärtete. Erst danach greift Gott ein.
In Römer 9,16 heißt es: „Es kommt also nicht auf das Wollen oder Laufen an, sondern auf Gottes Barmherzigkeit.“ Die Schrift sagt zu Pharao: „Eben hierzu habe ich dich aufgestellt.“ Das heißt nicht „erweckt“ oder „hervorgebracht“, sondern „aufgestellt“ oder „stehen lassen“. Gott hat Pharao am Leben gelassen, nicht geboren oder erweckt, damit er an ihm seine Kraft zeigen kann.
Diese Unterscheidung ist wichtig, weil manche, vor allem in der reformierten Lehre, argumentieren, dass Gott Pharao von Geburt an bestimmt hat, um ihn zu verhärten. Das passt zwar in deren Lehre, aber der Text sagt etwas anderes.
Gott hat Pharao nicht getötet, obwohl er es hätte tun können. Stattdessen ließ er ihn leben, um ihn für seine Zwecke zu gebrauchen. Das zeigt Gottes souveräne Barmherzigkeit und Macht.
Nun zur Frage: Darf Gott das machen? Darf er einen Menschen, der zum Tode durch sein böses Handeln bestimmt ist, am Leben lassen und für seine Zwecke gebrauchen? Ja, er darf. Gott ist souverän und handelt nach seinem Willen.
Der Pharao hatte zunächst einen eigenen Willen und war stur. Doch jetzt sagt Gott: „Jetzt wirst du mir dienen, ob du willst oder nicht.“ Das ist Gottes Recht.
Nun ein kurzer Exkurs zum Thema Tod und Gericht: Der irdische Tod ist die Folge der Sünde Adams (Römer 5,12). Wir alle sind in Adam und tragen die Folge seiner Sünde, nämlich den Tod. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Mensch in die Hölle geht. Die Hölle ist das ewige Gericht, und dieses richtet sich nach den Werken eines Menschen (Römer 2,6).
Wer kommt also in die Hölle? Paulus sagt in Römer 2,6-11, dass Gott jedem nach seinen Werken vergelten wird: denen, die Gutes tun, ewiges Leben; denen, die Böses tun, Zorn und Strafe. Kinder, die noch keine Werke getan haben, kommen nicht in die Hölle. Das Gericht richtet sich nach den Werken, nicht nach der Erbsünde.
Das bedeutet, dass Gott gerecht richtet. Er schickt nicht unschuldige Kinder in die Hölle. Das wäre ein falsches Gottesbild.
Zurück zu Römer 9, Vers 18: „So ist er also barmherzig, wem er will, und verhärtet, wen er will.“ Gott handelt nicht willkürlich, sondern nach Kriterien.
Gegen wen will Gott barmherzig sein? Römer 9 bis 11 geben darauf eine Antwort. Vielleicht sollte man kurz Römer 11,30-32 lesen. Dort heißt es, dass Gott sich über alle erbarmen möchte, Juden und Heiden.
Grundsätzlich will Gott allen Menschen Barmherzigkeit erweisen. Aber gegen manche kann er nicht, zum Beispiel gegen Pharao, bei dem die Barmherzigkeit endet.
Psalm 103 sagt: „Wie ein Vater sich über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.“ Gott hat also Kriterien für seine Barmherzigkeit: Er erbarmt sich über die, die seinen Namen fürchten.
Wenn wir mit Gott zu tun haben, sollten wir uns niemals auf unsere Werke berufen. Wenn wir das tun, sind wir verloren. Doch wenn wir uns auf seine Barmherzigkeit berufen, gibt es Hoffnung.
Mose hat sich beim goldenen Kalb auf Gottes Barmherzigkeit berufen: „Gnädig und barmherzig, der Sünde und Ungerechtigkeit vergibt.“ Gott ist darauf eingegangen. Hätte Mose sich auf Werke berufen, hätte Gott ihn abgewiesen.
Das ist demütigend für die Juden und auch für die Judenchristen, die stolz auf ihr jüdisches Erbe waren. Denn Gottes Gnade gilt allen, die sich auf seine Barmherzigkeit berufen – nicht auf ihre Werke.
Die Herausforderung menschlicher Fragen an Gottes Souveränität
Weiter, Vers 19, jetzt geht es los: Römer 9, Vers 19. Du wirst daraufhin zu mir sagen: Warum tadelt er noch? Denn wer hat seinem Vorhaben widerstanden?
Ja, wenn das so ist, dass Gott sowieso tun kann, was er will, dann kann er doch nicht als Richter auftreten. Er tut ja sowieso, was er will.
Ja, was sagt er? So: Wer, oh Mensch, bist du eigentlich, dass du Gott entgegnest? Wird etwa das Geformte zu dem Former sagen: Warum machtest du mich so? Oder hat der Töpfer nicht Vollmacht über den Ton, aus derselben Masse eingewiesen, zu ehren und anderes zu unehren zu machen?
Jetzt kommt ein Bild aus Jeremia 18, das Bild vom Töpfer und vom Ton. Jeremia 18 zeigt ein Bild, in dem ein Töpfer den Ton formt, und der Ton macht nicht mit.
Dann lesen wir die Stelle, die das vielleicht besser erklärt: Jeremia 18, Verse 3 bis 6. Ich gehe in das Haus des Töpfers hinein, und siehe, er ist gerade mit der Arbeit auf der Scheibe beschäftigt. Das Gefäß, das er aus dem Ton machte, missriet in der Hand des Töpfers, und er machte wieder ein anderes Gefäß daraus.
Es ist offensichtlich, dass es das Recht des Töpfers ist, so zu tun. Und das Wort des Herrn geschah zu mir: Kann ich nicht mit euch ebenso verfahren, wie dieser Töpfer? Spricht der Herr. Siehe, wie der Ton in der Hand des Töpfers, so seid auch ihr in meiner Hand, Haus Israel.
Ja, das Haus Israel ist der Ton, und Gott ist der Töpfer. Dieser Töpfer macht hier das Bild: Er macht ein Gefäß, und der Ton macht nicht mit. Der Ton liegt ihm nicht in der Hand, er macht nicht mit. Was macht er? Er wirft den Ton zusammen und macht ein anderes Gefäß daraus, so wie er wollte.
Darf das ein Töpfer machen? Klar, darf er das. Er ist ja der Töpfer.
Und jetzt kommt die Anwendung: Ihr Israeliten, ihr seid der Ton, Gott ist der Töpfer, und er will euch formen. Er will euch zu einem Gefäß der Ehre machen, vielleicht zu einem Hochzeitstopf, einem Suppentopf für die Hochzeit.
Jetzt macht der Ton nicht mit, und der Töpfer haut ihn zusammen und macht einen Nachttopf daraus. Darf er das machen, wenn der Ton nicht mitmacht? Natürlich darf er das machen. Schau, was im Text steht:
Einmal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es auszureißen, niederzubrechen und zugrunde zu richten. Kehrt aber jedes Volk, über das ich geredet habe, von seiner Bosheit um, lasse ich mich des Unheils gereuen, das ich ihm zu tun gedachte.
Und ein anderes Mal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es zu bauen und zu pflanzen. Tu das aber, was in meinen Augen böse ist, indem es auf meine Stimme nicht hört, so lasse ich mich des Guten gereuen, das ich ihnen zu erweisen zugedacht habe.
Darf ich einfach jetzt eine Strafe verhängen? Darf ich machen, was ich will mit dem Volk, das mir nicht gehorcht? Das ist Gott. Natürlich darf er machen, aber er handelt nach Kriterien.
Gottes Vollmacht über Sein Volk und die Geduld mit den Gefässen des Zorns
Nun kehren wir zurück zum Bild und zum Text in Römer 9. Vers 21 lautet: „Oder hat der Töpfer nicht Vollmacht über den Ton?“ Wir befinden uns in Römer 9, Vers 21. Dort heißt es: „Wer bist du, oh Mensch, dass du Gott entgegnest? Wird etwa das Geformte zu dem Formenden sagen: Warum hast du mich so gemacht? Oder hat der Töpfer nicht Vollmacht über den Ton, aus derselben Masse ein Gefäß zur Ehre und ein anderes zur Unehre zu machen?“
Weiter heißt es: „Wenn aber Gott, da er seinen Zorn erzeigen und seine Kraft kennenlassen wollte, in viel Geduld die Gefäße des Zorns, die für das Verderben fertig geworden waren, ertrug – was willst du sagen?“ Die Frage lautet also: „Was willst du sagen?“ Wer bist du, Mensch, dass du Gott antwortest? Wer bist du, Mensch, dass du Gott entgegnest? Diese Frage wird wiederholt. Um diese Frage geht es: Wer bist du, Mensch, dass du aufstehen und zu Gott sagen kannst: „Gott, das kannst du nicht machen“?
Wenn Gott, da er seinen Zorn erzeigen und seine Kraft kennenlassen wollte, in viel Geduld die Gefäße des Zorns, die für das Verderben fertig geworden waren, ertrug – so die Frage: Wer sind diese Gefäße des Zorns, die Gott so lange getragen hat? Von wem spricht Paulus hier? Gott trägt und trägt in Geduld die Gefäße des Zorns. Wer sind diese Gefäße des Zorns?
Es ist Israel, nicht der Pharao, sondern das Israel zur Zeit von Paulus. Wisst ihr, wie lange er sie getragen hat? 27 Jahre. Kannst du dir das ausrechnen? Der Herr Jesus wurde im Jahr 30 gekreuzigt. Eigentlich hätte er die Juden vernichten können für die Kreuzigung des Messias. Das wäre sein gutes Recht gewesen. Der Messias war drei Jahre in Israel und hat drei Jahre Wunder und Zeichen vor dem Obersten des Volkes getan. Er hat lange gewartet. Jetzt töten sie den Messias – das Schlimmste, was man tun kann. Der Weinbergbesitzer schickt seinen eigenen Sohn, und jetzt bringen sie den Sohn um. Was wird der Besitzer des Weinbergs nun tun? Er wird seine Truppen schicken und sie alle umbringen, oder?
Er hätte sie am Tag der Kreuzigung alle umbringen können, und zwar wäre das sein gutes Recht gewesen. Doch was hat er getan? Er zeigte Barmherzigkeit. Er trug die Juden in Geduld – nicht nur ein Jahr oder zwei, sondern bis zum Jahr 57, als dieser Brief geschrieben wurde. Paulus schreibt genau zu dieser Zeit, im Jahr 57, also auf der dritten Missionsreise, auf dem Rückweg Richtung Jerusalem, schreibt er diesen Römerbrief. 27 Jahre lang hat Gott dieses Volk getragen, nachdem sie den Messias getötet hatten, und er ist nicht eingeschritten wie beim Pharao.
Wisst ihr, was das Vergleichsbild ist? Israel ist der Pharao, das ist das Bild. Der Ton, der zum Verderben fertig gemacht ist – warum ist der Ton zum Verderben fertig? Ich weiß nicht, wie das bei euch heißt, aber hier heißt es eigentlich „fertig gemacht“. Das bedeutet, durch seine bösen Taten hat sich der Ton zum Untergang bereitet. Nicht Gott hat ihn bereitet – welcher Gedanke! Gott hat nichts Böses bereitet. Nein, der Pharao hat sein Herz zum Bösen bereitet. Der israelitische Ton hat sein Herz zum Gericht bereitet. Das ist längst gerichtsreif. Gott wartet in Geduld und Geduld und richtet das Volk Israel nicht. Man denkt sich: Gott, wie lange willst du überhaupt noch warten mit Israel?
Jetzt fragt Paulus: Darf Gott das machen? Darf Gott so etwas tun? Hat er das Recht, so etwas zu tun? Barmherzig zu sein über ein so gerichtsreifes Volk? Hat er das Recht dazu? Ein so barmherziger Gott – das gibt es doch nicht. Er hätte doch längst eingreifen müssen. Das hat er aber nicht getan. Wer bist du, Mensch, dass du ihm hinderst?
Jetzt geht es weiter, lesen wir weiter, wir sind noch nicht fertig. „Und wenn er dieses tat, damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit erkennen lasse, die er im Voraus zu Herrlichkeit bereitete.“ Nämlich an uns, die er auch rief – nicht nur von den Juden, sondern auch von den Heiden.
Entschuldigung, wir haben noch eine Frage zu Vers 22. Da steht bei mir in der Übersetzung „zum Verderben“. Oh nein, wirklich? Welche Übersetzung ist das? Durchstreichen! „Bestimmt“ steht überhaupt nicht im griechischen Text. Sie wurden durch sich selbst bereitet, wie Pharao sich bereitet hat. „Bereitet“ muss hier stehen: sich bereitet oder fertig gemacht, also „zum Verderben fertig“. Welch ein furchtbarer Gedanke!
Dann verstehe ich schon, warum manche auf komische Ideen kommen. Also noch einmal: „Und wenn er dieses tat, damit er …“ – bitte, dieser Gedanke in Vers 23 ist für mich der Höhepunkt, das war für mich ein Augenöffner: „Wenn er dieses tat, damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit erkennen lasse.“ Wer sind denn die Gefäße der Barmherzigkeit? Alle Gläubigen aus den Heiden und aus den Juden, die Christus angenommen haben.
Warum sind sie Gefäße der Barmherzigkeit? Worauf haben sie sich berufen? Nur auf die Gnade und auf nichts anderes. Herr, nicht unsere Abstammung, nicht unsere Werke, nur deine Gnade – das sind die Gefäße der Barmherzigkeit.
Und jetzt noch einmal die Frage: Warum hat Gott Israel 27 Jahre in Geduld getragen? Was war der Zweck? Was sagt der Text? Vom Jahr 30 bis zum Jahr 57 sind es 27 Jahre. Warum hat er die Juden so lange getragen? Er trägt sie noch weiter, noch dreizehn Jahre, bis zum Jahr 70 wartet er noch. Wissen wir inzwischen – Paulus wusste das natürlich nicht –, wie lange er noch warten wird.
Also noch einmal die Frage: Was war der Zweck? Warum hat Gott mit Israel, den Gefäßen des Zorns, so lange gewartet? Wozu? Was sagt der Text? Damit er an den Gläubigen, an den Gefäßen der Barmherzigkeit, den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue.
Der Text sagt es nur mit diesem einen Satz, oder? Damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit erkennen lasse. Also noch einmal: Wenn wir Vers 22 lesen: „Wenn aber Gott, da er seinen Zorn erzeigen und seine Kraft kennen lassen wollte, in viel Geduld die Gefäße des Zorns, die für das Verderben fertig geworden waren, ertrug – was willst du sagen, oh Mensch?“
Und wenn er das tat, „damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit erkennen lasse.“ Wir haben also zweierlei: Gott will seine Kraft an den Gefäßen des Zorns erkennen lassen, aber da wartet er noch. Er lässt den Zorn wachsen. Es ist noch nicht voll, der Zorn. Der Tag des Zorns kommt erst. Er sagt, sie häufen sich Gericht auf Gericht für den Tag des Zorns, immer mehr.
Und an den anderen, an den Gefäßen der Barmherzigkeit, erweist er seine Herrlichkeit. Damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gläubigen, an den Gefäßen der Barmherzigkeit, erkennen lasse, die er im Voraus zu Herrlichkeit bereitete.
Was heißt das? Gott hat die Gefäße der Herrlichkeit im Voraus bestimmt, dass sie Herrlichkeit bekommen sollten. Nicht, dass er bestimmt hat, wer von den Menschen Christ werden wird. Das ist überhaupt nicht das Thema. Er hat bestimmt, dass die Gläubigen, das heißt die Gemeinde Jesu, eine Herrlichkeit erwarten sollten. Das hat er bestimmt.
Vorherbestimmung ist hier zu Herrlichkeit. Er hat nicht einen einzelnen Menschen vorherbestimmt, dass er sich bekehrt und dadurch Herrlichkeit erlangt. Das steht nicht im Text. Es steht, dass die Gefäße des Erbarmens, die den Herrn schon angenommen haben, nach seinem Plan dazu bestimmt sind, eine herrliche Herrlichkeit zu erben.
Von dieser Herrlichkeit berichtete er in Kapitel 8. Wir werden heute wahrscheinlich nicht mehr dazu kommen, mal schauen. Aber ich will diesen Gedanken jetzt noch abrunden.
Der Sinn des Erbarmens Gottes über Israel, dass er sie noch nicht gerichtet hat, war, dass die Heiden hereinkommen, viele, viele von ihnen. Damit er an ihnen den Reichtum seiner Herrlichkeit erweisen könnte – an uns, die er auch rief, nicht nur von den Juden, sondern auch von den Heiden.
Wie er auch in Hosea sagt: „Ich werde nicht mein Volk mein Volk nennen und nicht Geliebte meine Geliebte nennen.“ Das war natürlich unerhört, unerhört! Die Heiden, das Nichtvolk, wird jetzt Gottes Volk genannt. Die Heiden, die Nichtgeliebten, werden jetzt Geliebte genannt.
Darf Gott das tun? Darf Gott die Heiden, die bösen Heiden, rufen, nachdem Israel den Messias verworfen hat? Darf er so etwas machen? Er ist Gott, er darf das machen. Er tut es aus Barmherzigkeit.
Wisst ihr, in Kapitel 11 kommt noch ein Gedanke hinzu. Dort heißt es, dass er durch die Bekehrung der Heiden wie ein Bumerang das Ganze zurückwirken lassen will auf Israel. Er will nämlich durch die Bekehrung der Heiden die Israeliten zur Eifersucht reizen, damit möglichst doch noch ein paar Juden zum Glauben kommen.
Das heißt, die Verhärtung ist nicht eine absolute Verhärtung. Die Verhärtung war nur eine Zeit lang. Damit das Evangelium hinausgeht. In Jerusalem war es so: Dort verhärteten sie sich und steinigten Stephanus.
Was war das Ergebnis der Steinigung von Stephanus? Christenverfolgung in Jerusalem. Und was geschah mit den Christen? Sie wurden vertrieben. Und was entstand dadurch? Die Evangelisierung von Judäa und Samaria.
Dann kam Philippus nach Samarien und so weiter. Die Christenverfolgung ging weiter. Saulus verfolgte die Christen bis nach Damaskus.
Man merkt, die Christen bereiten sich schon über die Grenzen Israels hinaus vor. Sie fliehen überall hin und verkündigen das Evangelium. Es gibt eine Gemeinde in Damaskus.
Dann geht es weiter: Paulus, nachdem er selbst bekehrt war, zieht durch die ganze jüdische Diaspora bis nach Rom, überall den Juden zuerst, den Juden zuerst, überall.
Und überall, wo er hinkommt, wartet er zuerst, bis die Juden Nein sagen. Und wenn sie Nein sagen, sagt er: „Dann gehe ich zu den Heiden.“ Warum sagt er ihnen das? Er könnte ja einfach sagen: „Sie haben Nein gesagt, dann gehe ich zu den Heiden.“ Aber warum sagt er das? Was will er damit bezwecken?
Wenn ihr euch nicht würdig erachtet des ewigen Lebens, dann gehe ich zu den Heiden. Was will er damit erreichen? Eifersucht. „Na warte, Paulus, du sagst, er ist unser Messias, dann kannst du ihn doch nicht den Heiden verkünden.“ Nein, wir möchten ihn doch auch! Irgendwie dieser Gedanke.
Er möchte, dass sich wenigstens einige Juden noch retten lassen, indem sie denken: „Nicht zu den Heiden.“ Und wenn er zu den Heiden geht und viele Heiden sich bekehren, dann soll das eine Eifersucht bei den Juden wecken, dass sie auch noch nacheifern und sagen: „Doch, wir möchten unseren Messias auch noch haben.“
Das ist der Gedanke in Römer 11, zu dem wir heute nicht mehr kommen. Aber ich möchte nur zeigen: Der ganze Gedankengang dieses Abschnitts dreht sich um Juden und Heiden. Es geht darum, dass Gott allen barmherzig ist – allen. Zuerst Israel, dann verwirft Israel, dann wird die Barmherzigkeit den Heiden zugewandt.
Und wenn die Heiden Nein sagen oder wenn die Heiden ihn annehmen, dann entsteht dadurch eine Reizung, damit die Barmherzigkeit wieder zurückkommen kann zu Israel, damit sie sich dann doch auf die Barmherzigkeit stützen und den Messias annehmen, bevor das Gericht kommt.
Als Christus kam, war das Gericht vollendet, da war Schluss, da war die Verhärtung voll. Vorher war die Verhärtung nur teilweise, immer nur in Teilen, dann wurde die Verhärtung absolut – und dann kam das Gericht. Ein schrecklicher Gedanke. Aber es war so.
Die ganze Diaspora, die Juden übrigens, nicht nur die Juden in Israel, hatten ihre Leute eingezogen, von überall her, im Kampf gegen die Römer. Sie kamen nach Israel, um gegen die Römer zu kämpfen und dort zu sterben. Millionen starben – allein in Jerusalem sind 1,1 Millionen Menschen gestorben, in der Stadt. Wie viele auf dem Land und in sonstigen Kriegen gestorben sind, weiß ich nicht.
Ich rede jetzt von den Zahlen des Josephus Flavius, wenn seine Zahlen richtig sind. Aber ich sage: Es war ein furchtbares Gericht, das kam.
Zum Schluss noch Vers 26: „Es wird geschehen, an dem Ort, an dem zu ihnen gesagt wurde: Ihr seid nicht mein Volk, dort werden sie Söhne des Lebendigen Gottes genannt werden.“ Die Heiden nämlich.
Aber Jesaja ruft über Israel aus: Was sagt er über Israel? „Wäre die Zahl der Söhne Israels wie der Sand des Meeres, so wird nur der Überrest gerettet werden.“ Nur wer ist der Überrest? Die gläubigen Juden von damals. Nur die werden gerettet werden.
Denn er ist einer, der sein Wort ganz zu Ende führt und rasch abschließt in Gerechtigkeit. Denn der Herr wird das Wort als ein rasch abgeschlossenes auf der Erde vollführen oder im Lande vollführen.
Das war das Gericht im Jahr 70 nach Christus. Das kam dann rasch, rasch, wie Jesaja zuvor gesagt hat: „Wenn der Herr der Heere uns nicht Samen übrig gelassen hätte, wären wir alle geworden wie Sodom und Gomorra.“
Was werden wir sagen? Die von den Völkern, die nicht nach Gerechtigkeit strebten, erlangten Gerechtigkeit. Sie sind die Gefäße der Barmherzigkeit. Sie haben Gerechtigkeit bekommen, aber nicht eine Gerechtigkeit aus Werken, sondern eine Gerechtigkeit, die aus Glauben ist.
Aber Israel, das einem Gesetz der Gerechtigkeit nachstrebte, gelangte nicht zu einem Gesetz der Gerechtigkeit. Weshalb nicht? Weil es nicht aus Glauben geschah, sondern aus Gesetzeswerken. Denn sie stießen sich an dem Stein des Anstoßes.
Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.
Zusammenfassung und Ausblick
Wir machen hier Schluss, denke ich. Es gibt noch Fragen von eurer Seite? Versteht ihr, was wir jetzt gemacht haben?
Wir haben versucht, einen Text durchzugehen und dabei einige exegetische Regeln befolgt. Exegetische Regeln bedeuten, den Zusammenhang zu beachten. Wir haben versucht, die Parallelstellen zu berücksichtigen, die angegeben wurden. Außerdem haben wir den gesamten Zusammenhang bis Kapitel 11 beachtet, um zu verstehen, was mit Barmherzigkeit gemeint ist.
Wir sind Vers für Vers seinem Gedankengang gefolgt. Das ist Bibelstudium, das ist unsere Aufgabe. Wir haben nicht versucht, eine vorgefasste Meinung auf den Text zu drücken, sondern aus dem Text heraus den Sinn zu erfassen, worum es eigentlich geht. Dabei kommen wir zu einem ganz anderen Ergebnis als Calvin.
Ich habe nichts gegen Calvin, er ist auch nur ein Mensch. Aber wir müssen ihm nicht folgen, nur weil er Calvin heißt. Er hat hier einen Fehler in der Auslegung gemacht. Gut, Fragen?
Sie haben gesagt, dass das die zweite Vision ist, dass es aus Gnade ist. Aber ich erinnere hier daran, dass es nach der Auswahl ist.
Ja, okay, es tut mir leid. Ich hätte nicht „Gnade“ sagen sollen, sondern „Auswahl“. Das war von mir eine Ungenauigkeit. Der Vorsatz Gottes geht nach Erwählung. Gott hat beschlossen, Jakob zu wählen. Wir können ihm nichts anderes vorschreiben. Wir können nicht sagen: „Gott, das kannst du nicht machen, du kannst nicht Jakob wählen, ich bin dafür, dass du Esau wählst.“
Wenn zwei Kinder da sind und es soll nur ein Volk werden, durch das der Messias kommt, dann darf Gott entscheiden, welches von den zwei Kindern es wird. Und er hat sich für Jakob entschieden. Warum genau, weiß ich auch nicht. Es sollte alles nach dem Plan Gottes und dem Motto der Erwählung gehen. Das heißt, Gott darf Abraham, Isaak und Jakob erwählen. Das ist echte souveräne Auswahl.
Da gehe ich absolut parallel mit den Calvinisten, haben Sie recht. Gott hat in absoluter Souveränität Abraham, Isaak und Jakob ausgewählt, und niemand konnte ihn daran hindern. Er hat es nicht wegen Werken getan, sondern wegen Auswahl. Es war sein Plan. Wer will seinem Plan widerstehen?
Aber bitte nicht falsch verstehen: Das war keine Erwählung zum Himmel und zur Hölle, das war damals überhaupt nicht das Thema. Damals ging es nicht um Himmel und Hölle, sondern um das Königreich Israel. Das war ein irdisches Reich, kein Himmel und Hölle. Versteht ihr?
Also geht es hier um die Auswahl Gottes, die sein Plan ist. Ich habe gesagt, es gibt zwei Erwählte. Die eine Linie heißt Abraham, Isaak, Jakob. Ich habe jetzt eins gesagt, weil das einst dasselbe ist: Abraham, Isaak, Jakob – das ist die eine Erwählung. Die andere Erwählung ist Christus.
Im alten Volk, das alte Volk ist in Abraham, Isaak und Jakob. Das neue Volk ist in Christus. Das ist die Erwählung, nicht einzelne Personen. Es geht nicht um einzelne. Die Jünger waren einzelne, das haben wir gestern besprochen. Die Jünger hat er erwählt, aber wozu? Nicht für den Himmel, sondern damit sie Frucht bringen.
Johannes 15, das sind jetzt die Jünger Jesu, die zwölf oder elf in dem Fall. Ich habe euch nicht zwölf erwählt? Einer von euch ist ein Teufel. Zwölf hat er erwählt, also Judas war auch ein Erwählter. Wenn wir streng sind, Philipp, Judas war ein Erwählter, eindeutig.
Im biblischen Bericht war er erwählt zum Jünger Jesu und war ein Schaf Christi. Ja, ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Das heißt, der Herr Jesus vergleicht die Jünger, seine Diener, mit Schafen. Und Judas war ein Diener Christi und ein Schaf, geschickt mitten unter die Wölfe.
In Matthäus 10 werden alle zwölf genannt, Judas ist als letzter aufgeführt. Auch unter denen, wo er sagt: „Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe.“ Das heißt, ihr seid meine Leute, Judas inklusive. Ich sende euch unter die Wölfe.
Das Bild muss man sich vorstellen: Schafe, die unter die Wölfe geschickt werden, nicht zum Fraß, sondern zum Dienst für den Herrn. Der Herr will sie behüten, auch den Judas. Judas war genauso erwählt wie die anderen zwölf Apostel. Aber jetzt geht es um die Apostel, und Judas hat sich verscherzt.
Das hat er sich selbst zuzuschreiben. Der Herr sagt: „Ich habe sie alle bewahrt, einen nicht.“ Wieso hat er einen nicht bewahrt? Er sagt in Johannes 17: „Ich habe sie alle bewahrt, mit Ausnahme von Judas, dem Sohn des Verderbens.“
Warum hat er ihn nicht bewahrt? Weil Gott gesagt hatte, es wird einen Verräter geben. Aber deshalb hat Jesus nicht gesagt: „Ach du armer Judas, tust mir ja so leid.“ Die Bibel sagt das, aber Jesus hat ihm auch nicht geholfen oder ihn bewahrt, weil es geschrieben steht, dass Judas ihn verraten muss.
Nein, das hat der Herr nicht getan. Der Herr hat Judas geworben. Mehrmals hat Jesus zu ihm gesprochen. Einmal in der Apostelgeschichte, in Johannes 13, bietet er ihm den Bissen an – den ersten Bissen von allen, die da zu Gast geladen waren. Das ist der Ehrengast.
Er bietet Judas den Bissen an, Judas nimmt ihn und geht hinaus. Statt zusammenzubrechen und zu sagen: „Oh Herr, meine elende Geldsucht, bitte vergib mir, kannst du mir nicht helfen? Ich habe eine furchtbare Sache gemacht, ich habe dich verraten,“ passiert nichts.
Dann kommt Jesus zu Judas und sagt: „Judas, verrätst du den Menschen so mit einem Kuss?“ Warum sagt Jesus das zu Judas? Was will er damit bezwecken? Braucht er ihm das überhaupt zu sagen? „Ah, armer Judas, du bist halt vorherbestimmt, mich auszuliefern, mach deinen Job, du kommst sowieso in die Hölle.“
Nein, Jesus sagt: „Judas, du verrätst den Menschen so mit einem Kuss? Weißt du, was du tust? Ist dir bewusst, wessen Werkzeug du geworden bist? Du könntest noch umkehren.“ Aber nichts passiert, es tut ihm leid, aber zur Umkehr reicht es nicht.
Ah ja, er war vorherbestimmt, der arme Judas, der muss leider in die Hölle gehen, er muss sein Spiel fertig spielen. Ist das Gott, der so denkt? Nein! Wenn Gott etwas weiß, dann bestimmt er es nicht unbedingt fest. Gott kann etwas wissen, ohne es zu bestimmen. Er kann sein Gewissen auf die Seite stellen, das hat er oft getan.
Also nochmals: Judas war ein Erwählter. „Habe ich euch nicht die zwölf erwählt?“ Und einer von euch ist ein Teufel. Er ist es geworden, mittlerweile. Er hat sich in den drei Jahren abgewandt. Am Anfang war er anders als am Ende. Da ist etwas im Herzen von Judas passiert.
Nicht wegen Vorherbestimmung, sondern wegen Geldsucht, Habsucht, Egoismus und so weiter. Das heißt, wir müssen aufpassen und nichts in die Schrift hineinlesen, was dort nicht steht.
Der Herr will alle seine Jünger bewahren, manche lassen sich nicht bewahren. Der Herr – einer hat die Frage gestellt, darauf möchte ich noch eingehen: Warum steht in Johannes 17 so klar – Johannes 17, Vers 12, glaube ich –: „Als ich bei ihnen war in der Welt, bewahrte ich sie in deinem Namen. Die, die du mir gegeben hast, beschützte ich, und keiner von ihnen kam um.“
Heißt das, dass kein Mensch, der einmal Christ wird, je abfallen kann? Keiner von ihnen kam um – und jetzt kommt nur der Sohn des Verderbens. Der Sohn des Verderbens, von dem die Schrift redet, war genauso in der Schar derer, die Jesus beschützte.
Hätte er sich beschützen lassen, hätte Jesus ihn auch beschützt. Das heißt, man kann sich beschützen lassen oder nicht. Es liegt am Menschen. Aber wenn jemand beschützt wird, dann war es Jesus, der ihn beschützt hat.
Wenn jemand nicht beschützt wird, dann war es der eigene Ego-Wille, der sich nicht beschützen lassen hat. Das lehrt die Schrift klar.
Es ist nie Jesus’ Schuld, wenn jemand nicht mehr da ist. Gib niemals Jesus die Schuld, wenn jemand abgefallen ist. So war es nicht der Herr schuld.
Einer hat mir mal gesagt: „Gott ist so schwach, der kriegt es nicht mal hin, alle seine Gläubigen zu bewahren.“ Was für ein Gedanke von einem Gott!
Gott bewahrt schon. Da ist ein vollkommener Ehemann, und seine Frau läuft davon. Mensch, ist das ein Schwächling, der Ehemann, der kriegt es nicht mal hin, dass seine Ehefrau bei ihm bleibt?
Gibt es einen vollkommenen Ehemann, dessen Frau davongelaufen ist? Ich kenne einen. Ich kenne einen vollkommenen Ehemann, der nie gesündigt hat und dessen Frau davongelaufen ist. An wen denke ich? Du weißt es.
Der Herr, der Herr, er ist der vollkommene Ehemann Israels. Was hat seine Frau gemacht? Sie ist davongelaufen. Er musste sie strafen. Lest Hesekiel 16 und Hesekiel 23.
Die Ehefrau Gottes ist ihm davongelaufen, sie hat Ehebruch mit den Götzen Ägyptens, Assurs und so weiter getrieben – Jerusalem, Israel, die Tochter Zion.
Er war der vollkommene Ehemann, verheiratet mit ihr, ein Bund geschlossen. Er hat den Bund gehalten, sie war untreu.
So ein Schwächling, der es nicht geschafft hat, seine Ehefrau zu bewahren, dass sie nicht davonläuft? So ein Schwächling, der Gott?
Was soll er sagen? War es die Schwäche Gottes, dass ihm die Frau davonlief? Liegt es an Gott?
„Ah ja, hat er vorherbestimmt, Herr Supergott, heirate eine Frau, und hat vorherbestimmt, dass sie Ehebruch begeht.“ Na wunderbar, so ein Nonsens!
Gott hätte vorherbestimmt, dass seine Frau Ehebruch begeht? Was für ein Gottesbild, versteht ihr?
Hier ist ein Gott, der seine Frau liebt, der alles für sie tut. Sie begeht Ehebruch, er muss sie richten nach dem Gesetz der Ehebrecherinnen – Steinigung. Hesekiel 23 beschreibt das, Jeremia gibt ihr den Scheidebrief, lässt sich von ihr scheiden.
Unser Gott wartet. Er hat eine Bundesbeziehung, eine Ehebeziehung mit seinem Volk. Er zwingt seine Ehefrau nicht zur Treue, er zwingt nicht. Das kannst du, das kriegst du nicht.
Dadurch wirst du nie jemanden gewinnen, indem du ihn zur Treue zwingst.
Ich schließe. Römer 8 müssen wir anders mal machen.
Oder haben Sie noch Fragen? Wir haben jetzt ziemlich lange zugehört, bitte.
Anmerkungen zur Erfüllung der Schrift und dem Umgang mit theologischen Fragen
„Auf dass die Schrift erfüllt wird.“ Für mich klingt das so, als ob er damit ausdrücken wollte, dass er doch dafür bestimmt war. Hast du schon einmal ein Bibelstudium zum Ausdruck „auf dass die Schrift erfüllt würde“ gemacht? Es ist ganz einfach: Gib diesen Ausdruck in den Computer ein und schaue dir jede Stelle im Neuen Testament an. Dabei kannst du prüfen, ob es sich um eine Bestimmung handelt oder ob es einfach nur eine Feststellung ist.
Du wirst eine interessante Entdeckung machen: Es ist nur eine Feststellung, keine Bestimmung. Der Ausdruck „auf dass die Schrift erfüllt würde“ kommt sehr oft vor. Es ist eine reine Feststellung, die einen Bezug zum Alten Testament herstellt. Sie zeigt, dass Gott Dinge im Alten Testament vorausgesagt hat, die im Neuen Testament geschehen. Aber diese Dinge geschehen nicht, weil sie bestimmt sind, sondern es wird lediglich die Tatsache gezeigt, dass die Schrift wahr ist. Das ist der Sinn des Ausdrucks „auf dass die Schrift erfüllt würde“.
Ich weiß, dass sich die Calvinisten über solche Stellen freuen und sie für ihre Lehre verwenden. Doch das ist nicht beabsichtigt und steht so nicht im Text. Ein reines Bibelstudium zeigt das klar. Macht selbst dieses Bibelstudium und schaut euch alle Stellen an. Ich habe die Stellen jetzt auch nicht parat, sonst würde ich sie mit euch gemeinsam durchgehen. Aber es ist nicht schwer, das kann ich heute Nacht noch machen.
Der Ausdruck dient nur dazu, das Vertrauen in die Schrift zu fördern. Gott will alles tun, um unser Vertrauen in die Schrift zu stärken und zu zeigen: Schaut, alles ist wahr und hängt zusammen. Es hat nichts damit zu tun, dass Judas vorherbestimmt war. War er nicht. War er nicht.
Fragst du, was gewesen wäre, wenn er Buße getan hätte? Das weiß ich auch nicht. Aber es ist Tatsache. Und was wäre, wenn Adam nicht gesündigt hätte? Auch das weiß ich nicht. Aber jetzt kommt die Philosophie ins Spiel, und da sind die Calvinisten Meister. Sie fangen an zu philosophieren, was gewesen wäre, wenn. Und dann kommen die tollsten Gedanken. Das ist aber nicht unsere Aufgabe.
Deshalb habe ich heute gesagt: Wo die Schrift redet, lassen wir sie reden. Wo die Schrift schweigt, schweigen wir auch. Ich habe auch nicht die Antwort darauf, warum sich ein Mensch bekehrt und der andere nicht. Und warum Judas wegging und die anderen nicht. Diese Antworten werden wir auch nie bekommen. Aber wir wollen dort sprechen, wo die Schrift spricht, und schweigen, wo die Schrift schweigt.
Ich weiß nicht, woher das Böse kommt. Keine Ahnung, wie Satan entstanden ist und wie das Böse in Satan kam. Das ist aber nicht unsere Aufgabe. Es gibt genügend Fragen in der Schrift, bei denen Gott sagt: Das sage ich euch nicht. Wir sind nicht Götter. Wir müssen das akzeptieren. Aber wir dürfen nur dort reden, wo die Schrift redet, und nur so reden, wie die Schrift redet.
Manche Calvinisten oder Augustinus und andere Philosophen machen sich gerne Gedanken über alles Mögliche, wie Gottes Beweise und Ähnliches. Thomas von Aquin ist auch so einer. Sie haben sich viele Gedanken gemacht. Thomas von Aquin und Augustinus sind die großen Kirchenlehrer der katholischen Kirche. Sie waren Philosophen und haben die Kirche mit ihren philosophischen Gedanken geprägt. Aber sie waren nicht bibeltreu, das heißt, sie haben sich nicht streng nur an die Bibel gehalten und nur das gesagt, was die Bibel sagt.
Das müssen wir aber tun. Gott erwartet von uns, dass wir so demütig sind und nur dort reden, wo die Schrift redet. Das ist schwer, denn es gibt Fragen, zu denen die Schrift nichts sagt. Dann lassen wir es offen. Aber zu sagen, das sei vorherbestimmt gewesen, das geht über die Schrift hinaus. Die Schrift sagt das nämlich nicht.
Jetzt habe ich genug gesagt. Also, dann beten wir.
Empfehlungen zum Bibelstudium und Umgang mit Bibelübersetzungen
Man merkt schon, dass es Unterschiede gibt, welche Übersetzungen wir eher empfehlen.
Im Alten Testament verwende ich bewusst die Elberfelder Übersetzung. Dabei gibt es auch Unterschiede, aber vor allem die revidierte Version orientiert sich manchmal am griechischen Text statt am hebräischen Urtext. Meiner Meinung nach sollte man nicht nach einer griechischen Übersetzung gehen, wenn ein hebräischer Urtext vorliegt. Man sollte den hebräischen Urtext verwenden. Die alten Elberfelder Übersetzungen halten sich an den hebräischen Text. Deshalb nutze ich auch die alten Elberfelder. Auf meinem Computer habe ich die alten Elberfelder, aber ich bin gerade dabei, sie umzubauen. Das heißt, ich arbeite daran, sie zu verbessern, weil mir manche Dinge nicht gefallen. Zum Beispiel hat mir nicht gefallen, dass das Wort Yahweh nicht verwendet wird. Ich habe das geändert, und wir arbeiten daran, die alten Elberfelder ein wenig zu verbessern.
Die neue Elberfelder ist grundsätzlich trotzdem gut. Ich mache ja jeden Tag Bibelübersetzungen. Ich habe alle Bibelübersetzungen, die ich bearbeite, vor mir auf dem Computer und vergleiche bei jedem Vers alle Übersetzungen mit dem hebräischen Text. Das ist mühsame Arbeit. Dann suche ich heraus, wo die Unterschiede liegen und warum sie entstanden sind. Ich überlege, warum die Übersetzer diese Unterschiede gemacht haben, und versuche, mit Kommentaren und so weiter, möglichst die beste Variante zu treffen. Es gibt niemanden, der das vollkommen machen kann, aber es ist ein Versuch, die Übersetzungen ein wenig zu verbessern.
Deshalb empfehle ich die alte Elberfelder oder die Elberfelder 2003. Das ist im Grunde dieselbe Übersetzung wie die alte Elberfelder, nur verbessert.
Im Neuen Testament mag ich die Elberfelder nicht, weil sie sich am kritischen Text von Nestle-Aland orientiert. Ich bevorzuge den Mehrheitstext und bin ein Vertreter des Mehrheitstextes. Diese Diskussion ist allerdings nicht so gravierend, weil sie nur wenige Verse betrifft. Aber es gibt einige Verse und Ausdrücke, die unterschiedlich sind.
Deshalb empfehle ich im Neuen Testament die Schlachter-Übersetzung. Allerdings finde ich die Schlachter im Neuen Testament zu ungenau. Deshalb hätte ich nicht zehn Jahre an der Herbert-Janssen-Übersetzung mitgearbeitet, wenn ich sie nicht empfehlen würde.
Ich empfehle daher im Neuen Testament die Übersetzung von Herbert Janssen. Manche sagen, man müsse den Satz dreimal lesen. Dann liest man ihn eben dreimal, aber man hat den genauen Text. Der Text wird nicht schwer, wenn man ihn oft liest. Wenn man das Neue Testament zehnmal durchgelesen hat, merkt man, dass es nicht mehr so schwer ist. Es ist nur die Frage, wie oft man den Text liest.
Der Text von Herbert Janssen, den ich jetzt in der Hand habe, ist mir sehr geläufig, weil ich ihn unzählige Male gelesen habe. Ich habe auch immer wieder Korrektur gelesen. Aber ich sage nur: Wir arbeiten ständig weiter. Die Übersetzung war 2011 fertig, und wir haben immer noch Korrekturen gemacht. Jetzt kommt eine nächste Auflage mit den Sprüchen und den Psalmen heraus. Wir haben so viel verbessert, dass man nur staunen kann. Auch der Anhang wurde verbessert und erweitert.
Herbert Janssen sagt: Eine Bibelübersetzung ist nie fertig. Man kann immer noch verbessern. Nach diesem Motto arbeitet er. Er ist jetzt fünfundneunzig Jahre alt und schickt mir immer noch Korrekturvorschläge. Er sagt: Nur noch ein Vorschlag, das und das könnte man noch besser formulieren. Er ist immer noch dabei, jetzt nur am Neuen Testament.
Also empfehle ich die alte Elberfelder für das Alte Testament und Herbert Janssen für das Neue Testament. Das ist meine Empfehlung. Ihr habt mich gefragt, also darf ich auch Werbung machen.
Ermutigung zum persönlichen Bibelstudium und Umgang mit Kommentaren
Ich habe das Problem, dass viele Christen, auch viele von euch Jugendlichen, zwar zahlreiche Bücher lesen, aber die Bibel kaum. Wenn man fragt: „Wie oft hast du die Bibel gelesen? Fünfzigmal oder hundertmal?“ Dann antworten viele: „Ich habe sie nicht einmal gelesen.“ Dagegen liest man viele andere Bücher. Wieso ist man nicht bereit, die Bibel fünfzigmal zu lesen?
Georg Müller hat die Bibel zweihundertmal gelesen. Das ist keine außergewöhnliche Leistung, auch Spurgeon und Calvinisten haben sie hundertmal gelesen. Ich weiß nicht genau, wie oft sie es getan haben, ich zähle das nicht. Aber es ist wichtig, dass wir richtig gut in die Bibel eintauchen.
Man sagt vielleicht: „Ich bin kein Lehrer.“ Aber das muss man auch nicht sein. Jeder von uns hat eine Aufgabe, und wir sollten ein Buch lesen. Ich lese auch andere Bücher, ich habe einen Computer, ein Logos-Programm, und viele Kommentare. Ob ihr mir glaubt oder nicht: Zu fast jedem Buch der Bibel habe ich in diesem Programm 50 Kommentare. Ich kann den Computer öffnen und nachschauen, was die Kommentare zu einer schwierigen Stelle sagen. Dabei habe ich Kommentare aus allen Richtungen, sogar Adventisten-Kommentare. Das habe ich bekommen, das hat Gott mir geschenkt. Es war teuer, das anzuschaffen, aber ich habe dem Herrn gesagt: Wenn das eine Investition ist, die sich auf Lehre und schwierige Fragen bezieht, dann habe ich alles zur Hand, um zu sehen, was Theologen sagen.
Ich weiß aber, dass mein Leben zu kurz ist, um all diese Kommentare zu lesen. Das kann ich natürlich nicht. Aber ich möchte eins: Ich möchte die Bibel lesen. Wir müssen uns Zeit für die Bibel nehmen und sie gründlich lesen. Wenn ich auf eine schwierige Stelle stoße, kann ich schnell nachschlagen, was zehn oder zwanzig Kommentare dazu sagen.
Ein Problem ist, dass viele einseitig lesen, wenn sie mit Kommentaren anfangen. Der eine ist fasziniert von Matthew Henry – liest er nur Matthew Henry? Ich habe nichts gegen Matthew Henry, ich liebe ihn. Er steht bei mir in der Bibliothek und auch im Computer. Ich schaue auch nach calvinistischen Kommentaren, habe eine ganze Reihe davon. Aber ich lese auch andere, nicht-calvinistische Kommentare.
Deshalb sage ich: Nur weil jemand Don Carson heißt, muss er nicht automatisch Recht haben. Ich habe Don Carson sehr geschätzt, bis ich zu Matthäus 24 kam. Dort vertritt er eine These, bei der ich dachte: „Mein lieber Bruder, hier manipuliert du wirklich mit dem Bibeltext.“ Dass ein Mann wie Don Carson, ein Kalvinist und sehr belesener Theologe, so mit dem Text umgeht, hat mich enttäuscht. Ich kann mich nicht mit ihm vergleichen, aber es ist traurig, dass auch hochgeschätzte, gebildete Theologen danebenliegen können.
Deshalb frage ich: Warum muss man sich immer hinter Kommentaren verstecken? Ihr seid Menschen, die die Bibel erforschen dürfen. Ihr habt viele Jahre vor euch, so Gott will und wir leben. Ihr könnt dieses herrliche Wort Gottes jetzt anfangen zu studieren.
Wenn ich ein Buch studiere, zum Beispiel das Johannesevangelium, denke ich oft: „Das gibt es doch nicht! Es gibt kein schöneres Buch als das Johannesevangelium.“ Ich habe es oft mit Leuten durchgelesen und denke, Johannes ist wirklich das Beste vom Besten. Wenn ich ein Buch auf eine einsame Insel mitnehmen dürfte, wäre es Johannes.
Dann lese ich den Hebräerbrief. Ich weiß nicht, wie oft ich über den Hebräerbrief gelehrt habe. Ich wurde oft gefragt, gerade im Osten und Westen. Der Hebräerbrief ist eine Kostbarkeit. Auf jeder Seite wird Jesus Christus groß gemacht. Und wenn es um die Zukunft Israels geht, gibt es kaum ein Buch, das bessere Antworten gibt als der Hebräerbrief.
Ich habe mich viel mit diesen Fragen beschäftigt. Ich habe den Hebräerbrief nicht nur einmal gelesen, sondern im Laufe meines Lebens immer wieder. Jetzt habe ich über 40 Jahre Bibelstudium hinter mir. Ich habe den Hebräerbrief schon als junger Christ mit 17 Jahren studiert. Damals war ich halb-kalvinistisch in meinem Denken.
Wir haben in der Gemeinde, aus der ich komme – der Brüderbewegung – wirklich mit den schwierigen Stellen im Hebräerbrief gerungen. Heute ist das eines der schönsten Bücher für mich.
Dann kam noch etwas: Meine Frau sagte, ich solle über die Psalmen predigen. Ich dachte zuerst: „Die Psalmen? Das sind doch nur Gedichte, damit kann ich nichts anfangen. Vielleicht kann man sie auswendig lernen, aber das war’s.“ Dann war vor etwa zwanzig Jahren ein Bruder in Basel, und wir haben einige Psalmen durchgenommen. Er zeigte uns einen Überblick über die Psalmen und wie das Psalmenbuch aufgebaut ist.
Ich saß da mit offenem Mund. Ich habe so viel geschrieben, dass mir die Hand weh tat. Einige Studenten neben mir haben in der Vorlesung etwas anderes gelesen, und ich dachte: „Mensch, ihr spinnt. Hier wird so etwas Gutes vermittelt, und ihr vergeudet eure Zeit.“ Das war so gut und so frisch, was der Bruder uns gezeigt hat. Es ging um einen Überblick über das Buch der Psalmen und wie die Psalmen zusammenhängen. Das war ein Augenöffner, und ich dachte: „Das ist ja herrlich!“
Versteht ihr, man beschäftigt sich mit der Bibel. Heute sage ich: Mein Leben ist viel zu kurz für die Bibel, viel zu kurz. Ich bedaure, dass ich schon so alt bin. Eigentlich hätte ich viel früher mit intensivem Bibelstudium anfangen sollen.
Dafür braucht man kein Theologe zu sein. Manche meinen, ich hätte Theologie fertig studiert. Das habe ich nicht. Ich habe zwar fünf Jahre Theologie studiert, aber nie einen Abschluss gemacht. Ich brauche keinen Abschluss, weil ich kein Pfarrer bin. Theologiestudium braucht man, um Pfarrer zu werden.
Ich war bei Herbert Janssen, und das war mehr als Theologiestudium. Dort habe ich sehr viel gelernt. Aber ich will euch nur sagen: Es ist viel schöner, Dinge aus der Bibel selbst zu entdecken, als wenn sie einem im Kommentar vorgekaut werden. Dann ist man sich oft nicht mehr sicher, ob es wirklich so stimmt.
Also, holt euch die Speise aus erster Hand. Vielleicht denkt ihr: „Das ist so viel Arbeit, den Römerbrief zwanzigmal durchzulesen. Wieso soll ich das tun?“ Fangt doch einfach mal damit an. Oder nehmt den Epheserbrief, das geht schneller.
Lest den Epheserbrief einmal, zweimal, dreimal – vor allem bis zum Ende. Dann fangt an, ihn zu markieren. Ich habe eine bunte Bibel, habt ihr die schon gesehen? Da kann man anfangen zu zeichnen, sich Beobachtungen aufzuschreiben, Sachen zu kopieren und auf ein Plakat zu kleben.
Den ganzen Epheserbrief vor sich zu haben, ist kein großes Plakat, nur so groß. So erfährt man den Epheserbrief richtig. Dann geht man nochmal durch, kopiert ihn zwei- oder dreimal, damit man ihn später weiter benutzen kann, wenn das erste Blatt voll ist.
Dann taucht man richtig in den Epheserbrief ein. Man studiert, wo „Herr“ vorkommt und wo „Christus“. Was bedeutet „in Christus“ oder „in ihm“? Wo steht das? Meistens in Kapitel 1 bis 3, und über den „Herrn“ mehr in Kapitel 4 bis 6. Warum ist das so? Warum spricht Paulus hier von „in Christus“ und dort vom „Herrn“? Das hat einen Sinn.
Wie ist der Brief überhaupt eingeteilt? Dann vertieft man sich richtig.
Dann kann man Kinderstunden über den Epheserbrief machen oder Predigten halten. So kann man etwas weitergeben. Es ist ein großer Schatz.
Leute wie Spurgeon und andere haben auch viel studiert und sich tief mit dem Text befasst. Das sollten wir auch tun.
Ich ermutige euch einfach: Kauft euch gute Bibeln, gute Übersetzungen, und studiert die Schrift eifrig.
So weit. Beten wir noch.