Wir haben gesehen, dass die Psalmen sowohl prophetisch als auch persönlich sind. Viele Psalmen sprechen vom Messias. Dazu möchte ich ein etwas längeres Zitat aus einem Psalmenkommentar von Arno C. Gäbelein vorlesen. Meines Wissens gibt es dieses Buch nicht auf Deutsch.
Er schreibt Folgendes:
Unser Herr verwendete die Psalmen vielleicht öfter als irgendein anderes Buch des Alten Testaments. Er zitierte Psalmen in seinem öffentlichen Dienst. Er wies die ihn versuchenden Pharisäer mit einer Frage aus dem 110. Psalm zurück.
Mit großer Wahrscheinlichkeit schüttete er vor seinem Gott und Vater sein Herz in den Worten der Psalmen aus, wenn er ganze Nächte im Gebet verharrte. Als er in Jerusalem einzog, wurde er mit dem Jubelruf „Hosanna dem Sohne Davids“ empfangen. Als seine Feinde murrten, verwies er sie auf die Vorhersage des 8. Psalms.
Die letzten Worte, die er an Jerusalem richtete, waren ein Zitat aus dem Buch der Psalmen: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Bevor er in den Garten Gethsemane trat, sang er mit seinen Jüngern ein Loblied. Es war das sogenannte Hallel, das noch immer von orthodoxen Juden beim Passa gesungen wird.
In seinem Leiden erfüllte er alle Weissagungen, die in den Psalmen über ihn gemacht wurden. Als er sagte „Mich dürstet“, sprach er ein Wort aus Psalm 69 aus. In den finsteren Stunden am Kreuz kam von seinen Lippen der im Psalm 22 vorhergesagte Schmerzensruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Nahezu das erste Wort nach seiner Auferstehung war demselben Psalm entnommen: „Gehe aber zu meinen Brüdern!“ Denn in Psalm 22, Vers 22 steht geschrieben: „Ich will deinen Namen kundtun meinen Brüdern.“
Als er als verherrlichter Mensch in den Himmel auffuhr und in die Gegenwart des Vaters trat, wurde er von Gott als hoher Priester nach der Ordnung Melchisedeks begrüßt. Wie im Psalm 110 vorhergesagt, setzte er sich zur Rechten Gottes.
Dort, wo er aus der Herrlichkeit zu den Überwindern in Thyatira spricht, verwendet er abermals Worte aus den Psalmen. Er zitiert nämlich Psalm 2.
Das zeigt, wie eng die Psalmen mit der Person des Messias verbunden sind. Darauf möchte ich an dieser Stelle noch kurz hinweisen.
Christus in den Psalmen – auch das bekommt ihr oder diejenigen, die es wollen, fotokopiert. Ich habe hier eine schöne Tabelle erstellt. Sie ist jedoch wie die Axt der Freunde Elisas, die ins Wasser geworfen wurde – geliehen. Die Tabelle ist ausgeliehen, aber ich habe auch angegeben, von wem ich sie geliehen habe. Sie stammt nämlich aus dem Believers Bible Commentary von William MacDonald.
Diese Tabelle enthält 23 Stellen. Links steht jeweils der Psalm, in der Mitte, was vorhergesagt wird, und rechts die Erfüllung. Es sind also 23 Stellen mit Verheißung und Erfüllung.
Die allererste messianische Vorhersage spricht von der Geburt des Sohnes Gottes. Psalm 2, Vers 7: „Der Herr hat zu mir gesprochen: Heute habe ich dich gezeugt, du bist mein Sohn.“
„Heute habe ich dich gezeugt“ meint hier, dass er Sohn Gottes durch Menschwerdung ist. Er war natürlich von Ewigkeit her Sohn Gottes. Diese Stelle bezieht sich auf seine Menschwerdung, seine Geburt.
Die Erfüllung findet sich in Apostelgeschichte 13, Verse 32 und 33: „Und wir verkündigen euch die gute Botschaft von den zu den Vätern geschehenen Verheißungen, dass Gott dieselben uns, ihren Kindern, erfüllt hat, indem er Jesus erweckte, wie auch in dem zweiten Psalm geschrieben steht: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“
Das Wort „erweckt“ hier bedeutet nicht „aus den Toten erweckt“, sondern so, wie in der Bibelsprache zu lesen ist, dass Gott einen Propheten erweckt, das heißt, ihn zu seinem Volk sendet. Die Auferstehung ist hier nicht gemeint, was der nachfolgende Vers zeigt. Paulus nennt nämlich im nächsten Vers, dass Gott Jesus aus den Toten auferweckt hat, um nicht mehr zur Verwesung zurückzukehren. Das hat er ausdrücklich gesagt.
Dann nennt Paulus eine andere messianische Weissagung: „Ich werde euch die gewissen Gnaden Davids geben.“
In Psalm 8, Vers 2 wird gesagt, dass „Kinder ihn loben werden: Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge hast du Macht gegründet, um deiner Bedränger willen, um zum Schweigen zu bringen den Feind und den Rachgierigen.“
Die Erfüllung findet sich in Matthäus 21, Verse 15 und 16.
Der gleiche Psalm sagt, dass er Herrscher über alles sein wird: „Du hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner Hände.“ Das muss auf den Messias bezogen werden und wird erst in ihm erfüllt. Nicht im Menschen außerhalb und ohne den Messias.
Das belegt Hebräer 2, Vers 8, denn dieser Vers zitiert eben diese Stelle und wendet sie auf den Herrn Jesus an.
Psalm 16, Verse 8 bis 10 spricht von der Auferstehung.
Dann folgt in Psalm 22 eine in viele Einzelheiten gehende Weissagung seines Leidens und Sterbens. Die Evangelisten vermerken auch, dass im Leiden und Sterben des Herrn die Schrift erfüllt wurde.
Psalm 34, Vers 20 sagt: „Er bewahrt alle seine Gebeine, nicht eines von ihnen wird zerbrochen.“ Johannes hält fest, dass die Schrift erfüllt werden musste. Darum wurden dem Herrn, als er vom Kreuz abgenommen wurde, im Gegensatz zu den mit ihm gekreuzigten Räubern, die Gebeine nicht gebrochen. Es musste die Schrift in Erfüllung gehen.
Psalm 35, Vers 11 spricht von falschen Zeugen, die anklagen: „Es treten ungerechte Zeugen auf.“ „Was ich nicht weiß, fragt mich.“
Psalm 35, Vers 19: „Ohne Ursache gehasst, lass sich nicht über mich freuen, die ohne Grund mir Feind sind.“
Psalm 40, Verse 7 und 8 sprechen vom Wohlgefallen an Gottes Willen: „Da sprach ich: Siehe, ich komme. Im Buch steht von mir geschrieben: Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust.“
Psalm 41, Vers 9 spricht vom Verrat durch einen Freund: „Selbst der Mann meines Friedens, auf den ich vertraute, der mein Brot aß, hat sich gegen mich erhoben.“
Nun, all diese Weissagungen gingen in Erfüllung. Der Schreiber des Hebräerbriefes erinnert die Empfänger daran, dass das Leiden und Sterben des Messias Jesu von Nazareth weder ein Unglück war noch ein Triumph des Bösen. Vielmehr war es der von Gott zuvor verordnete Weg, auf dem der Messias Heil, dieses so große Heil, von dem Hebräer 2 spricht, bereiten sollte.
Wir müssen als bibelgläubige Menschen, die an den Herrn Jesus glauben, von neuem daran festhalten, dass der Herr Jesus mit dem Vorsatz kam, sein Leben hinzugeben. Er tat dies nicht als unglückliches Opfer einer bösen Verschwörung, wie es insbesondere in der protestantischen Theologie manchmal dargestellt wird. Das war er nicht. Er hat sich selbst Gott geopfert.
Dies wird uns in überwältigender Weise bewusst, weil es Jahrtausende zuvor vorhergesagt wurde. Als der Herr am Kreuz hing, sagte er: „Mich dürstet“, damit die Schrift erfüllt würde. Er war der souveräne Herr, der in den Tod ging. Er sagt: „Ich lasse das Leben und ich nehme das Leben, solche Gewalt habe ich von meinem Vater empfangen.“
Psalm 45, Vers 6 beschreibt ihn als den ewigen König: „Dein Thron, o Gott, ist immer und ewig; ein Zepter der Aufrichtigkeit ist das Zepter deines Reiches.“ Hier wird der König, der in diesem Lied besungen wird, als „O Gott“ angesprochen. Nach Hebräer 1 ist dies der Messias Christus (Hebräer 1,8). Er ist der ewige König.
Psalm 68,18 sagt: „Du bist in den Himmel aufgefahren, hast Gefangenschaft gefangen geführt.“ Dieser Vers wird in Epheser 4,8 zitiert.
Psalm 69,9 lautet: „Denn der Eifer um dein Haus hat mich verzehrt, und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.“ Johannes 2,17 verweist darauf mit dem Erfüllungsvermerk, dass die Jünger daran dachten, dass geschrieben stand: „Der Eifer um dein Haus hat mich verzehrt.“
Psalm 69,21 beschreibt: „Mit Essig und Galle getränkt; sie gaben in meine Speise Galle, und in meinem Durst tränkten sie mich mit Essig.“
Psalm 109,4 zeigt, dass Jesus für seine Feinde betet: „Für meine Liebe feindeten sie mich an, ich aber bin stets im Gebet.“
Psalm 109,8 spricht davon, dass sein Verräter ersetzt werden muss: „Seiner Tage seien wenige, sein Amt empfange ein anderer.“ Dies wird in Apostelgeschichte 1,20 zitiert.
Psalm 110,1 sagt: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße.“ Dies ist der im Neuen Testament am häufigsten zitierte Vers aus dem Alten Testament. Er wird fünfmal zitiert, und zwar in Matthäus 22,44, Markus 12,36, Lukas 20,42, Apostelgeschichte 2,34-35 und Hebräer 1,13.
Hebräer 1,13 fragt: „Zu welchem der Engel hat Gott je gesagt: Setze dich zu meiner Rechten, bis sich deine Feinde legen zum Schemel deiner Füße?“ Wenn wir das Alte Testament lesen, stellen wir fest, dass im Himmel nur einer sitzt. Engel sitzen nie, kein Geschöpf sitzt. Im Himmel sitzt nur einer – Gott. „Gott“ ist eine feste Redewendung im Hebräischen, „Joscheeb Baschamayim“, der im Himmel sitzt, und damit ist immer Gott gemeint.
Wenn hier gesagt wird, dass er sich gesetzt hat, ist das ein Bekenntnis zu seiner Gottheit. Wenn Gott ihm sagt, setze dich, bedeutet das, dass er zuvor nicht saß. Dies beinhaltet seine Erniedrigung, seine Menschwerdung. Nach seiner Erniedrigung setzt er sich wieder zur Rechten Gottes. Die Menschwerdung, Erniedrigung und Erhöhung des Messias sind darin enthalten. Seine Gottheit ist darin enthalten, ebenso seine Wiederkunft: „Bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße.“ Sein erstes und sein zweites Kommen sind in diesem Vers enthalten.
Wenn wir dies bedenken, verstehen wir, warum die drei ersten Evangelisten, die Apostelgeschichte und der Hebräerbrief diesen Vers zitieren. Dort, wo sie von der Identität des Messias sprechen – wer er ist –, wird deutlich: Der Mensch Jesus ist der Messias, und der Messias ist Gott.
Psalm 110,4 sagt: „Er ist Priester in Ewigkeit; geschworen hat der Herr, und es wird ihn nicht gereuen: Du bist Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedeks.“
Psalm 118,22 beschreibt ihn als „den Eckstein in der Behausung Gottes, den Stein, den die Bauleute verworfen haben, der zum Eckstein geworden ist.“ Auch dieser Vers wird häufig zitiert, in drei Evangelien und vom Apostel Petrus im ersten Petrusbrief.
Psalm 118,26 ruft: „Gepriesen sei, der kommt im Namen des Herrn!“ Dies ist ein Hinweis auf seine Wiederkunft. Er ist der, der wiederkommt. In Matthäus 21,9 wird dieser Ruf erwähnt, mit dem er als Messias empfangen werden wird, wenn er kommt. Der Herr sagte den Juden: „Ihr werdet mich nicht sehen, bis ihr sagt: Baruch Haba B’Shem Adonai“ – „Gepriesen sei, der kommt im Namen des Herrn.“
Wir haben in den Psalmen ein sehr umfassendes Bild vom Kommen des Messias – sowohl vom ersten als auch vom zweiten Kommen. In vielen Psalmen wird zudem das messianische Reich besungen.
Zum Beispiel der Psalm 100: „Jauchzet dem Herrn, alle Erde! Dient dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Jubel.“ Dies lässt sich nicht auf die gegenwärtige Zeit anwenden. Vielmehr wird dies im tausendjährigen Reich so sein, wenn die ganze Erde dem Herrn dienen wird.
Auch Psalm 99 sagt: „Der Herr regiert, es zittern die Völker.“ Gegenwärtig regiert der Herr zwar, doch die Völker toben, wie es in Psalm 2 heißt. Sie zittern nicht vor ihm und fürchten ihn nicht.
Viele Psalmen besingen also das messianische, kommende Reich. Und...
Dann etwas vom Tiefsten überhaupt in der Bibel, das Tiefste im Buch der Psalmen. In verschiedenen Psalmen spricht der Geist Christi durch den Propheten. Es gibt Psalmen, die wir lesen, Psalmen Davids. David redet, und wir wissen nicht, ob jetzt David redet oder der Messias.
Nun, es ist David, der redet, und das Neue Testament macht es uns deutlich, dass in und durch David der Messias redete. Zum Beispiel der Psalm 22 oder der Psalm 40. Schlagen wir den Psalm 40 auf.
Psalm 40, Verse 6 und 7: „An Schlacht- und Speisopfer hattest du keine Lust, Ohren hast du mir bereitet; Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert. Da sprach ich: Siehe, ich komme.“ In der Rolle des Buches steht von mir geschrieben: „Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust, und dein Gesetz ist in meinem Innern.“
Das sagt David. Und doch ist es Christus, der redet. Das zeigt uns, dass Gott sich mit den Seinigen so vollständig identifiziert hat, dass er so vollständig in unsere Umstände getreten ist, dass die Sprache eines Menschen die Sprache des Messias sein kann. Denn der Messias würde Mensch werden und als Mensch mit menschlichen Empfindungen durch all diese Umstände gehen. In noch umfassenderer Weise würde er all das erleiden und Tieferes erleiden, als ein David je erlitt und erahnen konnte.
Das ist ja wahrhaft ein Wunder, wenn wir bedenken, dass Gott einen David, einen Sünder – David ben Isai – neu machen kann. Wer ist Isai? Ein Sünder. Wer war Isais Vater? Ein Sünder. Ein Sünder von Sündern war David von Natur, von seiner Geburt an.
Welch ein Wunder der Gnade, dass Gott einen Menschen, einen Sünder, neu machen kann, so dass in ihm dann solche Empfindungen, Gedanken und Worte sind, die Empfindungen Christi selbst sind. Und das ist es in Wahrheit, was Gott in der Erlösung aus Sündern macht: aus Sündern macht er Christen, solche, die den Namen Christi tragen und in denen der Geist Christi wohnt.
Das ist schon unfassbar, und doch ist es wahr.
Es muss ein Versprechen eingelöst werden, nämlich etwas darüber zu sagen, dass die Psalmen wirklich eine Bibel im Kleinen sind. Ich habe etwas mehr Zeit gebraucht, als ich dachte, aber wir wollen uns das nun vornehmen.
Die Psalmen sind also eine Bibel im Kleinen. Erstens sind sie das umfangreichste aller biblischen Bücher. Zweitens haben sie eine ähnliche Entstehungsgeschichte wie die Bibel selbst. Und drittens ist die Themenfülle der Psalmen fast so vollständig wie die gesamte Bibel.
Die Beter, wenn sie vor Gott treten und sprechen, behandeln alles, worüber die Bibel spricht: von Schöpfung und Erlösung, von Gericht und Gnade, vom Messias, wie wir gesehen haben, von seinem Reich, von der Ewigkeit, vom Gericht über die Gottlosen und vom Teil der Gerechten. Vom Inhalt her sind die Psalmen also ebenso vielfältig wie die ganze Bibel.
Auch die Entstehungsgeschichte des Buches der Psalmen ähnelt der der Bibel. Nicht ein einzelner Mann hat das Buch geschrieben, sondern mehrere Verfasser. In den Überschriften werden sieben verschiedene Autoren genannt. Wahrscheinlich gab es noch mehr Autoren, die namentlich nicht erwähnt sind. 48 Psalmen tragen keinen Autorennamen in der Überschrift, bei 102 Psalmen steht ein Autor. Die meisten davon werden David zugeschrieben. David hat also die meisten Psalmen geschrieben.
Man darf ziemlich sicher sein, dass auch eine ganze Reihe von Psalmen, die seinen Namen nicht in der Überschrift tragen, von ihm stammen. Verschiedene Autoren haben dieses Buch verfasst, so wie auch die Bibel von verschiedenen Autoren geschrieben wurde. Dabei entsteht eine harmonische Botschaft.
Das Buch der Psalmen ist zudem über einen sehr langen Zeitraum entstanden. Der älteste Psalm ist Psalm 90. In der Überschrift heißt es dort: „Von Mose, dem Mann Gottes.“ Es handelt sich um ein Gebet von Mose, dem Mann Gottes. Der Psalm thematisiert die Sterblichkeit des Menschen. Der Anlass ist, dass Mose nach fast vierzig Jahren Wüstenwanderung gesehen hat, wie ein ganzes Geschlecht in der Wüste dahingerafft wurde.
Dieser Psalm entstand also während oder am Ende der Wüstenreise des Volkes Israel, im 15. Jahrhundert vor Christus.
Welcher der jüngste Psalm ist, lässt sich nicht so leicht sagen. Aber wir können den Psalm 137 einigermaßen genau zeitlich einordnen. Er entstand während des babylonischen Exils, also im 6. Jahrhundert vor Christus, etwa 900 Jahre nach Mose. Dort heißt es: „An den Flüssen Babylons saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.“
Vielleicht sind auch noch einige Psalmen nach der Rückkehr aus dem Exil entstanden. Ganz sicher aber nicht nach Maleachi. Denn mit Maleachi verstummte die Stimme der Prophetie in Israel.
Deshalb ärgert es mich innerlich, wenn man auch in sogenannten bibeltreuen Kommentaren liest, dass dieser Psalm in der Makkabäerzeit entstanden sein soll, und jener auch. Der so sehr gefeierte Franz Delitzsch schreibt solche Dinge, und das empört mich. Es macht mich wirklich zornig. Er schreibt auch noch anderes, was bibelkritisch ist und wirklich übel.
Entweder wir glauben, dass die Bibel die lebendigen Aussprüche Gottes sind, und unterwerfen uns seinem Wort im Glauben. Oder wir glauben es nicht. Aber dann sollten wir lieber etwas anderes tun, als uns mit der Bibel zu beschäftigen, wenn wir nicht glauben wollen.
Mindestens ein Zeitraum von 900, vielleicht sogar 1000 Jahren, haben verschiedene Autoren an den Psalmen gearbeitet. So sind die Psalmen eine Bibel im Kleinen, auch vom Inhalt her.
Das bleiben mir jetzt noch, was sind’s, zehn Minuten etwa? Ja, ja, höchstens noch zwanzig, also eine Viertelstunde noch, ja, schon.
Zu den Verfassern der Psalmen: David, dem Lieblichen in Gesängen Israels, werden dreiundsiebzig (73) Psalmen zugeordnet. Schlagen wir auf 2. Samuel 23, Vers 1: Dies sind die letzten Worte Davids. Es spricht David, der Sohn Isais, und es spricht der hochgestellte Mann, der Gesalbte des Gottes Jakobs und der Liebliche im Gesängen Israels. Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und sein Wort war auf meiner Zunge.
Hier wird dieser Titel „David“ oder so etwas wie ein Titel „David, der Liebliche in Gesängen Israels“ verwendet. Er sagt hier ausdrücklich, dass er nicht ein Dichtergenie war und darum so liebliches Singen konnte. Natürlich hatte er dichterische Begabung, er war ja kein Medium. Aber es war der Geist Gottes, der ihn führte und ihm die Worte gab, die er in solch schöner Form gefasst hat, also von Gottes Geist inspiriert.
Wahrscheinlich sind aber mehr als nur 73 Psalmen von David geschrieben, wenn wir Apostelgeschichte 4,25 aufschlagen. Dort sehen wir, dass die Apostel auch den Psalm 2 David zuschreiben. Der Psalm 2 trägt den Namen Davids in der Überschrift nicht, doch es heißt: „Du hast durch den Mund deines Knechtes David gesagt: Warum toben die Nationen und sannen die Völker eitelst?“ Also wahrscheinlich mehr.
Dann werden zwölf Psalmen Asaf zugeschrieben. Dazu muss man Folgendes festhalten: Im Hebräischen steht „Le Asaf“ oder „Mismor Le“ bzw. „La Asaf“ – ein Psalm. Das kann heißen „ein Psalm Asafs“, aber auch „ein Psalm für Asaf“. Es ist nicht ausgeschlossen, dass jene Psalmen auch von David geschrieben wurden, dass er sie aber Asaf und seinen Söhnen auftrug zu singen.
Nun, wir brauchen das ja nicht zu entscheiden, das lässt sich auch nicht sicher klären. Es sind zwölf Psalmen, welche den Namen Asafs in der Überschrift tragen: die Psalmen 73 bis 83 und der Psalm 50. Ein Psalm von Asaf steht in der deutschen Übersetzung und im Hebräischen so, dass es beides heißen kann: „für“ oder „von“ Asaf.
Von den Söhnen Koras tragen elf Psalmen den Namen der Söhne Koras in der Überschrift: die Psalmen 40 bis 49 und auch der schöne Psalm 84. „Maje die Todmischgenotheka“ – was sind doch deine Wohnungen lieblich, oh Gott, wie lieblich sind deine Wohnungen! Diese Empfindungen werden gleich auf die Söhne Koras zurückkommen, was in ihren Herzen solche Gefühle geweckt hat.
Dann wird ein Psalm Salomo zugeschrieben, haben wir gesehen: Psalm 72. Da steht „Lischlomo“, und das kann heißen „für“ oder „von Salomo“. Also wäre Psalm 72 möglicherweise von Salomo. Ebenso Psalm 127, ein Stufenlied von Salomo, würde zu Salomo passen. Er war ein Bauherr sondergleichen, der in ziemlich resignierter Weise im Buch Prediger von seinen Unternehmungen als Bauherr spricht. Hier, in Psalm 127, sagt er dann: „Wenn der Herr das Haus nicht baut, dann ist das alles eine Eitelsache gewesen.“ Also würde Psalm 127 zu Salomo passen.
Dann wird der Psalm 88 Hemann, dem Esrachiter, zugeschrieben. Hemann war allerdings einer der Söhne Koras. Und dann noch Psalm 89, Ehetan der Esrachiter. Das sind verschiedene Namen verschiedener Autoren.
Über die Entstehung der Psalmen Davids werden wir uns in den kommenden Tagen ausführlicher unterhalten. Jetzt möchte ich nur noch etwas zu den Söhnen Koras sagen. Elf Psalmen werden ihnen zugeschrieben.
Wenn wir den Namen Kora hören, hat dieser keinen guten Klang. Wir denken sofort an eine Rotte, und auch das Wort „Rotte“ hat keinen guten Klang. Die Rotte Koras – seit Luther hat dieser Name einen schlechten Ruf. Er sprach von Rottengeistern und dergleichen und meinte damit aufrührerische Bauern und ihre Rotten. Rotte klingt also negativ.
Die Rotte Koras wird in 4. Mose 16 beschrieben. Was dort geschah, war tatsächlich so verwerflich und böse, dass Gott durch ein außergewöhnliches Gericht eingriff und die Übeltäter bestrafte. Worin bestand die große Sünde Koras und seiner Rotte? Sie wollten Mose und Aaron gleich sein.
Zunächst ist das einfach eine Auflehnung gegen von Gott eingesetzte Autorität. Das wäre schon schlimm genug, denn es ist die Sünde Satans, der sich gegen Gottes Thron erhob. Aber hier geht es um Auflehnung gegen eine besondere von Gott eingesetzte Autorität. Wer waren Mose und Aaron? Sie waren nicht irgendwelche Autoritäten, sondern Mittler. Mose war Mittler zwischen Gott und dem Volk, ebenso Aaron.
Neu testamentlich ist Jesus Christus der Mittler. Die Sünde Koras und seiner Rotte ist also, dass der Mensch sich gegen Christus, den Christus Gottes, auflehnt, ihm gleich sein will und damit sagt: Ich brauche ihn nicht. Das ist die Sünde Koras und seiner Rotte.
Es heißt in 4. Mose 16,29-31:
„Wenn diese sterben, wie alle Menschen sterben und mit der Heimsuchung aller Menschen heimgesucht werden, so hat der Herr mich nicht gesandt. Wenn aber der Herr ein Neues schafft und der Erdboden seinen Mund auftut und sie verschlingt mit allem, was ihnen angehört, und sie lebendig in den Scheol hinabfahren, so werdet ihr erkennen, dass diese Männer den Herrn verachtet haben.“
Und es geschah, als er alle diese Worte ausgeredet hatte, dass sich der Erdboden, der unter ihnen war, spaltete. Die Erde tat ihren Mund auf und verschlang sie und ihre Familien sowie alle Menschen, die Kora angehörten, und die ganze Habe.
Einige Kapitel weiter hinten im 4. Mosebuch, nämlich in 4. Mose 26, wird das Volk nach dem Aussterben der ersten Generation erneut gezählt. Bei dieser Volkszählung erscheinen wieder die Söhne Koras.
Ich lese aus 4. Mose 26,10:
„Die Erde tat ihren Mund auf und verschlang sie, und Kora als die Rotte starb, indem das Feuer die zweihundertfünfzig Männer verzehrte und sie zu einem Zeichen wurden. Aber die Söhne Koras starben nicht.“
Warum nicht? Die Bibel gibt keine weitere Erklärung. Das möchte ich jetzt auf uns anwenden.
In der Sünde Koras, die auch unsere Sünde ist, haben wir uns gegen den Christus Gottes aufgelehnt. Hätte Gott uns alles erklären müssen? Wir sitzen hier, und es heißt einfach: Aber die Söhne Koras starben nicht. Warum? Ich weiß es nicht. Die Bibel sagt nur, dass es so war, weil Gott es wollte, weil Gott gnädig ist.
Die Söhne Koras waren weder besser noch verdienter als die anderen Angehörigen Koras. Dennoch starben sie nicht. Aber du und ich kamen nicht um in der Sünde Adams und in unserer eigenen Sünde. Warum? Weil Gott uns retten wollte, weil er es wollte. Wozu? Damit wir, gleich den Söhnen Koras, Gott loben in seinem Haus.
So verstehen wir, dass die Söhne Koras jedes Mal, wenn sie das Heiligtum sahen, sagten: „Wie lieb sind deine Wohnungen, o Gott!“ Das hätten sie gar nicht mehr sehen dürfen. Sie hätten längst unter den Toten sein müssen. Aber sie weilten noch unter den Lebenden und sahen Gott an seiner Wohnstätte.
Psalm 84,1 sagt:
„Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr der Heerscharen! Es sehnt sich, ja erschmachtet meine Seele nach den Vorhöfen des Herrn. Mein Herz und mein Fleisch rufen laut nach dem lebendigen Gott.“
Und genau Ähnliches steht auch in Psalm 40, der von den Söhnen Koras ist:
„Wie ein Hirsch lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele nach dir, o Gott!“
Die Söhne Koras hatten verstanden, was Gnade ist. Gottes Gnade hatte sie ganz einfach verschont. Darum lechzten sie nach diesem Gott. Was für ein Gott! Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich kommen und erscheinen vor Gottes Angesicht?
Sie haben getan, was später König Hiskia sagte, nachdem er aus der Grube herausgezogen worden war:
„Ich will mein Seitenspiel rühren alle Tage meines Lebens im Hause des Herrn.“ (Jesaja 38,20)
So viel zu den Verfassern der Psalmen. Wir fahren morgen fort.