
Von Neujahrsvorsätzen zu lebensverändernden Zielen
Ja, danke Manuel für die Einleitung schon mal. Ich bin allerdings nicht ganz so pessimistisch, was die Neujahrsvorsätze angeht. Ich glaube, der eine oder andere schafft es vielleicht tatsächlich mal.
Ich hoffe, dass die meisten hier in der Runde es schaffen, im nächsten Jahr mit dem Rauchen aufzuhören, wenn ich sie so kenne. Aber es stimmt, manchmal hat man Neujahrsvorsätze, die klappen einfach nicht, weil die Voraussetzungen fehlen.
Ich habe mir auch vorgenommen, im nächsten Jahr eine Million zu erwirtschaften. Ich vermute, das wird nicht funktionieren, weil das Startkapital und die Voraussetzungen ein bisschen fehlen. Vielleicht müsste ich in die richtigen Aktien investieren. Und ich weiß selbst, wenn ich es tun würde, dass ich wahrscheinlich die falschen erwischen würde. Von daher klappt manches eben nicht.
Aber ich hoffe – oder als Christ haben wir doch alle den frommen Wunsch und das Ziel in unserem Leben –, nicht nur am ersten Januar, wenn man sozusagen Tabula rasa übers Leben macht, sondern an jedem Tag unseres Lebens Jesus ähnlicher zu werden. Das habt ihr euch doch alle schon mal vorgenommen. Also ich habe es mir schon vorgenommen und nehme es mir immer wieder vor.
Ja, ich wünsche mir eigentlich, dass das passiert. Man sagt ja auch so etwas zum Beispiel am Geburtstag und wünscht jemandem: „Ich wünsche dir, dass Jesus im nächsten Jahr mehr Gestalt in deinem Leben gewinnt.“ So etwas habe ich zumindest schon mal dem einen oder anderen geschrieben.
Ich wünsche mir, dass ich mehr handle wie Jesus. Es gab mal diese Zeit, da waren Armbänder modern – ich vermute, einige sind zu jung dafür –, auf denen stand: „What would Jesus do?“ Das war so ein Erinnerungsding, um sich zu fragen: „Was möchte Jesus jetzt? Wie soll ich in dieser Situation handeln?“
Wir wünschen uns, dass wir in der Heiligung wachsen – ich zumindest –, dass wir durch unser Leben, dass ich durch mein Leben Gott verherrliche. Das sind alles super Sachen und super Wünsche, die man sich vielleicht gerade als Neujahrsvorsatz auch vornehmen kann.
Die Herausforderung konkreter Umsetzung
Aber ich habe damit eine Schwierigkeit, und es handelt sich ja auch um biblische Wünsche, trotzdem habe ich eine Schwierigkeit damit. Und zwar sind sie mir manchmal nicht konkret genug. Was heißt das denn genau? So zu handeln, wie Jesus gehandelt hat – was bedeutet das? Gott oder Jesus ähnlicher zu werden – was heißt das? Wenn ich in der Heiligung wachsen will, was bedeutet das konkret in meinem Leben? Und wenn ich Gott durch mein Leben ehren, also verherrlichen will, wie sieht das dann konkret aus?
Die Frage stellt sich irgendwo da. Das andere ist erst einmal ein allgemeines Thema, etwas, das wir tun sollten. Aber vielleicht geht es ja konkreter. Ich weiß nicht, wie es dir geht, vielleicht möchtest du es auch etwas konkreter wissen und fragst dich, wie du Jesus wirklich ähnlich werden kannst und wie Gott in deinem Leben tatsächlich verherrlicht werden kann.
Wir können alle schön vor uns hin sagen: Mein großes Lebensziel ist, dass Gott in meinem Leben verherrlicht wird. Aber wie passiert das? Wie wird das Realität? Ihr merkt vielleicht, worauf ich hinauswill: Um das umzusetzen, muss es irgendwo greifbar und konkret werden. Ich kann nicht einfach sagen, dass ich Gott mit meinem Leben ehren will und dann meine eigenen Vorstellungen daran hängen, was das heißt.
Wenn ich sage, ich will Jesus ähnlicher werden, dann muss ich mir überlegen, in welchen Bereichen ich ihm ähnlicher werden will. Kann ich ihm überhaupt überall ähnlich werden? Ich kann dir zum Beispiel schon mal sagen, dass du wahrscheinlich nicht der Richter der Welt werden wirst. In diesem Punkt kannst du Jesus nicht ähnlich werden. Du wirst nicht allwissend sein. Wenn du dir das als Neujahrsvorsatz vornimmst, wirst du wahrscheinlich scheitern. Du kannst es probieren, aber das wäre einer dieser Vorsätze, die auf der Kanzel am 2. Januar dann in der Regel beerdigt werden. Das ist ja schon vorbei, also hast du ihn hoffentlich schon begraben.
Nein, wir müssen uns daran orientieren, was Gott wirklich will. Was er will, wenn er davon spricht, dass wir in der Heiligung wachsen sollen. Was er will, wie wir ihn wirklich ehren können – und nicht, was ich leben will. Nicht nach meinen Vorstellungen. Ich brauche nicht irgendein Gefühl oder muss hoffen, dass mir eine übernatürliche Vision zugeflogen kommt, an der ich mich dann ausrichten kann. Ich brauche konkrete Dinge.
Wahrscheinlich würde dich die Antwort jetzt wenig überraschen – ich hoffe es zumindest. Aber die konkreten Dinge findest du in der Bibel. Dort wird an vielen Stellen ziemlich konkret beschrieben, wie wir Jesus ähnlich werden sollen und wie wir Gott ähnlich werden sollen.
Die Jahreslosung als Leitmotiv
Eine Sache möchte ich mir anschauen, weil sie sich vielleicht eignet, um in diesem Jahr etwas mehr daran zu arbeiten. Ich werde etwas tun, was ich bisher noch nie gemacht habe, obwohl ich vielleicht nicht der größte Fan davon bin: Ich werde über die Jahreslosung predigen.
Das habe ich bisher noch nie gemacht. Warum bin ich nicht der größte Fan davon? Weil ich es nicht so mag, einfach einen Bibelvers herauszugreifen und daraus abzuleiten, dass mein ganzes Leben für das Jahr dadurch geprägt oder bestimmt ist. Trotzdem hat mich die Jahreslosung dieses Jahr wirklich angesprochen. Ich habe festgestellt, dass sie ziemlich konkret zeigt, wie ich Gott ähnlicher werden kann, wie in meinem Leben eine Veränderung geschehen kann und ich dadurch Gott ehre. Indem ich ihm ähnlicher werde, wachse ich in der Heiligung.
Jetzt habe ich eine Frage, um euch hier in der Runde ein bisschen aufzuwecken: Wer kann mir die Jahreslosung sagen? Ja, Stefan zählt nicht, der musste sie vorhin am Computer nachschauen. Gibt es noch jemanden, der vorhin spicken konnte? Wer jetzt? Alex? Caro?
Ja, genau: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Weiß jemand noch, wo es steht? Lukas, ja? Super, das ist hier, sieht echt gut aus. Perfekt, um diesen Vers soll es heute gehen: Lukas 6,36 – „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Noch etwas, das ich eigentlich sehr selten tue: Ich werde eine Predigt mehr oder weniger über einen Bibelvers halten. Ritschi lacht schon, und ein paar andere werden auch Angst haben. Ich hoffe, dass ich jetzt nicht einfach nur Anlauf nehme, auf dem Brett dieses Vers ein bisschen abfedere und dann einen bunten Blumenstrauß mache. Das allein will ich nicht tun.
Ich möchte den Vers durchaus auch im Kontext betrachten, in dem er steht. Grob aufgeteilt ist die Predigt in zwei Teile, die sich am Vers orientieren: Zuerst der hintere Teil – „barmherzig sein, wie euer Vater barmherzig ist“. Ich will mit euch anschauen, wie unser Vater barmherzig ist. Dazu finden wir im direkten Kontext tatsächlich nicht viele Antworten, weil ich glaube, dass Jesus das voraussetzt. Das sagt Jesus also, falls ihr das nicht auf dem Schirm habt.
Über den zweiten Teil, nämlich wie wir barmherzig sein können, gibt uns der Kontext des Verses relativ viele Antworten. Ich glaube sogar, dass dieser Vers der Dreh- und Angelpunkt für die vorherigen und nachfolgenden Verse ist, dass diese nämlich an diesem einen Vers hängen.
Gottes Barmherzigkeit im Alten Testament verstehen
Aber zuerst möchte ich mit euch anschauen – und dabei gehen wir ein bisschen weg von dem Vers, wie Gott ist. Jesus hält diese Verse in der sogenannten Bergpredigt. Die ist jetzt hier im Lukasevangelium beschrieben, hauptsächlich aber im Matthäusevangelium. Auch hier im Lukas-Evangelium gibt es einen Bericht von dieser Bergpredigt, in der Jesus viel weitergibt, wie wir Menschen uns verhalten sollen.
Wenn ihr also noch mehr Neujahrsvorsätze sucht, findet ihr dort einige, die, glaube ich, wirklich sinnvoll sind, um sie im Leben umzusetzen.
Dann haben wir hier Leute, die aus einer anderen Zeit kommen. Sie haben Gott vielleicht in ihrem Verständnis als einen sehr harten und gerechten Gott im Kopf. Einen Gott, der auch züchtigt und straft. Passt das denn – ein barmherziger Gott – mit dem Bild Gottes im Alten Testament zusammen? Das könnte man sich damals als Frage gestellt haben. Die Menschen hatten natürlich noch kein Neues Testament, aber die Frage war vielleicht offen: Passt das, dass Gott barmherzig ist? Passt das mit dem, was die Juden damals erlebt haben? Dass Israel – erinnert euch vielleicht an die Predigt über Zacharias vor ein paar Wochen – eher unter Unterdrückung gelebt hat, keinen souveränen Staat hatte und einen wirklich grausamen König über sich ertragen musste?
Passt das denn?
Ich möchte dir auch die Frage stellen: Wie denkst du über Gott? Nicht einfach nur das, was man schnell antwortet, wenn jemand dir die Frage stellt, wie Gott ist, sondern das, was du wirklich in deinem Leben glaubst, tief in deinem Innern.
Wir reden häufig über Gottes absolute Heiligkeit und Gerechtigkeit, und das ist gut und richtig. Denn das ist ein Teil von Gott: seine Abgesondertheit von der Sünde, seine Gerechtigkeit und wie er zu Sündern steht. Aber wenn das der einzige Blick auf Gott ist, wenn wir nur diese Seite sehen, dann ist das, glaube ich, zu klein, zu gering, zu wenig, wie wir Gott sehen.
Und wenn du vielleicht in deinem Leben gerade schreckliche Dinge erlebt hast, durch schwierige Zeiten gegangen bist, dann fällt es dir vielleicht auch schwer, an einen barmherzigen Gott zu glauben. Deine Empfindung spricht vielleicht erst einmal völlig dagegen, dass Gott barmherzig und gnädig ist.
Da kann es dir vielleicht ähnlich gehen wie den Leuten damals, die vielleicht ein sehr einseitiges Gesicht von Gott hatten.
Ich möchte euch zeigen, dass auch der Gott im Alten Testament und der Gott, den wir heute kennen, ein barmherziger Gott ist.
Dazu werde ich gleich nur eine Stelle lesen, über die ich euch aber erst einmal ein bisschen die Situation beschreiben muss, in der jemand ist, der das erlebt.
Nämlich möchte ich mit euch eine Situation aus dem Leben von Mose betrachten.
Mose war am Berg Sinai und hat die Gesetzestafeln von Gott bekommen. Er hat sich dort ein bisschen länger aufgehalten bei Gott, weil er die Gemeinschaft genossen hat.
Die Israeliten – ihr kennt die Geschichte, denke ich alle, zumindest die, die eine Kinderstundenkarriere hinter sich haben – waren ein bisschen ungeduldig. Sie haben dann Aaron gesagt, er solle sich doch jetzt mal darum kümmern, dass sie einen anderen Gott hätten, den sie anbeten können. Einen, den sie sehen, weil die Nummer mit Mose und JHWH scheint ja irgendwie durch zu sein. Mose taucht nicht mehr auf, keine Ahnung, ob er von einem Löwen gefressen wurde oder was auch immer sie sich vielleicht gedacht haben.
Die Israeliten machen ein goldenes Kalb – so nennt man das – Aaron sammelt den Schmuck von ihnen ein, sie gießen dann das Kalb, beten es an, tanzen drumherum und machen ein riesiges Fest. Das ist ihr Gott, und sie sagen noch, dass dieser Gott sie aus Ägypten geführt hat.
Mose kommt in dem Moment vom Berg Sinai herunter und sieht die Meute dort feiern. Er zerbricht die zehn Gebote, die er dort bekommen hat, also die Tafeln.
Zuerst lässt er ein Strafgericht über Israel ausführen. Er fordert die Leviten dazu auf, und es sterben 3000 Männer in diesem Strafgericht.
Dann kommt die Situation, dass Mose wieder auf den Berg Sinai geht, vor Gott tritt, und ihn eine große Frage beschäftigt. Wir können das nicht alles lesen, das dürft ihr zu Hause gerne machen. Es sind die Kapitel 33 und 34 im zweiten Buch Mose, besser noch Kapitel 32 mit dazu.
Mose beschäftigt die Frage: Ist jetzt Schluss mit Israel? Wird Gott sich von diesem Volk abwenden? Zieht er einen Schlussstrich?
Mose ist sogar so weit bereit, dass er zu Gott sagt: Mach mit mir Schluss, aber nicht mit diesem Volk.
Und Gott sagt: Doch, ich werde weiter vor dem Volk vorangehen und so weiter.
Dann hat Mose eine Frage, und auf die will ich hinaus.
Er hat einen ganz großen Wunsch: Er möchte Gott sehen, er möchte Gott wirklich wahrnehmen und erkennen.
Ziemlich ein arroganter Wunsch, könnte man vielleicht denken, mit dem er da an Gott kommt – in einer Situation, in der Israel eigentlich gerade richtig versagt hat und Gott allen Grund hat, zornig zu sein.
Gott gewährt ihm diesen Wunsch. Er sagt ihm, dass er ihn nicht von vorne sehen kann, weil jeder Mensch, der Gottes Herrlichkeit anschaut, sofort zergehen müsste, also sterben müsste. Das ist Gott als Erster, der das sagt.
Aber er sagt, er geht an ihm vorbei, hält ihm quasi die Augen zu, so übersetze ich das jetzt mal. Mose darf ihm hinterherschauen.
Die Situation lesen wir jetzt ganz kurz. Das ist in 2. Mose 34,6-7.
Dort ist es, wo Mose Gott ein Stück weit anschauen durfte.
Uns ist jetzt keine Zeichnung hinterlegt oder Ähnliches, aber uns wird gesagt, was Gott in dem Moment zu Mose sagt, und das ist total spannend.
2. Mose 34,6-7: Dann zog er vor seinen Augen vorbei und rief: „Jahwe, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Güte und Treue, der Gnade über tausend Generationen hinweist, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt, der die Schuld der Väter an den Kindern und Enkeln bis ins dritte und vierte Glied verfolgt.“
Den zweiten Teil gehe ich gleich kurz darauf ein, aber ich möchte euch diese Situation erst einmal vor Augen stellen.
Mose rechnet eigentlich damit, dass Gott jetzt Schluss macht mit Israel. Er will Gott kennenlernen, er will wirklich wissen, wie Gott ist.
Er erwartet jetzt nur diese zornige Seite von Gott.
Und das Erste, was Gott ihm zeigt, wie Gott ist, das Erste, was er voranstellt, ist: Gott ist barmherzig, gnädig, langmütig und reich an Güte und Treue.
Das ist die erste Beschreibung, die Gott hier Mose zuruft.
Er stellt sich als ein barmherziger, gnädiger Gott vor, gerade in der Situation, als Israel so gewaltig gesündigt hat und sich total von Gott abgewandt hat.
Puh, wie kann das passieren?
Ich möchte dich erst einmal, bevor ich auf den zweiten Teil des Verses eingehe, provozierend fragen: Passt das in dein Gottesbild, dass Gott dort, wo Menschen so sehr gegen ihn sündigen, sich als barmherzig, gnädig und langmütig vorstellt?
Wenn ihr über die weitere Geschichte Israels in der Bibel lest, dann steht ein großer Beweis darüber, nämlich dass Gott genau das ist.
Israel gibt Gott ständig jeden Grund dazu, mit seiner Barmherzigkeit Schluss zu machen, mit seiner Güte Schluss zu machen, mit seiner Langmütigkeit Schluss zu machen.
Und er bleibt ihnen treu.
So ist Gott, so ist der Gott des Alten Testaments.
Huch, passt das in dein Bild hinein? Siehst du, dass Gott diese Barmherzigkeit hat?
Mose scheint es erst einmal zu reichen.
Es wird trotzdem angekündigt, dass Gott irgendwie die Schuld heimsucht.
Die Frage ist offen, sie wird hier auch nicht geklärt, wie das denn funktionieren kann: dass ein Gott barmherzig, gnädig und langmütig ist und trotzdem die Schuld der Väter ja sogar bis in die dritte und vierte Generation heimsucht.
Da ist auch viel Schindluder mit dem Vers getrieben worden, das mal so zu sagen.
Wie passt das denn zusammen?
Wie kann dieser barmherzig-gnädige Gott trotzdem so gerecht sein und scheinbar irgendwo Sühne für Schuld suchen?
Aber als Erstes möchte ich festhalten: Dieser Gott des Alten Testaments ist wirklich schon ein barmherziger, langmütiger Gott.
Die ganze Geschichte Israels beweist, dass Gott ihm treu bleibt, obwohl kein Grund dazu da war.
Siehst du diese Barmherzigkeit Gottes?
Darf Gott so sein in deinem Leben?
Barmherzigkeit Gottes in Jesus Christus
Ich möchte weiter darauf eingehen, wie die Barmherzigkeit Gottes noch viel deutlicher sichtbar wird. Vor drei Wochen habe ich über Zacharias gepredigt, über den Lobpreis. Dabei möchte ich noch einen Vers herausgreifen: Lukas 1,78. Dort heißt es: „Weil unser Gott voller Barmherzigkeit ist, kommt das Licht des Himmels zu uns.“
Was Zacharias hier ausdrückt, ist, dass Jesus Christus aus genau diesem Grund in die Welt kommt – weil Gott barmherzig ist, weil er Mitleid hat und sich zu uns Menschen herabbeugt. Gerade zu uns, die wir eigentlich nichts mit ihm zu tun haben wollen. Zu den Menschen, die genauso gehandelt haben wie das Volk Israel damals, das weit von Gott entfernt war.
Gottes Barmherzigkeit zeigt sich in Jesus Christus. In Epheser 2,4-5 könnt ihr noch einmal nachlesen, was in deinem Leben passiert, wenn Gott eingreift. Dort heißt es: „Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr selig geworden.“
Gott ist so reich an Barmherzigkeit, dass er dich rettet, dass er dich aus dem Elend deines Lebens herausholt. Aufgrund der großen Barmherzigkeit Gottes, an der er reich ist – so heißt es in Epheser – wirst du gerettet, wenn du an ihn glaubst. Das ist nicht so, als hätte Gott nur ein kleines Nebenkonto, auf dem ein paar Euro liegen. Nein, er ist reich an Barmherzigkeit.
Ich glaube, wir können viel über Gott nachdenken und kommen damit nie ans Ende. Doch an den zwei großen Festen der Christenheit, an Weihnachten und Ostern, zielen die beiden Verse, die ich herausgesucht habe, besonders ab. Sie erinnern uns an einen barmherzigen Gott, der sich in tiefer Liebe zu uns Menschen herablässt, der alles aufgibt, um uns zu retten – obwohl wir gegen ihn stehen.
Was Mose nicht wissen konnte, nämlich wie Gott barmherzig und gnädig sein kann und trotzdem Sünder strafen kann, wird auf Golgatha klar. Dort können wir erkennen, warum Gott barmherzig und gnädig ist und dennoch die Strafe nicht ungesühnt bleibt. Denn er selbst sühnt.
Auch wenn es sich in deinem Leben vielleicht nicht so anfühlt oder nicht in dein Gottesbild passt, zeigt ein Blick auf Golgatha wie nichts anderes, dass Gott auch in deinem Leben barmherzig und gnädig ist. Dass er sich zu dir herablässt, obwohl du eigentlich ein Feind von ihm warst oder vielleicht nichts von ihm wissen wolltest. Dass er sogar stirbt und bezahlt.
Wenn du an Gottes Barmherzigkeit zweifelst und wenn sich vieles im Leben nicht so anfühlt, dann sollte Golgatha dir immer wieder klar machen: Doch, er ist es! Er ist der größte Beweis dafür.
Die Voraussetzung für gelebte Barmherzigkeit
Jetzt möchte ich noch etwas anfügen, weil das wichtig ist für das, was gleich im zweiten Teil kommt. Wenn wir Menschen erkennen, dass wir im Sumpf stecken, dann ist es unser natürlicher Reflex, selbst zu versuchen, uns daraus zu befreien. Kinder sind darin total genial. Sie haben Mist gebaut und versuchen jetzt, etwas besonders Tolles zu tun, um den Zorn der Eltern, den sie am Horizont sehen, oder die Strafe irgendwie zu besänftigen oder abzuwenden.
Sie überlegen sich etwas richtig Schönes. Ihr kennt das ja: Eltern werden irgendwann skeptisch, wenn Kinder plötzlich besonders brav sind. Dann wissen sie schon, dass irgendetwas im Busch ist, also dass etwas nicht passt.
Ich glaube, so sind wir Menschen auch. Wenn wir merken, dass wir vor Gott nicht bestehen können, wenn wir vielleicht spüren, dass irgendwo Sünde da ist, dass es nicht passt, dann fangen wir genauso an zu strampeln. Wir versuchen, irgendwelche Dinge zu tun, besonders lieb zu sein, etwas Besonderes zu schaffen, um Gott vielleicht wieder gnädig zu stimmen – wie Kinder.
Und glaubt mir, Gott ist besser darin, das zu erkennen, als Eltern. Er merkt, was Sache ist.
Ich möchte euch noch eine Stelle zeigen, was Gott sich stattdessen wünscht – und das wünscht sich auch jeder Elternteil. Interessanterweise steht das auch im Alten Testament. Im Propheten Joel wird ein großes Gericht über die Menschen angekündigt, die so weit weg von Gott sind.
Im zweiten Kapitel, Vers 13, heißt es: „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und bekehrt euch zu dem Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und es reut ihn bald die Strafe.“
Das ist im Alten Testament, mitten in einem Kapitel, das wie wenige andere Kapitel über Gottes Gericht spricht. Dort wird beschrieben, was sich Gott wünscht.
Wenn ihr jüngeren Kindern eure Eltern fragt, was sie sich wünschen, wenn ihr Mist gebaut habt, dann ist es nicht, dass ihr zehn Minuten lang besonders brav seid. Ich glaube, die meisten Eltern wünschen sich genau das, was hier beschrieben ist: dass man ehrlich kommt, sagt, was passiert ist, und zugibt, dass es einem leidtut.
Gott wünscht sich etwas anderes. Er möchte nicht, dass wir anfangen, besonders viele fromme Werke zu tun, um ihn gnädig zu stimmen und alles wieder gutzumachen. Weil er barmherzig, gnädig und geduldig ist, wünscht er sich, dass wir zu ihm kommen und ihn um Vergebung bitten. Dass wir unsere Herzen zerreißen, wie es hier beschrieben ist, Buße tun, anerkennen, dass wir schuldig sind, dass wir Mist gebaut haben, und zu ihm umkehren.
Warum sage ich das? Weil das die Grundvoraussetzung ist für die zweite Hälfte des Verses.
Wir haben jetzt gesehen, dass Gott barmherzig und gnädig ist. Diese Barmherzigkeit zeigt sich nirgends so deutlich wie darin, dass Jesus auf die Welt kommt und für dich und mich auf Golgatha stirbt.
Wir haben gesehen, dass du diese Barmherzigkeit erfahren kannst, wenn du zu ihm kommst, dein Herz zerreißt, wie es hier bildlich heißt, dich bekehrst, zu ihm umkehrst und ihm sagst, dass es falsch war, wie du gelebt hast.
Wenn das der Fall ist in deinem Leben, wenn du diese Barmherzigkeit Gottes kennengelernt hast, dann ist die Voraussetzung gegeben, dass du dir Lukas 6,36 als Vorsatz für dieses Jahr mitnehmen kannst. Denn dann hast du die Grundlage dafür. Das ist die Grundlage für unseren Vers.
Gottes Barmherzigkeit als Licht in unserem Leben
Nun dürfen Matthias und Stephan kurz ein Bild an die Wand projizieren. Die Freunde von Lockos waren so freundlich, ein schönes Bild zu dem Vers zu malen.
Ich habe gestern in der Jugendgruppe gefragt, ob jemand ein Prisma zu Hause hat. Leider hatte niemand eins, aber ich hätte euch das gerne noch gezeigt. Kann mir jemand kurz erklären, wie ein Prisma funktioniert? Vielleicht ein bisschen aufwecken oder erklären, was ein Prisma tut?
Ein Prisma bricht das Licht in seine einzelnen Farben, richtig? Das Licht scheint da irgendwie hindurch. Ich finde das ganz passend, denn zu diesem Vers haben sie genau so ein Bild gemacht.
Hier heißt es: Jesus Christus spricht, „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Was bedeutet das? Wenn wir Gottes Barmherzigkeit in unserem Leben erfahren haben, wenn wir wissen, wie unser Vater barmherzig ist, wenn Gott unser Vater geworden ist, dann kann seine Barmherzigkeit in uns hindurchscheinen.
Ich sage mal, wir sind so ein Prisma. Wir können Gottes Barmherzigkeit der Welt ein Stück weit weitergeben. Nicht jeder von uns wird das gesamte Lichtspektrum weitergeben, denn wir sind nicht Gott. Aber jeder von uns kann vielleicht einzelne Teile davon zeigen, so wie das Licht, das auf ein Prisma fällt und dort auseinanderbricht.
Deshalb ist es eine Voraussetzung, dass du Gottes Barmherzigkeit in deinem Leben erfahren hast. Sonst ist der andere Teil dieses Verses nicht lebbar, nämlich das „Seid barmherzig.“
Ich möchte uns anschauen, wie das Barmherzigsein ganz konkret aussehen kann.
Konkrete Umsetzung von Barmherzigkeit
Wir haben schnell viele Ideen: armen Leuten helfen, Mitleid haben, jemanden trösten und so weiter. Ja, das ist alles ein Teil davon, und ich fand es schön. Benny, ich sage das mal so offen: Du hast ja noch etwas zur Einladung für Instagram und so weiter geschrieben. Da warst du genau in diese Richtung unterwegs. Ich dachte mir, das ist gar nicht so schlecht, das kann ich morgen aufgreifen. Denn das sind unsere ersten Gedanken, wenn wir über Barmherzigkeit und darüber sprechen, gnädig zu sein.
Ich möchte euch jetzt zeigen, dass das viel zu wenig ist, wenn Gott von Barmherzigkeit redet und wie wir barmherzig sein sollen – wie Gott, unser Vater, barmherzig ist. Gott hat noch viel, viel mehr im Blick. Und das, was jetzt kommt, kannst du nicht leben, wenn du nicht Gottes Barmherzigkeit erfahren hast. Denn ich glaube, dass die Verse von 27 bis 35 und von 37 bis 42, also die davor und danach, beschreiben, wie wir Barmherzigkeit leben können. Das übersteigt unsere menschlichen Fähigkeiten.
Deshalb werde ich heute zwei Anwendungen herausziehen. Die eine ergibt sich aus dem Block von 27 bis 35, die andere aus 37 bis 42. Ich lese mit euch Lukas 6,27-35:
„Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, segnet die, die euch verfluchen, bittet für die, die euch beleidigen. Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete auch die andere dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch das Hemd nicht. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir das Deine nimmt, fordere es nicht zurück. Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch. Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben ihre Freunde. Und wenn ihr nur denen wohl tut, die euch wohl tun, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder tun dasselbe. Wenn ihr nur denen leiht, von denen ihr etwas zurückzuerwarten hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch die Sünder leihen den Sündern, damit sie das Gleiche bekommen. Vielmehr aber: Liebt eure Feinde, tut Gutes und leiht, ohne etwas zurückzuerwarten. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.“
Ich habe mir gedacht: Muss ich da noch viel erklären? Muss man hier viel auslegen? Das sind ein paar Bibelverse, die ziemlich simpel zu verstehen sind, aber so schwer zu leben. Wie geht es dir damit?
Warum nehme ich diese Verse her und sage, dass das zeigt, wie wir Barmherzigkeit leben können? Das ist, was Vers 36 meint: ganz einfach. Was hier beschrieben wird, ist genau das, was Jesus gelebt hat. Es ist genau das, was er getan hat. Er hat seine Feinde geliebt und sein Leben für sie gegeben. Er hat alles für sie aufgegeben.
Wenn wir in Vers 36 lesen, dass wir barmherzig sein sollen, wie unser Vater barmherzig ist – und ich fasse Jesus und den Vater zu Gott zusammen – dann glaube ich, dass sich das nirgends deutlicher zeigt oder beweist, als wenn wir unsere Feinde lieben. Wenn du wirklich barmherzig wirst, bedeutet das, Menschen zu lieben, die du eigentlich nicht liebst. Nicht nur den Menschen Gutes zu tun, die dir auch Gutes tun, nicht nur neutralen Menschen Gutes zu tun oder nur dann, wenn du etwas zurückbekommst. Nein, Gutes zu tun, gerade wenn dir andere Böses tun.
Das stellt alles auf den Kopf, was unser Mensch von Natur aus will, was irgendwo in unserem Leben verankert ist und was wir für sinnvoll halten. Es stellt auch auf den Kopf, was alle anderen Religionen lehren oder bereithalten: die Liebe zu denen, die wir nicht lieben.
Ich weiß, du hast das x-mal gehört, und das ist wahrscheinlich eine der bekanntesten Bibelstellen, aber vielleicht auch eine der am wenigsten gelebten. Stell dir einmal ganz kurz vor, was dein aktuell größter Wunsch ist. Was würde dich gerade am glücklichsten machen? Hast du etwas im Kopf?
Jetzt stell dir deinen aktuell größten Feind vor. Und dann stell dir vor, dass du ihm genau das schenkst. Warum sage ich das? Weil genau das Vers 31 sagt: „Was du erwartest, dass andere dir tun, das tue ihnen auch.“
Es ist schwer, und es liegt uns nicht, die Feindesliebe zu leben, die Jesus fordert. Es ist nicht nur ein Bekenntnis, bei dem ich mit Worten sage: Ja, ich liebe meine Feinde. Es ist eine sehr tatenvolle Liebe, die sehr konkret wird. Wo ich mir wirklich Dinge vornehmen kann, bei denen ich nicht lange überlegen muss, was ich tun soll.
Vielleicht musst du nicht gleich mit dieser großen Nummer anfangen. Aber vielleicht machst du dich die nächsten Tage einfach mal schlau, wie es deinem Feind geht, wo bei ihm der Schuh drückt. Dann bete für ihn, dass Gott in seinem Leben wirkt und ihn segnet. Das ist es, was hier beschrieben ist: Segne deine Feinde.
Du musst nicht lange überlegen, was du tun sollst. Aber es ist so schwer, das umzusetzen. Das ist, was hier gewünscht wird.
Gibt es jemanden, der dich richtig ausnutzt und ständig mehr von dir nimmt, als berechtigt ist? Dann leg noch eine Schippe drauf und gib ihm noch ein bisschen mehr. Mach ein bisschen mehr. Das ist auch hier beschrieben.
Leihst du gerade jemandem etwas? Hast du schon mal darüber nachgedacht, das Gleiche zu verschenken? Das steht hier! Fordere nichts zurück, wenn du etwas verliehen hast. Puh, ist schwer, oder?
Vielleicht ist das ein Männerthema, aber vielleicht passt es auch für Frauen: Führst du eine Liste, wem du schon geholfen hast und wer jetzt eigentlich mal bei dir auf der Matte stehen sollte? Schmeiß die Liste weg. Wenn du hilfst, dann hilf ohne Gegenleistung zu erwarten.
Wir sind doch alle so, dass wir irgendwo ein „Positiv-Negativ-Konto“ führen: Wer hat mir schon wie viel geholfen, wem habe ich wie viel geholfen, und der sollte doch jetzt auch mir mal helfen. Diese Verse streichen das durch.
Das sind vielleicht ganz konkrete Dinge, bei denen du in deinem Leben ansetzen kannst, um im neuen Jahr Dinge anders zu leben. Für mich ist das echt schwer.
Die Herausforderung des Nicht-Richtens und der Vergebung
Ich würde die Verse 37 bis 42 noch anschauen. Ja, ich weiß, man kann über diese Verse noch viel, viel tiefer eingehen. Vielleicht tut das mal jemand. Aber sie sind unangenehm, vor allem für die Nächsten. Für den Prediger sind sie auch echt unangenehm, weil man zuhause sitzt und merkt, wie man an diesen Dingen richtig versagt. Ich werde euch gleich noch etwas dazu sagen.
Lukas 6,37-42 sagt: „Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergibt, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben: ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben, denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen.“
Es folgt auch ein Gleichnis: „Kann ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht beide in die Grube fallen?“
Der Jünger steht nicht über dem Meister. Wenn er vollkommen ist, so ist er wie sein Meister.
Dann heißt es: „Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, und den Balken in deinem eigenen Auge nimmst du nicht wahr? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: ‚Halt still, Bruder, ich will den Splitter aus deinen Augen ziehen‘, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge und sieh dann zu, dass du den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehst.“
Das klingt im ersten Moment vielleicht leichter als „Liebe deine Feinde“ oder so. Aber mir fällt das echt oft schwer.
Eigentlich kann man diesen Abschnitt ganz knapp zusammenfassen. Ja, er enthält auch noch einmal ein bisschen dieses Geben, aber im Grunde kann man sagen: „Hör auf zu richten und tu Gutes.“
Ich möchte trotzdem ein bisschen dazu sagen, ohne jetzt in jedes Detail einzutauchen.
Was hier meiner Meinung nach nicht gemeint ist, sind staatliche Gerichte. Diese haben von Gott die Aufgabe bekommen, für Recht und Ordnung zu sorgen. Das findet ihr an mehreren Stellen im Neuen Testament, zum Beispiel in Römer 13 oder im Petrusbrief. Das ist sicherlich nicht gemeint.
Auch Gemeindezucht ist hier, glaube ich, nicht gemeint. Die Gemeinde hat die Aufgabe, dort zu handeln, wo wirklich ganz massiv gegen Gottes Gebote verstoßen wird und Leute nicht bereit sind, das einzusehen und umzukehren. Eine Aufforderung zum Handeln findet ihr in Matthäus 18 oder im 1. Korinther 5. Das sind alles Dinge, die hier nicht gemeint sind.
Was ist dann gemeint? Ich möchte uns ein paar Punkte vor Augen stellen.
Das Erste ist, über die Motivation von Menschen zu urteilen. Im 1. Samuelbuch heißt es, ich habe den Vers leider nicht aufgeschrieben, ich glaube, es ist Kapitel 15: Samuel kommt zu den Söhnen Isaias, um den König zu salben. Der will die ganze Zeit losrennen, weil viele nach tollen Königen aussehen. Gott sagt zu ihm: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“
Das sollte uns bewusst sein, auch wenn Menschen irgendwo falsch handeln. Wir haben nicht das Recht, zu bewerten, was in ihren Herzen vor sich geht. Dieses Urteil ist Gott überlassen, das letzte Urteil, was wirklich im Herzen drin ist.
Aber ich glaube, wir sind oft so schnell dabei, die Motivation von Leuten in ihre Taten hineinzulesen. Kennt ihr das? Ihr müsst das den Personen gar nicht direkt sagen, aber ihr denkt: „Der hat was gegen mich, der hat mich schon wieder irgendwo nicht beachtet.“
Das habt ihr jetzt hier bei den Versen vielleicht noch gar nicht erwartet, aber das ist Richten. Ich beurteile die Motivation von jemandem: „Der hat mich nicht lieb, der mag mich nicht, dem passe ich nicht, dem schmecke ich nicht“ und Ähnliches. Lass es sein.
Was ist noch damit gemeint? Ich glaube, Kritik passt hier auch rein. Und hey, wenn du jemand bist, der die Dinge ganz genau machen will – was ich manchmal bin – dann fühlst du dich da echt verdammt hart. Ich weiß nicht, wie viele Leute in der Technik bei mir manchmal leiden müssen, weil ich auf jede Kleinigkeit Wert lege. Es gibt noch ein paar andere Sachen.
Musst du wirklich jede Kleinigkeit kritisieren, verbessern und ungnädig sein mit jemandem, der hier vielleicht gerade nicht seine Stärke hat? Meine Frau schaut jetzt zuhause zu, sie wird sich da auch erinnert fühlen und denken: „Na schön, dass er über so einen Vers mal predigt, dass er alles besser weiß.“
Das ist echt schwer. Und ich glaube, gerade in diesen Dingen können wir Barmherzigkeit zeigen und es einfach sein lassen mit dem Richten.
Was sicher auch dazugehört, ist, mit anderen über die Fehler anderer zu reden und dann ganz schnell auch noch die Motivation derer zu bewerten. Ich sage gar nichts mehr dazu, ihr wisst Bescheid.
Was hier noch gemeint ist: sich für etwas Besseres oder Heiligeres zu halten als der andere. Das stimmt vielleicht für das konkrete Problem, das du im Leben von jemand anderem siehst. Vielleicht hast du da einen recht klaren Blick und erkennst sehr gut, dass da etwas im Leben von anderen nicht in Ordnung ist. Du siehst den Splitter im Auge.
Ganz kurz: Der Vers sagt nicht, dass du mit ihm nicht in einem guten Moment reden und ihm helfen kannst, dass dieser Splitter rauskommt. Das heißt er ja nicht. Aber er gibt dir eine Haltung mit. Er sagt nämlich etwas: Wenn der andere vielleicht einen kleinen Splitter hat, hast du aber einen riesigen Balken vor deinen eigenen Augen. Sei dir dessen sehr bewusst und kümmere dich vor allem um deinen eigenen Balken.
Das heißt für mich: Sei demütig, wenn du mit jemand anderem wirklich mal über ein Thema reden musst. Sei dir bewusst, dass du einen fetten Balken hast und dass du eigentlich nur über einen kleinen Splitter bei ihm redest.
Das ist alles jetzt sehr knapp. Ich glaube einfach, dass es genug Anwendung mitgibt und euch vielleicht auch herausfordert, das zuhause mal ein bisschen tiefer zu studieren und euch noch ein bisschen mitzunehmen, was das konkret bedeutet.
Praktische Schritte zur Barmherzigkeit
Ich möchte das noch etwas konkreter fassen und einige Ideen mitgeben.
Zunächst einmal: Wenn dir Dinge auffallen, die du kritisieren könntest, dann schluck sie erst einmal runter und denke genau darüber nach. In den meisten Fällen, glaube ich, besteht die Herausforderung beim Kritisieren genau darin, das Runterschlucken zu üben.
Außerdem solltest du aufhören, vor anderen über jemanden zu urteilen oder – noch schlimmer – mit anderen gemeinsam über andere zu urteilen. Hör auf, die Motive anderer zu bewerten, die du nicht kennst. Das gilt ganz besonders für deine Erzfeinde, Nachbarn, Prominente und Politiker. Dieses Recht haben wir nicht.
Hör auf, an allem herumzumeckern und ständig alles besser wissen zu wollen. Lass es einfach sein und sei dir bewusst, dass dein eigener Balken meist größer ist als der Splitter beim anderen. Wenn du also jemandem helfen willst, sei dir sehr genau bewusst und demütig, dass du selbst größere Probleme hast und auch Hilfe brauchst.
Diese beiden Anwendungen zusammengefasst sind vielleicht etwas, das du mit ins neue Jahr und in diese Woche nehmen kannst: Liebe die Menschen, die dir am meisten fernstehen, und zwar mit konkreten Taten. Überlege dir, was du ihnen Gutes tun kannst.
Fang vielleicht nächste Woche damit an, jemandem, mit dem du gerade sehr hart ins Gericht gehst, eine liebe WhatsApp-Nachricht zu schreiben. Von einem Brief will ich noch gar nicht reden, aber vielleicht ist das sogar noch schöner.
Wie ich das formuliert habe, hatte ich ein bisschen Angst, weil ich dachte, ich bekomme jetzt lauter Nachrichten. Aber nimm das vielleicht einfach mal mit und mach es konkret. Fang an, den Leuten, mit denen du dir schwer tust, Gutes zu tun. Überlege, wo du für sie beten kannst oder für sie da sein kannst.
Lass es nicht verstreichen, irgendwann damit anzufangen. Fang wirklich diese Woche damit an.
Bevor du jemanden kritisierst, überlege dir zweimal, ob das jetzt wirklich nötig ist. Und wenn nicht, denk an deinen eigenen Balken und schluck den Ärger auch innerlich runter. Pack diesen Groll weg, gib ihn bei Gott ab und denk daran, wie barmherzig Gott zu dir war.
Barmherzigkeit als Licht in einer unbarmherzigen Welt
Und vielleicht können wir zum Abschluss noch einmal kurz das Bild auf dem Beamer zeigen. Ich möchte nämlich dieses Beispiel mit dem Prisma noch einmal aufgreifen.
Wenn wir diese Dinge tun – wirklich unsere Feinde lieben und aufhören, andere Menschen ständig zu beurteilen und über sie zu richten – dann glaube ich, dass wir damit sehr konkret zur Realität werden lassen können, dass Gottes Barmherzigkeit durch unser Leben sichtbar wird. Jeder zeigt sie vielleicht durch eine andere Facette.
Das geschieht nicht als fromme Tat, bei der wir vor Gott etwas beweisen oder besser machen könnten, sondern weil wir Gottes Barmherzigkeit empfangen haben. Sie gibt uns die Kraft, selbst barmherzig zu sein. Wir haben selbst erlebt, dass jemand mit seinen Feinden gnädig und barmherzig war, und geben das weiter.
Ich habe den Eindruck, dass diese Welt um uns herum immer unbarmherziger wird. Alt gegen Jung, West gegen Ost – man könnte in Deutschland noch hinzufügen: Links gegen Rechts, Corona gegen No Corona und was weiß ich. Wenn du in die Medien schaust, vor allem in die sozialen Medien, dann siehst du nur noch Hartherzigkeit und Unbarmherzigkeit untereinander.
Ich glaube nicht, dass es besser wird, weil das der normale Lauf ist, den wir Menschen nehmen, wenn wir selbst keine Barmherzigkeit empfangen haben. Wir sind nicht in der Lage, Barmherzigkeit weiterzugeben, wenn wir sie selbst nicht erfahren haben, wenn wir selbst nicht einen gnädigen und barmherzigen Vater kennen.
Aber so ist es bei uns nicht. Wir haben diese Barmherzigkeit Gottes empfangen, die als Licht auf diese Erde gekommen ist. Wir kennen Jesus Christus und haben neues Leben bekommen. Nicht in deinem und meinem Leben soll es so sein, dass Unbarmherzigkeit herrscht, sondern bei uns soll es anders sein.
Wir haben Barmherzigkeit erfahren, und ich glaube, weil wir diese Barmherzigkeit erfahren haben, können wir in einer immer finsterer werdenden Welt immer heller leuchten. Je dunkler es ist, desto besser wird das Licht erkennbar.
Deshalb möchte ich dich motivieren, für die nächste Woche – vielleicht sogar für das ganze nächste Jahr – das zu tun, was Christen seit zweitausend Jahren tun: der Welt um uns herum Barmherzigkeit erweisen, gerade dann, wenn diese Welt völlig unbarmherzig ist.
Lasst uns dieser Welt zeigen, dass es einen barmherzigen Gott gibt und dass es sich lohnt, zu ihm umzukehren. Das Schöne dabei ist: Genau dadurch wirst du Gott ähnlicher, wächst in der Heiligung und ehrst mit deinem Leben Gott.
Das wünsche ich mir für dich und mich fürs nächste Jahr. Amen.