
Herzlich willkommen zum Wortreich Podcast. Ich bin Jojo, und ich bin Markus. Gemeinsam sprechen, diskutieren und philosophieren wir über christliche Themen, die dich heute beschäftigen.
Viel Freude beim Zuhören der heutigen Folge.
Ja, Geschichten aus der Mission. Wer die Einleitungsfolge dieses Podcasts gehört hat, weiß schon ein bisschen mehr über Markus und mich, was wir erlebt haben und wo wir waren.
Zur Auffrischung kurz: Ich, der Jojo, war viel unterwegs in ganz Deutschland. Ich habe mit verschiedensten Gemeinden an unterschiedlichsten Orten gearbeitet und sehr viele Einsätze gehabt – wirklich über Jahre hinweg. Ich bin kreuz und quer durch Deutschland gefahren und habe viele Menschen kennengelernt, vor allem bei Straßenevangelisationen. Das war aber auf Deutschland beschränkt.
Bei Markus war das etwas anders. Ihr wart nämlich nicht nur in Deutschland unterwegs, sondern auch woanders. Wo wart ihr?
Wir waren in Namibia. Das ist zwar schon eine Weile her, aber von 2017 bis 2019, also zweieinhalb Jahre, waren wir im südlichen Afrika im Einsatz.
Genau, das war also nochmal eine ganz andere Missionserfahrung. In dieser Zeit haben wir natürlich sehr viel erlebt. Wir haben prägende Dinge erfahren, die uns bis heute beeinflussen. Wir haben viel gelernt, viele schöne Momente erlebt, aber auch traurige Zeiten und traurige Geschichten durchlebt.
Ich denke, das ist das Spannende: Man hört ganz viele verschiedene Geschichten von den unterschiedlichsten Leuten. Deshalb dreht sich diese Folge um Geschichten aus der Mission – also darum, was uns am meisten geprägt hat.
Wir möchten erzählen, was wir für besonders hilfreich halten, damit es auch für die Zuhörer wertvoll ist. Denn die Erfahrungen waren für uns einfach total bereichernd.
Was würdest du sagen, was waren in Namibia vielleicht die prägendsten Momente – erstmal so allgemein?
Das ist natürlich schwierig, so zweieinhalb Jahre in kurzer Zeit zusammenzufassen, denn es gibt viele kleine Momente, die einfach abenteuerlich und spannend waren. Wenn man in Afrika lebt, erlebt man wirklich viele aufregende Dinge. Das kann beim Autofahren sein oder bei anderen Erlebnissen, wenn man an einen bestimmten Ort kommt oder einen besonderen Platz besucht.
Aber ich glaube, das, was für uns am prägendsten war, waren die Beziehungen zu Menschen. Menschen, die wir kennengelernt haben, die aus der Kultur kommen, also Namibier sind. Sie stammen aus afrikanischen Stämmen und sind in dieser Kultur stark aufgewachsen und geprägt worden. Diese Menschen haben wir über einen längeren Zeitraum begleitet.
Das hat uns am meisten über das Land, die Kultur und die Menschen, die dort leben, gezeigt. Es hat uns auch emotional am meisten berührt und manchmal auch Kraft gekostet. Diese Erlebnisse mit den Menschen, mit ihnen zu leiden und sie kennenzulernen, sind, glaube ich, das, was am meisten hängen geblieben ist.
Ja, wenn man mal so eine Person herausgreift, was muss man dazu sagen? Ich kann eine Person als Beispiel nehmen.
Also, wie gesagt, meine Frau Johanna und ich waren dort zweieinhalb Jahre. Wir haben eine junge Frau kennengelernt, die Jenny hieß. Sie war ungefähr in unserem Alter, Anfang zwanzig, hatte aber schon zwei kleine Kinder. Einen Mann oder Freund gab es nicht. Das war eine Sache, die stark mit der Kultur zusammenhing.
Wir haben sie kennengelernt, weil sie sehr offen war. Sie kam aus einem Elendsviertel und wohnte dort in einer Wellblechbaracke, unter sehr armen Verhältnissen. Trotzdem war sie sehr freundlich und uns gegenüber sehr zugewandt. Das war eine absolute Ausnahme, denn viele Menschen dort, besonders Schwarze, sind sehr vorsichtig, zurückhaltend und misstrauisch gegenüber Weißen. Natürlich hängt das mit der Apartheid-Vergangenheit zusammen. Außerdem will man aus seiner Kultur nicht ausbrechen, um nicht zum Außenseiter zu werden.
Jenny war total offen und freundlich. Wir konnten viel mit ihr reden und haben viele Zeichen echten Glaubens an Jesus bei ihr gefunden. Je mehr Vertrauen zwischen uns entstand, erzählte sie uns auch von ihrer Vergangenheit. Das hat uns sehr berührt.
Ihr Vater war so eine Art Chief, ein halber kleiner Häuptling einer Gruppe von Menschen außerhalb eines bestimmten Stammes, die aber in unserer Stadt wohnten. Er war quasi der Clanchef an diesem Ort, denn der Stamm kam eigentlich weiter aus dem Norden. Dieser Stamm hatte jedoch noch starke Verstrickungen in Kulte und Witchcraft. Man konnte das in Jennys Leben sehen, wo solche Bindungen noch vorhanden waren.
Es war unglaublich für uns, wie sie daraus freigekommen ist und eine lebendige Beziehung zu Jesus hatte. Viele aus ihrer Familie oder ihrem Stamm gingen zwar zum Gottesdienst, aber man konnte ihnen ansehen, dass sie nicht frei waren.
Durch Jenny erfuhren wir auch, wie es den Menschen in solchen Elendsvierteln wirklich geht. Man denkt zunächst, sie sind nur arm und kämpfen mit finanziellen Problemen. Aber als Missionare vor Ort merkten wir, dass es nicht nur um finanzielle Armut geht. Die Menschen sind gefangen in Stammes- und Clanstrukturen, aus denen sie kaum herauskommen. Es gibt viele kulturelle Bindungen und auferlegte Verpflichtungen, die sie nicht abwerfen können.
Darüber hinaus gibt es auch geistliche Bindungen, die sie festhalten. Man merkt, wie stark die Stämme noch in Ahnenglauben und okkulten Praktiken verstrickt sind. Es war sehr eindrücklich, das von Jenny so zu hören und zu erleben.
Das finde ich allgemein sehr bemerkenswert: Mission wird oft sehr kritisch betrachtet, besonders von Menschen, die Völkerkunde betreiben, wie Anthropologen oder Sprachwissenschaftler. Uns wird häufig vorgeworfen, dass eine Kultur zerstört wird, sobald ein Missionar in ein Gebiet kommt. Sicherlich ist in der Vergangenheit manches in dieser Hinsicht falsch gelaufen.
Was dabei jedoch oft ausgeklammert wird, ist, dass viele Völker mit großen Problemen zu kämpfen haben, wie Armut. Dabei wird häufig übersehen, dass Missionare oft genau deswegen kommen, um diesen Menschen zu dienen. Sie wollen ihnen nichts aufzwingen, sondern ihnen auch ganz praktische Dinge zeigen, zum Beispiel Ackerbau oder Möglichkeiten, wie sie sich finanziell besser versorgen können.
Viele Völker, die beispielsweise unter Alkoholsucht litten oder andere Probleme hatten, konnten durch die Unterstützung der Missionare Heilung erfahren. Deshalb ist es sehr spannend, von einem solchen Volk zu hören. Die Kultur wurde dort nicht zerstört. Vielmehr muss man sagen, dass die Kultur vieler Völker dort auch zerstörerische Elemente hatte. Nicht alle, aber von einer heilen Welt kann man wirklich nicht sprechen. Das zeigt sich auch an der Geschichte solcher Länder.
Es ist nicht so, dass Krieg oder Zerstörung erst mit dem Eintreffen der Missionare begonnen haben. Vielmehr fanden die Missionare Kulturen vor, die sich teilweise bis aufs Blut bekriegten, sogar innerhalb der eigenen Gemeinschaft. Gleichzeitig gab es ein großes Bedürfnis nach Freiheit und Frieden.
Natürlich wurde das Wirken von Wissmann und den Kolonialmächten nicht gut durchgeführt, und auch Missionare haben nicht alles richtig gemacht. Aber wir haben auch erkannt, wie zerstörerisch manche kulturellen Praktiken waren – etwas, das heute nur noch selten thematisiert wird.
Wir haben dann einfach mitgefreut, aber auch mitgelitten – zum Beispiel mit Jenny. Sie hat Rückschläge und Schicksalsschläge erlitten. Einmal ist ihre Wellblechhütte abgebrannt, was häufig passiert. Das liegt daran, dass es viele Feuer gibt, weil die Leute noch auf offenem Feuer kochen, teilweise auch drinnen. Nachts ist es kalt, und dann holen sie manchmal ein Feuer mit ins Haus. Tagsüber sind sie oft nicht bei ihrer Hütte, und es wird viel eingebrochen. Die Ärmsten der Armen berauben sich ständig gegenseitig, und so etwas passiert eben.
Eines Tages ist eben ihre Hütte abgebrannt. Es war schrecklich, das mitzubekommen – alles, was sie sich mühsam aufgebaut hatte, war verbrannt. Sie hatte durch die Handarbeitsklasse Perlenketten und Ähnliches hergestellt und verkauft. Alles war weg.
Aber dann merkte man auch, wie stark sie war. Wie fertig wären wir wohl, wenn alles, was wir hatten, plötzlich weg wäre? Und wie schnell sie damit umgeht! Sie hat zwar geweint und war traurig, aber schon nach etwa ein bis zwei Wochen war sie in einem Modus, in dem sie sagte: „Das Leben geht weiter.“ Sie stand wieder auf den Beinen und begann, alles neu aufzubauen.
Natürlich habe ich ihr auch geholfen, wieder eine Hütte zusammenzuzimmern und so weiter. Aber da dachte ich mir auch: Wie sehr hängen wir Menschen hier an unserem Leben, an unserem Haus und an unserem Besitz! Es war einfach schön zu sehen, wie sie davon frei war.
Das sind so schöne Momente, in denen sie Fortschritte gemacht hat. Sie hat sogar noch eine Ausbildung oder Fortbildung begonnen. Man merkte, dass sich etwas verändert hat. Es war beeindruckend zu sehen, wie ein Mensch Hoffnung gewinnt, selbst aus einer schwierigen Situation, und wie sich dadurch das Leben verändert.
Das waren wirklich schöne Momente.
Willst du sagen, das war für dich eine Art Lernprozess, auch mit wenig auszukommen? Auf jeden Fall. Das hat uns bestimmt auch irgendwie, wahrscheinlich unterbewusst, geprägt – wie wir leben wollen und wie wir durchs Leben gehen wollen. Man erkennt, dass alles in jedem Moment vorbei sein kann. Dann stellt sich die Frage: Will ich mein ganzes Leben nur dafür aufwenden, mir hier etwas aufzubauen?
In dem Moment war es einfach emotional sehr intensiv, mit ihr solche Erfahrungen zu machen. Unter anderem waren natürlich auch immer verschiedene Leute gleichzeitig dabei. Es geht einem auch nahe, wenn man sieht, wie es den Kindern dort geht. Einige von uns waren schon mal in Afrika oder Südamerika, zum Beispiel im Rahmen eines Auslandsjahres, und haben Ähnliches erlebt. Das hat uns ebenfalls sehr berührt.
Wie gehen die Menschen dort mit ihren Kindern um? Das waren Momente, in denen wir total angespannt waren, weil wir mit ihr mitgefühlt haben. Wir mochten sie wirklich und haben gemerkt, wie sie Dinge gelernt hat. Gleichzeitig gab es aber auch völlig verstörende Erlebnisse, auch mit ihr. Zum Beispiel hat sie ihre kleine Tochter, die gerade etwa ein Jahr alt war, irgendwann plötzlich zu ihrer Oma in den Norden in den Busch geschickt. Das ist ein völlig übliches Verhalten dort.
Gerade diejenigen, die in Elendsvierteln der Stadt leben und sich einen Job suchen, schicken ihre Kinder irgendwann zu den Großeltern in den Busch. Das sind etwa 600 Kilometer entfernt, und die Kinder kommen selten zurück. Dort kümmern sich dann die Großmutter oder die Mutter um sie. Für uns brach das das Herz, weil wir das Kind kennengelernt hatten. Wir fragten uns: Warum machst du das? Wir hätten dir doch irgendwie helfen können.
Aber man merkt auch, dass man Menschen loslassen muss. Das Herz ist total zwiegespalten. Man lebt intensiv mit dieser Person mit, und dann verstört es einen, wenn sie etwas tut, was man nicht verstehen kann. Das hat uns sehr mitgenommen, aber auch geprägt.
In Afrika liegen Freude und Leid einfach sehr dicht beieinander. Ich glaube, das hat uns am meisten berührt und bewegt.
Hast du so? Jetzt habe ich schon lange erzählt, aber das ist auch lange her. Es war eine längere Zeit, aber du hast ja an vielen verschiedenen Orten Dinge erlebt, die wahrscheinlich auch immer krass waren, weil es ein besonderes Erlebnis war, mit dem Liveliner eine Woche, manchmal mehrere Tage an einem Ort zu sein.
Hast du ein paar Momente, von denen du erzählen magst, die dich geprägt haben oder an die du dich jetzt immer noch sehr stark erinnerst?
Ja, also, es gibt auf jeden Fall manches zu erzählen. Als du eben gerade davon gesprochen hast, so von Witchcraft und so, also gerade im Geistlichen gab es ein Gespräch, das mir sehr in Erinnerung geblieben ist.
Das war, also wir hatten einen Truck, der war einfach mitten in der Stadt. Da waren wir in Schwabmünchen, und das war ein Straßencafé, wo einfach Leute vorbeikommen konnten. Dann hatten wir immer Volontäre, die dabei waren, und ich war als der Leiter von den Volontären mit auf dem Einsatz dabei.
Auf einmal kommt einer der Volontäre zu mir rein und sagt: „Ey Jojo, da draußen sind zwei, die sagen, sie sind Satanisten.“ Ich habe das Thema dann ganz schnell woanders hingelenkt. Der Volontär hatte das gesagt, weil ich irgendwie nicht wusste, was ich machen soll. Aber willst du nicht dazukommen und irgendwie… nicht so? Ja klar, habe ich mich dazugesetzt und habe das Gespräch gleich mal wieder zurück auf das Thema gelenkt.
Ich habe dann gesehen, dass sie sich zum Beispiel geritzt hatten. Ich habe von ihnen gehört, als ich sie dann ganz konkret gefragt habe: „Was habt ihr denn gemacht als Satanisten?“ Sie erzählten dann von ihren verschiedenen Spielchen, die man da so macht, Dinge ausprobieren, die halt ein bisschen creepy sind.
Dann habe ich sie an einem Moment ganz konkret einfach gefragt. Der eine hieß Flo, der andere Yassin. Yassin war zu dem Zeitpunkt siebzehn Jahre alt, Flo ungefähr dreiundzwanzig. Ich habe sie dann ganz konkret gefragt: „Hört ihr Stimmen, also hörbar?“ Und das haben sie bejaht.
Da habe ich sie gefragt, weil sie sich anscheinend schon mal geritzt hatten: „Erzählen euch die Stimmen, ihr solltet euch was antun?“ Daraus ist ein Gespräch entstanden, das bestimmt vier Stunden gedauert hat. Wir sind dann hoch auf den Liveliner gegangen.
Ich erzähle jetzt natürlich nicht alle Einzelheiten hier, es sind natürlich viele krasse Dinge passiert, weil sie eben auch geistlich gebunden waren. Aber letztendlich war es so, dass man wirklich einen Kampf gesehen hat. Gerade in der Zeit, als wir angefangen haben, das Evangelium ihnen zu erklären, war irgendwie alles plötzlich dagegen.
Plötzlich sind Dinge passiert, bei denen man sich so denkt: „Warum kannst du den Bibelvers jetzt nicht lesen? Warum ist der jetzt verschwommen?“ Da einfach noch mal zu sehen, das ist, glaube ich, ein Moment, an den ich bis heute oft denke.
Ich hatte auch keine Angst oder so, überhaupt nicht. Man hat wirklich gespürt, wie Gott einen komplett beschützt und durchträgt. Das ist so ein Moment, wo ich immer wieder weiß: Da habe ich wirklich mal ganz live erlebt, dass das, was man sonst in der Bibel nur liest, wirklich auch Tatsache war.
Sie haben sich also scheinbar bekehrt in dem Gespräch. Sie haben Jesus ihr Leben gegeben. Wie nachhaltig das ist, kann ich nicht sagen. Aber die Freude, die sie dann hatten, direkt nach dem Gespräch und auch am nächsten Tag noch, war groß.
Der eine kam zu mir, hat mich umarmt und sagte: „Oh Jojo, vielen Dank, vielen Dank dir.“ Ich antwortete: „Ich habe nichts gemacht, das war ja… du musst Jesus danken dafür.“ Also das war ganz, ganz krass, das so zu erleben.
Auch hatten sie einen Ausschlag, den sie seit dem satanischen Ritual auf dem Arm hatten. Direkt nach dem Gespräch war der Ausschlag weg. Da haben sie dann auch gemerkt: „Boah, der ist weg, wie krass!“ Und sie sind richtig abgegangen.
Das war einer der prägenden Momente, im Positiven. Dann teilweise auch im Negativen, weil man einfach auch erlebt hat, dass die Gemeinde vor Ort sie nicht so richtig aufgefangen hat.
Sie sind dann ein, zwei Mal in den Gottesdienst gegangen. Ich habe da mal nachgefragt: „Gehen die immer noch?“ Da kam die Antwort: „Nee, wir wissen nicht, wo die sind.“ Aber sie hatten ja die Handynummer von ihnen und wussten auch, wo sie wohnen.
Da habe ich mich so gefragt: „Geht ihr überhaupt denen nach? Also schaut ihr nach ihnen?“ Und im Nachhinein frage ich mich, ich weiß nicht, was aus den beiden geworden ist.
Man erlebt so etwas Schönes, aber dann gleichzeitig auch so ein bisschen bittersüß, weil man nicht weiß, was daraus geworden ist.
Das ist ein gutes Wort, ja, ganz genau. War spannend.
Ich glaube, es war tatsächlich sehr spannend, weil viele Jugendliche und Volontäre, die mit dabei waren, zum ersten Mal solche Erfahrungen gemacht haben – zu sehen, wie Gott am Werk ist.
Hast du noch andere Erlebnisse mit Jugendlichen, vielleicht auch geistlicher Art? Für Deutschland ist das ja oft ganz fern, aber ich würde schätzen, in Namibia ist das wahrscheinlich sehr präsent. Dennoch ist es ein Thema, über das kaum gesprochen wird.
Wir waren damals sehr jung, hatten keine Ausbildung als Missionare, waren etwa 25 Jahre alt und gar nicht darauf vorbereitet. Trotzdem sind wir als Volontäre ins Leben dort eingestiegen und sind schließlich auch geblieben. Es hat sehr geholfen, den Leuten zu sagen: „Wir bleiben.“ Viele kommen nur für ein halbes oder ganzes Jahr und öffnen sich nicht wirklich für die Kultur. Wir aber haben gesagt: „Wir wissen nicht, wann wir wieder gehen, aber wir bleiben erst mal.“ Das hat viel bewirkt.
Für uns war das ein schrittweiser Prozess. Wir haben nach und nach die Kultur besser verstanden, auch wenn wir nur einen Bruchteil davon gesehen haben. Es hat auch geholfen, dass wir zusammen mit jemandem in einem Haus gelebt haben, der zu einem der Stämme Namibias gehörte und uns schon ein gewisses Vertrauen entgegenbrachte. So konnten wir schrittweise tiefer in die Kultur eintauchen und wirklich erleben, was dort passiert. Trotzdem sieht man selbst dann nur einen kleinen Ausschnitt.
Ich finde es immer wieder spannend, in Missionsberichten oder Büchern zu lesen, wie lange Menschen vor Ort gebraucht haben, um eine Kultur wirklich zu verstehen und den richtigen Zugang zum Evangelium zu finden. Das kann ich nur bestätigen: Geistliche Dinge sind in Afrika viel präsenter und dominanter im Alltag. Das ist aber nicht für jeden sofort sichtbar – etwa für Touristen oder Kurzzeitbesucher.
Du hattest gefragt, ob ich mit Jugendlichen solche Erfahrungen gemacht habe. Eine besondere Geschichte war bei einem Einsatz an einer Schule. Dort gab es einen zwölfjährigen Jungen namens Paul. Er ging in die Jugendgruppe der Gemeinde, hatte aber große innere Kämpfe. Er sagte oft, Gott gäbe es nicht, und war hin- und hergerissen. Trotzdem genoss er die Gemeinschaft und war dabei.
Paul hatte kaum Selbstwertgefühl. Er sagte ständig, er sei hässlich und könne nichts. Es gab einen Moment, der für mich etwas gewagt war: Er fragte mich, ob ich Feuer zum Rauchen hätte. In meinem Kopf dachte ich: Kann ich ihm Feuer geben oder nicht? Aber dann entschied ich, es zu tun und die Gelegenheit für ein Gespräch zu nutzen.
Wir gingen hinter den Schulhof, wo er rauchte, und ich sprach mit ihm. Ich erfuhr, dass seine Eltern sich getrennt hatten. Seine Mutter war sehr krank, eigentlich todkrank an Krebs, und der Vater hatte die Familie verlassen. Paul war mit zwölf Jahren völlig verloren, suchte Halt im Rauchen und Alkohol. Er sah älter aus, etwa wie vierzehn, was man bei Kindern, die viel durchmachen, oft sieht.
Im Gespräch konnte ich viel aus meinem Leben erzählen. Zwar hatte ich nicht dieselben Erfahrungen gemacht, aber Ähnliches erlebt und so gut anknüpfen können. Am Ende fragte ich ihn: „Willst du nicht Jesus dein Leben geben?“ Er sagte, er wolle es jetzt tun.
Dann setzte er sich hin und nahm sein ganzes Zigarettenzeug – als Zeichen, dass er sein altes Leben aufgibt – und warf es in den Müll. Eine Ausnahme machte er: Er behielt einen teuren Zigarettendreher, mit dem man schnell eine Zigarette drehen kann. Er sagte, den wolle er behalten, weil er teuer war.
Danach setzten wir uns zusammen und beteten. Wir hatten ein Heftchen von JfC, das das Evangelium einfach erklärt. Ich schlug ihm vor, das Gebet nachzusprechen. Doch er machte daraus ein eigenes Gebet, bei dem man spürte, dass er wirklich mit ganzem Herzen dabei war.
Nach dem Gebet umarmte er mich, nahm den Zigarettendreher und warf den Rest in den Müll. Es war ein wunderschöner Moment. Dann rannte er zu seinem Jugendleiter und sagte: „Ich habe gerade mein Leben Jesus gegeben.“ Kurz darauf kam er zu mir zurück und meinte: „Ich wusste die ganze Zeit nicht, ob es Gott gibt, aber jetzt spüre ich ihn in meinem Innern.“
Solche Erlebnisse sind einfach unglaublich. Das Tollste daran ist, dass man selbst wirklich bereit sein muss, sich Gott zur Verfügung zu stellen. Man muss radikal seine Botschaft verkünden, auch wenn man verlacht wird oder es schwierig ist.
Solche Zeiten sind oft sehr intensiv. Man fühlt sich danach zwar erschöpft, aber auch voller Freude, weil man sieht, dass Gott am Werk war. Rückblickend geben diese Erfahrungen einem so viel für das eigene Glaubensleben. Man hat wirklich erlebt, wie Gott lebendig geworden ist.
Ich kann nur sagen: Das sind die großen Segensspuren von missionarischen Einsätzen. Man merkt, dass Gott nachhaltig etwas im eigenen Leben verändert hat, weil man ihn einmal so erlebt hat.
Würdest du sagen, wenn du jetzt auf diese zweieinhalb Jahre in Namibia zurückblickst, gäbe es Dinge, die du anders gemacht hättest?
Das ist schwer zu beantworten. Ich glaube, was geholfen hat, war, dass wir ohne ganz konkrete Vorstellungen hineingegangen sind. Wir wussten nicht genau, was wir machen oder erreichen wollten. Wir hatten wenig Ziele. Am Anfang haben wir uns aber ein Mission Statement gesetzt, und das hat sehr geholfen. Wir wollten dienen, den Leitern, zu denen wir gekommen sind, helfen und gleichzeitig Gott fragen, ob er einen Ruf für uns in die Mission hat.
Das hat geholfen, weil wir das so offen formuliert haben. Gott hat das wirklich benutzt und uns viele Dinge dadurch gezeigt. Klar würde man viele Sachen anders machen, aber das sind auch Erfahrungen, an denen man menschlich und charakterlich gereift ist – zum Beispiel im Umgang mit Menschen. Ich glaube, wir waren damals noch viel unsicherer, jünger und unreifer und haben durch diese Zeit viel gelernt. Aber es gab keine gravierenden Fehler, bei denen ich sagen würde, wir hätten einen Riesenfehler gemacht. Es war wirklich ein Lernen und ein Freuen darüber, was Gott einem zeigen und bewirken kann.
Was ich vielleicht noch zum Abschluss sagen möchte: Meistens waren es die harten Zeiten, die heute noch die größten Segenspuren und Veränderungen bewirkt haben. Natürlich haben wir auch schöne Dinge erlebt, haben das Land gesehen und bereist. Aber die Momente, in denen es uns am schlechtesten ging und es am härtesten war, sind besonders prägend geblieben.
Ich erinnere mich an eine Situation, in der es viele Einbrüche in der Umgebung gab, wo wir gewohnt haben. Wir lebten als Weiße in einer sehr gemischten Stadt, in der die Nachbarn eigentlich alle zusammenlebten. Trotzdem hatten wir große Angst. Wir wussten, dass abends Leute unterwegs sind, die einbrechen, und dass es gefährlich werden kann, wenn Bewaffnete ins Haus kommen – es könnte sogar zu Schüssen kommen.
Wir hatten wirklich Angst, haben angefangen, abends intensiv zu beten, konnten kaum schlafen und wurden bei jedem Geräusch wach, wenn die Hunde bellten oder wir etwas hörten. Wir haben auch morgens gebetet, bevor wir in den Tag gestartet sind, weil wir gespürt haben, dass die Situation sehr angespannt ist.
Diese Erfahrung ist bei uns hängen geblieben. Sie hat uns gelehrt, dass wir, wenn wir in der Mission oder im Auftrag Gottes unterwegs sind, uns von Anfang an unter seinen Segen stellen müssen. Wir müssen uns unter sein Blut stellen und im Gebet beginnen. Diese Erkenntnis ist einfach geblieben.
Deshalb hatten gerade die harten Zeiten eine große Auswirkung.
Das kann ich für mich auch bestätigen. Auch wenn meine harten Zeiten ganz anders aussahen – ich hatte keine Angst vor Einbrüchen oder so – gab es dennoch schwierige Situationen, die für mich ein großer Segen waren.
Cool, das waren Geschichten aus der Mission, sehr spannend. Sicherlich gibt es noch viel mehr zu erzählen, aber das vielleicht ein andermal.