Gebet und Einführung in die Botschaft
Wir wollen beten.
Vater, nun hast du uns über eine lange Strecke begleitet, auch mit diesem Propheten Jesaja. Herr, diese Worte verstehen wir nicht. Wir können sie nicht verstehen, wenn du uns nicht mit deinem Geist öffnest. So bitten wir dich auch an diesem Abend noch einmal, dass du uns ein Wort gibst, das uns aufrichten und ausrichten kann.
Ja, wir sind darauf angewiesen, dass du mit uns redest. Alle Last dieses Tages, alle Not, alle Freuden, aber auch alle Verzweiflung – lass sie jetzt abgelegt sein. Mach uns ganz still und rede du. Amen.
Historischer Kontext und thematische Einführung
Diese Kapitel 40 bis 55 sind in eine ganz besondere Zeit des Volkes Israel hineingesprochen, nämlich in der Gefangenschaft. Sie schließen ab mit den Versen aus Kapitel 55, Verse 6 bis 13.
Wir haben diesen Abschnitt überschrieben mit dem Titel: "Wenn man friedlos ist, suche den Herrn, solange er zu finden ist. Rufe ihn an, solange er nahe ist."
Der Gottlose soll von seinem Weg lassen und der Übeltäter von seinen Gedanken. Er soll sich zum Herrn bekehren, dann wird er sich seiner erbarmen. Denn unser Gott ist reich an Vergebung.
Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr. So viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.
Denn gleich wie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dorthin zurückkehrt, sondern die Erde feuchtet, sie fruchtbar macht und wachsen lässt, sodass sie Samen gibt zum Säen und Brot zum Essen, so soll auch das Wort, das aus meinem Munde geht, sein.
Es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen für euch frohlocken, mit Jauchzen, und alle Bäume auf dem Felde sollen in die Hände klatschen.
Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen, Myrten statt Nesseln. Und dem Herrn soll es zum Ruhm geschehen, zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird. Amen.
Die Erfahrung der Friedlosigkeit im Alltag
Also, wenn man friedlos ist, nicht wahr? Wenn man etwas sucht, liebe Freunde, und es nicht findet, dann ist man friedlos. Dann ist der Frieden dahin.
Das fängt schon beim Autoschlüssel an. Den hat selbstverständlich der Bub verlegt. Oder die Frau hat ihn, aber nicht selber getan. Wenn man ihn nicht hat und nicht losfahren kann, sucht man ihn überall. Dann wird man aufgeregt, und der häusliche Frieden ist schon dahin. Zum Glück gibt es noch einen Ersatzschlüssel, den man finden kann.
Aber schon beim Autoschlüssel fängt es an: Wenn man ihn sucht, ist man friedlos. Das wird noch schwieriger, wenn man die Scheckkarte verloren hat. Kennen Sie das? Ein schrecklicher Gedanke: Ich suche überall und sehe dann immer deutlicher, wie jener, der sie gefunden hat, in der Bank steht und fröhlich meine Ersparnisse abholt. 1000, 2000, 3000 – lässt sich ein Schein nach dem anderen herausgeben, und ich finde sie nicht mehr. Der ganze Frieden ist dahin.
Aber viel schlimmer, viel schlimmer als Autoschlüssel oder Scheckkarte, ist der Terminkalender. Wenn man den verloren hat, ist das für mich unvorstellbar. Zum Glück ist mir das noch nie passiert. Ihnen? Bei uns zum Beispiel an der Stiftskirche werden die Predigtpläne weit im Voraus gemacht. Wir haben sie bis zum Weihnachtsfest 1994. Ja, ich sage immer schon, wenn der Herr wiederkommt im nächsten Jahr, dann muss ich sagen: Ja, ich habe noch fünfmal zu predigen, dann kannst du wiederkommen.
Sind Sie? Und wenn man den Terminkalender verloren hat? Eine Hochzeit wohl vorbereitet, ein halbes Jahr vorher eingetragen. Ich weiß es aber nicht mehr, kein Terminkalender mehr. Die Braut kommt, sie sitzt hier, der Bräutigam auch. Der Pfarrer kommt nicht, die Gemeinde sitzt da und singt „Geh aus, mein Herz“ – 13 Verse. Der Pfarrer kommt nicht. Der Pfarrer kommt überhaupt nicht. Den Terminkalender verloren – ein schrecklicher Gedanke, der mich unruhig macht.
Wie sind wir tief in der Seele? Wenn man etwas verloren hat, ist man friedlos.
Aber am allerschlimmsten ist es, wenn man nicht etwas verloren hat, sondern wenn man jemanden verloren hat. Das geht schon bei Personen los: Wenn man ein Kind verloren hat oder den Mann oder die Frau verloren hat, dann ist man friedlos.
Aber erst recht, wenn man Gott verloren hat. Die tiefste Ursache des Unfriedens ist die Gottverlorenheit. Die tiefste Ursache unseres Unfriedens und jeglichen Unfriedens ist die Gottverlorenheit.
Die Suche nach Gott in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Und einer sagt zu mir: Herr Eisler, ich kann letztlich keinen Frieden finden. Ich war im Urlaub, habe alles getan, aber ich habe keinen Frieden. Dann frage ich: Haben Sie denn noch Frieden mit Ihrem Gott, oder haben Sie ihn verloren? Wenn Sie heute Abend friedlos sind, prüfen Sie nach, ob Sie Ihren Gott verloren haben.
Dieses Volk, nämlich das Volk Israel, das hier erwähnt wird, war im Jahr 2500 nach Christus in der babylonischen Gefangenschaft. Es hatte seinen Gott verloren und deshalb keinen Frieden mehr. So suchten sie auch ihren Gott. Sie suchten ihn, wie wir es immer tun, in drei Richtungen.
Sie suchten ihren Gott in der Vergangenheit. War er dort im Tempel, bei den alten Versammlungen? Doch bei den Erinnerungen waren sie von ihrer Vergangenheit hart abgeschnitten. In der Vergangenheit konnten sie ihren Gott nicht finden.
Dann suchten sie in der Gegenwart. Doch die Lage als Volkssplitter in einer Gesellschaft war unendlich schwer. Von einer multikulturellen Gesellschaft war damals noch nicht die Rede. Es gab nicht einmal das Motto „Ausländer raus“, denn sie galten gar nichts, waren gleichsam Nullen in der Gesellschaft. Dort suchten sie, doch sie konnten ihren Gott nicht finden, weil die Lage zu dunkel und zu schwer war.
So suchten sie in der Zukunft. Am politischen Horizont flammte das Wetterleuchten eines neuen Weltkrieges auf. Diese Exilgemeinde war zwischen schwärmerischer Hoffnung und letzter Verzweiflung hin- und hergerissen. Ihren Gott konnten sie nicht finden, genauso wie viele heute ihn auch nicht finden können.
Sie suchen ihren Gott in der Vergangenheit. Früher war es doch ganz anders: damals, als man noch mit den Eltern in den Gottesdienst ging, zur Kinderkirche geschickt wurde, damals im Konfirmandenunterricht und im Jugendkreis. Doch man ist von dieser Vergangenheit wie durch eine Wand abgeschnitten.
So sucht man in der Gegenwart. Heute sucht man nicht überall herum, sondern am meisten und besten sucht man in sich selbst. Es gibt tausend Anweisungen, den Gott in sich zu finden: Treppensteigen in die eigene Seele, die Suche Gottes in mir selbst. Meditation ist in.
Doch sie finden Gott nicht. In uns ist dieser Gott nicht. Heulen tun allenfalls die Wölfe. Dann sucht man ihn morgen, am neuen Horizont. Aber auch unser Horizont sieht nicht golden aus, sondern zeigt das Wetterleuchten von neuen und neuesten Kriegen.
Doch wir fragen eigentlich vielmehr, wie jener junge Schriftsteller, dieser Rückkehrer nach dem Zweiten Weltkrieg, der Senso, gesagt hat: Wo ist denn der alte Mann, der sich Gott nennt? Warum redet er nicht? Gib doch Antwort! Warum schweigt er denn?
Gibt es keine Antwort? Gibt es denn keine Antwort? Jesaja hat schon damals eine Antwort gegeben denen, die ihren Gott suchen. Leider wurde sie überhört und wird heute immer noch überhört. Man will dort weiter suchen, wo nichts zu finden ist.
Jesaja sagt: Wo nichts zu finden ist, braucht ihr auch gar nicht zu suchen. Gott hat sich nicht in der alten Heimat hinten verkrümelt. Er hat sich nicht in den bestehenden Tagesfragen oder in euch selbst versteckt. Er hat sich nicht in eine politische Zukunft verzogen.
Hier sagt er ganz einfach: Gott ist da. Gott ist da, sucht ihn, denn er ist zu finden. Zugegeben, so sagt er es mit dem wirklichen Zugeständnis: Er ist nicht immer zu finden, nicht immer zu finden. So heißt es: Sucht ihn, solange er zu finden ist. So wie es dann später heißt im 90. Psalm, solange es heute heißt, solange es heute heißt.
Die Dringlichkeit der Suche nach Gott
Einer, der beim Kirchentag in München war, erzählte mir als aufmerksamer Zuhörer und Beobachter Folgendes: Er habe nur ein einziges Mal einen lauthals drohenden Protest in einer Halle mit 5.000 Menschen erlebt. Es war ein Geschrei, wie er es auf dem ganzen Kirchentag in vielen Veranstaltungen nie zuvor gehört hatte.
Das geschah, als ein bekannter Theologe im Rahmen einer Podiumsdiskussion sagte, dass man diesen Gott nicht immer finden könne. Er fügte hinzu, dass es in jedem Leben ein „zu spät“ gebe. Daraufhin pfiff die Halle nicht nur, sondern sie gegröhlte und stand auf – wie man heute noch sagen könnte.
Die Menschen reagierten empört darauf, dass es einmal zu spät sein könnte und dass es ein Gericht geben werde. Ob hunderttausend Menschen es ablehnen oder ob Kirchen es nicht mehr glauben – Jesaja hat es gesagt: Solange er zu finden ist, ist Hoffnung da. Aber es gibt einen Zeitpunkt, an dem er nicht mehr zu finden ist.
Ich denke immer wieder an Alexander den Großen, der eine Stadt belagerte. Solange er sie belagerte, zündete er drei Kerzen an, die man sehen konnte. Die Kerzen wurden nacheinander abgebrannt. War die dritte Kerze abgebrannt, griff er die Stadt an.
Solange die Kerzen brannten, konnte Frieden geschlossen werden. War die dritte Kerze abgebrannt, gab es nur noch Schrecken und Gericht.
Liebe Freunde, ihr seid die zweite Kerze, Jesus ist die dritte Kerze. Nach ihm kommt niemand mehr. Diese Leute reden nicht wie Parlamentarier, die nur ihre Meinung äußern, nicht wie Philosophen oder Diskussionsteilnehmer, die ihren Senf dazugeben. Sondern sie sprechen als Warner, als Menschen, die man spürt, die ernsthaft warnen: Versäumt nicht die Stunde, solange er zu finden ist.
Mit einer Teilnehmerin der Bibelstunde vereinbarte ich vor ein paar Wochen ein nicht unwichtiges Gespräch. Wir beide sagten: „Ja, nach Pfingsten bin ich wieder da. Nach Pfingsten habe ich auch Zeit. Dann treffen wir uns wieder und können das besprechen.“
Doch acht Tage später wurde sie abgerufen. Das Gespräch konnte nicht mehr geführt werden. Vielleicht war das Gespräch gar nicht so wichtig. Aber es gibt Dinge im Leben, die geregelt werden müssen. Es gibt Dinge, die festgezurrt werden müssen. Es gibt Dinge, die in die richtige Bahn kommen müssen, solange es heute heißt:
Jedes Leben hat eine bestimmte Spanne, und dann gibt es ein Ende – für jeden.
Ein tiefer Ernst liegt hinter dem Schluss unserer Bibelstunden-Reihe: „Solange es heute heißt, heute sollt ihr meine Stimme hören.“ Wer sucht, wird finden. Jesus fügte hinzu: „Suchet, so werdet ihr finden.“ Also sucht ihn, solange er zu finden ist.
Gottes Wege sind anders als unsere Wege
Wo ist Gott mit seinem Weg? Er ist weit über uns. Doch wo sollen wir diesen Weg suchen?
Erstens: Gott ist mit seinem Weg weit über uns. Die Geschichte Israels kennen wir alle in groben Zügen, nicht wahr? Sie verkauften Josef. Er kam nach Ägypten. Später zogen alle Brüder nach und siedelten sich dort an. Dieser Weg nach Ägypten wurde jedoch geradezu zu einer Sackgasse. Am Nil stöhnten sie als Gastarbeiter. Sie sahen keinen Ausweg mehr aus ihrem Elend.
Da griff Gott selbst von oben ein und öffnete den Fluchtweg. Dieser Fluchtweg weitete sich zur Durchgangsstraße durch Wasser und Wüste. Auf ihm gelangte das Volk ins gelobte Land. Dort sahen sie Pfade durch Weinberge hindurch, Straßen in Städte hinein, Pässe über Gebirge hinweg. Sie zogen auf diesen Wegen und sagten: „Die Wege Gottes sind vollkommen, die Wege des Herrn sind eitel Güte und Wahrheit.“
Bald wurden daraus Heerstraßen, auf denen altisraelische Könige auszogen, um einen Sieg nach dem anderen zu feiern. Die Kinder Israels rechneten im Glauben damit, dass sich dies alles zur Prachtstraße weiten würde. Auf dieser Prachtstraße sollte der Messias direkt kommen und sein Volk heimholen. So wurde der Weg vom Fluchtweg zur Prachtstraße zum erhofften Glaubensweg der Israeliten.
Das ist auch unsere heimliche Glaubenshoffnung – bestimmt Ihre und meine auch. Gott hat uns einen Fluchtweg geschaffen, aus der Gefangenschaft der Sünde und Verzweiflung heraus. Er hat uns herausgeführt aus der Schuld und hindurchgebracht auf Pfade, die begehbar wurden, auch auf Straßen der Freude. Straßen ins Glück hinein. Diese Pfade gehen immer höher hinauf, auch wenn es manchmal schattig war.
Eigentlich rechnen wir damit, dass die Straßen, auf denen wir jetzt gehen, in Begleitung dieses Herrn sind. Diese Straßen sind eben anders als die, die diejenigen gehen, die nicht glauben. Unsere lieben Straßen gehen hinauf, eigentlich ganz hinauf, und fädeln sich ein in die güldenen Gassen Jerusalems.
Doch was, wenn es nicht passiert? Wenn die Prachtstraße zum Messias zur Gefängnisstraße nach Babel wird? Wenn aus dem Höhenweg zum Himmel ein Talweg der Krankheit wird? Wenn aus meinem Leidensweg und Glaubensweg ein Lebensweg voller Leiden wird? Dann kommt einem dieser Gott abhanden, und man kann ihn nicht mehr finden.
Der Prophet sagt: Gottes Wegplanung für uns ist völlig anders, als wir denken und uns ausmalen können. Zwischen seinen Plänen und unseren Träumen liegt ein himmelweiter Unterschied. Seine Gedanken sind anders als unsere Überlegungen, sein Wesen anders als unsere Vorstellungen. Seine Maßstäbe sind anders als unsere Wertskalen.
Er hat seinen eigenen Sohn nicht von der Krippe zur Krone hinaufgeführt, sondern von der Krippe zum Kreuz hinab. Gartenstein, der Ausleger, den wir immer wieder genannt haben, sagt: Der Weg des Kreuzes ist der Weg des Friedens, und der Weg des Friedens führt über das Kreuz. Das ist eine treffliche Zusammenfassung dessen, was hier steht.
Der Weg des Kreuzes ist der Weg des Friedens, und der Weg des Friedens geht über das Kreuz. Gottes Wege sind und bleiben Kreuzwege. Darauf setzt Gott seinen Willen durch, und deshalb sind sie richtig. Es kann mir nichts Besseres geschehen, als dass Gottes Wille bei mir durchgesetzt wird – auch wenn es gegen meinen Willen geschieht und mir Schmerzen bereitet.
Es ist nur gut, dass Gottes Gedanken nicht meine Gedanken sind. Denn die Seligkeit, die ich ausdenken würde, wäre nur eine Spielart der Hölle. Die Wege, die ich einschlagen würde, würden sich binnen kurzem als Irrwege erweisen.
Es ist ein kapitaler Fehler im Ansatz unseres Denkens und Glaubens, dass wir Gottes Wege auf unserer eigenen Wegskizze suchen. Es ist sträflicher Leichtsinn, wenn wir bestimmen wollen, was Gott planen soll, um uns zu helfen.
Gottes Führung trotz durchkreuzter Pläne
Die beste Illustration, die mir an dieser Stelle immer wieder einfällt, steht in der Apostelgeschichte 16. Dort lesen wir von Paulus mit seinen Begleitern Timotheus, Silas und Lukas. Diese Männer hatten einen klaren Plan, weil sie wussten: So verbreiten wir das Evangelium, und das ist der einzige Weg für das Reich Gottes in Kleinasien.
Also zogen sie los. Dann folgt ein Satz, den ich nie ganz verstanden habe, den ich aber selbst erleben musste: „Der Heilige Geist versperrte ihnen den Weg.“ Umstände, die wir nicht kennen, schnitten ihnen den Weg ab. Sie mussten in eine andere Richtung gehen. Wieder heißt es, der Heilige Geist wehrte ihnen den Weg. Sie konnten nicht weiter. Krankheit, Unruhen, Erdbeben – wir wissen es nicht genau.
Kennen Sie das auch? Sie sind einen Weg gegangen, und plötzlich können Sie nur noch sagen: „Der Heilige Geist versperrt mir den Weg.“ Umstände, die Sie nicht erklären können, versperren Ihnen den Weg. Damals blieb den Begleitern und Paulus nur ein ganz schmaler Weg offen. Sie kamen an das Ende des letzten Weges und fragten sich eigentlich: Sind wir die falschen Wege gegangen? Unsere Planung ist zerrissen, wie ein zerfetztes Stück Papier.
Als es Paulus schwerfiel, sehr schwer, so wie es einem auf einem schweren Weg oft geht und Planungen zerbrechen, geschah etwas Besonderes: Er hatte eine Vision. In diesem Traum sagte ihm eine Stimme: „Komm herüber nach Griechenland und hilf uns.“ Paulus wusste sofort: Das war Gottes Wille. Wer die anderen Wege versperrte, tat das nach Gottes Plan. Es war Gottes Wille, dass sie so schnell wie möglich nach Europa kamen.
Die durchkreuzten Pläne waren Gottes Kreuz-Pläne und brachten Paulus an das gewünschte Ziel. Das war der schnellste Weg zum Ziel. Sehen Sie das? Wenn Ihnen Wege abgeschnitten werden oder abgeschnitten sind und Sie nicht wissen, warum, dann ist das vielleicht der Heilige Geist, der Sie leitet. Ob es Ihr Berufsweg ist oder ein anderer Lebensweg – vielleicht haben Sie sich vorgestellt, mit der ganzen Familie einen Weg zu gehen.
Jetzt aber sind Sie allein und denken: Der Weg darf nicht zu schwer sein. Wenn ich schon nicht mehr gehen kann, dann sollte er wenigstens flach oder bergab sein. Wenn Sie diesen Weg gehen und sagen: „Der Heilige Geist versperrt mir den Weg, ich kann Gott nicht mehr sehen und finden“, dann hören Sie: Der durchkreuzte Plan, der schwere Weg, ist Gottes Kreuzweg und zugleich der schnellste Weg zum Ziel. Das werden Sie eines Tages erkennen.
Gott ist nicht der verlängerte Arm unserer Wünsche. Er ist nicht der Bauunternehmer unserer Straßenplanungen. Er ist nicht der Plattenleger für unsere Wege. Er ist der „Ich bin, der ich bin“. Und seine Wege sind nicht unsere Wege.
Doch dieses Wissen: Der andere, so schwere Weg, den wir kaum bewältigen können, ist der von Gott gewollte und der schnellste Weg zum Ziel. Deshalb müssen wir mit neuer Deutlichkeit sagen: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Du bist der Regent, der alles führt. Gott sitzt im Regiment und führt alles wohl.
„Meine Wege sind nicht eure Wege, aber meine Wege sind die Schnellwege zum Ziel.“ Das sagt er hier. Gott ist mit seinem Weg weit über uns hinaus.
Gottes Wort als verlässliche Orientierung
Zweite Gottes mit seinem Wort nahe bei uns – sagt jetzt: Gott ist mit seinem Wort nahe bei uns. Diese gefangenen Israeliten, die Hürden, sein Bubble, viele Worte, die auf dem Königsplatz gehört wurden. Sie hörten die großen Worte orientalischer Herrscher, die den Mund voll Namen und ewigen Frieden verkündeten. Nach wenigen Jahren waren sie jedoch vom Thron gestürzt.
Dann hörten sie auf den Straßen schöne Worte babylonischer Hofprediger, die den neuen Götterhimmel in schönsten Farben malten. Doch auch diese Herrscher wurden nach kurzer Zeit abgesetzt, und andere Sprachen von anderen Göttern kamen auf.
In den eigenen Versammlungen hörten sie fromme Worte windiger Heißpropheten, die die baldige Rückkehr prophezeiten. Aber nach wenigen Wochen wurden sie als Lügner entlarvt und als Betrüger verjagt.
In Babylon gab es eine Inflation der Wörter, die den Wert des Wortes auslöschte. Man wurde immer skeptischer gegenüber großen, schönen, frommen Worten, auf die man sich verlassen konnte. Nicht nur unser Geld inflatiert – langsamer als auf anderen Erdteilen, aber es inflatiert. Das Wort inflatiert.
Mir ist das schon einmal deutlich geworden, als ich nach dem Krieg aufwuchs. Wir gingen auch in den Jugendkreis, und einmal im Jahr gab es eine Reise nach Stuttgart zu einem Treffen – das große junge Männer-Treffen auf dem Killesberg. Das war eine ganz bewegende Sache für uns.
Dieser junge Tag endete immer damit, dass sich all die paar Tausend jungen Leute aus Württemberg, die sich dort trafen, um einen jungen Mann, Pfarrer Schaden, sammelten. Er stand in der Mitte und sprach das Schlusswort. Ich weiß nicht mehr, was er genau gesagt hat, aber mit diesem Wort gab dieser Pfarrer gleichsam die Richtung vor. Da wusste man: Das ist die Linie. In diese Richtung läuft es, so liegt das Werk, so marschieren wir weiter. Mit diesem Wort konnte man ein ganzes Jahr leben.
Und heute? Von wegen ein Jugendtag auf dem Killesberg! Ein Fest reiht sich an das andere, ein Höhepunkt kommt zum anderen hinzu – ein Kirchentag mit Tausenden von Reden und lauter Worten, die in verschiedene Richtungen zeigen.
Wenn heute die Frage gestellt wird: Wo geht es denn lang? Wo ist die Linie der Kirche? Was glauben denn die Pfarrer? Was meint die Bibel? – Da gibt es verschiedene Antworten. Aus diesen vielen Worten muss man selber das eine Wort herausfiltern. Kein Wunder, dass sich so viele abwenden und sagen: Die haben ja auch keine Linie mehr, deshalb lassen wir es gleich bleiben.
Wo ist denn die Linie? Wo ist denn das Wort? Das Wort inflatiert. Dann wird ausgerechnet vor unserer Stiftskirche am Sonntagmorgen Schriften verteilt von einem Mann, der früher einmal da war. Er sagt, dass das, was in der Stiftskirche gesagt wird, ganz bestimmt nicht richtig sei und dass man ihm folgen solle.
Eine bekümmerte alte Frau ruft mich an und fragt, was sie denn eigentlich glauben soll: dem, was in diesem Schriftstück steht, das doch so schön sei, oder dem, was ich gesagt hätte? Dass es doch Brüder oder Schwestern seien. So sieht es aus. Keiner weiß, was links und rechts, oben und unten ist. Woran soll man sich halten?
Wenn man diese Lage kennt, die damals genauso war, wechselt der Prophet nicht nur ein paar nette Worte, sondern gibt ein einziges Wort weiter, das ich auch nur noch einmal unterstreichen und weitergeben kann: Liebe Freunde, es gibt nichts anderes als Gottes Wort – und zwar so, wie es hier aufgeschrieben und uns weitergegeben wird.
Dies ist kein Gerede und kein Geschwätz, nicht zu vergleichen mit einem anderen Wort. Es ist ein wirksames Wort, das dem Regen vergleichbar ist – der Regen, der auf ausgedachtes Land fällt und dort neues Leben hervorbringt. Es ist ein Leben schaffendes Wort.
Das Wort Gottes kommt nicht wieder leer zurück. Seit es durch Jesus Fleisch geworden ist und unter uns wohnt, steht es in gutem Kurs, wie der Hauptmann gesagt hat. Der Hauptmann von Kapernaum: „Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ So sagt auch Petrus: „Denn du hast Worte des ewigen Lebens.“
Ja, wir sollen uns an dieses Wort halten. Es hat Worte des ewigen Lebens. Wenn dein Wort nicht mehr gelten soll, wird es nicht mehr zurückkommen. Dieses Wort wird nicht leer zurückkommen. Das ist das große Wort für Prediger, für Jugendkreisleiter, für Kinderkirchhelfer. Das ist das Trostwort für Großmütter, die dieses Wort ihren Kindern weitererzählen.
Es wird nicht leer zurückkommen. Trete ich denn auch jetzt aus der Kirche aus, wo so viele austreten? Aus diesem Laden muss ich austreten? Hier steht: Es wird nicht leer zurückkommen.
Und wenn mich Resignation befällt, soll ich es dann nicht doch bleiben lassen? Soll ich nicht hinhören? Es wird nicht leer zurückkommen. Es wird gelingen. Dieses Wort kommt zum Gelingen – trotz uns und gegen uns.
Gott ist mit seinem Wort ganz dicht bei uns, auch heute noch. Wenn Sie die Bibel aufschlagen, haben Sie Gott bei sich. Auch im dritten und letzten Punkt: Gott ist mit seinem Werk dicht bei uns.
Und jetzt hören Sie noch einmal: „Ihr sollt in Freuden ausziehen und in Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken, und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen.“ Das klingt fast schon wie ein Märchen. Da beginnen die Berge zu tanzen, zu spielen und zu frohlocken – frei von dem hässlichen Bann, der auf ihnen liegt.
Ist das Poesie oder fiebrige Wahnvorstellung? Ich glaube nicht. Nach Paulus sehnt sich die Kreatur nach der Offenbarung der Kinder Gottes. Wenn der Mensch frei wird, wird auch die Schöpfung frei.
Sicher ist das groß gedacht, zu groß für unser Denken. Aber das Volk verdirbt, wenn es die Hoffnung nicht mehr hat auf eine endgültige Erlösung. Wer überhaupt Gott denkt, darf nicht klein von ihm denken. Unsere Welt, unsere Schöpfung ist nicht das Letzte.
Jesaja sieht in einer großen Schau diese neue Welt. Er verkündet die festliche Prozession der Heimkehrenden. Jesus hat gesagt: „Das Himmelreich ist nahe, herbeigekommen.“ Und Johannes skizzierte diese neue Welt.
Dorthin weist dieses Wort, dorthin leitet sein Werk. Dorthin werden wir in Freuden ausziehen und in Frieden geleitet werden.
Ist das das Buch der Heimkehr? Sehen Sie, das ist das Jesaja-Buch, das Buch der Heimkehr. Viele hat es gestärkt, es kann auch uns stärken.
Wer dies vernommen hat, wer dieses Ziel kennt, gibt ein Aufatmen der Kreatur, eine Heimat. Der wird in Freuden ausziehen und in Frieden geleitet werden – selbst dann, wenn der letzte Augenblick kommt.
Liebe Freunde, dann werde ich nicht in Trauer abschalten, sondern ich werde in Freuden ausziehen und in Frieden geleitet werden.
Und wenn Sie sagen: „Was sind das für Worte? Können die durchgehalten werden?“ So hören Sie noch einmal einen Satz aus dem Brief des Spielers und Prälaten Karl Hartenstein, der diese Kapitel hier in dieser Schlosskirche mitten im schrecklichen Krieg ausgelegt hat.
Am 28. September 1949 schrieb er einen Abschiedsbrief an die Stiftsgemeinde. Dort heißt es: „Liebe Gemeinde, ich bin auf dem Heimweg. Nehmen Sie es nicht schwer, sondern loben und preisen Sie Gott. Ich bin in tiefem Frieden, in großer Stille und habe ganze Vergebung. In Freude ziehe ich aus und in Frieden werde ich geleitet.“
So ist er heimgegangen.
Liebe Freunde, so können wir heimgehen. Wir können jetzt trotz allem, was uns beschwert und belastet, in Freuden ausziehen. Und wir können trotz allem, was uns beschwert und belastet – ob Kriege oder Schrecken kommen – in Frieden geleitet werden. Ja, bei diesem Herrn, auch im letzten Augenblick.
Der Herr schenke es Ihnen, dass Sie jetzt in Freuden ausziehen und dass Sie in seinem Frieden geleitet sind – so oder so. Amen.
Schlussgebet
Wir wollen beten, Vater.
Du sagst uns Wirklichkeiten und nicht nur schöne Worte.
So bitten wir für uns, die Friedlosen. Wir bitten für diejenigen, die den Frieden nicht mehr fassen können, dass du sie stärkst und in Frieden leitest.
Wir bringen dir unsere Kranken und Alten.
Wir bringen dir diese Stiftsgemeinde und deine Gemeinde in der ganzen Welt.
Lass uns bei dieser Gemeinde auf dem Weg in die Heimat bleiben, auch wenn wir arm sind.