Einführung in das Thema der Vollbereitung
Unter dem Leitwort „Der Gott aller Gnade“ (2. Petrus 5; 1. Petrus 5,10) wollen wir heute einen Blick auf das Leben des Petrus richten. Dabei steht heute das „Vollbereiten“ im Mittelpunkt.
Wir kennen das Einrenken aus dem Alltag, beispielsweise von Krankenschwestern, die wissen, dass man mancherlei einrenken muss. Als junger Mensch hört man oft die Geschichte von demjenigen, dem die Kinnlade immer wieder aushängt. Er steht vor dem Arzt und sagt: „Bis der Arzt runterkommt, schlägt die Schlange in Baggenau, und dann ist es wieder drin.“ Einrenken – das ist zwar ein bisschen unangenehm, aber notwendig.
Wenn man zu lange wartet, kann eine Gelenkschwäche immer wieder auskugeln. Wer das weiß, weiß auch, dass man so schnell wie möglich zum Arzt muss, bevor es anschwillt. Dann braucht es oft einen scharfen, manchmal schmerzhaften Ruck. Wenn der Arzt nur zaghaft vorgeht, hat das Einrenken keinen Wert. Es muss mit einem Ruck wieder hineingeschoben sein. Die Not nennt man Luxation oder so ähnlich. Auf solche Gebiete sollte man sich nicht einlassen, denn wenn es einmal angefangen hat, wird es meist immer schlimmer.
Nicht bei jedem Ausrenken besteht die Gefahr, dass es beim nächsten Mal wieder passiert. Aber im Geistlichen sollte es anders sein: Wenn wir aus der Verbundenheit mit Jesus „ausgerenkt“ sind, dann nimmt uns der große Arzt, Jesus Christus, in seine Einrenkbehandlung. Das Ziel ist, dass es immer seltener vorkommt, dass wir uns auskugeln.
Auch im Geistlichen gibt es solche Gefahren. Nicht nur an den Trimmdichpfaden stehen oft große Warnungstafeln. Dort, wo man sich an den Händen vorwärts hangeln soll oder an Leitern, heißt es: Wer Gefahr läuft, dass seine Gelenke auskugeln, sollte sich lieber nicht hinhängen. In der Bibel finden sich ebenfalls solche Warnhinweise. Schon im Lebensbericht des Petrus in den Evangelien gibt es Warnungen, an welchen Stellen man sich leicht aus der Verbundenheit mit Jesus ausrenken kann.
Herrlich ist aber, dass wir einen Herrn haben, der uns auch dann wieder einrenkt, wenn wir ausgerenkt sind. Das griechische Wort „katartissai“ beschreibt diese Einrenkbewegung, die uns wieder heil macht.
Das Ziel dieser „Vollbereitung“ ist, dass wir ganz in Ordnung kommen. Im Deutschen klingt das Wort sogar schöner als im Griechischen, wo es eher „voll zubereiten“ heißt. Vollbereitet zu sein bedeutet, dass wir aufgerichtet und gefestigt werden – auf dem Weg zu Gott, der uns, die gottfernen Menschen, zu sich führt. Das wird die wahre Vollbereitung sein.
Das Ziel der Vollbereitung am Beispiel von Petrus
Schon in Matthäus 16 wird etwas deutlich. Heute wollen wir drei Abschnitte zu dem Thema „Vollbereiten“ lesen – nicht nur den Abschnitt, den ich Ihnen gestern über die Vergebung genannt habe, sondern wir beginnen gleich bei Matthäus 16. Dort wird etwas vom Ziel deutlich, das unser Herr Jesus hat, wenn er uns voll bereitet, und vom Ziel, das der Gott aller Gnade hat, wenn er uns vollkommen einordnet.
Matthäus 16, Vers 15: Jesus sprach zu ihnen: „Wer sagt ihr, dass ich sei?“ Da antwortete Simon Petrus und sprach: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Jesus antwortete ihm: „Selig bist du, Simon, Sohn des Jona! Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen. Die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ Dann gebot er seinen Jüngern, niemandem zu sagen, dass er der Christus sei.
So kann ein Leben, selbst das eines wankelmütigen Menschen, in Ordnung kommen. Plötzlich wirkt der gute Geist Gottes in uns und schenkt uns Erkenntnisse. Das zeigt sich bei Petrus, der voller Zweifel war – wie wir gestern gehört haben – voller Kleinglauben. Plötzlich sagt der Heilige Geist zu ihm: „Dieser Jesus von Nazaret ist der Sohn des lebendigen Gottes, der Christus, auf den wir gewartet haben. Der Herr, bei dem die Fäden der Weltgeschichte Gottes zusammenlaufen. Dieser Christus ist der Allerwichtigste, den es gibt.“
Das kann der Heilige Geist in uns bewirken. Der Apostel Paulus hat im 1. Korinther 12 gesagt: „Niemand kann Jesus zum Herrn bekennen, außer durch den Heiligen Geist.“ Wir können viel Großes über Jesus denken und ihn für wichtig halten, aber Herr im biblischen Sinn – so wie Petrus hier sagt: Christus, der Sohn des lebendigen Gottes – das bedeutet der Allerwichtigste, der je auf Erden gewesen ist und noch ist. So versteht die Bibel das Wort „Herr“.
Wir haben heute kaum noch Verständnis dafür, was „Herr“ bedeutet. Neulich, als in einer unserer Gemeinden ein evangelistischer Abend unter dem Thema „Alles für den Herrn“ geplant war, kam eine Frau, die Krawatten kaufen wollte, weil sie dachte, es sei ein Herrenausstattungsgeschäft. Diese fromme Sprache wird bei uns kaum noch verstanden.
In der Bibel ist der Herr der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, der nicht müde noch matt wird. Im Römischen Reich wusste man, dass der Herr der Augustus war, der Kaiser in Rom, bei dem die Fäden des Weltreichs zusammenlaufen. Herr ist nicht der Herr Mayr oder Herr Müller – Herr ist nur einer. Es ist Majestätsbeleidigung, wenn Jesus sich anmaßt zu sagen: „Ich bin ein König.“ Es gibt nur einen Kyrios.
Deshalb kann man aus menschlichem Ermessen sagen, Jesus sei sehr wichtig. Ich halte viel von Jesus und bin nicht gegen ihn. Das erleben wir auch bei Leuten, die aus der Kirche ausgetreten sind und sich taufen lassen wollen. Wir fragen: „Glauben Sie an Gott und Jesus?“ Sie antworten: „Ich habe nichts dagegen, ich bin durchaus dafür, aber nicht so sehr.“ Die Grenzlinie in Ewigkeit wird nicht zwischen denen verlaufen, die gar nichts von Jesus halten, und denen, die ein bisschen was von Jesus halten. Sondern die große Trennung wird sein zwischen denen, denen Jesus der Allerwichtigste war, und denen, denen Jesus eben nur noch wichtig war.
Das können wir nicht verstehen, wie wichtig Jesus ist, außer durch den Heiligen Geist. Es gibt Ausnahmen, wenn normale Menschen plötzlich sagen: „Herr, wohin sollen wir gehen?“ Wie Johannes 6 von Petrus berichtet, sagen sie: „Bei dir bekommen wir alles.“ Wir haben einen Felsen, der unbeweglich steht, eine Wahrheit, die niemals untergeht, Wehr und Waffen in jedem Kampf und Streit, eine Wolke von Gottes Herrlichkeit – alles in dir, Herr Jesus Christus. Der Heilige Geist kann uns das erschließen.
Hier sagt Petrus, dass der Vater im Himmel ihm das offenbart hat, nicht Fleisch und Blut. Noch mehr: „Du bist der Felsenmann, auf den ich die Gemeinde bauen will.“ Dieses Wort wurde in der Geschichte der Christenheit oft ausgelegt. Es bewegt uns immer, wenn der Papst in Rom sagt: „Wenn es einen Felsen gegeben hat, dann muss es doch einen Nachfolger geben. Es muss in jeder Generation einen Felsen geben.“ Wenn Jesus das so wichtig angesehen hat, muss es einen geben, der die Christenheit zusammenhält.
Ja, es gab diesen Einen, auf den Jesus seine Gemeinde am Pfingsttag gebaut hat. Er ist aufgestanden, als die Tausende am Tempelplatz spotteten und sagten, sie seien betrunken am frühen Morgen. Er hat die Herrlichkeit und Herrschaft Jesu klar verkündet und gesagt: „Lasst euch erretten von diesem verkehrten Geschlecht.“ Und es wurden dreitausend Seelen hinzugetan.
Plötzlich wird aus dem Jüngerkreis eine Gemeinde. Der Fels ist der ehemals wackelige Petrus, der in der Kraft des Heiligen Geistes steht. Die christliche Kirche hat bis heute den Petrus als Grundstein. Wenn wir in der Geschichte der Kirche zurückgehen, kommen wir zum ersten Pfingsttag, an dem Gott seine Gemeinde, seine Kirche, auf den wackeligen Petrus gebaut hat. Aber er hat ihn stark gemacht und gekräftigt, sodass von ihm Glaubensimpulse ausgingen.
„Auf dich will ich die Gemeinde bauen, auf dich den Felsen.“ Dazu wird Petrus gesagt: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben. Du darfst lösen.“ Du darfst einen Cornelius, der eigentlich keinen Zugang zum Volk Gottes hat, hereinnehmen und sagen: „Kann auch jemand dem das Wasser verwehren, nachdem er den Heiligen Geist empfangen hat, wie auch wir?“ Du kannst Menschen in die Gemeinde aufnehmen, auch in Samarien.
Als die Apostel in Jerusalem in Unruhe waren, ob es sein könne, dass Samariter zum Volk Gottes gehören, gab Gott auch ihnen den Geist, sodass sie erkennen, dass Jesus der Herr ist. Du darfst lösen – Menschen, die fern von Gott sind, kannst du die Tür zum Himmelreich öffnen. Und du darfst einem Zauberer in Samarien sagen: „Du hast kein Teil und Erbe, bevor du Buße tust.“
Petrus hat das nie so verstanden, als ob diese Vollmacht nur ihm gegeben wäre. Vielmehr wird an ihm anschaulich, wie auch wir lösen dürfen, die wir das auserwählte Volk, das königliche Priestertum sind. So hat Petrus es in seinem ersten Brief an uns zugerufen: 1. Petrus 2, Vers 9: „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das Volk des Eigentums, das heilige Volk. Ihr sollt die Wohltaten dessen bekannt machen, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“
Die Verantwortung und Berufung in der Gemeinde
Wir sind als auserwähltes Volk auch berufen, zu lösen und zu binden.
In 1. Petrus 5,1 heißt es: „Ich ermahne euch nun, ich der Älteste und teilhaftig der Leiden, die in Christus sind, und auch teilhaftig der Herrlichkeit, die an uns soll offenbart werden, weidet die Herde Christi.“
Hier zeigt sich nicht, dass ich eine Sonderstellung habe und die anderen meinem Kommando folgen müssen. Es bedeutet auch nicht, dass ihr die höchste Entscheidung aus Rom abwarten müsst, weil ich der Chef bin. Nein, ich ermahne euch als Mitältester, dass ihr die Weide Gottes hütet, genauso wie ich sie geweidet habe.
So viel kann Gott in das Leben eines schwachen Menschen hineingeben, der gesagt hat: „Geh von mir hinaus, Jesus, ich bin ein sündiger Mensch.“ Ein Mensch, der in Verzweiflung rufen musste: „Hilf mir!“ – und dann wird dieser Mensch zum Felsen, zu jemandem, der lösen kann, der ewig binden kann. Jemand, in dem Gottes Heiliger Geist wohnt und der dadurch Einblicke in Gottes Wirklichkeit bekommt.
Zu einer solchen Vollendung will auch der Herr Jesus uns helfen und uns einrenken, damit wir ganz in den Organismus Jesu eingegliedert werden – als vollberechtigte und tüchtige Glieder. So kann Gott durch uns wirken, wie er es durch Petrus getan hat.
Petrus, der ehemals schwache Mann, wurde so zu einem Segen in diese Welt hinein, zu einem ausgestreckten Angebot Gottes.
Krisen im Leben des Petrus und ihre Einrenkung
Heute wollen wir drei Berichte betrachten, in denen deutlich wird, dass Petrus Krisen in seinem Leben erlebte. Die Evangelien zeigen, dass seine Verbindung zu Jesus ausgerenkt war, also gewissermaßen ausgekugelt, und wie diese Beziehung wieder eingerenkt wurde.
Wir setzen unsere Betrachtung bei Matthäus 16,21-24 fort. Das Thema lautet: Krisen, bei denen Jesus wieder einrenken musste. Die Verse 21 bis 24 im Matthäusevangelium beschreiben diese Situationen.
Die erste Krise: Ablehnung des Leidenswegs (Matthäus 16,21-24)
Seit dieser Zeit fing Jesus Christus an, seinen Jüngern zu zeigen, dass er nach Jerusalem gehen müsse, dort viel leiden werde von den Ältesten, den hohen Priestern und Schriftgelehrten, getötet werde und am dritten Tag auferstehen werde.
Aber Petrus nahm Jesus beiseite, fuhr ihn an und sprach: „Herr, das verhüte Gott, das widerfahre dir nur nicht!“ Jesus aber wandte sich um und sprach zu Petrus: „Hebe dich, Satan, von mir! Du bist mir ein Ärgernis, denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“
Dann sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“ Die letzten beiden Worte sind das Wichtigste: „Folge mir!“ Es geht nicht darum, etwas Heroisches zu tun oder sich etwas kosten zu lassen oder nur das Schöne im Leben zu sehen und das Bittere zu vermeiden. Nein, es heißt: Folge mir!
Das hatte Petrus damals nicht begriffen. Ihm erschien das, was menschlicher Vernunft einleuchtend ist, bis heute einleuchtend. Uns ist vieles einleuchtend mit unserem logisch geschulten Gehirn. Es ist verständlich, wenn jemand sagt: „Das brauchst du dir aber nicht gefallen lassen, dass die so über dich schwätzen.“ Da würde ich sogar einen Rechtsanwalt nehmen. Jeder würde sagen: „Man muss sich doch nicht alles gefallen lassen.“
Und Petrus, der einmal auch so gedacht hat: „Jesus, du musst dir doch nicht alles gefallen lassen, dass du dich anspucken lässt und gefangen nehmen lässt. Das widerfahre dir nicht, da hilft dir Gott heraus.“ Später hat er begriffen, dass Christus uns ein Vorbild gelassen hat, der nicht widersprach, als er gescholten wurde.
Ich möchte doch zu Jesus gehören. Ich möchte nicht das tun, was menschlich vernünftig ist, sondern zu Jesus gehören. Es ist eine Gefahr, dass wir das tun, was menschlich vernünftig ist. Es ist nicht immer so, dass das, was zu Jesus bindet, unvernünftig ist. Aber an manchen Stellen stehen wir vor der Entscheidung, ob wir zu Jesus gehören wollen oder zu dem, was Menschen einleuchtend vernünftig erscheint.
Wenn heute ein Elternpaar mit Freude sagen würde: „Unsere Tochter hat sich entschlossen, Diakonisse zu werden“, würde aus der christlichen Gemeinde heraus gesagt werden: „Das kann man doch heute Mädchen nicht mehr werden lassen. Man kann nicht den ganzen Beruf und das Leben der Mädchen versauen. Lass sie anständig Krankenschwester lernen, dann kann sie nachher besser bezahlt werden. Sie kann immer noch mit fünfzig Diakonisse werden, aber nicht jetzt, wenn sie will.“
Aber das Mädchen möchte vielleicht heiraten, also kannst du ja nicht jetzt schon den Schleier nehmen lassen. Aus der Christenheit selbst würde menschlich sehr vernünftig argumentiert. Vielleicht hat hier Jesus einen Menschen berufen, Leiden mitzutragen, stellvertretend für die Gemeinde Jesu, wie Jesus es gedacht hat.
Wir haben kein Recht, mit menschlichen Gedanken dazwischenzufunken, weil hier ein Mensch auf den Weg Jesu gerufen wurde, um seinen Fußstapfen nachzufolgen.
Oder man denkt an die Zeit des Dritten Reichs und an manche Zeiten heute. Da heißt es oft: „Ach, du musst doch nicht so meinen, als hätten ein paar die Wahrheit gepachtet. Viel wichtiger ist doch, dass wir als Christen alle zusammenhalten und dass es keine Spaltung gibt.“
Dann hätte Jesus seinen Mund nie aufmachen dürfen. „Herr Jesus, wir Pharisäer und Schriftgelehrten, wir haben es so schön im Volk Israel, aber du kommst dauernd und störst und meinst, du würdest mehr wissen über Gott. Als hättest du die Wahrheit gepachtet, ist doch arrogant, wenn du sagst: Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Weißt du denn allein, was in der Bibel drinsteht?“
Es hätte zum großen Frieden gedient, wenn Jesus den Mund gehalten hätte und keinen Jüngerkreis um sich gesammelt hätte, so normal in den Tempel von Jerusalem gegangen wäre. Aber er hat gesagt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden auf die Erde zu bringen, sondern das Schwert, die Trennung.“
Das ist oft bitter. Menschlich vernünftig ist es, zu sagen: „Ach, lasst uns doch einen Mousse und einen Kuchen bleiben, das ist doch so schön. Spaltung ist so schwierig, da weiß ich nicht, wo ich nachkomme.“
Ja, das ist das Problem, dass wir nicht wissen, aus biblischer Erkenntnis, wohin wir gehören – nicht die Spaltung an sich. Es gibt viele Dinge, bei denen wir den Weg Jesu nicht verstehen, weil wir uns ihn durch menschliche Argumentation verstellen. Aber man kann doch nicht unterjochten Leuten sagen, sie sollen unter der Ungerechtigkeit bleiben. Man muss sie ermutigen, frei zu werden.
Menschlich gedacht schreibt Petrus im 1. Petrus 2 an Sklaven: Jesus hat uns ein Vorbild gelassen. Er schreibt an Sklaven, dass sie seinen Fußstapfen nachfolgen sollen. Jesus widersprach nicht, als er gescholten wurde, und drohte nicht, als er litt. Er überließ es dem, der Recht richtet.
Wir haben viel Verständnis für Petrus, wenn wir noch einen Funken menschliches Empfinden und Verstand in uns haben. Wir haben viel Verständnis für Petrus, der sagt: „Herr Jesus, das lässt du dir nicht gefallen.“ Und Jesus sagt: „Pass auf, dann bist du plötzlich nicht mehr bei mir, sondern betreibst das Werk des Teufels, so einleuchtend es auch aussehen mag. Denn du meinst nicht, was göttlich ist, sondern was sehr menschlich ist.“
Petrus war in dieser Situation in großer Gefahr. Jesus spricht das harte Wort: „Du bist mir ein Versucher, du bist mir ein Ärgernis mit deinem Denken, du bist ein Satan.“ Das ist ein hartes Wort über einen Jünger, den Jesus wenige Stunden vorher den Felsen genannt hatte.
Es war die Gefahr, dass der, der zum Felsen bestimmt war, aus der Verbundenheit mit Jesus herausfällt. Da sagt Jesus: „Wenn mir jemand nachfolgen will, der nehme das Kreuz auf sich und folge mir.“
Petrus hat es verstanden, wie wir aus dem 1. Petrus 2 sehen. Unser Herr hat ihn zurechtgebracht. Jesus hat uns ein Vorbild gelassen. Ihr seid dazu berufen, weil Jesus auch für euch gelitten hat und euch ein Vorbild gelassen hat, dass ihr seinen Fußstapfen nachfolgt.
Das Bild der Schreibvorlage als Ermahnung zur Nachfolge
Im griechischen pädagogischen System war es nicht üblich, dass der Lehrer die Buchstaben an die Tafel malte. Stattdessen gab es einzelne Tafeln aus Holz, in die die Buchstaben vertieft eingraviert waren.
Damit der Schüler den richtigen Schwung für ein Alpha oder Beta lernte, fuhr er mit seinem Finger immer wieder über diese Kerben. So prägte sich die Form der Buchstaben in seinem Finger ein. Auf diese Weise verstand er, wie Alpha, Beta und Gamma geschrieben werden.
Dieses Bild von der Schreibvorlage, das Katagramma, nimmt Petrus auf. Er fordert dazu auf, über das Leiden Jesu nachzudenken. Dabei betont er, dass es in der gesamten Gottesgeschichte mit der Welt – von Abraham bis zum jüngsten Tag – keine Stunde gab, über die wir so genau wissen, dass Gott gewollt hat, dass der Atem in der Welt angehalten wird.
Denn in dieser Stunde geschah das Größte: Der Sohn Gottes gibt sich als Opfer ohnegleichen für die Sünden der Welt hin.
Die Bedeutung des Leidens und der Nachfolge
Grösste Gottestat
Wenn wir über das Leiden Gottes nachdenken, bekommen wir ein Gespür dafür, was vor Gott wirklich groß ist. Wenn sich jemand ganz hingibt und die anderen sagen, er sei blöd, dann ist das groß. Denn Gott kann etwas daraus machen. Wir sollen seinen Fußstapfen nachfolgen, die nicht widerhallen, denn er wurde gescholten, ohne zu drohen, obwohl er litt.
Petrus wurde zurechtgerückt. Zuerst sagte er, es gäbe das Leiden gar nicht, doch dann ist der ganze erste Petrusbrief voll mit Ermahnungen, dass man nicht über das Leiden klagen soll, als ob uns etwas ganz Besonderes oder Eigentümliches widerfährt.
1. Petrus 4,12:
"Ihr Lieben, lasst euch die Hitze nicht befremden, die euch widerfährt, als wäre es etwas Seltsames. Freut euch vielmehr, dass ihr mit Christus leidet, damit ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben möget. Selig seid ihr, wenn ihr um des Namens Christi willen geschmäht werdet."
Als wir 1969 in der württembergischen Landessynode den schwierigen Fall Klump durchstehen mussten, standen Fritz Grünzweig und ich offenbar etwas bedrückt im Hospitalhof, während alles über uns hereinprasselte. "Ihr seid Spalter der Kirche", hieß es, obwohl wir nichts gemacht hatten. Die Vorwürfe schaukelten sich auf.
Da kam Pastor Brandenburg und sagte nur ein Wörtchen in seiner baltischen Aussprache: "Hüpft!" Das erinnerte an Lukas 6: Wenn sie euch um des Herrn Willen verfolgen, freut euch und hüpft, denn ihr seid würdig, in der Leidensnachfolge Jesu zu stehen. Das muss man erst lernen, indem man über das Leiden Jesu nachdenkt. Es ist ein Vorrecht, wenn man ins Leiden Jesu hineingenommen wird.
Gottfried Arnold hat in großen Versen gedichtet:
"Weg mit Menschenfurcht und Sagen, weich Vernunftbedenklichkeit fort,
mit Scheu vor Schmach und Plagen, Weg des Fleisches Zärtlichkeit!"
In diesen Tagen denken wir daran, dass Johannes Busch vor 25 Jahren gestorben ist. Im Januar hatte er einen schweren Unfall, als ein betrunkener Karnevalist in seinen Wagen fuhr. Im April ist er daran gestorben. Es ist jetzt 25 Jahre her.
Von mancherlei Seiten wurde ich gebeten, einen Gedenkartikel über den Onkel zu schreiben, den ich sehr verehrt habe und von dem ich selbst viel Geistliches mitbekommen habe. Dabei wurde mir zum ersten Mal klar, dass er als Pfarrer von Witten genau in die Feindschaft der Freidenkerbewegung im Ruhrgebiet hineinkam. Dann kam der Nazismus, und er wurde zum Bundeswart des Westdeutschen Jungmännerbunds berufen.
Wie war unser Deutschland überschwemmt von Begeisterung für Adolf Hitler! Selbst die Großmutter Busch fragte manchmal ihre Söhne: "Müsst ihr denn euren Mund immer aufmachen? Ist das nötig?" Sie konnte aber auch sagen: "Wie stolz bin ich, dass alle meine drei Söhne schon eingesperrt waren." Dieses menschliche Fragen "Ist das nötig?" kam immer wieder.
Dann kam der Krieg, den er mitmachte. Und dann kamen zehn Jahre, die mir in der Erinnerung vorkommen wie dreißig Jahre Wirken. Ich bin jetzt schon sechs Jahre in Schorndorf, und es kommt mir vor, als seien die Jahre 1945 bis 1956 in einem Augenblick vergangen.
Heute gibt es Tausende von Männern, die Säulen in der Gemeinde Jesu sind, und Frauen zwischen Schleswig-Holstein und Bayern, die sagen: Johannes Krusch hat geholfen, dass ich zum Glauben gekommen bin. Zehn Jahre! Und dann, nachdem seine Frau von sechs Kindern verstorben war, wurde er selbst nach dem Unfall heimgerufen.
War das eigentlich ein Leben, das sich gelohnt hat? Menschlich gesehen würden manche sagen: Das war doch blöd. Er hatte nie einen Sonntag frei, kaum Zeit für die Kinder – das war doch falsch. Doch er selbst schrieb in einer seiner Predigten:
"Unser Heiland wohnt bei denen, die sich mit Freuden in seinen Dienst begeben, und wenn sie dabei auch ihr Leben wagen und Tag und Nacht für ihn unterwegs sind."
So war es bei ihm, dass er kaum mehr zur Ruhe kam. Doch unser Herr hält so viele köstliche Stärkungen für seine Mitarbeiter bereit, dass ich tausendmal lieber bei den Kämpfern Gottes stehen möchte, als um der eigenen Bequemlichkeit willen auf die Stärkungen Gottes verzichten zu wollen.
Wie viel Segen würde unter uns wieder anbrechen! Wie würde Jesus ganz anders an unserem Weg stehen, wenn wir viel mehr für ihn wagen würden. Dann kam der Vers:
"So gebt dem Frieden gute Nacht, weil Gott den Kampf befohlen hat. Er wird euch mitten aus der Schlacht in seinen Frieden holen."
So ist es ja gewesen. Die falsche Vorstellung vom Leben ist, als ob man nur leben könnte, wenn man auch einen Feierabend hat und mindestens einen Tag in der Woche frei. Man muss so viel schaffen. Nein! Ihr seid berufen zur Leidensnachfolge – da ist das Leben.
Wenn ich das nicht annehme, dann bin ich der Dumme, dann lachen alle über mich. Aber da liegen die Segnungen Gottes über dir. Es wird Freude sein in der Welt Gottes über einen, der nicht widerhallt, wenn er gescholten wird.
Das macht uns Petrus vor, von dem berichtet wird, dass er kein Verständnis dafür hatte, dass in ihm alles rebellierte dagegen. Doch deutlich dagegen sagte er: "Ich bin vom Herrn Jesus wieder zurechtgebracht worden. Ich begreife, was Leiden ist, ich, der Mitälteste, bin teilhaftig der Leiden, die in Christus sind, aber auch teilhaftig der Herrlichkeit, die kommen wird."
So wurde er eingerenkt an dieser Krisenstelle.
Die zweite Krise: Vergebung und menschliche Grenzen (Matthäus 18,21-22)
Die zweite Krisenstelle in Matthäus 18, die Verse 21 und 22:
Da trat Petrus zu Jesus und sprach: „Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Reicht es, siebenmal?“
Jesus antwortete ihm: „Ich sage dir, nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.“
Petrus hat hier eine wichtige Frage aufgeworfen. Es geht in Matthäus 18 darum, dass mein Bruder oder meine Schwester an mir sündigt, also etwas Falsches tut – objektiv, gemein, dass er über mich schwätzt oder mich anlügt. Die Frage ist, wie man dann ins Reine kommen kann. Wie bringt man es ihm bei? Zuerst soll man es unter vier Augen klären. Wenn das nicht hilft, soll man einen weiteren Bruder dazunehmen. Und wenn es dann immer noch nicht funktioniert, soll man es der Gemeinde sagen.
Petrus denkt weiter: „Herr Jesus, muss da nicht auch Vergebung dazukommen? Wenn er es sich nicht sagen lässt, dann muss ich ihm doch irgendwann vergeben können. Aber wie oft ist das sinnvoll? Wenn mich jemand in einer schwerwiegenden Sache anlügt und ich vergebe ihm, und er lügt mich ein zweites und ein drittes Mal an, ist das nicht pädagogisch unklug? Wenn ich dauernd vergebe, lernt er ja nie etwas. Es muss doch einen Punkt geben, an dem ich sage: ‚Lieber Freund, jetzt ist Schluss.‘“
Herr Jesus, wäre sieben nicht eine gute Zahl? Sie ist ja eine heilige Zahl. Siebenmal vergeben – das ist doch eigentlich viel. Ich weiß gar nicht, ob wir es überhaupt schaffen, siebenmal in der gleichen Geschichte zu vergeben. Petrus war also nicht knauserig in diesen Dingen, sondern großherzig.
Er fragt: „Herr, reicht es siebenmal, oder sind zehn noch heiligere Zahlen?“
Jesus antwortet: „Oh Petrus, nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.“
Damit meint Jesus nicht die Zahl 490 wörtlich. Sie können es gern ausrechnen, wie viel das ist. Jesus nimmt Bezug auf 1. Mose 4, wo Lamech sagt: „Wenn jemand mich siebenmal schlägt, so werde ich ihn siebenundsiebzigmal schlagen.“ Das bedeutet, Lamech will für sich einen unendlichen Racheanspruch. Es ist ein unglaublicher Hass, der aus dem Innern Lamechs kommt. Dieses Lamechlied ist eines der ältesten Gedichte und Lieder der Menschheit – ein Hasslied.
Auf dieses Hasslied nimmt Jesus mit der Zahl Bezug und meint: So wie der Hass aus den tiefsten Tiefen des Menschen kommen kann – und das soll ja sogar bei uns vorkommen, dass wir mal explodieren –, so muss die Vergebung aus diesen tiefen Quellen kommen. Man überlegt danach: Woher kommt es, dass ich solche Worte finde, dass ich, der ich sonst zurückhaltend bin, so aufbrausen kann? Woher kommt das?
Jesus sagt, aus den tiefsten Tiefen des Herzens kommen Mord, Ehebruch, Hurerei, Falschzeugnis und Lästerung. Und die Vergebung muss auch aus diesen Tiefen kommen. Wenn du nur überlegst, dass es ganz gut wäre, zu vergeben, und unter zivilisierten Menschen vergibt man sich auch mal, dann ist das zu wenig. In dir muss ein Wille zur Vergebung sein, wie er in Gott ist.
Im Propheten heißt es: „So oft ich dein gedenke, stürmt mein Herz dir entgegen, ich muss mich deines Erbarmens erinnern.“ So muss die Vergebung aus dir kommen – als eine Kraft, die dich antreibt, dem anderen vergeben zu können.
Petrus, es ist eine Gefahr, wenn du hier zu menschlich denkst – ehrenhaft menschlich, wirklich human. Du möchtest vergeben, aber du musst von Gott her denken.
Wenn man heute in die DDR geht, ärgert es einen, dass man pro Tag 25 Mark umtauschen muss – mein gutes Westgeld in schlechtes DDR-Geld. Jesus ärgert es, wenn aus der göttlichen Vergebung, die unser Herz heilen will und von dort weiter zum Nächsten fließen soll, ein schlechter Umtauschkurs gemacht wird.
Petrus sagt: „Siebenmal oder von mir aus auch zehnmal vergeben.“
Nein! Wenn ihr vergebt, muss etwas anderes sein. Deshalb die Bitte im Vaterunser: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben.“ Das steht im Zusammenhang mit dem Gleichnis vom großen Schuldner, dem alles erlassen ist, damit er auch seinem kleinen Schuldner erlassen kann.
Petrus hat es damals nicht begriffen, obwohl er etwas sehr Ehrenhaftes machen wollte. Wie oft sollen wir vergeben? Nicht nur ein- oder zweimal, nicht nur siebenmal oder etwas mehr – wie beim Metzger, da darf es auch mal etwas mehr sein. Jesus sagt: Viel, viel mehr! Es muss etwas ganz anderes sein.
Petrus hat es schließlich begriffen, wenn wir den ersten Petrusbrief lesen. Liebe Schwestern und Brüder, in der theologischen Wissenschaft wird viel dagegen eingewandt, dass der erste und zweite Petrusbrief unmöglich von Petrus stammen können. Ich kenne die Einwände. Aber wenn ich sehe, wie viele Grundthemen dort miteinander verbunden sind, dann sind diese Bedenken für mich nebensächlich. Da ist Petrus drin mit dem, was ihn umtreibt.
Im ersten Petrusbrief, Kapitel 3, Vers 8 heißt es: „Endlich seid allesamt gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig und demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, denn dazu seid ihr berufen, damit ihr den Segen ererbt.“
Nicht: Wie oft soll ich vergeben? Leute, ihr bekommt den ganzen Segen Gottes. Ihr seid Himmelsbürger, ein königliches Priestertum, ein auserwähltes Volk. Ihr seid von Gott ewig angenommen und werdet himmlischen Segen empfangen. Jetzt teilt das schon aus, was ihr von unserem Herrn bekommen habt.
Ihr seid berufen, den Segen zu erben. Deshalb segnet, vergebt, seid mitleidig und barmherzig. Da ist einer, der anfing zu rechnen – Petrus –, wie oft vergeben werden soll. Er wurde in den Organismus Jesu eingereiht.
Ein überströmendes Maß wird man in euren Schoß geben. Gebt davon weiter, auch bei der Vergebung.
Die dritte Krise: Die Fußwaschung und die tägliche Reinigung (Johannes 13)
Eine dritte Krisenstelle wird uns in Johannes Kapitel 13 genannt. Dort kam Petrus, ähnlich wie wir, in eine Krise, in der es bei ihm „ausgehakt“ und „ausgerenkt“ war. Die Geschichte von der Fußwaschung zeigt das deutlich.
Vor dem Osterfest erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt zum Vater gehen würde. So liebte er die Seinen, die in der Welt waren, bis ans Ende. Beim Abendessen hatte der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Ischariot, ins Herz gegeben, Jesus zu verraten.
Als Jesus wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte, dass er von Gott gekommen war und zu Gott ging, stand er vom Abendmahl auf. Er legte seine Kleider ab, nahm einen Schurz, umgürtete sich, goss Wasser in ein Becken und begann, den Jüngern die Füße zu waschen. Danach trocknete er sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.
Er kam zu Simon Petrus, der zu ihm sprach: „Herr, du solltest mir die Füße waschen?“ Jesus antwortete: „Was ich tue, das weißt du jetzt nicht, du wirst es aber hernach erfahren.“ Petrus erwiderte: „Nimmermehr solltest du mir die Füße waschen.“ Jesus sagte zu ihm: „Werde ich dich nicht waschen, so hast du keinen Teil an mir.“ Darauf sprach Simon Petrus: „Herr, nicht allein die Füße, sondern auch die Hände und das Haupt.“ Jesus antwortete: „Wer gewaschen ist, der braucht nichts, nur noch die Füße waschen, denn er ist ganz rein.“ Denn er wusste, ihr seid rein, aber nicht alle, denn er kannte seinen Verräter gut; deshalb sprach er: „Ihr seid nicht alle rein.“
Nachdem er ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder. Er sprach: „Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr, und das zu Recht, denn ich bin es. Wenn ich nun, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr einander die Füße waschen.“
Bei Petrus hat es wieder einmal „ausgehakt“, so wie es bei uns oft geschieht. Zuerst will er aus großer Ehrfurcht zu wenig von Jesus annehmen: „Herr, solltest du mir die Füße waschen?“ Viele unter uns sagen ähnlich: „Ich kann doch keinen Besuch machen, das wäre schlechte Werbung für Jesus.“ Oder: „Ich kann doch nicht über meinen Glauben sprechen, das klingt komisch.“ Es gibt eine Zurückhaltung, die falsch ist.
Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum. Ihr sollt die Tugenden Gottes verkündigen. Andererseits gibt es ein Überschlagen von Aktivität, wie bei Petrus, der sagt: „Herr, nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und das Haupt!“ Dieses Überschlagen merkt oft nicht, dass Gott bei uns wirken will. Es gibt ein Überschlagen, das keine Heilsgewissheit mehr hat.
Als ich im Jugendwerk in Württemberg war, habe ich oft gesagt: Es gibt junge Leute, die würden am liebsten alle acht Tage getauft werden und merken gar nicht, dass Jesus für sie gestorben ist und ihre Taufe gilt. Ob sie als Baby oder als Erwachsene getauft wurden, ihre Taufe gilt. Sie dürfen sie annehmen und den Dienst Jesu, der für ihre Schuld gestorben ist, im täglichen Bußprozess annehmen. Sie bringen ihre Schuld vor ihn, der ihnen täglich reichlich vergibt.
Aber sie brauchen nicht immer wieder neue Händewaschungen und Bußen. Jesus ist gestorben, sein Kreuzestod gilt für mich. Nun gibt es das tägliche Füße waschen. Jesus sagt: Wer gewaschen ist, ist rein. Er braucht nur noch die Füße zu waschen. Im Orient, selbst wenn jemand vom Bad kam und ein paar Schritte zum Esszimmer ging, waren die Füße auf dem staubbedeckten Boden wieder dreckig.
Auch wenn Jesus uns ganz angenommen hat und uns den Himmel versprochen hat, werden wir mit jedem Tag, den wir leben, mit jedem Gedanken, den wir denken, mit den Worten, die wir sprechen, und mit der Liebe, die wir unterlassen, schmutzig. Deshalb dürfen wir jeden Tag die Füße von Jesus waschen lassen, wenn sie schmutzig werden.
Wir dürfen beten: „Du, der du mir täglich alle Sünden reichlich vergibst, vergib auch diese Ungeduld, dass ich keine Zeit hatte für den Menschen, dass ich hier unbarmherzig war. Vergib mir das.“ Jesus macht mit einer Schüssel, mit einer Kanne Wasser und mit einem Handtuch deutlich, wie es um seinen Kreuzestod steht: „Was ich jetzt tue, verstehst du noch nicht, wirst es aber hernach erfahren.“
Da ist Schmutz in unserem Leben. Wir können zu Kindern sagen: „Komm, geh hinaus und wasch deine Hände, so kannst du nicht an den Tisch sitzen, weil dort Schmutz ist.“ Wenn Jesus eine Schüssel nimmt und sagt, er mache uns klar, was hernach geschehen wird, dann meint er den Schmutz in unserem Leben.
Die Schwestern unter uns wissen es: Waschen muss man nur bei ganz Schwachen und Kranken. Schon bei kleinen Kindern kann man sagen: „Komm, geh ins Badezimmer und wasch deine Hände.“ Nur wenn sie es ganz nicht schaffen, muss man nachhelfen. Sonst müssen die Schwachen, die es nicht selbst können, gewaschen werden.
Jesus macht deutlich: Wenn er ans Kreuz geht, dann ist das so, weil wir schwache Menschen sind und für unsere Schuld nicht selbst aufkommen können. Den Schmutz können wir nicht selbst wegwaschen. Er wäscht uns ganz. Später sollen wir einander die Füße waschen, einander helfen, die täglich anfallende Schuld zu bereinigen – nicht den Kopf, aber die Füße.
Wir sollten sagen: Das sollte ins Reine bringen. Wir sollten ermutigend sein, wenn Menschen zu uns kommen und sagen: „Ich hätte gern mit Ihnen gebetet, es ist etwas falsch gelaufen, nun beten Sie mit mir darüber.“ Füße waschen bedeutet, einander helfen, die tägliche Sünde wegzunehmen.
Petrus hat alles durcheinandergebracht. Er hat nicht erkannt, dass das Wichtigste ist, dass Jesus uns dient. Er wollte aus großer Feierlichkeit sagen: „Herr, das hast du nicht nötig, dass du mir die Füße wäschst.“ Aber wir sind nicht durch Feierlichkeit oder Ehrfurcht mit Jesus verbunden, sondern dadurch, dass er meine Sünde wegnimmt und Knechtsdienst an mir tut.
„Du hast keinen Teil oder Erbe an mir, wenn du dir nicht den Schmutz wegnehmen lässt.“ Das verbindet uns mit Jesus. Petrus konnte gar nicht richtig zuhören, was Jesus wollte. Er wusste immer gleich, was besser sei, und hatte die tiefe Heilsgewissheit noch nicht.
Wer gewaschen ist, ist ganz rein und braucht nur noch die Füße zu waschen. Petrus war noch nicht eingerenkt in den Heilsplan Gottes. Manchmal denke ich, wir sind es noch lange nicht, dass wir wirklich wissen, dass uns täglich alle Sünden reichlich vergeben werden.
Es gibt so viel unbereinigte Schuld unter uns. Wir dürfen uns von Jesus die Füße waschen lassen, den täglichen Schmutz wegwaschen lassen. Wenn wir in der Fürbitte Menschen vor Gott nennen und bitten: „Denk an den, hilf dem, steh jenem bei“, so dürfen wir auch die Dinge nennen, die am Tag geschehen sind, über die unser Herr traurig ist.
So können wir sagen: „Herr, dieses missglückte Gespräch, dass ich den vergessen habe, dass der ärgerlich über mich sein musste, meine Ungeduld, dieser schmutzige Gedanke – lass dein Sterben dafür gelten!“ Dann sind wir eingerenkt, wenn uns klar ist, dass wir zu Jesus gehören, der uns den Himmel aufgetan hat und täglich alle Sünden reichlich vergeben will.
Das ist ein neuer Ton in 1. Petrus 3 und 4 sowie 2. Petrus 1. Hören wir einmal 1. Petrus 3,18: „Denn Christus ist einmal für eure Sünden gestorben, der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führe.“ Es muss nicht immer wieder geschehen, Christus hat es begriffen.
Wer gewaschen ist, ist rein. Danach spricht er von der Taufe zu unserer Rettung, die uns zugerechnet wird. Einmal ist Christus für uns gelitten, damit er uns zu Gott führt. Im Eingang von 2. Petrus 1 heißt es: „Und nun dürft ihr den täglichen Reinigungsprozess vollziehen, dass ihr entronnen seid von der verderblichen Lust dieser Welt und teilhaftig werdet der göttlichen Natur. So wendet euren Fleiß daran und beweist eurem Glauben Tugend. Und wenn ihr Tugend habt, Erkenntnis, und wenn ihr Erkenntnis habt, Mäßigkeit.“
Ihr dürft täglich wachsen in der Heiligung. Da ist einer eingerenkt worden, der in dieser Krise deutlich gemacht hat, dass er es noch nicht richtig verstanden hat: Das Wichtigste ist, dass Jesus mir dient, nicht dass ich ihm diene. Der wichtigste Dienst Jesu an mir ist die Vergebung meiner Schuld, dass er mich vom Schmutz befreit.
Und wenn ich einmal angenommen bin durch den, der für mich am Kreuz gelitten hat, brauche ich nichts mehr als die tägliche Vergebung der Schuld. Ich muss nicht immer wieder von vorne anfangen und fragen, ob alles vergeben ist, was falsch war in meinem Leben. Ich darf das, was täglich anfällt, ihm bringen.
Eingerenkt: Christus hat einmal für uns gelitten (1. Petrus 3). Nun dürft ihr täglich in der Heiligung darauf achten, dass die Schuld aus eurem Leben herauskommt. Die Versuchung ist groß.
Der Gott aller Gnade, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit, der wolle euch vollbereiten, einrenken an den Krisenstellen, die es in unserem Leben gibt. Dort, wo Gefahr besteht, dass wir aus dem Organismus Christi herausgerenkt werden.
Er, der Gott der Gnade, will einrenken, damit wir ein voll bewegliches, brauchbares Glied am Leib Christi sind.