Lieber Herr, du baust deine Gemeinde, und das ist wunderbar. Du bist der Herr, der bereits in den ersten Tagen der Apostel wirkte. Dein Geist hat Menschen erfüllt.
Du hast auch deine Boten in ihrer Beschränktheit immer wieder geleitet. Wir brauchen dasselbe heute.
Wir wollen dir danken, wie du auch uns hier in den letzten zweieinhalb Jahren geführt hast. Wir hätten es nie ahnen können, wie du Lösungen geschenkt hast, die uns unmöglich erschienen.
Darüber wollen wir dich preisen, dich loben und uns an deinem großen Tun freuen. Amen!
Die Herausforderung der Heidenmission in der frühen Kirche
Es kam den Aposteln und Brüdern in Judäa zu Ohren, dass auch die Heiden Gottes Wort angenommen hatten. Dies bezieht sich auf den Hauptmann Cornelius, der in Caesarea, einer römischen Hafenstadt am Mittelmeer, in der Garnison stationiert war.
Als Petrus nach Jerusalem zurückkehrte, stritten die gläubig gewordenen Juden mit ihm. Sie sagten: „Du bist zu Männern gegangen, die nicht Juden sind, und hast mit ihnen gegessen?“ Diese Frage war eine wichtige Entscheidung, die später auch Paulus tief bewegt hat, besonders im Galaterbrief. Die Frage lautete: Muss man zuerst jüdisch werden, um Christ zu sein?
Wenn man heute darüber nachdenkt, würde man sicher sagen, dass es um des Friedens willen doch nicht schlimm wäre, wenn man einige Reinheitsgesetze hält und die Beschneidung akzeptiert. Dann wäre doch eigentlich alles in Ordnung. Paulus aber bestand mit großem Eifer darauf, dass für die Heidenchristen eine Trennung vom rabbinischen Judentum erfolgen müsse.
Petrus begann daraufhin, ihnen alles der Reihe nach zu erzählen. Er sprach: „Ich war in der Stadt Joppe im Gebet und geriet in Verzückung. Ich hatte eine Erscheinung: Ich sah etwas wie ein großes, leidendes Tuch, das an vier Zipfeln vom Himmel herabkam und bis zum Meer herabgelassen wurde. Als ich hineinsah, erblickte ich vierfüßige Tiere der Erde, wilde Tiere, kriechende Tiere und Vögel des Himmels.“
Das waren alles Tiere, die für einen Juden nicht erlaubt waren zu essen. Doch ich hörte auch eine Stimme, die zu mir sprach: „Steh auf, Petrus, schlachte und iss!“ Ich aber antwortete: „Oh nein, Herr, denn es ist nie etwas Verbotenes oder Unreines in meinen Mund gekommen.“
Die Stimme antwortete zum zweiten Mal vom Himmel: „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.“ Dies geschah dreimal, und alles wurde wieder gen Himmel hinaufgezogen.
Plötzlich standen drei Männer vor dem Haus, in dem wir waren. Sie waren von Caesarea zu mir gesandt. Der Geist aber sprach zu mir: „Ich soll mit ihnen gehen und nicht zweifeln.“ Achten Sie darauf, wer das Kommando gibt, dass er mitgehen soll – es ist der Heilige Geist.
Mit mir kamen auch diese sechs Brüder, und wir gingen in das Haus des Mannes. Dieser berichtete uns, wie er den Engel in seinem Haus gesehen habe, der zu ihm sagte: „Sende Männer nach Joppe und lass Simon mit dem Beinamen Petrus holen. Er wird dir die Botschaft sagen, durch die du selig wirst – und dein ganzes Haus.“
Als ich aber anfing zu reden, fiel der Heilige Geist auf sie – ebenso wie am Anfang auf uns. Ich dachte an das Wort des Herrn, als er sagte: „Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden.“ Wenn nun Gott ihnen die gleiche Gabe gegeben hat wie auch uns, die wir zum Glauben an den Herrn Jesus Christus gekommen sind, wer war ich, dass ich Gott wehren konnte?
Als sie das hörten, schwiegen sie still, lobten Gott und sprachen: „So hat Gott auch den Heiden die Umkehr gegeben, die zum Leben führt.“
Die Ausbreitung des Evangeliums in Antiochien
Es ist ein passender Moment, heute die Apostelgeschichte einmal zu unterbrechen, denn wir kommen jetzt in die Heidenwelt. Das ist besonders wichtig in Antiochia am Orontes. Diese Stadt liegt heute an der syrischen Grenze und ist die südlichste Station der Türkei.
Antiochia am Orontes befindet sich an der östlichen Mittelmeerküste. Im vergangenen Jahrhundert war diese Region lange Zeit von Frankreich besetzt und wurde erst sehr spät an die Türkei zurückgegeben. Es gibt noch ein zweites Antiochia in Pisidien, das in der Türkei liegt, etwa nördlich von Perge bei Antalya. Dieses Antiochia muss man deutlich von dem am Orontes unterscheiden.
Antiochia am Orontes war die drittgrößte Stadt des römischen Imperiums. Die Christen dort waren jedoch zerstreut, weil sie wegen der Verfolgung, die nach dem Tod des Stephanus begann, fliehen mussten. Sie gingen bis nach Phönizien, Zypern und Antiochia und verkündigten das Wort, aber nur den Juden.
Unter ihnen waren auch einige Männer aus Zypern und Kyrene. Diese kamen nach Antiochia und redeten auch zu den Hellenisten, also den Griechen. Sie predigten das Evangelium von Jesus Christus. Die Hand des Herrn war mit ihnen, und eine große Zahl wurde gläubig und bekehrte sich zum Herrn.
Die Gemeinde in Jerusalem hörte davon und sandte Barnabas nach Antiochia, um die Situation zu überprüfen. Er sollte dort als eine Art Feuerlöscher, Kontrolleur oder Aufsichtsbeamter wirken, da man immer Angst hatte, dass irgendwo etwas Falsches passieren könnte.
Als Barnabas in Antiochia ankam und die Gnade Gottes sah, wurde er froh. Er ermahnte alle, mit festem Herzen an dem Herrn zu bleiben. Barnabas war ein bewährter Mann, voll Heiligen Geistes und Glaubens. Viele Menschen wurden durch ihn für den Herrn gewonnen.
Barnabas zog dann aus, um Saulus in Tarsus zu suchen. Als er ihn fand, brachte er ihn nach Antiochia. Dort blieben sie ein ganzes Jahr bei der Gemeinde und lehrten viele Menschen. In Antiochia wurden die Jünger zum ersten Mal Christen genannt.
In den folgenden Tagen kamen Propheten von Jerusalem nach Antiochia. Einer von ihnen war Agabus, den wir später noch einmal kennenlernen. Er nahm die Seile und kündigte Paulus durch den Heiligen Geist seine Verhaftung an. Außerdem sagte er eine große Hungersnot voraus, die über den ganzen Erdkreis kommen sollte. Dies geschah unter dem Kaiser Claudius.
Unter den Jüngern beschlossen alle, nach ihrem Vermögen den Brüdern, die in Judäa wohnten, eine Gabe zu senden. Das taten sie auch und schickten sie ab.
Die Bedeutung der göttlichen Führung und des persönlichen Zeugnisses
Ich möchte zuerst Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, was für ein großes Wunder es eigentlich ist, dass Sie gläubig geworden sind. Was ist daran wunderbar? Es ist nicht Ihr Verdienst, nicht Ihre Leistung. Gott hat ungeheuer viel getan und in Ihrem Leben ungemein viel gewirkt. Er hat sehr viele Menschen beauftragt, die an Ihnen gedient haben.
In meinem Leben ist mir das immer ganz groß bewusst gewesen. Ich erinnere mich nicht mehr an den Namen, aber als Kind mit drei oder vier Jahren war ich in der Johannesgemeinde, in der sogenannten Lemmer-Gruppe. Dort wurden die ersten Geschichten von Jesus erzählt, die ich zu Hause nicht gehört hatte. Mir ist diese Frau und ihr Gesicht oft noch ganz eindrücklich in Erinnerung. Ich denke, die Spuren, die sie gelegt hat, sind bis heute aktiv.
Später gab es einen Schreinermeister in der Kinderkirche, Schreinermeister Tränkle. Er war immer etwas unbeholfen, aber mit großer Hingabe und Liebe hat er mir Jesus nahegebracht. An dieser Geschichte sieht man, wie das Evangelium zu Cornelius kommt. Wir sind alle sehr beschränkte Menschen, tun uns schwer, sind schüchtern und ängstlich, anderen Menschen von Jesus zu erzählen.
Es tut gut zu wissen, dass auch die Apostel begrenzt waren. Die Begrenzung der Gemeinde Jesu ist etwas sehr Schlimmes. Oft fühlt man sich sehr wohl im eigenen Hauskreis mit den bekannten Leuten. Man hat ja auch sonst wenig Gelegenheit, mit netten Menschen zu sprechen. Wenn ich manchmal etwas scharf zu Ihnen im Gottesdienst war, habe ich oft gesehen, dass sich manche hinter zwei Unterhaltern im Gang versteckt haben. Daneben strömte jemand herein, vielleicht gerade von einer Beerdigung, und alle zeigten ihm nur den Rücken.
Das ist nicht gastlich. Wer Augen hat, sieht, wie wir auf Menschen zugehen, die vielleicht neugierig sind oder mit Sehnsucht nach Jesus greifen. Dieser Hauptmann Cornelius war eine interessante Gestalt. Man kann kaum erklären, woher seine Sehnsucht nach Jesus kam. Er war ein Mann, der sehr viel Almosen gab, ein sozial tätiger Mensch. Nach unserer heutigen Definition wäre er ein Christ. Wir haben heute hunderttausende Sozialarbeiter in der Kirche, die nicht einmal gebetet haben. Cornelius hat nur gebetet und war sozial tätig. Doch das Wichtigste fehlte ihm: Er kannte Jesus nicht als seinen Heiland und Retter.
Die Gemeinde hat das nicht belastet. Wenn man das wüsste, wie oft wir an solchen Situationen vorbeigelaufen sind, müsste uns das heute Abend erschrecken. Wir hatten selbst das Glück, dass andere uns Jesus bezeugt haben. Waren es Evangelisten, Familienmitglieder oder Jugendgruppen? Wo ist es bei Ihnen geschehen?
Ich möchte Sie bitten, lassen Sie sich vom Heiligen Geist Ihren Blick weiten. Er war es, der hier Petrus durch eine Vision auf eine sehr eindrückliche Weise geöffnet hat. Für Sie ist es eigentlich relativ einfach: Sie müssen nur in der Bibel lesen. Dort merken Sie, dass jede Seite der Bibel auf Weltmission drängt. Schon im Alten Testament, in den Psalmen, heißt es, dass alle Völker der Erde die Botschaft hören müssen. Bei Abraham ist der Segen so bestimmt, dass er alle Völker erreichen soll.
Christen dürfen sich nicht einschließen, das darf nicht geschehen. Ich bin Ihnen dankbar, wie Sie immer ein weites Herz für die Weltmission hatten. Es ist aber ganz wichtig, dass wir das im persönlichen Zeugnis wahrnehmen. Wir müssen unruhig werden, wenn wir in den letzten Wochen niemanden zu Jesus führen konnten.
Das ist mir bei dieser Geschichte so eindrücklich. Noch einmal: Cornelius war sozial tätig, er hatte ein gutes Herz. Doch das Beste fehlte ihm noch. Er bekam von Gott bezeugt, dass ihm die Botschaft gesagt wird. Was ist diese Botschaft? Das Evangelium. Und das Evangelium ist nichts anderes als Jesus Christus, der für unsere Sünden gekreuzigt wurde.
Wie groß ist heute die Blindheit in unserer Kirche, wenn man meint, es seien andere Dinge wichtig! Die zentrale Frage ist doch: Wie kann ich überhaupt zu Gott kommen? Wie kann ich Gemeinschaft mit Gott haben? Nur durch die Vergebung Jesu, der meine Schuld durchstreicht und vergibt.
Hier wird es plastisch ausgedrückt: Die Buße zum Leben, das heißt im Neuen Luther nicht mehr so gut, die Umkehr, die zum Leben führt. Wer hat den Altluther? Frau Heimbolt, Sie haben Vers 18, oder wer sonst? Buße ist doch immer eine freudige Sache. Das war der Kernpunkt der Reformation und des Thesenanschlags.
Was schulden wir der Welt? Das Evangelium von Jesus und die Umkehr, die Bekehrung – das ist dasselbe Wort. Im Hebräischen bedeutet es „schub“, also Umkehren, Hinwendung. Jesus hat das Hauptthema, die Umkehr, herausgerissen. Es geht um eine Lebensänderung, um das neue Leben mit Jesus. Und das ist das Leben, die Fülle, die damit beginnt. Das ist die Freude, die in ein Leben einkehrt.
Ein Cornelius braucht das, und die Heiden brauchen das. Petrus hat es nicht begriffen, obwohl er ein so wichtiger Mann war und von Gott gebraucht wurde. Wir brauchen immer wieder die Korrektur durch den Heiligen Geist, dass wir missionarische Menschen sind, Menschen mit diesem Dienst.
Es gibt kein anderes Ziel. Wer es jetzt durch die Apostelgeschichte verfolgt, sieht, was der Auftrag ist: Die Welt muss das Evangelium hören.
Ermutigung durch aktuelle Missionsberichte und persönliches Engagement
Das war so schön: Neulich war bei uns im Büro Dr. Mayner, ein Amerikaner, der im Nahen Osten tätig ist. Er hat uns so eindrucksvoll erzählt, wie in Mauretanien die erste Christengemeinde entstanden ist. Mauretanien ist ein sehr streng islamisch geprägtes Land. Durch den Bürgerkrieg war es lange Zeit kaum möglich, dort Fuß zu fassen. Auch unter den Rif-Kapielen in Nordafrika gibt es momentan viele Bekehrungen.
Solche Ereignisse sind Dinge, die Gott fügt. Man muss immer dranbleiben, denn das ist für uns sehr belebend. Es ist ein Zeichen des auferstandenen Herrn, diese neuen Nachrichten immer wieder zu hören. Das freut einen und lädt ein zum Gebet: „Herr, wir wollen es jetzt auch mit dir wieder wagen.“
Ich freue mich auch, wenn ich solche Erlebnisse sehe, zum Beispiel bei den Jugendfreizeiten oder am Sonntag. Da habe ich mich sehr gefreut, dass ein junger Mann selbst seine Taufe wollte. Es war ihm sehr wichtig. Leider konnte er wegen eines Hörsturzes nicht an der Konfirmation teilnehmen. Ich weiß, wie wichtig das ist. Es ist auch schön, wenn manche Menschen das in ihre Fürbitte aufnehmen, damit mit Jesus etwas weiter geschieht.
Auch die Mutter des jungen Mannes war sehr angesprochen und bewegt. Jetzt stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? An dieser Stelle breche ich ab, denn andere müssen das weiterführen. Der Hunger nach Gott ist so groß. Ich konnte ihr nur noch sagen: „Nehmen Sie das Buch ‚Jesus – unser Schicksal‘ mit nach Hause. Dort steht alles drin, was jetzt bei Ihnen an Fragen aufgebrochen ist.“ Es geht um Jesus und nicht um irgendwelche Randthemen.
Wir wollen nicht mit Menschen über Kirchenreden, Kirchensteuer oder Kircheneintritt sprechen. Auch nicht über Mischehen oder andere Themen, die oft aufkommen. Vielmehr wollen wir Jesus groß machen, die Vergebung der Sünden und die Freude daran. Die schönsten Stunden meines Lebens habe ich erlebt, wenn Menschen in einer großen Beichte die Vergebung Jesu empfangen und völlig neu geworden sind. Das ist das Allerherrlichste.
Was Gott tut, nehmen die Menschen als Geschenk an. Wo sie belastet sind, nehmen sie diese große Gabe an – so wie Cornelius. Ich war froh, dass Ernst Vater in der Bibelwoche zur Passion bei Römer 6 sagte, der Glaube sei wichtig, nicht das Hineingetauchtsein ins Wasser. Ich glaube auch, dass wir keine falsche Diskussion führen sollten.
Am letzten Sonntag wurde ich wieder von jemandem angesprochen, der sich nochmal mit Wasser taufen lassen wollte. Ich sage immer: Es geht mir um die erweckliche Predigt und den lebendigen Glauben, die Verbindung zu Jesus, die bei uns oft fehlt. Das Wasser war da, aber jetzt geht es darum, dass man den Glauben ergreift und lebt.
Ich finde es schade, wenn Menschen an solchen Handlungen stehenbleiben und die entscheidende Sache – der lebendige Glaube – unter den Tisch gekehrt wird. Ganz am Anfang hatten wir ja in unserem Laden die Teen-Challenge-Gruppe. Wir waren froh über die Wilkersen-Leute, die sehr gute Arbeit mit Rauschgift- und Drogenabhängigen leisten.
Damals hatten wir einen Mitarbeiter, der sich ganz vom Glauben abwandte und große Probleme mit Alkohol hatte. Ich freute mich, als er einmal zu Gesprächen vorne im Laden war. Als er rauskam, fragte ich, was beim Gespräch herausgekommen sei. Er sagte: „Die sagten mir, ich soll mich nochmal taufen lassen. Sonst merken andere nicht, in welchen Schwierigkeiten ich stecke.“ Über seine Probleme wurde kein Wort gesprochen.
Wir sind oft auch blinde Menschen, die nicht einmal selbst spüren, wo die Schwierigkeiten liegen. Es sind immer Bindungen, die uns von Jesus trennen. Die heiligende und erneuernde Kraft Jesu muss eintreten. Das war das erste Wunder meiner Errettung.
Gott benutzt verschiedene Wege, um die Apostel und Mitarbeiter auf die große Aufgabe immer wieder vorzubereiten. Dafür braucht es immer wieder mobile Leute. Der oft schwerfällige Apparat einer Gemeinde oder Kirche kann da nicht mithalten. Darum ist es gut, wenn sich Teams organisieren, wie unser Missionsteam, das auf die Königstraße geht und dort arbeitet.
Andere gehen einfach los, machen Krankenbesuche oder besuchen Menschen zu Hause und gehen auf sie zu. So wird die Botschaft von Jesus weitergetragen.
Die Kraft des Glaubens in schweren Lebenssituationen
Und jetzt das Nächste: Die Sache mit den schweren Lebensführungen.
Es ist bei Christen immer wieder schlimm, dass sie schwere Lebensführungen haben. Hier geht es um Leute, die aus Jerusalem fliehen mussten und alles verlassen haben. Wenn ich so etwas hätte durchmachen müssen, verspreche ich Ihnen, dass Sie mich mein ganzes Leben lang von diesem Tiefschlag nie mehr erholt hätten.
Ich habe auch viele Flüchtlinge getroffen, die ihr ganzes Leben lang erzählt haben, wie schön ihr Hof in Moldawien oder Ostpreußen war, wie viele Pferde sie hatten und was sie alles verloren haben. Sie berichteten, wie es ihnen auf der Flucht erging. Die Wunden, die man im Leben empfängt, sind schwer zu tragen. Ich habe volles Verständnis dafür, dass man ein Leben lang im Selbstmitleid bleibt und in der Trauer über das, was man erlitten hat, verharrt, denn dafür gibt es oft keinen Trost.
Es gibt sehr schwere Lebensführungen. Viele Menschen sind unglücklich verheiratet. Andere haben im Krieg vielleicht ihren Körper völlig ruiniert, und er wird nie mehr gesund. Es gibt so viele schwere Dinge, die getragen werden müssen, und die nicht geheilt werden. Da kann man sich aufbäumen und fragen: Woher kommt da Recht und Gerechtigkeit? Es gibt keine Gerechtigkeit in all diesen Fragen.
Aber das Erstaunliche ist: Diese Flüchtlinge sind nicht am Verlust zerbrochen. Was war da passiert? Kein Wort des Jammerns. Stattdessen reden sie vom Evangelium Jesu. Ich weiß, dass heute Abend auch Leute hier sitzen, die an vielen Dingen in ihrem Leben leiden und sagen: „Gott hat mir schwere Lasten auferlegt, Dinge, die mir sehr, sehr weh tun, und ich werde damit nicht fertig.“ Doch sie müssen fertig werden, weil sie Jesus selbst so überwältigend erlebt haben.
Sie haben das nicht als Bemitleidenswerte gesagt, sondern einfach: „Was ist das schon im Vergleich zu dem, was mir Jesus schenkt?“ Sie standen über diesen schweren Lebensführungen. Das war ein Wunder ihres Glaubens. Man singt da so fröhlich: „Nehmt den Leib, Gut, Er, Kind und Weib, lass fahren dahin.“ Aber es war eine echte Glaubenshaltung.
Es gibt viele Punkte, an denen sie keine Erfüllung bekommen. Vielleicht, weil sie nicht gesund sind, oder weil ihre Familienmitglieder es ihnen so schwer machen. Vielleicht, weil sie so viel Unrecht erleiden oder verkannt werden, auch mit ihren Gaben. Die meisten Menschen sind ja mit ihren Gaben verkannt, sitzen am falschen Platz, kommen nicht zur Entfaltung ihrer Gaben – und das betrifft viele Bereiche.
Vor Jesus aber sind diese Fragen nicht mehr vordergründig, weil er ihnen die Fülle gibt. Sie haben den Glauben noch nicht begriffen, wenn sie nur an ihrem Selbstmitleid hängenbleiben. Ich will Ihnen jetzt nicht wehtun, sondern nur sagen: Sie haben das Schönste und Größte vergessen.
Es ist immer so, denken Sie nur an Psalm 73: „Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, alle Zeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ Sie sagten: „Was macht’s schon?“ Ich sage Ihnen nur: Ich kann es nicht, aber sie konnten es.
Man muss es lernen. Wenn man Jesus richtig erkennt, muss man darüber wegkommen und in der Freude sagen: „Das ist meine Aufgabe. Ich bin von vielem gelöst, vieles ist mir aus der Hand genommen.“
Corrie ten Boom hat das in ihren Büchern immer wieder gesagt. Wenn man bei ihr in der Bibliothek steht, sieht man anschaulich, wie sie in Ruanda war. Jetzt verstehen wir erst, wenn Corrie vor dreißig Jahren aus Ruanda erzählt hat, was für ein schlimmes Land das ist. Heute haben wir ja selbst von den schrecklichen Morden gehört.
Sie erzählt, wie sie dort vor Hutus und Tutsis gesprochen hat, und wie einer der Pastoren sagt: „Ich kann sie nicht lieben. Wenn ich nur die Gesichter sehe, sehe ich wieder all die Blutopfer meiner Familie, die Kinder, meine Kinder, die erschlagen wurden.“ Corrie sagt: „Ich kann es nicht, und du kannst es nicht, aber Jesus in dir kann es.“
Nimm Jesus in dein Leben hinein, er gibt dir Erfüllung und Frieden. Es ist auch gar kein Opfer, das sie bringen, sondern sie tun es in großer Freude. Sie haben ihren Schatz im Himmel, sie leben als Bürger gar nicht mehr in dieser Welt.
Wir müssen heute vielleicht besonders aufpassen. In Zeiten des Wohlstands wird es ganz wichtig, nicht dem letzten Geld nachzujagen, sondern eine Distanz zu haben – auch zur Erfüllung unserer Wünsche, unserer Lüste und all der Sehnsüchte in uns. Unbefriedigte Sehnsüchte zerstören unser Glaubensleben, wenn wir sie nicht unter den gehorsamen Christus bringen.
Diese Flüchtlinge waren die besten Missionszeugen. Gott hat es nur über diese Flüchtlingsbewegung erreicht, dass das Evangelium nach Antiochia kam. Manchmal ist es nötig, dass Gott brachiale Mittel einsetzt, um Menschen mit dem Evangelium zu erreichen.
Zeugnis von unerwarteten Wegen der Evangelisation
Wir hatten lange eine Frau im Bibeltraining, die uns eindrücklich erzählt hat, wie ihr Mann im Krankenhaus lag. Sie hatte den Eindruck, dass sie über die Besuche bei ihrem Mann einen Mann erreichen durfte, der aus Heslach kam und ein großer Jazzkenner war. Er hatte zehn Schallplatten vom Jazz und war einer der größten Experten dort. Dieser Mann, ein Vereinsmeier, wurde auf das Sterben vorbereitet und wusste nichts von Gott.
Über die Besuche bei ihrem Mann durfte sie ihn weiterführen. Zuerst hatte sie sich gesperrt, als sie gebeten wurde, hinzugehen. Es ist selten, dass Menschen in solchen Situationen das Abendmahl wünschen. Heute ist es kaum noch üblich, dass jemand vom Sterben her wirklich Frieden mit Gott machen möchte. Doch dieser Mann, der Vereinsmeier aus Heslach, wollte das.
Das geschah nur durch die Frau vom Bibeltraining, während ihr Mann im Krankenhaus lag. Es war eine besondere Situation, die Gott so gefügt hatte. Ihr Mann musste in dieses Zimmer, und ihr war von Anfang an klar: Er war so weit weg von Gott.
Wenn man solche Schwierigkeiten betrachtet, kann man sich fragen, ob Gott damit eine Absicht verfolgt. Es mag absurd erscheinen, zu denken, dass Krankheit etwas bewirken kann. Aber Gott ordnet auch widrige Umstände und legt Segen hinein. Es geht darum, dass nicht nur Fluch und Böses über uns kommen.
So war diese schwierige Zeit trotz aller Bitterkeit ein großer Segen. Man muss die Nöte unter die Füße bekommen. Wenn ich das so sage, müssen Sie es sich auch zur eigenen Zeit einmal sagen. Sicherlich gelingt es mir oft auch nicht, alles unter die Füße zu bekommen.
Doch genau das wollen wir uns gegenseitig zusprechen. Deshalb brauchen wir einander, um uns immer wieder daran zu erinnern. Gott will Segen schaffen und seine Gemeinde aus engen Grenzen heraustreiben.
Die Gabe des Barnabas als Vorbild für Leiterschaft
Und jetzt der dritte Punkt: Barnabas. Das war wirklich ein beeindruckender Mann. Wie er von Jerusalem dorthin beordert wird – wir kennen ihn bereits aus der Apostelgeschichte. Barnabas war der Name, den man ihm gab, so hieß er eigentlich nicht. Sein richtiger Name steht in Apostelgeschichte 4,36. Er wird „Sohn des Trostes“ genannt. Er war ein Seelsorger ohnegleichen.
Später zeigte er auch Geduld mit seinem Neffen, dem Johannes Markus, der während der ersten Missionsreise in Perge ausgebüxt war, bevor sie nach Antiochia weiterzogen. Barnabas war wirklich ein Mann, der auf geschickte Weise die Fehler junger Mitarbeiter verstehen konnte und ihnen geduldig nachging. Man hat ihn geschickt, und das war gut so. Es war gut, dass sie keinen anderen schickten.
In der Gemeinde Jesu gibt es viele „Polizeihunde“ und „Ketzerrichter“, die hinter jeder Sache nur herummäkeln und alles auf eine Linie bringen wollen. Jeder muss husten wie sie, jeder muss schnäuzen wie sie und so weiter. Es gibt so viele Kommandopersonen, die sagen: „Alles hört auf mein Kommando!“ In der Gemeinde Jesu war das bei Barnabas nicht so. Er hatte Weite, und das ist ganz wichtig.
In der Gemeinde Jesu wird viel Schaden angerichtet durch Leute, die man heute unter dem Begriff „Leiterschaft“ zusammenfasst. Ich hatte da immer keinen Mut, und ich weiß, dass ich manche enttäuscht habe, wenn ich gesagt habe, dieses Thema sei bei uns vernachlässigt worden. Ich bekam immer Angst bei Leiterschaft, weil es auch Leute gibt, die „zu Tode leiten“. Sie sagen immer wieder: „Alles hört auf meinen Befehl, und alles ordnet sich mir unter. Wer sich nicht unterordnet, gehört nicht zur Gemeinde Jesu.“ Da muss man aufpassen.
Barnabas hatte das nicht. Er hatte Weite und verstand andere Menschen auf eine andere Art. Er gab ihnen den nötigen Freiraum. Die Gemeinde Jesu lebt vom Freiraum, und Barnabas hat die Gnade Jesu erkannt. Wo er sie sah, sagte er: „Ist okay, sie machen vieles anders. Vielleicht machen sie vieles nicht so, wie ich es tun würde, aber irgendwie ist ihnen eine Gnade von Jesus geschenkt, dass sie so handeln können.“ Denn an jedem Ort laufen die Dinge oft anders, weil die Menschen unterschiedlich sind.
Das war eine ganz außergewöhnliche Gabe von Barnabas. Wenn man wissen will, was die Bibel unter Leitung versteht, kann man das nachlesen, zum Beispiel in 1. Timotheus 3,2-7. Dort werden mehrfach Anforderungen an das Leitungsamt genannt. Wenn dort „Bischofsamt“ steht, ist eigentlich der Aufseher der Gemeinde gemeint, besser übersetzt: der Leiter.
Ein Leiter soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau, nüchtern, maßvoll, würdig, gastfreundlich, geschickt im Lehren, kein Säufer, nicht gewalttätig, sondern gütig, nicht streitsüchtig, nicht geldgierig. Er soll seinem eigenen Haus gut vorstehen und gehorsame Kinder in aller Ehrbarkeit haben. Denn wenn jemand nicht weiß, wie er sein eigenes Haus leitet, wie soll er dann für die Gemeinde Gottes sorgen?
Er soll kein Neugetaufter sein, damit er sich nicht aufbläht und dem Urteil des Teufels verfällt. Außerdem muss er einen guten Ruf bei den Außenstehenden haben, damit er nicht geschmäht wird und nicht in die Schlinge des Teufels gerät.
Was hat Barnabas also gesehen, als er diese Gemeinde kennenlernte? Es war sicher ein Auftrag. Als die Apostel davon hörten, dass sich eine Gemeinde von selbst gegründet hatte, herrschte große Aufregung. Hoffentlich läuft dort alles richtig, hoffentlich haben sie die richtige Lehre, hoffentlich sind keine abstrusen Ideen verbreitet worden.
Es gibt immer die Gefahr falscher Lehren, die unter Christen kursieren, und viele Dinge, die Menschen vom Heil abhalten. Deshalb wurde Barnabas als Kontrolleur geschickt. Aber er sah die Gnade Jesu. Was hat er gesehen? Dass Menschen durch den Heiligen Geist und durch das Wunder Jesu verändert wurden. Das Größte war, dass es wirklich um Jesus ging, dass die Gemeinde sich Jesus und seinem Wort untergeordnet hatte und von dieser Mitte her lebte.
Er sah die Gnade Jesu. Er hatte ein Auge dafür, dass wirklich etwas von Jesus gewirkt worden war. Diesen Blick brauchen wir. Uns geht es nicht um große Zahlen oder Erfolgsberichte, sondern darum, ob etwas sichtbar wird von der Gnade Jesu. Da ist etwas. Gott hat sein Werk in den Menschen getan.
Als er angekommen war, sah er die Gnade Jesu. Er bemerkte: Das sind Reben am Weinstock, Christus wirkt in diesen schwachen Menschen. Sicher, vieles ist noch vorläufig. Man kann sich freuen, wenn jemand Anfänger ist. Sie sind auf dem Weg, sie lernen noch alles, aber sie sind auf dem richtigen Weg. Der Grund ist gelegt, sie haben das neue Leben ergriffen.
Was ist der echte Christenstand im Original? Die richtige Hinwendung zu Jesus, das Gebetsleben, die Gemeinschaft mit anderen, die man sucht. Barnabas sagte: Es ist nur eins wichtig – dass ihr bei Christus bleibt.
Es ist bemerkenswert, dass Barnabas nicht sagte: „Wir haben noch viele Paragraphen, und ich habe euch eine Satzung mitgebracht, wie alles organisiert werden muss.“ Es ist interessant, wie locker sie diese Dinge nahmen. Denn wir Deutschen meinen oft, Gemeinden werden mit Paragraphen gebaut. Nein, Gemeinden werden dort gebaut, wo Menschen bei Jesus sind, sich Jesus unterstellen und sich von ihm leiten lassen.
Da ist die Mitte, und mehr braucht es wirklich nicht. Mehr braucht es nicht. Das ist unter uns oft ein Problem, wie wir mit unseren verschiedenen Ansichten zusammenkommen. Aber das ist auch in der Apostelgeschichte schön beschrieben. Dort gerieten sie in den wesentlichen Fragen heftig aneinander, wurden dann aber doch eins.
Das braucht man, und das darf man nicht überstürzen. Ich war erschrocken, als ich hörte, dass in einer evangelikalen Gemeinde in der Nähe von Stuttgart die Bänke rausgeschmissen und Stühle angeschafft werden sollten. Im Ältestenkreis gab es eine Debatte, das Abstimmungsergebnis war sechs zu sechs, und einer enthielt sich.
Am nächsten Tag wurden trotzdem schon die Stühle bestellt. Das ist nicht gut. Obwohl es keinen Mehrheitsbeschluss gab, wundert man sich nicht, wenn es Unfrieden gibt. Denn das ist noch nicht von Jesus bereit. Man muss solche Dinge auch verschieben können. Es ist wichtig, dass man anderen auch bei ganz praktischen Dingen entgegenkommt. Man muss sich einigen. Wenn man keine Einigkeit hat, wird man unruhig.
Man darf darum beten: Herr, schenke uns Einmütigkeit. Die Kirchengemeinderäte waren besonders lieb, denn sie haben meine exzentrische Art oft so geduldig getragen. Hoffentlich haben wir sie nicht zu sehr strapaziert. Aber es war wunderbar, dass die Einheit im Geist immer wieder durch die Liebe geschenkt wurde. Das ist ganz wichtig.
Kirchengemeinderat Frank hat mich immer gemahnt: „Wenn ihr keinen Frieden mehr habt, läuft nichts mehr.“ Das ist wichtig – die Einigkeit im Geist. Wir wollen bei Christus bleiben. Das ist eine geistliche Mitte, die man nicht mit Ordnungsfragen und Paragraphen erreichen kann.
Wenn eine ganze Kirchengemeinde „Rat Meier“ heißt, ist das nicht das Problem. Das Problem ist, ob man einen Sinn hat. Und das kann nur von Jesus gelenkt werden, vom Heiligen Geist. Herrlich.
Es war auch wunderbar, dass der Herr euch diese Einheit in den schwierigen Beratungen zur Nachfolge geschenkt hat. Das sehe ich als ein großes Wunder an. Es war nicht immer so, aber der Herr hat es euch gegeben und eure Gebete erhört. Das ist großartig.
Mit festem Herzen bei dem Herrn bleiben – das ist wichtig. Denn der Herr kann nur seine Gemeinde bauen. Wir können ihm nur das Brot, das Holz, das Wasser oder was gerade nötig ist, reichen. Die Gnade Gottes ist entscheidend. Die Gnade Gottes wirkt.
Wenn der Herr keine Gnade gibt, geschieht gar nichts mehr. Man kann noch so viel Geld umsetzen und sammeln, wenn die Gnade Jesu fehlt, läuft nichts mehr.
Berufung und Sendung im Dienst der Gemeinde
Und jetzt kommt der richtige Mann, der für diese Aufgabe eingesetzt wird. Wie findet man den richtigen Mann? Das ist schwierig, denn es ist nicht einfach, den richtigen Mann zu einer Berufung zu führen. Wir haben ja immer nur einen beschränkten Blick. Barnabas konnte nicht bleiben; er musste wieder zu anderen Aufgaben zurückkehren.
Es ist immer wieder schön zu sehen, wie Berufungsfragen eine Sache unseres Herrn sind. Ich empfinde es ganz besonders als ein großes Geschenk, dass ich meine Berufung leben darf. Meine weltmissionarische Berufung, die ich in jungen Jahren erhalten habe, war mir während meines gesamten Studiums eigentlich sicher. Bis ich in den Pfarrdienst kam, war ich mir sicher, dass ich in den Missionsdienst berufen bin. Doch ich habe nie eine Mission gefunden, die mich gesandt hat. Die Mission, an die ich mich wandte – die Basler Mission – hatte kein Interesse.
Ich war damals sieben Tage in Basel und sehr traurig, als ich in den Landeskirchendienst eintrat. Ich habe dieses Missionsamt nicht als das eigentliche angesehen. Gott hat es dann immer wieder durch andere und durch die Offenheit der Gemeinde gegeben. Aber ich freue mich wirklich, dass ich meine Berufung, die ich eindeutig so sehe, in den nächsten Jahren, wenn Gott es erlaubt, noch einmal leben darf – mit einer Ganzhingabe im Missionsdienst.
Mir war meine Berufung so klar, auch aus vielen Gesprächen, damals mit Seelsorgern und so weiter. Ich habe es immer wieder ein wenig schwer getragen, dass die Türen verschlossen waren. Heute sehe ich das anders und erkenne darin eine ganz große, wunderbare Führung Gottes.
Aber wie merkt man überhaupt eine Berufung? Das ist immer schwierig. Wenn Sie auch fragen: Wo braucht mich der Herr? Ich kann von vielen von Ihnen sagen, dass Sie ein ganz wichtiges Amt haben. Dort, wo Sie stehen, ist ein ganz wichtiges Amt. Hier hat man es einfach nicht gefunden. Es war auch immer wieder schön in unserer Gemeinde, dass sich plötzlich in einer Lücke etwas ergeben hat und Gott dann weitergeführt hat.
Hier kommt plötzlich der Barnabas ins Spiel. Er musste einmal einen Mann aus Jerusalem verabschieden, der in der Gemeinde einfach nicht gebraucht werden konnte – das war Saulus von Tarsus. Es war eine große Tragik, dass die Gemeinde vor ihm Angst hatte und er selbst gefährdet war. Deshalb musste er weggehen. Für Paulus war es sehr demütigend, dass er nach seiner Bekehrung nicht gleich auf die Kanzel kam. Anfangs predigte er, dass der Herr ihn zerbrochen habe.
Es ist ein Geheimnis unseres Herrn, dass er oft unsere eigenen Pläne durchkreuzt, um uns zu zeigen: Ich brauche dich gar nicht so, wie du denkst. Saulus ging in die Stille, nach Tarsus, und wartete Jahre auf seine Berufung. Man kann genau rekonstruieren, wie viele Jahre das waren. Dann erinnert sich Barnabas wieder. Es war ein ganz besonderes Geschenk von Barnabas, das zu entdecken.
Es braucht immer wieder den brüderlichen und schwesterlichen Rat. Viele müssen mitdenken und mitbeten. Oft kommen solche Dinge selten vor; man kommt oft gar nicht darauf. In unserer ersten Gemeinde war es so, als meine Frau den Mädchenkreis begonnen hatte. Am Ende der Schwangerschaft sagte man, jetzt könne sie wirklich keinen Mädchenkreis mehr leiten. Es musste doch jemand anderes sein. Wir haben uns abends lange unterhalten und saßen zusammen. Plötzlich kamen wir darauf: Es gab eine Frau, die eigentlich ganz im Zentrum stand, aber man hatte es nicht gesehen. Dann war es uns klar, und sie wirkte über viele Jahre hinweg mit großem Segen dort oben in Schramberg.
Wenn der Herr leitet, darf man darum beten: Herr, zeig du die richtigen Leute und ihre Berufung, damit wir sie erkennen. Saulus war wirklich der geeignete Mann. Antiochien wurde später die Missionsgemeinde – so etwas Ähnliches, wie Hofhacker es für viele war: ein Stück Heimat für das Hinausgehen. Das ist etwas ganz Großes, was hier gegeben wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Gemeinden so offen sind. Viele sind viel zu introvertiert. Es war immer großartig, dass alle das so mitgetragen und sich so hergegeben haben.
Saulus ließ sich von der Gemeinde in Antiochien immer aussenden zu seinen Missionsreisen. Er sagte immer: Ich will die Gemeinde kennen, die hinter mir steht, und wissen, wer für mich betet. Er wollte den Missionsdienst nie als Solist machen. Das kommt später in Kapitel 13, als sie im ältesten Kreis übereinkamen und sagten: Wir wollen Paulus und Barnabas zum Missionsdienst senden.
Das ist etwas Wunderbares, wie Saulus zu seinem großen Apostelamt kommt. In der Gemeinde Jesu geht es nie darum, dass unsere Gaben vielleicht nicht richtig entdeckt sind. Es ist Gottes Sache, zu sagen: Lass einen ruhig in der Stille wachsen. Wenn ich ihn brauche, soll er zum Dienst kommen.
Barnabas zieht los und weiß nicht mehr genau, wo Saulus zu finden ist. Wahrscheinlich sitzt er in seinem Zimmer, arbeitet an der Schrift und denkt über das Christusgeheimnis nach – dieser große Völkerapostel. Er war in die Stille geführt worden. Dann kommt er ins Amt, und Antiochien, diese junge Gemeinde, wird zur richtigen Missionsgemeinde.
Leiterschaft ist wichtig, aber es ist eine Leiterschaft, die Gott bestätigt und macht. Gott geht dabei anders vor als heute, wenn ein Wirtschaftsunternehmen Mitarbeiter sucht. Es geht nicht einfach darum, dass die lautesten Leute das Sagen haben, sondern darum, dass man die Berufung des Herrn entdeckt und versteht, worum es geht.
Der Ursprung der Bezeichnung "Christen" und das Zeugnis der Gemeinde
Und nun kommt es in Antiochien zum ersten Mal vor, dass den Leuten ein Spitzname gegeben wird: Sie wurden zum ersten Mal Christen genannt.
Warum hat man diesen Spitznamen vergeben? Ganz einfach: Weil sie immer nur ein Thema hatten. Sie hatten einen regelrechten Fimmel – wo immer sie hinkamen, sprachen sie über nichts anderes als Christus. Die Leute sagten deshalb einfach: „Das sind Christen.“
Das ist ein weiterer Hinweis darauf, wie sehr ihr Zeugnis von Christus erfüllt war. Das können Sie in Ihrem Leben nicht eindeutig genug zeigen: Sie sollen sagen, dass Ihr ganzes Zeugnis darin besteht, immer von den Wundern Jesu in Ihrem Leben und von der Barmherzigkeit Jesu zu erzählen. Das soll die Mitte unseres Glaubens sein, so wie es in Antiochien vorbildlich der Fall war. Die gottlose Welt hat das ganz schnell begriffen.
So wie man einen Yogi nennt, weil er ständig von Yoga redet, gab es auch einen Spitznamen für diese Leute, die von Christus sprechen. Ihr Leben wurde zur Ehre Christi gelebt, und sie folgten ihm als einziger Autorität.
Der Evangelist Dietie Niles aus Sri Lanka hat früher gesagt: In der Ökumene war man damals noch viel christusorientierter und bibeltreuer als heute. Er prägte das schöne Bild: „Wenn wir von Jesus reden, ist es, als würde ein Bettler dem anderen zurufen, wo es Brot gibt – in diesen armen Ländern.“
Wenn wir von Jesus reden, dann ist es so, als würde ein Bettler dem anderen sagen, wo es Brot gibt. Wir reden von Jesus, weil wir ihn selbst brauchen, und die anderen laden wir ein: „Nimm doch!“
So kann man Evangelisation und Zeugnis umschreiben.
Die Verbindung von praktischer Hilfe und geistlichem Zeugnis
Und das Letzte, das praktische Zeugnis, gehört auch noch dazu: Die Hungersnot kommt über den ganzen Erdkreis. Für die Gemeinde war die praktische Hilfe dabei selbstverständlich. So etwas hat es überhaupt noch nie gegeben. Obwohl das immer wieder erzählt wird, hat es in der Christenheit bisher niemandem gelungen, ein Beispiel zu nennen, in dem jemand nur evangelisiert hätte in einem notleidenden Gebiet, ohne gleichzeitig zu helfen. Es hat das noch nie gegeben.
Das Schlimme ist vielmehr, dass wir nach dem Krieg oft Hilfe geleistet haben, aber das missionarische, evangelistische Zeugnis dabei versäumt haben. Das war auch ein Problem unserer kirchlichen Hilfsaktionen. Gerade in den Ländern großer Not ist der Hunger nach dem Evangelium groß, weil die Lebenskrise so deutlich hervortritt. Das weiß jeder, der nach dem letzten Krieg durch die Hungerjahre und die Gefangenschaft gegangen ist. Da wachen die geistlichen Fragen ganz stark auf.
So ist es auch in Indien, in den Slums. Dort stehen geistliche Fragen ganz vorne. Deshalb helfen wir trotzdem praktisch.
Ich möchte nur noch daran erinnern: In der Apostelgeschichte oder in der Bibel gibt es drei Worte für diese Liebestätigkeit. Das ist ganz besonders schön. Diese Worte beschreiben die Opfer, die gegeben werden, und die Sammlung. Einmal nennt man es eine Diakonie, einen Dienst. Dann wird es eine Gemeinschaft genannt, also eine Praktizierung einer Bruderschaft, die man hat. Oder man nennt es eine Gnade, die man gibt.
Wunderbar, diese drei Worte zeigen, dass es nicht bloß eine Sammlung ist, sondern ein Dienst, ein Stück Gemeinschaft und eine Gnade, die man selbst empfangen hat und weitergibt. Es ist etwas Schönes, dass man das tun kann.
Ich bin erst darauf gestoßen bei Eduard Wüst, der damals als Prediger nach Südrussland kam, nachdem er aus dem württembergischen Kirchendienst entlassen worden war. Wie diese Leute dort eine Liebestätigkeit entfaltet haben, war beeindruckend. Das waren die Auswanderer in Südrussland, gleich in der ersten Generation. Sie schickten sogar ihr Getreide bis nach Württemberg, weil sie gehört hatten, dass dort eine Hungersnot herrschte. Dabei bedienten sie genauso die Moslems als ein Liebeszeugnis Jesu.
Und das ist in jeder lebendigen Gemeinde selbstverständlich. Gerade weil wir ein Zeugnis von der Liebe und Barmherzigkeit unseres Herrn haben.
