
Wie es euch geht – die meisten Menschen sind sehr neugierig, wenn es darum geht, mitzubekommen, wie es anderen Menschen geht.
Es gibt ja ganze Zeitschriften, die nur davon leben, wie die sogenannte Yellow Press oder auch Regenbogenpresse genannt wird. Diese beschäftigen sich immer nur damit, wie es anderen Leuten geht. Zum Beispiel: Wen liebt Stefanie von Monaco gerade? Oder was ist im Königshaus in den Niederlanden gerade passiert? Auf diese Art und Weise kann man sich mit anderen Menschen beschäftigen.
Es gibt auch Menschen, die das im kleinen Rahmen tun, zum Beispiel in der Nachbarschaft. Wenn ihr auf dem Dorf wohnt, so wie ich, dann geht es oft so, dass die Nachbarn immer ganz genau Bescheid wissen, was nebenan passiert. Wer da zu Besuch ist, wer gerade im Garten gearbeitet hat, was an den Blumenrabatten verändert wurde oder sonst irgendetwas. Das Interesse an anderen Menschen muss ja nicht unbedingt schlecht sein.
Ich weiß nicht, gibt es hier Leute, die gerne Biografien lesen? Ich zum Beispiel gehöre zu den Menschen, die gerne mal eine Biografie lesen. Gibt es auch andere hier? Bin ich nicht ganz alleine? Ich vermute, mehr oder weniger wird es den meisten so gehen. Nur wäre die Frage: Biografien von wem?
Da gibt es die einen, die gerne die Biografie ihres Fußballstars lesen wollen. Oder vielleicht eine Person aus Hollywood, wie Kevin Costner. Oder wie heißt jetzt jemand, eine weibliche Person? Welche bekannten Schauspielerinnen gibt es? Claudia? Ja, vielleicht auch, aber ich glaube, die spielt nicht so viel im Fernsehen. Julia Roberts zum Beispiel, die spielt ja auch viel im Fernsehen. Vielleicht liest man davon.
Andere würden sagen: In meinem Beruf gibt es ja wichtige Personen, deren Biografien ich gerne lesen möchte. Ein Mediziner sagt sich dann: Ja, von Sauerbruch, das war ja so ein ganz toller Mediziner in Deutschland. Er hat in Berlin an der Charité gearbeitet. Oder ein Biologe würde sich sagen: So ein Verhaltensforscher, ja, Konrad Lorenz, den muss man kennen, davon muss man etwas gelesen haben. Oder als Erziehungswissenschaftler meinetwegen von Comenius, der ja so eine wichtige Person in der Vergangenheit der Erziehungswissenschaft war.
Für uns als Christen gibt es aber auch wichtige Personen. Die meisten von euch werden sicherlich schon christliche Biografien gelesen haben. Gibt es hier jemanden, der noch keine christliche Biografie gelesen hat? Das soll jetzt nicht diskriminierend sein, wobei ich euch gleich sagen würde: Ich glaube es nicht ganz.
Denn wenn wir in die Bibel hineinschauen, gibt es ja auch eine ganze Menge Biografien. Was ist ein Evangelium letztendlich anderes als die Lebensgeschichte Jesu? Oder lesen wir nicht die Lebensgeschichte von Joseph, von Abraham, von Isaak, von Jakob, von Paulus, von Petrus?
In der Bibel sehen wir, dass viele wichtige Personen mit ihrem Leben vorgestellt werden. Sie können uns ein Vorbild sein oder manchmal auch eine Einschränkung, eine Warnung. Manchmal ist es gemischt. Die Personen sind mir meistens die Liebsten, wenn ich von ihnen lese.
Vor einiger Zeit bin ich wieder die Geschichte von Joseph im Alten Testament durchgegangen, und ich muss sagen, ich war tatsächlich etwas frustriert. Ich hatte gedacht, Joseph sei der Supermann, also der perfekte Christ – wenn man ihn so nennen kann. Er glaubt an Gott, und dann passiert ihm alles Mögliche.
Zuerst bekommt er Ärger mit seinen Brüdern, die ihn in einen Brunnen werfen. Danach wird er als Sklave verkauft. Langsam steigt er durch seine Treue wieder auf. Dann versucht die Frau, ihn zu verführen, doch er bleibt treu zu Gott. Und was passiert als Ergebnis? Er wird ins Gefängnis geworfen, und es geht ihm schlecht.
Schließlich kommt er langsam wieder frei. Dann kommen die Brüder zu ihm, die ihn so schlecht behandelt haben. Was tut er? Nutzt er jetzt seine Macht aus, um sie zu bestrafen oder einfach nach Hause zu schicken? Nein, das tut er nicht. Stattdessen zeigt er sich großherzig, umarmt sie und sagt: „Kommt zu mir, ich vergebe euch alles.“
Ich muss sagen, ich staune über Joseph, weil ich kaum etwas finde, wo es bei ihm schiefgelaufen ist. Bei Mose ist das anders, bei Abraham auch, immer wieder gab es Versagen. David zum Beispiel – wie oft hat er versagt in seinem Leben! Da könnte ich sogar sagen, er war schlimmer als ich. Er war immerhin Ehebrecher und Mörder und so weiter. Also gar nicht so ohne gewesen.
Aber ich muss sagen, irgendwie steht Joseph mir dadurch etwas näher. Ich merke, in meinem Leben bin ich auch nicht so perfekt, wie Joseph manchmal den Anschein erweckt.
Nun, Biografien in der Bibel kennt ihr eine ganze Menge. Ich möchte euch heute eine Biografie vorstellen von jemandem, den wir nicht in der Bibel finden, der uns aber trotzdem eine Herausforderung sein kann.
Ich habe ja schon gesagt, dass ich hier an der Schule Kirchengeschichte unterrichte. Einige denken sich jetzt vielleicht innerlich: „Kirchengeschichte? Nein, wäre ich doch heute Abend besser im Bett geblieben!“ oder „Wäre ich doch hier nur nicht hergekommen!“ Aber jetzt ist es schon zu spät, die Tür ist zu, ihr bleibt hier.
Mit der Kirchengeschichte werdet ihr sehen, ist eigentlich eine ganz spannende Sache. Denn auch in der Kirchengeschichte begegnen uns immer wieder Menschen, die versuchen, mit Gott zu leben. Sie haben Schwächen, sind uns aber oft sehr ähnlich, wenn wir ihr Verhalten beobachten. Wenn wir sehen, wie sie mit der Bibel umgegangen sind und wie sie mit anderen Menschen umgegangen sind, kann uns das lebendig vor Augen führen, wie wir heute handeln können und was wir von diesen Menschen lernen können.
Ich habe lange überlegt, wen ich euch vorstellen soll. Ich wollte jetzt nicht die Baptisten bevorzugen und von Oncken erzählen. Auch die Mennoniten oder Semjonosie-Monster wollte ich nicht nehmen. Die katholischen Päpste zu wählen, erschien mir auch nicht ganz passend, vor allem nicht als Vorbilder – oft sind sie eher abschreckend.
Dann habe ich mir gedacht, ich nehme die wahrscheinlich bekannteste Person in der Kirchengeschichte. Welche das wohl ist, möchte ich jetzt gerne von euch wissen. Was meint ihr?
Martin Luther? Ja, hat jemand einen anderen Vorschlag? Martin Luther, würde ich sagen. Ja, auch Martin Luther. Kennt ihr gar keine anderen Personen aus der Kirchengeschichte? Vielleicht liegt das daran.
Augustinus? Ja, Augustinus. Noch jemand? Calvin? Ja, der hat auch eine wichtige Rolle gespielt. Ihr habt alle sehr wichtige Personen genannt. John Wesley hatte auch eine wichtige Rolle.
All diese Personen sind ungemein spannend und es wäre toll, sie kennenzulernen. Ich kann euch nur einladen: Kommt als Bibelschüler hierher, dann lernt ihr sie alle kennen, denn die werden alle behandelt.
Die Person, mit der wir heute zu tun haben, hat tatsächlich etwas mit Augustinus zu tun, lebt aber tausend Jahre später. Diese Person wurde stark von Augustinus beeinflusst, denn sie hat ihn gelesen und ist dadurch zum Glauben gekommen. Nicht nur dadurch, sondern auch durch das Lesen der Bibel.
Diese Person ist, wie ihr fast alle eindeutig benannt habt, Martin Luther.
Es geht um Martin Luther, eine Person, die wahrscheinlich jeder vom Namen kennt. Einige wichtige Ereignisse sind vermutlich jedem im Kopf, aber was für ein Mensch war er eigentlich? Wie war sein Leben in diesem Zusammenhang?
Das wollen wir uns etwas näher anschauen. Dabei versuchen wir auch zu lernen: Was hat Martin Luther in der Bibel erkannt, was ist ihm wichtig geworden? Wie hat er das in seinem Leben umgesetzt, und was können wir heute daraus machen?
Ich habe euch auch ein paar Bilder aus dem Familienalbum von Martin Luther mitgebracht. Ihr könnt euch vorstellen, Martin Luther erzählt jetzt etwas von seinem Leben.
Zunächst könnten wir hier ein heiteres Personenraten machen. Wenn ihr diese Person seht, fällt euch sicher der besondere Kopfschmuck auf. Dieser Kopfschmuck war zu der damaligen Zeit üblich. Es war der sogenannte Doktorhut. Wer so einen trug, gehörte zu den Akademikern und hatte akademische Würden.
So fing Martin Luther eigentlich nicht an. Seine Kindheit war anders. Die Eltern von Martin Luther waren arm, und es gab keine zahlreichen Fotos oder Bilder von ihm.
Martin Luther wurde 1483 geboren, kurz nachdem die Pest Europa verwüstet hatte. Die Menschen hatten überall Angst, besonders vor den Türken. Man stellte sich vor, dass die Muslime kommen würden, um alle abzuschlachten. Hinter den nächsten Bergen lebten Ungeheuer, und bald würde die Erde untergehen.
Die Pest war im Denken der Menschen viel schlimmer als der Erste und Zweite Weltkrieg zusammen. Wenn man die Zahl der Toten zusammenrechnet, ist sie nicht vergleichbar mit der Zahl der Pesttoten. Innerhalb von drei Jahren starb in ganz Europa in manchen Gegenden die Hälfte der Bevölkerung, in anderen ein Drittel.
Das Land war verwüstet. Niemand baute den Boden an, weil alle irgendwohin geflohen waren. Durch die Städte zogen Geistliche in langen Kolonnen. Sie hatten Peitschen, mit denen sie sich selbst auspeitschten. So wollten sie zeigen, dass Gott sie für ihr sündiges Leben strafen wollte. Sie wollten vor Gott büßen und peitschten sich deshalb selbst.
Bis heute gibt es in vielen katholischen Gegenden Prozessionen, die an diese Pestepidemie erinnern. Die Menschen versuchten damals, durch alles Mögliche Gottes Gnade zu erreichen.
Auf der anderen Seite war es eine Zeit großer Religiosität. Die Menschen waren auf der Suche nach Gott, doch dieser Hunger konnte nicht gestillt werden.
Ich werde euch nachher noch ein Bild von Wittenberg zeigen, wohin Martin Luther gekommen ist. Es war ein kleines Städtchen. Ich werde euch zeigen, wie groß es war, anhand einer Übersichtskarte.
In diesem kleinen Städtchen wurden in einem Jahr fünf Gottesdienste gefeiert. Überlegt mal, wie viele das pro Tag sind. Teilen wir das mal grob durch 400, um es einfacher zu machen, dann kommen wir auf etwa 15 Gottesdienste pro Tag.
Ich zeige euch nachher, was für ein kleines Dorf das war. Im Vergleich dazu wäre Brake eine Großstadt gewesen. Wittenberg war nicht viel größer als das Gelände der Bibelschule. Aber ich zeige euch noch ein Bild dazu.
Nun, in dieser Zeit wird Martin Luther geboren, als Sohn einfacher Leute. Wir waren heute im Bergwerk. Die Eltern von Martin Luther waren Bergleute. Der Vater arbeitete unter Tage, allerdings nicht so modern, wie wir es dort gesehen haben, sondern mit einfacheren Mitteln. Er sparte fleißig und konnte sich schließlich ein eigenes Bergwerk kaufen. Dieses Bergwerk war allerdings nicht so modern wie das, das wir besichtigt haben. Es sah eher aus wie ein Brunnen. An diesem Brunnen war ein Korb befestigt. Mit diesem Korb wurden die Leute hinabgelassen. Unten schlugen sie dann mit Hammer und Meißel etwas los. So sah das Bergwerk der Eltern von Martin Luther aus.
Eines Tages, als der Vater gerade arbeitete und etwas Geld gespart hatte, wurde Martin geboren. Er wuchs als ältester Sohn auf. Der Vater hatte sich vorgenommen, dass mit diesem Sohn etwas Besonderes geschehen sollte. Sein Prestige sollte dadurch gefördert werden. Deshalb schickte er ihn zum Studium.
Zuerst ging Martin Luther ganz in die Nähe nach Mansfeld, dann nach Eisenach. Das müssen wir im Kopf behalten, denn Eisenach spielt später eine sehr wichtige Rolle. Wer sich daran erinnert: Eisenach liegt ganz in der Nähe der Wartburg. Dort wird Luther später noch einmal hingehen.
Als Kind lief Martin Luther mehrere Jahre in Eisenach umher. Er verdiente sein Geld, weil die Eltern nicht so reich waren, durch sogenanntes Kurrendesingen. Das bedeutet, er ging von Haus zu Haus und sang christliche Lieder. Die Leute gaben ihm dafür eine Spende.
Er lernte auch eine Familie kennen, die ihn fast wie ein Familienmitglied aufnahm. Bei ihnen hatte er eine kleine Kammer. Diese Kammer kann man bis heute noch anschauen in einem Kaufmannshaus, das aus dieser Zeit erhalten ist. Dort wohnte Martin Luther in Eisenach. Heute ist in diesem Haus das Lutherhaus eingerichtet.
Nach dieser Zeit ging er weiter nach Erfurt, in die Nähe der Universität, und studierte dort zunächst die Allgemeinwissenschaften und später Jura. Er war ein erfolgreicher junger Student, der das Leben liebte. Er feierte rauschende Feste mit seinen Freunden und hatte auch einige Freundinnen. Das ließ er sich nicht nehmen. Er mochte gerne Musik. Schließlich erlangte er auch akademische Würden: Er wurde Doktor und schloss damit sein Studium fast ab.
Eines Tages war er unterwegs nach Hause. Er ging über das Feld, denn er hatte weder ein Auto noch eine Kutsche. Plötzlich überraschte ihn ein Gewitter.
Ihr kennt das vielleicht: Ein Gewitter kann für junge Leute sehr beeindruckend sein. Aber ich weiß nicht, ob jemand von euch schon einmal erlebt hat, dass ein Blitz direkt neben einem einschlägt. Martin Loth hatte genau das erlebt. Er begann zu zittern, fiel zu Boden und blieb erst einmal einige Minuten liegen, ohne sich zu rühren.
Als er wieder aufstand, sagte er: „Oh Gott.“ Damals war er noch katholisch, und so sprach er: „Oh Anna, wenn du mich hier beschützt, will ich Mönch werden.“ Die heilige Anna, die Mutter von Maria, ist eine wichtige Heilige in der katholischen Kirche.
Martin ging nach Hause, und tatsächlich hielt er sein Versprechen, das er Gott gegeben hatte. Seine Kollegen wunderten sich schon wenige Tage später, als er zurück in Erfurt war. Er veranstaltete eine große Feier. Am Ende dieser Feier verschenkte er seine Bücher, seine kostbare Kleidung und seine Musikinstrumente. Dann erklärte er: „Ich gehe ins Kloster.“
Seine Eltern hatten davon erfahren, und sein Vater stürmte bereits am nächsten Tag nach Erfurt. Er sagte zu Luther: „Das geht nicht, auf keinen Fall! Meine Nachbarn lachen schon über mich. Sie sagen, wer hoch hinaus will, der fällt tief. Du sollst an die Universität gehen und Jurist werden, um viel Geld zu verdienen. Und was machst du? Du willst ins Kloster! Wer soll denn unseren Betrieb übernehmen? Wie soll das mit deinem Erbe weitergehen? Du hast keine Kinder, es wird keine Nachkommen vom ältesten Sohn geben.“
Dann fügte er hinzu: „Und wenigstens um deiner Mutter willen – sie grämt sich schon sehr – kannst du nicht Mönch werden.“ Außerdem meinte er: „Luther, ich kenne dich ja. Du hast durchaus freundliche Verbindungen zu einigen Frauen. Als Mönch ist das alles nicht mehr möglich.“
Doch Luther blieb bei seinem Entschluss. Er sagte: „Nein, ich habe es Gott versprochen.“ Seine Dickköpfigkeit werden wir später noch kennenlernen. Er blieb bei seinem Wort: „Ich gehe ins Kloster.“
Dabei wollte er sich nicht, wie manche es vielleicht halbherzig getan hätten, ein einfaches Leben im Kloster aussuchen. Er suchte sich nicht ein reiches Kloster, in dem es ihm gut gehen würde. Ihr kennt die Bilder von Mönchen im Mittelalter: Sie hatten oft einen dicken Bier- oder Weinbauch und ließen es sich gut gehen. Das wollte er nicht.
Er trat in das strengste Kloster ein, das es in der ganzen Umgebung gab: das Augustiner-Eremitenkloster in Erfurt. Dort hatte er schon eine Verbindung zu Augustinus, wie wir vorhin gehört haben.
In diesem Augustinerkloster – oh, jetzt habe ich vergessen, aus dem Buch hier weiterzuerzählen – also an der Universität sah es früher ungefähr so aus. Luther kam in das Kloster hinein, und es wird berichtet, dass er hier begann, Gott zu suchen. Er wollte innerlich einen gnädigen Gott erfahren. Jahrelang beschäftigte ihn dieses Anliegen.
Er versuchte, Gott gnädig zu stimmen, indem er sich selbst schlug. Nächtelang lag er auf dem kalten Steinfussboden in der Kirche. Tageweise aß er gar nichts. Immer wieder ging er zur Beichte zu seinem Beichtvater, Johann von Staupitz. Er beichtete ihm viel und immer wieder lag etwas auf seinem Gewissen. Er dachte: Schon wieder habe ich gesündigt, schon wieder einen bösen Gedanken gehabt. Wenn ich diesen nicht loswerde, wenn er mir nicht vergeben wird, kann ich nicht zu Gott kommen.
Also beichtete er immer wieder. So lange, bis schließlich sein Beichtvater genervt war und sagte: „Martin Luther, wegen dieser Kinkerlitzchen brauchst du gar nicht mehr zu kommen. Nein, Gott vergibt sie schon. Wenn es richtige Sünden sind, dann kannst du kommen, aber so etwas nicht.“ Denn er wollte auch seine Nachtruhe haben und nicht alle paar Minuten gestört werden, weil wieder Martin Luther kam und sagte: „Ich habe schon wieder einen schlechten Gedanken gehabt, bitte vergib mir.“
Martin Luther war jedoch sehr ernst dabei. Er hatte keine Karrierepläne. Schließlich musste der Abt des Klosters ihm einen Tritt in den Hintern geben, als sein Landesfürst Friedrich der Weise in diesem Gebiet eine neue Universität gründen wollte. Diese hatte auch eine längere Geschichte.
Es ging darum, dass der Papst, der damals regierte – von dem ich auch noch ein eindrucksvolles Bild habe, er sieht ein bisschen grimmig aus –, eine neue Kirche bauen wollte. Der Petersdom, wie wir ihn heute kennen, entstand in dieser Zeit. Dafür brauchte der Papst Geld, aber er hatte nicht genug. Also stellte er den sogenannten Ablass aus.
Friedrich der Weise sagte jedoch: „Nur wenn ich zwanzig Prozent von dem Ablass bekomme, dann bekommst du das Geld auch.“ Der Papst stimmte nicht zu. Er sagte: „Na gut, dann verwende ich das Geld, das in meinem Land eingesammelt ist, um eine Universität zu gründen.“
Jetzt merken wir schon: Die Universität, an die Martin Luther kam, wurde durch Ablassgelder gebaut. Später hatte Martin Luther ja noch mehr mit Ablass zu tun.
Martin Luther sollte als Professor an diese neu gegründete Universität gehen, sagte sein Landesfürst und auch sein Abt. Aber Martin Luther antwortete: „Nein, auf keinen Fall. Da kann ich nicht hingehen, das wäre Hochmut. Ich eigne mich gar nicht dafür. Lass mich hier den Boden im Kloster schrubben. Ich will hierbleiben, beten und meine Zeit mit Gott verbringen. Aber zu den Studenten und an die Universität gehen kann ich nicht. Schick irgendjemand anders!“
Der Abt sagte immer wieder: „Martin Luther, als du hier eingetreten bist, hast du absoluten Gehorsam deinen Glaubensoberen versprochen.“ Schließlich blieb Martin Luther nichts anderes übrig, als an diese Schule zu gehen, da er Mönch war.
Nach kurzer Zeit war er schon ein erfolgreicher und beliebter Lehrer bei den Schülern in Wittenberg.
Jetzt zeige ich euch das Bild von Wittenberg, das damals einen Überblick über die Stadt gab. Das hier ist die Stadtkarte von Wittenberg. Wenn ihr sie euch anschaut, habe ich sie zunächst falsch herum gehalten, so könnt ihr sie besser erkennen.
Im Mittelpunkt seht ihr die Kirche. Rund um die Kirche befinden sich eins, zwei, drei Häuser. Danach kommt die Stadtmauer. Dahinter sind noch einmal fünf Häuser zu sehen, bevor die Stadtmauer wieder endet. Ihr seht also, dass es tatsächlich ein ziemlich kleines Dorf war.
Erinnert euch daran: In diesem Dorf fanden in einem Jahr fünf Gottesdienste statt, weil die Leute so auf der Suche nach Gott waren.
Martin Luther bekam in dieser Zeit den Auftrag, im Namen seines Ordens nach Rom zu reisen, um dort einige Botschaften an den Papst zu überbringen. Als er zurückkam, war er erschüttert. Er hatte festgestellt, dass viele Kardinäle nicht wirklich gläubig waren. Sie waren einfach eingesetzt worden, weil sie zu reichen Familien gehörten und Geld bezahlt hatten, um das Amt zu bekommen.
Luther war darüber sehr enttäuscht. Er hatte bisher gutgläubig angenommen, dass in der Kirche alle an Gott glauben, auf der Suche nach Gott sind und ein gottgefälliges Leben führen wollen. Doch er wurde eines Besseren belehrt.
Er erzählte sogar, dass er erfahren hatte, ein Kardinal habe Prostituierte an seinem Hof, die dort zu ihm kamen. Ein anderer Kardinal, von dem wir es auch aus der Geschichte wissen, hatte an einem einzigen Tag die gesamten Spendengelder eines Jahres seiner Gemeinde verspielt – und zwar am Spieltisch gegen einen päpstlichen Nuntius, also einen anderen Würdenträger.
So muss man sich die Situation damals vorstellen.
Luther kam zurück, und es wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn der Papst damals nicht noch viel mehr Geld gebraucht hätte und wenn nicht ein besonders eifriger Spendensammler umhergezogen wäre. Diesen kennt ihr unter dem Namen Tetzel.
Tetzel war Mönch und hatte sich besonders dadurch ausgezeichnet, dass er dramatisch predigen konnte. Deshalb gaben ihm die Leute besonders viel Geld. Man vertraute ihm den neuen Erlass an.
Hier seht ihr auch ein Bild von ihm. Von Tetzel stammt das bekannte Wort: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ Er war Dominikanermönch.
Auf der Karte seht ihr, wie er umherreiste, um Geld einzusammeln. Dabei verteilte er Schriftstücke.
Friedrich der Weise? Nun, er war in mancher Hinsicht weise, aber in Geldangelegenheiten auf jeden Fall. Er sagte sich: „Nein, auf meinem Gebiet darf nicht gepredigt werden.“ Deshalb ging Tetzel nur rings um die Grenze herum.
Luther war gleichzeitig Prediger in der Kirche. Er betreute die Leute, die zu ihm kamen, um zu beichten und ihre Sünden zu bereuen.
Eines Tages kam jemand zu ihm und sagte: „Ich brauche hier gar nicht mehr hinzugehen. Siehst du, ich habe ein Papier gekauft, und damit sind mir die Sünden vergeben.“
Luther staunte und sagte: „Nein, so etwas gibt es nicht. Das steht nicht in der Bibel. Und wenn das der Papst wüsste, würde er das bestimmt ablehnen.“
Dann kam noch jemand und sagte: „Luther, es stimmt tatsächlich. Schau mal hier, ich habe ein Papier gekauft. Darin steht, wenn ich morgen meinen Nachbarn betrüge, ist mir das schon vergeben.“
Da fiel Luther fast die Kinnlade herunter. Tatsächlich hatte Tetzel solche Ablassbriefe verkauft, die für Sünden galten, die man noch gar nicht begangen hatte.
Man konnte also im Voraus sozusagen im Sonderangebot ein Paket kaufen und dann kräftig darauf los sündigen – und das wäre schon alles vergeben.
Das war für Luther zu viel. Sein Temperament kochte hoch, und er dachte sich: „Nein, das geht wirklich nicht gut.“
Er schrieb einen Brief, in dem er die sogenannten 95 Thesen formulierte. Diese schickte er an seinen zuständigen Bischof, den Erzbischof von Mainz.
Hier seht ihr die 95 Thesen. So sahen sie damals aus. Wer sie noch lesen möchte, ich habe sie auch in anderer Schrift dabei, das könnt ihr später haben.
Das Wichtigste in diesen 95 Thesen war: So geht es nicht. Umkehr braucht richtige Buße und Reue.
Diesen Brief hat er nun also an den Erzbischof von Mainz geschrieben. Der hat nur zu gut geschrieben: Wie unverschämt, Luther! Warum mischt sich hier ein kleiner Mönch in unsere hochgeistlichen Dinge ein?
Wir müssen wissen: Dieser Erzbischof war damals gerade siebzehn Jahre alt. Er war nie Mönch gewesen, sondern einfach ein Kind reicher Eltern. Diese Eltern hatten ihm das Amt gekauft. An Religion war er gar nicht interessiert und hat den Brief deshalb auch nicht weitergeleitet – was Luther nicht wusste.
Seine Freunde waren allerdings sehr bestrebt, diese Briefe zu übersetzen. Luther hatte sie nämlich auf Latein geschrieben. Sie wollten die Briefe in ganz Deutschland verbreiten. Und das gelang ihnen: Innerhalb weniger Wochen waren die Briefe bis nach Frankreich, Italien und Spanien übersetzt und verbreitet.
Die Leute lasen sie und waren begeistert. Sie merkten: Genau das ist der Punkt, den wir brauchen! Wir sind doch auf der Suche nach Gott, und die Kirche raubt uns nur aus. Sie versucht, von unserer Sündhaftigkeit zu profitieren und uns in ihren Machtbereich einzuschließen. Das war genau das Wort, das es gebraucht hat.
Luther selbst erlebte kurze Zeit vorher eine innere Umkehr von der Kirche. Man nennt das das sogenannte Turmerlebnis Luthers. Er hatte die Exegese des Alten und Neuen Testaments studiert und kam dabei schließlich auch an den Römerbrief.
Und in Römer 1, Vers 17 las er Folgendes: "Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin geoffenbart, aus Glauben zu glauben, wie geschrieben steht: Der Gerechte aber wird aus Glauben leben."
Das war für Luther eine Offenbarung – eine Lebenswende. Für uns heute ist das ganz natürlich, aber damals stimmte das nicht mit der Lehre der Kirche überein. Hier steht nämlich: Der Gerechte wird aus seinem Glauben leben. Immer wieder kommt das Wort "Glauben" vor.
Das wurde für Luther wichtig – nicht die Werke. Nicht, wie oft ich mich schlage, wie viel Bußleistung ich tue, wie oft ich auf den Knien durch die Kirche rutsche und das Vaterunser bete, wie oft ich Wallfahrten mache oder wie viel Geld ich dem Tetzel bezahle. All das spielt keine Rolle.
Das Wesentliche in der Beziehung zu Gott ist der Glaube. Diese Kombination, dass er plötzlich merkte: Der Ablass ist nicht in Ordnung, und auf der anderen Seite erkannte, dass der Glaube etwas ganz Besonderes ist, veränderte sein Leben grundlegend.
Nun, ihr wisst, wie die Geschichte weitergeht. Ich möchte jetzt erst einmal ein bisschen zusammenfassen.
Es war so, dass der Doktor Eck aus Ingolstadt auftrat, ein gelehrter Professor. Er ließ sich auf eine Diskussion mit Luther ein, die schließlich so endete, dass Luther immer wieder sagte: „Das ist ja schön und gut, aber wo steht das in der Bibel?“ Doktor Eck entgegnete: „Schon Augustinus hat gesagt, der Kardinal soundso hat gesagt, der Kirchenlehrer so und so hat gesagt, deshalb muss das doch stimmen. Die ganze Kirche und der Papst überhaupt – Luther, was fällt dir eigentlich ein?“
Darauf antwortete Luther nur: „Ja, wo steht das in der Bibel? Zeig mir das, und dann will ich dir glauben.“ Doktor Eck verstand gar nicht, was er von ihm wollte. Die ganze akademische Theologie wisse doch, was richtig sei, und die Kirche könne doch nicht über tausend Jahre irren. Also müsse Luther sich irren.
Die Studenten merkten jedoch sehr schnell, dass da irgendetwas nicht stimmte. Luther wurde gefeiert, viele kamen zu ihm, und mit der Zeit rief Luther regelrecht einen Aufruhr im Land hervor. Sogar dem Kaiser kam das zu Ohren.
Der Papst fürchtete einen Aufstand, ähnlich wie wenige Jahre zuvor in Prag, als Jan Hus dort ebenfalls reformatorische Gedanken verbreitete und wenig später auf dem Scheiterhaufen endete. Für Martin Luther plante man Ähnliches.
Es gab eine sogenannte Drohbulle, eine Schrift des Papstes, in der stand: „Wenn du nicht augenblicklich alles widerrufst, wirst du aus der Kirche exkommuniziert.“ Das bedeutete, ausgeschlossen aus der Kirche zu sein, das Heil zu verlieren und ewig in der Hölle zu schmoren.
Luther ließ sich wenig beeindrucken. Er nahm die Bulle auf dem öffentlichen Marktplatz, zündete sie unter dem Jubel der Studenten an und verbrannte sie zusammen mit einigen anderen kirchlichen Lehrbüchern. Das war eine Provokation, und der Papst war darüber wütend.
Er schickte Cayetan, einen Botschafter, nach Deutschland. Dieser erschien mit seinem ganzen Gefolge in prächtigen Kleidern und meinte, er brauche nur hinzukommen, dann würde Luther beeindruckt sein, niederknien und alles widerrufen.
Cayetan forderte Luther auf, zu bereuen und umzukehren. Luther wusste gar nicht, was mit ihm geschah, und sagte: „Ja, aber warum denn? Wenn du mich von der Bibel überzeugst, dann will ich umkehren.“ Cayetan entgegnete: „Du hast doch Gehorsam geschworen, und der Papst hat gesagt, dass das, was du gesagt hast, falsch ist.“
Luther kehrte nicht um, und nun war klar, dass er wahrscheinlich ebenfalls auf dem Scheiterhaufen enden würde. Er wurde noch pro forma zum Kaiser nach Worms eingeladen.
Worms war damals eine Großstadt, und dort sollte der Reichstag stattfinden. Luther machte sich auf den Weg dorthin, und alle Leute in Deutschland kannten ihn bereits. Er wurde in die Stadt hineingeführt.
Ein Spion des Kaisers beobachtete, wo Luther abstieg. Einige warnten ihn und sagten, man werde ihn umbringen. Doch Luther antwortete: „Selbst wenn alle Ziegel, alle Dachziegel in Worms Teufel wären, würde ich trotzdem hingehen. Denn Gott hat mich hier hingestellt, um für sein Wort einzutreten.“
Als er angekommen war, begann er zwar etwas zu zittern, aber viele Leute feierten ihn. Kleine Bildchen mit seinem Bild und einem Bibelspruch darunter wurden reißend verkauft. Der Spion des Königs, der davon berichtete, wollte selbst noch eins haben, doch sie waren bereits ausverkauft. So konnte er seinem König nur davon berichten.
Mehr Leute feierten Luther als den Kaiser. Der Kaiser von Deutschland war gleichzeitig König von Spanien und der mächtigste Mann der damaligen Welt. Er war ein wenig gekränkt, dass Luther ihm die Schau stahl.
Schließlich wurde Luther vorgeladen. Alle Würdenträger des Reiches waren versammelt: Grafen, Fürsten, Erzbischöfe und Bischöfe. Luther kam in seiner Mönchskutte, einem schlichten Gewand mit einem Strick um den Bauch, herein.
Man fragte ihn, ob die auf einem Tisch aufgestapelten Bücher von ihm seien. Luther antwortete: „Ja, die sind von mir.“ Dann wurde er gefragt: „Widerrufst du die Bücher?“ Luther bat um 24 Stunden Bedenkzeit. Ihm war klar, dass ein Nein den Tod bedeuten könnte.
Am nächsten Tag sprach er seine berühmten Worte: „Ich stehe hier, ich kann nicht anders. Gott helfe mir.“ Er war sich bewusst, dass dies sein Ende bedeuten könnte.
Das Ende kam. Jeder war sich sicher, dass Luther hier nicht mehr lebendig herauskommen würde. Er wurde vom Abgesandten des Papstes exkommuniziert, aus der Kirche ausgeschlossen. Der Kaiser sagte, er müsse sich jetzt um die Türken kümmern und könne sich nicht mit Luther befassen. Dennoch erklärte er Luther für vogelfrei: Jeder, der ihn erschlägt, bekommt sofort das Wort. Es war das Ende für Luther, die Reformation schien vorbei.
Doch womit sie nicht gerechnet hatten, war Friedrich der Weise. Er war nicht unbedingt gläubig, aber politisch klug. Er dachte: Mein bekanntester Professor aus meinem Land – wenn der umgebracht wird, und überhaupt, wenn wir eine evangelische Kirche haben, die unabhängig vom Papst ist, will ich mir nicht reinreden lassen. Also nahm er Luther in Schutz.
Luther kam auf die Wartburg. Dort übersetzte er innerhalb von 80 Tagen das gesamte Neue Testament. Wenn man das Neue Testament ganz durchliest, sieht man, dass das eine beeindruckende Leistung ist.
Gott hatte auch das geplant. Wenige Jahre zuvor hatte der wichtige Humanist Erasmus von Rotterdam eine textkritische Ausgabe des Neuen Testaments auf Griechisch herausgegeben. Luther konnte diese Ausgabe nutzen, um eine wirklich gute Bibelübersetzung anzufertigen.
Gott plante genau. Außerdem entstand zu dieser Zeit der Buchdruck. Zuvor wurden Bücher mit der Hand abgeschrieben. Eine Bibel war damals so dick und groß und so teuer wie ein kleiner Bauernhof. Deshalb wurden Bibeln in Klöstern mit Ketten befestigt, damit niemand sie mitnahm.
Jetzt, mit dem Buchdruck, konnten Flugschriften verbreitet werden. Die Thesen von Luther konnten verbreitet werden, die Bibel konnte gedruckt werden. Das sogenannte Septembertestament war die erste Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche.
Luther schuf eine ganz neue Sprache. Er „schaute dem Volk aufs Maul“, wie er später sagte, und schuf damit die hochdeutsche Sprache.
Plötzlich erreichten ihn Nachrichten aus Wittenberg: Dort gab es Aufrührer wie Thomas Münzer und die Zwickauer Propheten. Diese Leute behaupteten, den Heiligen Geist direkt vom Himmel empfangen zu haben. Sie sagten, man brauche die Kirche nicht mehr, auch nicht die Bibel, denn der Heilige Geist spreche direkt zu ihnen.
Viele Menschen folgten diesen Leuten. Luther sah, dass die Lage außer Kontrolle geriet. Er erkannte seine Verantwortung, egal ob König oder nicht, egal ob er umkam oder nicht. Er setzte sich auf sein Pferd und ritt nach Wittenberg.
Dort kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Luther hielt Predigten in einer Kirche, die Zwickauer Propheten in einer anderen. Schließlich stellte sich die Bevölkerung auf die Seite Luthers und sagte: „Dem glauben wir, der kennt sich in der Bibel aus, das stimmt, den kennen wir.“
Die Zwickauer Propheten flüchteten in andere Städte. Es kam schließlich zu einer großen Katastrophe in Münster. Dort sollte das Königreich Gottes errichtet werden. Der Prophet Jan van Leiden hatte seinen ganzen Harem von Frauen, ließ sich anbeten und behauptete, der wiederkommende Messias zu sein.
Das berührte Luther nicht mehr. Ich werde nun langsam zum Ende kommen, denn wir wollen noch einen Überblick über ihn gewinnen.
Luther hatte in dieser Zeit schließlich auch eine kleine Liebesgeschichte, die ich euch noch erzählen möchte: Er lernte seine Frau kennen. Ihr habt sie ja schon genannt: Käthe von Bora. Diese Käthe von Bora war ursprünglich Nonne gewesen.
Luther hatte mit der Zeit erkannt, dass das Mönchtum falsch ist, ebenso wie der Zölibat. Er half daher manchen Nonnen, die regelrecht eingesperrt waren, bei einer Befreiungsaktion. So schrieb er schließlich einem befreundeten Kleriker in der Nähe eines Frauenklosters, wie er sie nachts mit einem Wagen herausfahren könne, der normalerweise Lebensmittel bringt. Die Nonnen kamen also auf diese Weise heraus – eine richtig abenteuerliche Geschichte.
Ein paar Tage später kam dieser Wagen mit den Frauen in Wittenberg an. Diese Frauen waren oft Adelsfräulein, aber ihre Familien wollten sie nicht zurückhaben. Sie waren schließlich katholisch, und vor allem hatten die Adelsfamilien auch kein Geld für ihre Töchter. Was machte Luther? Er suchte verschiedene Männer, die sie heiraten konnten.
Am Ende blieb nur noch eine dickköpfige Person übrig: Katharina von Bora. Sie sagte Nein, entweder wolle sie den Apotheker heiraten oder Luther. Der Apotheker wollte jedoch nicht, und so blieb Luther nichts anderes übrig.
Katharina von Bora war tatsächlich eine sehr willensstarke Person. Wenn ihr das einmal lest, ist das eine ganz spannende Geschichte. Sie war eine Persönlichkeit, die Luther auch brauchte, denn er hatte keine Ahnung vom Haushalten. Er sagte, bevor Käthe bei ihm einzog, habe er ein Jahr lang sein Bett nicht gemacht. Morgens stand er früh auf, abends fiel er ins Bett, und da dachte er, er habe keine Zeit fürs Bettenmachen.
Später, als die Studenten zu ihm nach Hause kamen, lud er alle ein. Er sagte: Kommt alle mit, egal was es kostet, egal wer kochen muss, das spielt keine Rolle. Er wollte die Leute einladen. Es kamen oft zehn bis zwanzig Gäste an seinen Tisch, und die waren kostenlos dort.
Luther selbst aß beim Reden oft gar nicht, sondern erzählte die ganze Zeit. Die Schüler stellten ihm Fragen, schrieben fleißig mit und verkauften die Mitschriften später sogar. Das heißt, sie verdienten sogar an dem Besuch bei ihm.
Eines Tages sagte Käthe von Bora: Nein, das geht nicht. Wenn ihr die Mitschriften zum Drucker bringt, dann muss auch Luther etwas davon bekommen.
Ein anderes Mal hatte Luther einen Freund eingeladen. Der Freund sah einen schönen Silberkelch, den Luther von einem Fürsten geschenkt bekommen hatte. Er sagte: Oh, den schenke ich dir, wenn er dir gefällt, nimm ihn mit. Da kam Käthe von Bora um die Ecke und sagte: Nein, nein, nein, das geht nicht, der Kelch bleibt hier.
Später schrieb Luther in einem Brief an diesen Freund: Weißt du, Käthe ist jetzt schwanger, und wenn sie erst im Wochenbett liegt, dann schicke ich dir den Kelch nicht.
So ging es zu Hause also immer ein bisschen miteinander zu. Er nannte seine Frau auch „meine liebe Herr Käthe“. Damit wollte er sagen, dass sie nicht immer klein beigab, sondern auch ordentlich etwas zu sagen hatte in der Familie. Das zeigte sich an einigen Stellen immer wieder.
Schließlich unterstützte sie ihn auch immer wieder und pflegte ihn.
Ich komme jetzt mit großen Schritten dem Ende entgegen, weil uns sonst die Zeit zu sehr davonläuft.
Also, Luther wurde älter und arbeitete weiterhin an seinen Werken. Hier habe ich noch eine Bibelübersetzung von ihm. So sah sie aus: Die Bibel, das ist die ganze Heilige Schrift Deutsch, nach Martin Luther, Wittenberg begnadet, mit kurfürstlicher Erlaubnis zu Sachsen in Freiheit gedruckt durch Hans Luft usw. Das war also das Vorbild dieser Bibel.
Luther war in zahlreiche Auseinandersetzungen verwickelt. Die lutherische Reformation verbreitete sich in ganz Europa, insbesondere in Schweden, Finnland, Dänemark, Polen und auch in anderen Ländern.
Luther erlebte diese Entwicklungen mit und warnte immer wieder vor kriegerischen Auseinandersetzungen. Solche gab es jedoch nicht, weil Gott eingriff. Zur selben Zeit bedrohten die Türken das Reich. Der Kaiser hatte keine Zeit, sich mit den Lutheranhängern auseinanderzusetzen, da er sich mit den Türken schlagen musste.
So konnte sich die Reformation in ganz Deutschland und darüber hinaus ausbreiten. Man könnte sagen, Gott hatte genau das richtige Timing. Zu der Zeit, wenn es geschehen musste, hatte Gott das geplant.
Luther setzte sich dafür ein, dass sich die Reformation friedlich verbreitete. Es gab noch Auseinandersetzungen mit Juden, Täufern und anderen Gruppen, die wir hier beiseitelassen wollen.
Zum Abschluss wollen wir nur noch darauf eingehen, was Luther am wichtigsten war.
Der Maler Lukas Kranach war ein bedeutender Künstler der Reformationszeit. Lukas Kranach der Ältere hat das Altarbild geschaffen, das heute im Nationalmuseum in Nürnberg zu sehen ist.
Wenn ihr genau hinschaut, möchte ich euch fragen: Was seht ihr auf diesem Bild? Was könnt ihr erkennen? Dieses Altarbild ist eine ganze theologische Predigt von Martin Luther – sozusagen sein theologisches Vermächtnis für die Menschen damals.
Was seht ihr darauf? Wer kann mir sagen, was dort dargestellt ist? Ganz unten seht ihr das Lamm Gottes. Genau, das ist Jesus Christus, dargestellt als Lamm mit einer Fahne in der Hand, auf der ein Kreuz abgebildet ist. Was ist noch zu erkennen? Adam und Eva mit der Schlange sind ebenfalls zu sehen. Das symbolisiert den Sündenfall.
Wir sehen hier die ganze Weltgeschichte. Es beginnt damit, dass Gott die Erde erschafft – das Paradies. Oben im Bild sehen wir Gott und Jesus, die die Erde schaffen. Dann folgt der Sündenfall.
Was gibt es noch zu entdecken? Ganz hinten sehen wir ein Bild, das ebenfalls Jesus Christus symbolisiert. So steht es im Neuen Testament: Wie die Schlange erhöht wurde, so muss auch der Sohn Gottes erhöht werden, um für die Sünde zu sterben.
Weiter oben sehen wir die Geburt Jesu. Dort ist Maria zu erkennen, und auf dem Feld die Hirten. Auch die Vertreibung aus dem Paradies ist dargestellt.
Was noch? Hier ist der Tod dargestellt, zusammen mit dem Teufel. Tod und Teufel jagen einen Menschen. Ganz genau, das soll Mose sein, der etwas mittelalterlich mit den zwei Gesetzestafeln in den Händen dargestellt ist.
Was sehen wir noch? Hier ist das leere Grab beziehungsweise der auferstandene Jesus. Oben sind seine Füße zu sehen, er steht gerade auf und ist aus dem Grab hervorgekommen.
Unten ist ein Drache dargestellt, was an die Prophezeiung im ersten Buch Mose erinnert: „Du wirst ihn in die Ferse stechen, und er wird dir den Kopf zertreten.“ Hier tritt Jesus auf den Drachen, besiegt also den Teufel.
Nun möchte ich euch noch etwas erklären: Hier sehen wir die Kreuzigung. Das erkennt ihr alle. Dort kommt der Heilige Geist als Taube herab. Hier ist Johannes zu sehen. Zwischen ihnen sieht man einen Blutstrahl, der von der Seite Jesu auf Johannes’ Herz zuströmt.
Das soll bedeuten, dass Jesus Christus die Menschen von der Sünde reinigt. Dieses Altarbild wurde auch „Gesetz und Gnade“ genannt.
Könnt ihr mir sagen, wo das Gesetz und wo die Gnade dargestellt sind? Genau in der Mitte steht ein Baum – dort verläuft die Grenze.
Links davon ist das Gesetz: Mose mit den Gesetzestafeln, der Tod, der Macht über die sündigen Menschen hat und sie deshalb in die Hölle schicken kann, sowie der Sündenfall von Adam und Eva.
Rechts davon finden wir die Gnade: das Abbild im Alten Testament, die Ehrenschlange, das Lamm Gottes, die Kreuzigung, das Blut, die Geburt Jesu und die Auferstehung.
Unter dem Bild sind Bibelverse zu sehen, die wir jetzt aber einmal außen vorlassen. Dieses Altarbild war eine ganze Predigt für die Menschen der damaligen Zeit.
Die Lehre Luthers lässt sich in drei Worten zusammenfassen – in drei lateinischen Worten, wie er sie genannt hat: sola scriptura, sola fide und sola gratia.
Kann jemand Latein? Hier? Diese Ausdrücke bedeuten „allein die Schrift“, „allein der Glaube“ und „allein die Gnade“.
Ich möchte, dass wir mit diesen Lehren Luthers abschließen, indem wir jeweils eine Bibelstelle aufschlagen. Diese Bibelstellen zeigen uns, wie wichtig diese Prinzipien tatsächlich im Leben Luthers gewesen sind.
Allein die Schrift – dagegen wendet er sich gegen die Lehre der Kirche, die Kirchenlehrer neben die Bibel stellte. Das sollte unsere Herausforderung sein. Kein Theologe, selbst wenn er noch so gesegnet ist, steht neben den Worten der Bibel.
So sollten wir uns auch beim Lesen zuerst auf die Bibel stützen und nicht auf das, was andere Leute gesagt haben. Wir können Menschen als Herausforderung oder Vorbild nehmen, aber wir müssen immer prüfen, ob das, was sie sagen, mit dem übereinstimmt, was wir in der Bibel finden.
Dazu möchte ich, dass wir Apostelgeschichte 24,14 lesen. Dort finden wir ein Bekenntnis, das uns zeigt, wie wichtig die Schrift ist. Wer es hat, der liest gleich vor.
Hier zeigt sich das Zeichen: Ich bin Christ und ich glaube alles, was in der Bibel steht. Nicht das, was darüber hinausgeht, nicht irgendwelche Spezialoffenbarungen, nicht das, was ein bekannter Lehrer oder sonst jemand sagt, sondern nur das, was in der Schrift steht.
Und das sagt Luther ganz deutlich: Nicht die Kirche, nicht die Lehre der Kirchenväter, sondern nur die Schrift, die Gnade.
Die Gnade als zweites Thema möchte ich anhand von 1. Petrus 1,13b betrachten. Dabei nehmen wir nur den zweiten Teil des Verses, da der erste Teil noch mit dem vorherigen zusammenhängt.
Was steht dort?
„Hofft völlig auf die Gnade“ oder auch „Hofft allein auf die Gnade“, weil nichts anderes euch helfen kann.
Das ist genau das, was Luther hier betonen möchte: Nicht die Werke, nicht eure eigenen Leistungen und nicht das, was ihr Gott an guten Taten in eurem Leben vorweisen könnt, wird euch retten. Es ist allein die Gnade Gottes.
Das müssen wir uns als Christen immer wieder bewusst machen: Keine Leistung, nicht noch so viele Predigten halten, nicht noch so viele Gottesdienste besuchen und auch nicht noch so viel Geld spenden kann uns retten. Es ist einzig und allein die Gnade.
Genau das wollte Luther hervorheben.
Und als drittes der Glaube: In Römer 3,26 lesen wir ganz deutlich, wer errettet wird und wer das Kind Gottes ist. Es ist derjenige, der glaubt, der daran glaubt – nicht der, der Mitglied der Kirche ist. Damals galt noch die Vorstellung, dass nur ein Kirchenmitglied errettet wird.
Diese drei Punkte – allein die Schrift, allein der Glaube und allein die Gnade – bilden die Grundlage für die Theologie, die Luther in der Bibel gefunden hat.
Wenn wir uns nun anschauen, was wir aus dem Leben Luthers lernen können, fällt zunächst auf, dass er in seiner Frühzeit zu den Versprechen stand, die er Gott gegeben hatte. Wenn jemand Gott einmal gesagt hat: „Ich will dir ganz nachfolgen, ich will mein Leben dir kompromisslos geben“, dann sollte man auch dazu stehen. Luther hat genau das als Vorbild getan. Selbst wenn das bedeutete, dass sein Leben ganz anders verlief – nicht als erfolgreicher Jurist, der viel Geld verdient, sondern zunächst als einsamer Mönch, der auf einem Steinfußboden in seiner Kleidung lag.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, nicht zu hoch von sich selbst zu denken. Luther, der bereits Doktor war und Jura studiert hatte, lag dort auf dem Boden und suchte den gnädigen Gott. Wir sollten uns sicher sein: Nicht wir sollen uns freuen, dass wir zu Gott kommen, sondern vielmehr sollte Gott sich darüber freuen, dass wir seine Kinder sind. Umgekehrt sollten wir in aller Ernsthaftigkeit danach streben, nicht zu hoch von uns selbst zu denken.
Ein weiterer Aspekt ist der ganze Einsatz, den Luther in seinem Leben gezeigt hat. Er hat alles gegeben und alles aufgegeben. Wo Gott ihn gerufen hat, hat er sich voll eingesetzt. Er war bereit, sein Leben zu verändern. Das führt zum nächsten Punkt: die Bereitschaft zur Korrektur. Luther hatte seine Überzeugungen in der katholischen Kirche, doch aufgrund der Schrift ließ er sich korrigieren.
Wie sieht es bei uns aus? Es gibt Traditionen in unseren Gemeinden, manche sind gut, andere weniger gut. Prüfen wir diese anhand der Schrift, oder übernehmen wir sie einfach, so wie die katholische Kirche es damals tat? Sind wir bereit, uns korrigieren zu lassen auf dem Lebensweg, den wir einmal eingeschlagen haben? Wenn wir ein Ziel verfolgen, ist das gut, aber lassen wir auch zu, dass Gott in unser Leben hineinredet.
Luther kannte keine Menschenangst. Lassen wir uns ebenfalls nicht von Menschenangst leiten. Selbst wenn die höchsten Würdenträger der Welt gegen ihn standen, hatte Luther keine Angst, zu Jesus Christus zu stehen. Er wusste, dass Jesus König, Schöpfer und Herrscher der ganzen Welt ist.
Außerdem nutzte er die Möglichkeiten seiner Zeit, zum Beispiel die Druckerpresse. Denken wir auch daran, unsere Zeit zu nutzen, so wie Gott sie uns gegeben hat – unser Geld, unsere Technik und unsere Ressourcen.
Zum Schluss möchte ich noch die Hochachtung vor der Schrift hervorheben. Das war der Kern von Luthers Leben. Alles drehte sich um die Bibel. Er war Bibelübersetzer und jemand, der auf die Autorität der Bibel aufmerksam machte. Für Luther war die Bibel das Entscheidende, denn in ihr spricht Gott zu den Menschen.
Welche Hochachtung haben wir vor der Bibel? Wie gehen wir mit ihr um? Wie oft lesen wir darin? Wie sehr spricht sie in unser Leben hinein? Oder dient sie nur dazu, unsere Meinung zu bestätigen und zu festigen?
Die Folgen von Luthers Haltung waren ein gesegnetes und erfülltes Leben. Er wurde gebraucht, und viele Veränderungen bestimmten sein Leben und die Umwelt, in der er wirkte.
Ich denke, hier gibt es vieles, was uns herausfordern kann. Wir haben es in den Bibelversen zu seiner theologischen Ausrichtung gelesen und in seinem Leben als Herausforderung gehört: konsequent Jesus Christus nachzufolgen.