Vom Unglauben zum Glauben: Ein persönlicher Weg
Ich möchte euch heute mitteilen, wie mich der Herr vom Unglauben oder Irrglauben zum Glauben geführt hat und mich heraus aus der Bibelkritik zum Glauben an Gottes inspiriertes Wort gebracht hat.
Als ich 14 Jahre alt war, begann ich mit dem Konfirmandenunterricht. Bereits mit zwölf Jahren war ich damit in Berührung gekommen. Zur gleichen Zeit traten meine Eltern aus der Kirche aus. So war das damals. Ich fragte mich, warum ich überhaupt zum Konfirmandenunterricht gehen sollte. Doch meine Eltern sagten: „Du gehst erst hin, später kannst du dich entscheiden, aber zuerst sollst du dorthin gehen.“
Also begann ich den Konfirmandenunterricht. Bevor ich konfirmiert wurde, verließ meine einzige Mitkonfirmandin die Gruppe. Wir waren in einer Diaspora-Gemeinde, und es waren nur wir zwei. Der Superintendent kam etwa alle 14 Tage aus der Kreisstadt und hielt den Unterricht ab.
Funktioniert das nicht?, fragte ich mich. Meine einzige Mitkonfirmandin entschied sich für die Jugendweihe. Sie sagte: „In zehn Jahren wird es sowieso keine Kirche mehr geben.“ Nun ja, ich wusste nicht, wie sie zu dieser Meinung gekommen war, und dachte mir: Was soll's?
Ich blieb dabei und wurde als einzige Konfirmandin in der kleinen Diasporagemeinde mit etwa zwanzig Gemeindegliedern konfirmiert.
Nach dem Krieg kam das Ende des sogenannten Tausendjährigen Reiches, das inzwischen zwölf Jahre zurücklag. Die Kirche aber gab es noch.
Die Suche nach echtem Glauben und Erkenntnis
Nun interessierte es mich doch, was es eigentlich mit der Kirche und dem Glauben auf sich hatte. Im Konfirmandenunterricht hatte ich zwar einiges gelernt, sogar Luthers kleinen Katechismus und viele Kirchenlieder, aber wirklich begriffen hatte ich nichts.
Im Rückblick stellte ich mir die Frage, ob mein Konfirmator selbst wirklich vom Neuen geboren war. Nach der Predigt wollte ich unbedingt herausfinden, was das eigentlich bedeutete. Wir hatten bei meinem ehemaligen Konfirmator Regionsunterricht, aber das, was ich wissen wollte, das kam dort nicht zur Sprache. Stattdessen gab es eine Reihe von Belanglosigkeiten, aber nicht das, was ich brauchte.
Ich ging sogar selbst zu diesem Pastor, was schon einiges Mut erforderte, wenn man sich als Schülerin so aufmacht. Doch alles, was er mir sagte, war: „Ach, weißt du, Eta, zerbrich dir nicht so sehr den Kopf, zerbrich den Willen, das ist mehr.“
Ich wusste gar nicht, wozu man den Willen zerbrechen sollte. Auch wusste ich nicht, wie man das machen sollte. Nun ja, dann dachte ich mir: Gut, da muss ich eben Theologie studieren, um herauszufinden, worum es wirklich geht.
Bei den vielen Fragebögen, die man als Abiturient beantworten muss, schrieb ich dann, dass ich Theologie studieren wolle. Eigentlich wollte ich das nur nebenbei als Nebenfach, Hauptfach sollte Germanistik sein. Doch eine Mitschülerin sagte: „Eta, du bist ja schön blöd, es ist so schwer, einen Studienplatz zu bekommen, und für Theologie bekommst du bestimmt einen.“
Zuerst wollte ich nicht, aber irgendwann, beim dritten Ausfüllen so eines Fragebogens, schrieb ich dann doch, dass ich Theologie studieren wolle. Das war jedoch nicht die Wahrheit.
Es war wie mit einem Loch im Zahn: Man sitzt ständig mit der Zunge daran. Diese Unwahrheit brachte mich noch mehr dazu, mich mit der Sache zu beschäftigen. Doch weiter kam ich nicht.
Die Abiturientenfreizeit und die erste Bekehrung
Als ich das Abitur gemacht hatte, sagte mein Vater: „Eta, da ist eine Abiturientenfreizeit. Du willst doch Theologie studieren, da willst du doch sicher hin.“
Ich wollte überhaupt nicht dahin, aber ich war viel zu feige, meinem Vater das zu sagen. Also fuhr ich schließlich doch hin.
Auf dieser Abiturientenfreizeit gab es etwas ganz Besonderes. Für uns, die angehenden Studenten, war ein Pastor Doktor vorgesehen, der uns das Nötige vermitteln sollte. Doch durch Gottes Vorsehung bekam dieser Pastor Doktor die Grippe.
So kurz nach Ostern, wenn die Konfirmationen sind, ist es schwierig, schnell einen Ersatz zu finden. Schließlich fanden sie jemanden in der Diakonie. Wahrscheinlich hätten sie diesen Mann sonst nicht dafür ausgesucht, aber er wurde es nun.
Dieser Mann kannte wirklich Jesus und hatte den Mut, uns zu sagen, dass wir uns bekehren müssen. Etwa ein Drittel von uns bekehrte sich – und zu diesem Drittel gehörte ich.
An diesem Tag erlebten wir Frieden und Freude. Danach ging es nach Hause, und mein Leben änderte sich. Ich fing an, freiwillig die Bibel zu lesen – das wäre mir vorher nie in den Sinn gekommen. Auch mein Verhalten meiner Mutter gegenüber änderte sich. Da war wirklich etwas geschehen.
Studienbeginn in Marburg und die Begegnung mit historisch-kritischer Theologie
Nun 18. Das war im Frühjahr 1948. Im Herbst 1948 erhielt ich dann meine Studienzulassung, und zwar in Marburg.
Zuvor war ich im Juni bei verschiedenen Universitäten herumgereist, doch keine machte mir Hoffnung auf einen Studienplatz. In Marburg hatte man mir gesagt, ich könne in zwei Jahren noch einmal anfragen, vielleicht wäre dann ein Platz frei. Nun jedoch sagten sie, wenn ich bereit wäre, von meiner Kopfbote 30 Euro im Voraus für die Sozialgebühren zu schicken, dann hätte ich einen Studienplatz.
So kam ich nach Marburg, und Marburg bedeutete Rudolf Bultmann. Für uns Studenten waren die anderen Professoren mehr oder weniger der Rest. Damals war Bultmann wirklich einer der klarsten und schärfsten historisch-kritischen Theologen. Vor seinem Tod hat er sich durch Gottes Gnade bekehrt. So groß ist Gott – das schafft er!
Damals lernten wir wirklich eine historisch-kritische Theologie von ihm, und zwar in der exaktesten Weise, wie das überhaupt nur möglich war. Ich hatte natürlich im ersten Semester noch die Sprachen zu erledigen. Den Teil von Griechisch I hatte ich schon zu Hause gemacht, jetzt kam also nur Griechisch II.
Ende des Semesters traute ich mich dann schon in Bultmanns Vorlesung. Ich kam rein, war wohl die erste Kursteilnehmerin, da waren zwölf oder nein, vierzehn. Ich kann mich nicht erinnern, was er dazu gesagt hat, zumindest nicht viel. Aber ich werde nicht vergessen, was er zu 1. Korinther 15 sagte.
Dort ist ja die Rede von Christi Tod und Auferstehung. Dann kommt die Stelle, dass danach mehr als 500 Brüder auf einmal erschienen, von denen die meisten bis jetzt noch leben, einige aber entschlafen sind. Zu dieser Stelle sagte Bultmann damals: „Hier ist Paulus nicht auf der gewöhnlichen Höhe seiner Theologie, denn er redet von der Auferstehung Jesu, als sei sie ein historisches Faktum.“
So lernte ich nun als junge Studentin in meinem ersten Semester, dass es nicht erlaubt ist, die Auferstehung Jesu als historisches Faktum zu nehmen.
Zweifel und Herausforderungen im Studium
Nun, ich hatte mich zwar bekehrt, aber keinerlei biblische Lehre empfangen. In unserer Diasporagemeinde gab es einmal im Monat eine Predigt. Diese hielt der Pastor, der Jesus jedoch nicht wirklich kannte.
Im nächsten Semester wagte ich mich an Bultmanns Bücher heran und las sein berühmtes Werk „Die Geschichte der synoptischen Tradition“. Das war kurz nach Weihnachten. Darin las ich, dass Jesus natürlich nicht in Bethlehem geboren sei, sondern in Nazaret. Schließlich würde er ja Jesus von Nazaret genannt.
Wir wissen jedoch, dass im Lukas-Evangelium steht, dass Maria und Joseph sich aus der Stadt Nazareth aufmachten nach Judäa, in die Davidstadt, die Bethlehem heißt, und dass Jesus dort geboren wurde. Damals glaubte ich selbstverständlich meinem Professor, der sagte: Nein, Jesus ist nicht in Bethlehem geboren, sondern in Nazareth.
Da ging etwas in mir kaputt. Ich hatte noch die Weihnachtspredigt in Erinnerung. Unser Pastor hatte damals die Flüchtlinge, die in großer Zahl in unserer Gemeinde waren und aus der Minigemeinde eine richtige Gemeinde werden ließen, getröstet. Er sagte: Ja, Jesus war auch eine Art Flüchtling, weil er in Bethlehem geboren ist.
Ich konnte das nicht zusammenbringen. Dieser Pastor hatte ja auch Theologie studiert. Also musste er doch wissen, was in Bultmanns Büchern stand. Wie passt das dann zusammen? Irgendwie ergab das keinen Sinn.
Dann hatte ich eine alttestamentliche Vorlesung über den Propheten Jeremia. Das sah so aus: Man schlug ein Kapitel auf, und es hieß: „Unterstreichen Sie bitte jetzt in diesem Kapitel, natürlich in der Bibel, also im Hebräischen, nicht in der Übersetzung, die Verse, die mit einiger Wahrscheinlichkeit echt sind.“
Ich nahm also Vers 3 und 4, Vers 11 und 12, vielleicht auch noch Vers 13, den konnte man ja gestrichelt unterstreichen, und die Verse 19 bis 21. Der Rest in dem Kapitel wurde als nicht vom Propheten stammend angesehen, sondern als von Israel selbst zurechtgemacht.
Wir hatten auch solche Prinzipien: Alles, was gute Weissagungen über Israel waren, hat sich Israel selbst gemacht. Nur die Unheilsweissagungen wurden als echt anerkannt. Ebenso wurden Weissagungen über die Völker nicht anerkannt.
Man sagte: „Als es Israel schlecht ging und die anderen Völker auf Israel heruntersahen, hat Israel gesagt: Na wartet ab, ihr kriegt auch noch euer Fett.“ So ist das, wenn man historisch-kritische Theologie studiert.
Ansonsten lernte ich: Ach so, vielleicht interessiert es sich, wie ich lernte, das ist ein synoptisches Problem.
Das synoptische Problem und weitere Erkenntnisse
In meinem dritten Semester war ich in Bultmanns Seminar. Wir mussten eine kleine Prüfung machen, einen kurzen schriftlichen Test. Als wir den zurückbekamen, beklagte sich Bultmann darüber, dass niemand verstanden hatte, was eigentlich das synoptische Problem sei.
Das synoptische Problem besteht in der Vielzahl sowohl der Gemeinsamkeiten als auch der Unterschiede in den gleichen Perikopen der synoptischen Evangelien. Da diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede bis in Wortlaut und Satzbau hineinreichen, ist das synoptische Problem ein literarkritisches Problem. Das war es dann.
Ich meine, ich habe später auch noch einmal die Argumente dafür vor dem Examen in der Einleitung nachgelesen. Aber das hatte ich schon hier im Seminar verstanden. Also: Das synoptische Problem ist ein literarkritisches Problem. Damit konnte ich dann sogar noch in meinem ersten theologischen Examen glänzen, als mir die gleiche Frage gestellt wurde.
Was ich auch noch so beiläufig in meinem dritten Semester lernte, war Folgendes: Bultmann hatte eine Frage gestellt, und eine Studentin versuchte, die Frage zu beantworten. Von ihr wusste man, dass sie gläubig war. Da wurde drüber getuschelt: „Lasst euch bloß nicht von der einladen, denn das kann sein, dass man da in so einen Kreis gerät, und dann beten die vielleicht sogar noch für euch.“ Das galt damals als etwas ganz Schreckliches. Jedenfalls war sie sozusagen unter den Studenten bekannt.
Als sie nun die Frage Bultmanns beantwortete, sagte neben mir Günter Klein, der später auch Theologieprofessor im Nordosten wurde: „Doch nicht zu fassen, das Mädchen ist schon im sechsten Semester und hat immer noch nicht begriffen, dass die Pastoralbriefe nicht von Paulus sind.“ Die Pastoralbriefe, das sind ja die beiden Timotheusbriefe und der Titusbrief.
Ich konnte ja ganz schnell etwas festhalten, und von da an wusste ich also: Aha, die Pastoralbriefe sind nicht von Paulus. So lernt man vieles denn so nebenbei. Irgendwann hat man vielleicht auch mal eine Vorlesung „Einleitung ins Neue Testament“, da bekommt man es dann natürlich noch etwas gründlicher. Aber das Wesentliche ist dann schon längst auf diese Weise gelaufen.
Man nimmt für bare Münze, was da kommt, vor allem wenn man wirklich nichts dem entgegenzusetzen hat. Und es sind so viele, die kommen neu geboren, den Herrn dienen wollen, also Pastor werden, also Theologie studieren. Und die sind dann hinterher gar nicht mehr in der Lage, Pastor zu werden, weil nämlich der Glaube schon längst verschüttet worden ist unter all dem, was ihnen dabei im Studium der historisch-kritischen Theologie vermittelt wird.
Gottesbild und die Folgen der historisch-kritischen Theologie
Nun noch einmal zurück zu den Propheten. Weil man in der historisch-kritischen Theologie überzeugt ist, dass nur die Unheilsprophetien richtig sind, haben diese Theologen im Alten Testament einen völlig anderen Gott. Für sie ist der Gott des Alten Testaments nur ein Gott des Zornes und des Gerichts.
Dann sagen sie: Ja, und Jesus hat einen anderen Gott gebracht, den Gott der Liebe. Doch diese Liebe wird nicht verstanden, also das, was sie wirklich ist – nämlich dass Jesus am Kreuz für unsere Sünden gestorben ist –, wird nicht akzeptiert.
Wenn an der historisch-kritischen Theologie nichts anderes verkehrt wäre, als dass sie nicht anerkennt, dass wir Sünder sind und dass unser Herr Jesus am Kreuz für uns gestorben ist, zu unserer Rettung, wäre das schon das Schlimmste genug. Natürlich gibt es noch andere Fehler, aber das ist das Allerschlimmste.
Ich selbst bin in der lutherischen Kirche groß geworden. Dort werden Babys zur Taufe gebracht. Nachdem ich gläubig geworden bin, habe ich mich taufen lassen – das ist eine andere Sache. Dann gehen die Kinder vielleicht in den Konfirmandenunterricht. Meistens sind sie dann noch ein paar Jahre in der Kirche, aber nicht mehr so oft. Später wollen sie kirchlich getraut werden. Dann kommen vielleicht ein, zwei oder drei Kinder zur Taufe, und danach sind sie wieder vielleicht zehn Jahre nicht in der Kirche. Am Ende werden sie dann mit dem Pastor kirchlich bestattet.
Ihr ganzes Leben haben sie jedoch nie gehört, dass ein Mensch sich bekehren muss und von neuem geboren werden muss. Sie sind ihr ganzes Leben in der Kirche gewesen und verloren. Das ist das aller, aller, aller Schlimmste an der historisch-kritischen Theologie.
Wenn ich ein Proseminar hatte, sagte ich meinen Studenten: Das, was ihr hier zwischen den Buchdeckeln habt, ist nicht Gottes Wort. Der Herr hat es mir vergeben, aber ich habe es gesagt. Das ist die allgemeine Überzeugung der historisch-kritischen Theologie.
Wenn ich dann fortfuhr, sagte ich: Es kann sein, dass ein Abschnitt daraus für euch Gottes Wort wird, sei es, dass ihr ihn in der Predigt hört oder selbst lest. Aber an und für sich ist das hier nicht Gottes Wort.
Das war nicht etwa, weil ich der Allerallerschlimmste wäre oder schlimmer als Bultmann und andere. Das ist das, was man von einem historisch-kritischen Theologen erwarten kann. Ganz egal, ob er von Bultmann und seiner Schule oder von Karl Barth geprägt ist – unterm Strich ist es dasselbe.
Karl Barth sagte, die Bibel sei wie leere Kanäle, durch die Gottes Offenbarung einmal geflossen ist. Wenn Gott sich offenbart, wird er es wieder durch diese Kanäle tun. Aber an und für sich ist die Bibel nicht Gottes Wort.
Das lernt man, wenn man die historisch-kritische Theologie studiert. Es gibt keine einzige theologische Fakultät in Deutschland, an der man nicht diese historisch-kritische Theologie vermittelt bekommt. Leider ist das so.
Es gibt einige Stellen, an denen man nicht historisch-kritisch studieren kann, zum Beispiel in Gießen und einigen Bibelschulen. Aber vielfach denkt man dann doch: Na ja, das sei ein synoptisches Problem, das müsse man lernen. Oder man sagt, vielleicht habe Matthäus nicht von Markus abgeschrieben, aber zumindest Markus von Matthäus.
Auch da werden die Augenzeugen verleugnet. Oder es wird gesagt, man wüsste, wie die Evangelien entstanden sind, wenn man nicht die Formgeschichte hätte. Die, die gestern hier waren, wissen, was sie von der Formgeschichte halten sollen. So ist es leider in etlichen Elementen auch bis in evangelikale Kreise verbreitet.
Einige kennen Friedens auch. Auch dort gibt es historisch-kritische Theologie. Ich sage nicht, dass alle, die dort lehren, so sind. Aber ich habe selbst den Widerstand der Studenten erlebt, als ich ihnen klarzumachen versuchte, dass es kein synoptisches Problem gibt.
Es ist wirklich so: Man kann nur beten: Herr Jesu Christ, erhalte deine Kirche! Das ist nichts, was es nur irgendwann einmal gab, als Bultmann noch lebte und lehrte, vielleicht noch Käsemann und ein paar andere. Das ist heute noch landauf, landab etabliert und stellt Gottes Wort in Frage.
Die Wende durch Gebet und Gemeinschaft
So ein Theologe bin ich gewesen. Ich habe mich sogar bemüht, an einer Stelle noch konsequenter als Bultmann zu sein, und das wäre so geblieben, wenn Gott nicht gnädig gewesen wäre.
Ich hielt ja jedes zweite Semester ein Proseminar „Einführung in die exegetischen Methoden“. Und dann war eine Zeit, da war die Atmosphäre ganz anders. Irgendwie waren die Studenten netter als sonst. Später habe ich erfahren, dass drei von ihnen im Jahr ’49 geboren waren. Irgendetwas muss geschehen sein, dass sie vielleicht sogar gedacht haben: „Na, könnte ja möglich sein.“ Und sie haben für mich gebetet. Dabei haben sie nicht nur selbst gebetet, sondern auch ihre Gebetskreise, Familien und alles mit einbezogen.
Am Ende des Semesters dachte ich, mein Kollege würde dann, um den Studenten zu gefallen, in die mao-kommunistischen Zirkel gehen. Ich hatte wirklich nichts mit Kommunismus am Hut. Aber ich dachte: „Die haben da so einen Gebetskreis erwähnt. Ich könnte ja mal in den Gebetskreis gehen.“ Also wandte ich mich an die eine Studentin, die ihn erwähnt hatte, und sagte, ich wäre bereit, mal hinzugehen.
Sie sagte nicht gleich „Ja, und das ist dann und dann“, sondern das war wirklich vom Herrn damals. Später bin ich jeden Montagabend hingegangen. Wenn ich damals reingekommen wäre, hätte ich wahrscheinlich rückwärts wieder rausgehen und gedacht: „Was ist das?“ Sie meinte, sie könnte mir eine Einladung zu einem anderen christlichen Treffen verschaffen, das einmal im Monat stattfand.
Nun gut, die erste Einladung im Mai nahm ich nicht wahr, auch im Juni, Juli, August und September ging ich nicht hin. Wenn sie gesagt hätten: „Porto ist ja viel zu schade, die kommt ja doch nicht“, dann würde ich jetzt nicht hier stehen. Aber sie waren so treu und haben Porto weiter riskiert. Im Oktober ging ich zum ersten Mal hin.
Was mir gleich auffiel, war das Frühstückstreffen. Diese Atmosphäre von Liebe und Freude hatte ich bis dahin noch nicht kennengelernt. Dann wollten sie die Stadthalle für ein Treffen haben, hatten sie aber nicht bekommen. Da sagte der Sprecher des Tages: „Da wir die Stadthalle brauchen, das andere ist nicht groß genug, müssen wir beten.“ Und da betete ich irgendwie auch mit. Wahrscheinlich ging es nicht weiter als bis zur Zimmerdecke, aber es war etwas Besonderes, dass man öffentlich sagte: „Da wollen wir für beten.“ Und hinterher hätte jeder feststellen können, ob sie das bekommen haben oder nicht. Das hat mich schon berührt.
Ich bin dann wirklich jedes Mal hingegangen, wenn das Treffen war. Es war ja nur einmal im Monat. Wenn ich irgendwie konnte, war ich dabei. Wenn ich mal nicht in Braunschweig war, war das etwas anderes.
Nach einem Jahr und einem Monat geschah etwas in mir, als er vorne stand und sprach. Irgendwie war da so etwas wie Hunger und Durst – oder wie soll man das sagen? Am Schluss machte er dann einen Aufruf. Vielleicht war das vorher schon einmal gewesen, aber es war an mir vorbeigegangen, gar nicht bei mir angekommen.
Dann fragte der Sprecher: „Wer will an Jesus glauben?“ Ich war innerlich bereit, aber überzeugt, dass ich ja schon glaubte. Ich dachte, das glaubt ja doch ein anständiger historischer, kritischer Theologe. Dann formulierte er, durch Gottes Gnade, noch einmal um und sagte: „Wer will Jesus sein Leben übergeben?“ Da wusste ich, dass ich gemeint war. Das war so deutlich.
Dann hieß es, alle sollten die Augen schließen und den Arm heben. Der Herr sieht ja nicht nur den erhobenen Arm, sondern auch das Herz. Und da geschah wirklich etwas mit mir. Mein Leben hat sich verändert.
Die erste Konferenz und neue geistliche Erfahrungen
Nach etwa vier Wochen fand eine Konferenz statt, eine kleinere, nicht die ganz große. Sie sollte von Donnerstagabend bis einschließlich Samstag dauern. Früher hatte ich schon einmal an Konferenzen teilgenommen und dachte, ich könne die Überforderung schaffen. Sonntags ging ich auch zur Kirche, das war nicht das Problem. Dennoch war es für mich eine Herausforderung.
Zum ersten Mal fasste ich Mut und meldete mich für den Samstag an. Dann wurde gefragt, wer Gäste unterbringen könne. Für mich war das kein Problem, denn ich hatte eine große Wohnung. Ich bot ein Zimmer an, in dem ich zwei Personen unterbringen konnte. Doch dann wurde mir klar, dass ich auch am Donnerstag kommen musste, um die Gäste abzuholen. Das war eine zusätzliche Herausforderung.
Trotzdem kam ich zur Konferenz. Merkwürdigerweise führte das nicht zu geistlichem Überdruss, sondern ich wurde hungrig und durstig nach mehr und kam auch am Freitag freiwillig wieder. An diesem Tag sprach ein Wycliff-Missionar, den ich schon zwei- oder dreimal gehört hatte. Er wirkte in Nepal. Früher konnte man nur drei Monate im Land bleiben, dann musste man wieder ausreisen und erneut einreisen.
Der Missionar erzählte von seinem Sprachhelfer Paul. Dieser Paul hatte sich nicht nur bekehrt, sondern auch eine Gemeinde gegründet. Bis vor einigen Jahren war es in Nepal völlig verboten, Christ zu werden. Hinduismus war die Staatsreligion, und Christ zu werden war verboten. Eine Gemeinde zu gründen war ein absolutes Staatsverbrechen.
Der Missionar berichtete, was Paul vor dem Richter gesagt hatte. Meine erste Reaktion war: Das kann dieser Mensch unmöglich gesagt haben. Ich hatte inzwischen einen Eindruck von Paul gewonnen, da ich schon zweimal von ihm gehört hatte. Wenn ich nicht gerade vor neun geboren wäre, wäre das wahrscheinlich meine einzige Reaktion geblieben.
Doch plötzlich fiel mir Markus 13,11 ein: „Wenn sie euch vor Könige und Statthalter bringen, fürchtet euch nicht, denn der Heilige Geist wird euch geben, was ihr sagen sollt.“ Plötzlich wurde mir klar, dass diese Verheißung erfüllt ist.
Für die Budmanianer gab es keine erfüllten Verheißungen. Wenn etwas ähnlich eingetroffen war, wie etwa die Zerstörung Jerusalems, behaupteten sie, das sei erst nach dem Ereignis aufgeschrieben worden – ein vaticinium ex eventu. Hier aber wurde ich einfach überzeugt: Diese Verheißung ist erfüllt.
Dann geschah etwas in einem Bruchteil von Sekunden, das ich vielleicht eine Minute brauche, um zu beschreiben. Es war, als fielen alle Puzzlesteine, die ich bisher gehört hatte, zu einem Bild zusammen. Wenn Gott das erfüllt, dann ist er ein lebendiger Gott. Wenn er spricht, so steht es geschrieben, und wenn er befiehlt, so geschieht es.
Der Gott der historisch-kritischen Theologie ist wie die Skulptur der drei Affen: Der eine hält sich die Ohren zu und hört nichts, der zweite die Augen und sieht nichts, der dritte den Mund und sagt nichts. Die Hände sind beschäftigt und tun nichts.
Nun aber wurde mir bewusst, dass Gott ein lebendiger Gott ist. Im gleichen Moment wusste ich, dass meine ganze Theologie Sünde war. Ich hatte nicht von dem lebendigen Gott gesprochen, nicht von seinem Wort.
Daraufhin tat ich Buße für diese falsche Theologie. Deshalb sind für mich gewisse Probleme, wie das synoptische Problem oder die Paulusbriefe, keine Kavaliersdelikte. Die sogenannten Paulusbrüche sind nicht alle von Paulus. Es sind Dinge, von denen ich mich bekehrt habe, von denen ich weiß, dass sie Sünde sind, weil sie die Leugnung von Gottes Offenbarung bedeuten.
Neue Wege des Lernens und Glaubens
Ja, und dann hat sich in meinem Leben gewaltig viel geändert. Ich begriff, dass ich eigentlich nichts wusste. Da dachte ich: Wenn man nichts weiß, muss man etwas lernen.
Auf der Konferenz gab es einen Chor einer Bibelschule. Da dachte ich, es gibt also eine Bibelschule. Früher hatte ich nie gewusst, dass es Bibelschulen gibt. Aber ich dachte mir, bei einer Bibelschule muss man etwas lernen können. Also beschloss ich, mich nach dieser Bibelschule zu erkundigen.
Ich habe mich durchgefragt und schließlich herausgefunden, wo die Bibelschule war. Als ich das erste Mal dort saß, wollte ich eigentlich erst mit dem Leiter sprechen, aber der war gerade nicht zu sprechen. Also dachte ich mir: „Ach, ich kann ja schon mal in die Klasse gehen.“ So saß ich dann da.
Ich weiß nicht genau, wie viele Leute da waren, vielleicht 18 oder 20. Der Jüngste war etwa 16 Jahre alt, die Älteste eine Oma von 60, und ich war ungefähr 50. Dann saß ich in der Vorlesung. Der Bibellehrer war sehr jung und sprach über Psalm 119. Ich saß da als Professor, Doktor, Doktor Habil. Ich hörte zu und war beeindruckt, was der alles wusste. Ich wusste das nicht.
Dann kam er zu der Stelle: „Du machst mich klüger als alle meine Lehrer.“ Da dachte ich: Das muss mit ihm passiert sein. Später bin ich dann so oft ich konnte zu der Bibelschule gegangen. Ich hatte ja mein ganzes Vorlesungsprogramm in Braunschweig. Wenn ich an einem Tag keine Vorlesung hatte, fuhr ich zur Bibelschule und saß im Unterricht.
Dort erfuhr ich zum ersten Mal in meinem Leben von der Inspiration der Heiligen Schrift. Ich war schon Jahrzehnte Theologe. Alles, was ich bisher über die Inspiration gehört hatte, war, dass es nach Luther einige komische Leute gab, die meinten, die Bibel sei diktiert worden. Das hörte man in den kirchengeschichtlichen Vorlesungen. Das war alles, was ich bis dahin über die Inspiration der Heiligen Schrift wusste.
Und plötzlich wurde mir das klar! Ich dachte: Ich muss mehr lernen. So war ich etwa einen Monat in der Sommerbibelschule und bekam dort erst die Grundlagen.
Im nächsten Semester hatte ich eigentlich in Marburg, wo ich noch Honorarprofessorin war, wieder eine Vorlesung und sollte ein Seminar halten. Das fand zum ersten Mal als Blockunterricht statt, wie man heute sagt. Damals sprach man von einer Epoche vor dem Semester. Ich brauchte nur noch meine Papiere, denn ich hatte das Thema schon einmal bearbeitet. Ich tippte alles auf der Schreibmaschine, damit es abfotografiert werden konnte.
Vorher hatte ich immer Hektografien mit Durchschlag, aber die ließen sich nicht fotografieren. Ich konnte die Zitate von Bultmann, Breder und anderen nicht mehr richtig einfügen. Das ging nicht, und die Papiere mussten doch rechtzeitig abgeschickt werden, weil die Vorlesung bald begann und die Studenten die Unterlagen vor Semesterbeginn bekommen sollten.
Da ging ich zu meinem Seelsorger und sagte: „Halleluja, das ist der Heilige Geist.“ Dann schrieb ich den Studenten einen Aushang, in dem ich erklärte, warum ich die Vorlesung so nicht mehr halten konnte. Sie könnten unter diesen Umständen frei entscheiden, ob sie kommen wollten. Die Studenten, die trotzdem teilnehmen wollten, baten um Gebet für mich.
Das erzählte ich auch der Sekretärin im Dekanat. Am Telefon war das kein Problem, sie schrieb es auf. Aber dann kam der Dekan dazu. Er meinte, so ginge das nicht. Es müsste erst eine Sitzung darüber geben, und die wäre erst nächsten Mittwoch. Bis dahin war das Semester natürlich schon gelaufen.
Man entschied, das könne nicht sein. Man könne ja im nächsten Semester auf der ersten Sitzung darüber sprechen. Da war es natürlich zu spät, denn es hätte vor dem Semester sein müssen. So fiel die Vorlesung aus.
Im nächsten Semester holte mich der Herr heraus. Im darauffolgenden Semester lehrte ich dann auf der Grundlage der Inspiration der Heiligen Schrift. Ich sagte meinen Studenten im Proseminar, warum sie von mir nichts Historisch-Kritisches mehr hören würden. Sie waren freigestellt, wenn sie das nicht wollten, könnten sie im nächsten Semester das Fach beim Kollegen belegen.
Etwa zwei Drittel blieben, ein Drittel ging weg. Danach nahm mich unser Vater im Himmel aus der Arbeit an der Hochschule heraus. Er nahm mich erst ein paar Jahre beiseite, denn ich konnte und wollte die früheren Vorlesungen nicht mehr halten. Aber das gute Wort Gottes musste ja weitergegeben werden.
So nahm er mich einige Jahre beiseite, bevor er mich dann als Missionarin nach Indonesien schickte. Dort sollte ich in Batu die Studenten lehren.
Warnung vor den Gefahren der historisch-kritischen Theologie
Ich hoffe, dass Sie bei dem Zeugnis nicht nur die wunderbare Gnade Gottes und seine gewaltige Vergebung kennengelernt haben, sondern auch ein wenig verstanden haben, was es bedeutet, historisch-kritische Theologie zu verstehen. Ebenso, wie die Wiener Krache ihre Fühler überall ausstreckt, sodass wir auch davor nicht sicher sind. Deshalb heißt es wirklich, wachsam zu sein.
Das ist etwas, das wir unbedingt tun müssen, damit wir nicht unvorbereitet überrumpelt werden. Ich möchte noch eine Erfahrung ergänzen: Ich war für mehrere Monate in einem Freizeitheim. Als ich dann wieder in meiner eigenen Wohnung war, wollte ich Gottes Wort lesen – natürlich, die Losung lese ich sowieso. Dadurch konnte ich auch geistliche Speise beziehen. Doch nun wollte ich auch ein richtig ordentliches Kapitel lesen.
Ich begann mit dem ersten Johannesbrief. Doch dann stand da: "Bultmann sagt, Schnackenburg sagt, Käsemann sagt" und so weiter. Das wollte ich aber nicht. Ich wollte das Kapitel als geistliche Speise lesen. Das ging jedoch nicht, weil immer diese anderen Dinge dazwischenkamen.
Ich hatte schon vorher befreiende Seelsorge erfahren und dachte, vielleicht hilft es, wenn ich mich im Namen Jesu davon lossage. Das tat ich. Und siehe da, ich hatte freien Zugang. Am nächsten Tag, bei Kapitel 2, war es dasselbe: Gestern hatte es geholfen, also machte ich es wieder – und wieder hatte ich freien Zugang.
Das dauerte etwa anderthalb Jahre. Zwischendurch gab es Kapitel, bei denen ich nicht so tief gearbeitet hatte, sei es als Professorin oder als Studentin, da hatte ich keine Probleme. Aber bei all dem, womit ich intensiv gearbeitet hatte, musste ich mich wirklich lossagen, um das loszuwerden.
Ich dachte, das sei völlig vergessen. Doch als ich es später selbst brauchte, als der Herr mich für die nordtestamentliche Apologetik gebrauchte, waren die Dinge durchaus noch da. Aber sie konnten mich nicht mehr behelligen.
Als ich das in einem Zeugnis erwähnte, damals in Gießen in einem evangelikalen Seminar, in der EFTA, fragte einer der Dozenten: Soll das heißen, dass diese Theologie zum Okkulten gehört? Daran hatte ich vorher nie gedacht, aber ich war ja noch ein ganz junges Gotteskind. Ich konnte nur sagen: Das sieht so aus.
Deshalb ist es wichtig, dass wir wissen: Wir haben es nicht mit Fleisch und Blut zu tun, sondern mit Fürstentümern, Mächten und Gewalten. Das ist ganz wichtig, was wir über diese Theologie wissen müssen.
Man sollte also nicht einfach mal eben so denken: Ach ja, man muss ja wissen, was das ist, und so kann man ruhig mal ein paar Bücher davon lesen – was kann das schon schaden? Vorsicht! Es kann sein, dass der Herr jemanden ruft und ihn bewahrt. Aber wenn man nur aus Neugier liest, weil man denkt, man sei ein moderner Mensch und habe sowieso gebetet, dann ist Vorsicht geboten.