Einleitung: Die Bedeutung der Liebe als Lebensmotto
Als im Sommer 1967 die Gründung dieser Gemeinde hier vorbereitet wurde, stürmte ein Song der Beatles auf Platz eins der Popcharts in England, in den USA und auch in Deutschland.
Wenngleich viele Christen damals, wenn ich das richtig einschätze, den Beatles wahrscheinlich eher kritisch gegenüberstanden, hätte der Refrain dieses Liedes sehr gut auch als Motto für diese Gemeinde dienen können. Ich denke, die meisten unter uns, auch wenn wir keine Beatles-Fans sind, kennen diesen Refrain, der dem Lied zugleich auch den Titel gab: All you need is love. All you need is love.
Ich verschone euch, keine Sorge, mit weiteren Zitaten. Aber die Liebe brauchen wir. Denn Liebe ist grundlegend für ein Leben, das Gott gefällt.
Das ist genau die Lehre, die im Zentrum steht der sogenannten Feldpredigt oder Predigt auf dem Felde, von der uns im sechsten Kapitel des Lukas-Evangeliums berichtet wird.
Im März hatten wir die Predigtserie durch das Lukas-Evangelium unterbrochen und etwas getan, was man eigentlich nicht tun soll: Wir hatten mitten in einer Predigt Jesu aufgehört – für fast sieben Monate. Skandal!
Heute setzen wir die Predigtserie fort und kommen einfach mitten in diese Predigt zurück. Von daher war es, denke ich, hilfreich, gerade noch einmal den Kontext zu hören, in dem das, was wir heute bedenken wollen, steht.
Nachdem wir die Geburt Jesu, sein Großwerden und den Beginn seines Dienstes in den ersten Kapiteln gesehen hatten, kam dann in der Mitte von Kapitel 6 die Berufung der Zwölf, der zwölf Apostel.
Dann hatten wir gesehen, wie Jesus ihnen und einer ganzen Anzahl weiterer Jünger eine Predigt hielt. Sie begann mit Worten, die gemeinhin die Seligpreisungen und Wehrufe genannt werden. Das sind Worte, in denen Jesus sagte, was für ein Segen auf denen liegen wird, die wahrhaft Jesu Jünger sind, und andererseits warnende Worte für die, die nicht wirklich Jesus nachfolgen.
Die Herausforderung der Liebe im Leben der Jünger
Und dann beginnt in Vers 27 ein Abschnitt, dem wir uns heute zuwenden wollen. In diesem Abschnitt lehrt Jesus, was seine Jünger wirklich kennzeichnen sollte.
Um das gleich zu Beginn deutlich zu sagen: Es geht hier nicht um den Glauben, durch den Menschen zu Jüngern Jesu werden. Vielmehr geht es um das veränderte Leben, durch das sich wahrer Glaube offenbart. Wahre Christen erkennt man an einer besonderen Liebe – einer Liebe, die großzügig gibt und barmherzig vergibt.
Liebe, unser heutiger Predigttext, ist extrem herausfordernd. Er hält uns einen Spiegel vor, nicht um uns dadurch zu verdammen, sondern um uns zu verändern.
Bevor wir den Text miteinander lesen, möchte ich noch einmal für uns beten und den Herrn bitten, dass er uns durch seinen Geist bereit macht, in diesen Spiegel zu schauen, uns herausfordern und verändern zu lassen. Ich bete mit uns:
Himmlischer Vater,
wir wollen dir danken für dein heiliges Wort.
Wir wollen dir danken, dass dein Wort uns Jesus Christus offenbart, den Inbegriff deiner Liebe.
Danke, dass du die Liebe bist und dass du durch Jesus gekommen bist, um uns deine Liebe zu zeigen.
Danke, dass du durch ihn gekommen bist, um uns, die wir einst dir feindlich gesinnt waren und nichts von dir wissen wollten, zu dir zu rufen.
Danke für deine Barmherzigkeit und Liebe.
Und wir wollen dir auch dafür danken, dass Jesus uns deine Worte offenbart und zu uns spricht.
So mach uns bereit, zu hören auf dein heiliges Wort, zu deiner Ehre und zum Wohle der Menschen.
Amen.
Der Predigttext: Jesu Aufruf zur Liebe
Ich lese uns den Predigttext vor. Wer sich gut vorbereitet hat, wird sich am Ende vielleicht denken: Da fehlen ja ein paar Verse. Das stimmt, manchmal ist das so geplant. Eine Predigtserie orientiert sich an einem bestimmten Text, und wenn man diesen genau studiert, merkt man: Ups, das habe ich mir irgendwie schlecht überlegt.
Ihr werdet sehen: Wir hören heute schon bei Vers 38 auf und nicht erst bei Vers 42. Das habe ich mit Matthias Mockler so abgesprochen. Er wird nächste Woche nämlich alle möglichen Gleichnisse aufgreifen, die am Ende dieser Predigt stehen und in Vers 39 beginnen. Lasst euch also nicht verwirren.
Heute hören wir Vers 27 bis 38 aus dem sechsten Kapitel des Lukas-Evangeliums.
Hier spricht Jesus zu seinen Jüngern:
„Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, segnet die, die euch verfluchen, bittet für die, die euch beleidigen. Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht. Wer dich bittet, dem gib, und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück.
Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch.
Und wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben ihre Freunde. Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon? Denn die Sünder tun dasselbe auch.
Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch die Sünder leihen den Sündern, damit sie das Gleiche bekommen.
Viel mehr: Liebt eure Feinde, tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergibt, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben.
Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben, denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen.“
Gliederung des Predigttextes in vier Schwerpunkte
Diesen Text wollen wir in vier Abschnitten betrachten.
In den Versen 27 bis 30 hören wir die Aufforderung von Jesus an seine Jünger, auch diejenigen zu lieben, die nicht besonders liebenswürdig zu sein scheinen.
In Vers 31 ruft Jesus uns dazu auf, so zu lieben, wie wir selbst geliebt werden wollen.
In den Versen 32 bis 36 folgt dann der Aufruf, sich nicht an der Liebe der Welt zu orientieren, sondern dem Vorbild Gottes zu folgen.
Schließlich sagt Jesus seinen Jüngern in den Versen 37 und 38, wie ihre Liebe entlohnt werden wird.
Kurz zusammengefasst ergeben sich vier Punkte: der Aufruf zur Liebe, das Grundprinzip der Liebe, das Vorbild der Liebe und der Lohn der Liebe.
Aufruf, Grundprinzip, Vorbild, Lohn.
Der Aufruf zur Liebe: Liebe auch die Unliebenswürdigen
Wir steigen ein mit dem Aufruf zur Liebe, und zwar mit dem Aufruf, diejenigen zu lieben, die nicht liebenswürdig sind. Das hören wir in Vers 27 in vier sehr herausfordernden Imperativen, die Jesus hier seinen Jüngern zuspricht: Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, segnet die, die euch verfluchen, bittet für die, die euch beleidigen.
Ihr merkt schon, diese vier Aufforderungen sind wirklich sehr ähnlich. Diese Aufzählung – liebt, tut wohl, segnet, bittet – hat den Effekt, dem Ganzen eine besondere Nachdrücklichkeit zu verleihen. Dabei ist dieser Aufruf zur Feindesliebe natürlich kein Aufruf, jetzt besondere Gefühle zu entwickeln. Das kann man nicht befehlen. Das geht nicht.
Jemand, der mir Böses getan hat, dem kann ich nicht einfach sagen: "Okay, ich lege einen Schalter um, und jetzt habe ich auf einmal Liebe." Vielleicht kannst du das, aber im Normalfall ist das kaum möglich. Worum es Jesus hier geht, ist nicht die Gefühlsebene, sondern eine bewusste Entscheidung, liebevoll zu handeln. Das können wir sehr wohl.
Darum geht es hier, und das wird auch deutlich durch die vier Illustrationen dessen, wozu Jesus aufruft, in den Versen 29 und 30. Das sind vier Beispiele, in denen er sagt: Das meine ich damit, das sollt ihr tun.
Wer dir auf die eine Backe schlägt, dem biet auch die andere dar. Wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht. Das ist im Prinzip das, was man als das Sakko oder auch das Hemd bezeichnen könnte – es geht um das äußere und das innere Gewand. Wer dich bittet, dem gib, und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück.
Das macht Sinn, oder? Ich preise Gott dafür, dass ich, als ich über diese Verse nachgedacht habe, tatsächlich einige von euch vor Augen hatte. Mir sind Beispiele eingefallen, wo ich genau das im Kontext der Gemeinde gesehen habe.
Ich weiß zum Beispiel von einigen Geschwistern aus unserer Mitte, die sich mit ganz viel Liebe um Angehörige kümmern. Und das, obwohl diese Angehörigen – Eltern oder auch Geschwister – sie in der Vergangenheit ganz schlecht behandelt haben, sie abgelehnt haben oder sie vielleicht gerade wegen des Glaubens verspottet haben. Aber wenn diese Angehörigen selbst in Not kommen, sagen diese Christen: "Ich will meine Angehörigen lieben, obwohl sie sich das nicht unbedingt verdient haben."
Ich kenne andere, die in ganz schwierigen Situationen im Beruf oder in der Familie bewusst die Entscheidung getroffen haben, nicht mit Gleichem zu vergelten, sondern die andere Wange hinzuhalten und auszuhalten.
Ich habe gerade in den letzten Wochen einen Bruder hier in der Gemeinde erlebt, der als jemand kam, der um Hilfe bat. Er hat ihm nicht nur ein paar Euro gegeben, sondern sich seiner angenommen. Dieser durchaus nicht ganz einfache Mensch, der sehr fordernd war, wurde von ihm begleitet. Er hat den Weg bereitet und ist mit ihm zu verschiedenen Stellen gegangen, um ihm zu helfen, wieder einen Arbeitsplatz und eine Wohnung zu finden.
Ich weiß, wie viel Liebe das gekostet hat, vor allem, weil diese Liebe auf keine Gegenliebe stieß und wie viel Zeitaufwand es bedeutete. Ich preise Gott dafür, dass ich sehen darf, wie Menschen in dieser Gemeinde lieben, auch dort, wo nichts zurückkommt.
Natürlich sehen wir das auch bei denen, die auf die Straße gehen, um anderen Menschen das Evangelium weiterzusagen. Sie wissen, dass sie dort normalerweise nicht mit Applaus begrüßt werden, sondern oft sehr kritisch empfangen werden. Sie stoßen oft auf Widerspruch und Spott. Aber getrieben von der Liebe Gottes wollen sie gerade die lieben, denen sie diese frohe Botschaft weitersagen – Menschen, die im Moment noch überhaupt nicht liebenswert sind.
Ja, mir sind viele Beispiele eingefallen. Andererseits war mir auch klar, dass ich sicher nicht der Einzige bin, dem es schwerfällt, diese Worte wirklich zu leben. Ich gehe sogar davon aus, dass wir alle immer wieder mal an dem Aufruf zur Liebe scheitern, den wir hier hören.
Das ist ein extrem herausfordernder Aufruf, den Jesus hier an seine Jünger und damit auch an uns weitergibt, wenn wir Christus nachfolgen.
Das Grundprinzip der Liebe: Liebe aktiv und uneingeschränkt leben
Um seinen Jüngern zu helfen, ihre Feinde zu lieben, nennt Jesus uns im Vers 31 ein Grundprinzip für die Liebe zu anderen. Das bringt uns zum zweiten Punkt dieser Predigt: das Grundprinzip der Liebe. So heißt es in Vers 31: „Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch.“
Wer denkt, dass der kategorische Imperativ von Kant stammt, liegt falsch. Dieses Prinzip gab es schon bei Jesus. Der kategorische Imperativ, wie wir ihn typischerweise nennen, oder die goldene Regel, wie sie oft genannt wird, lautet: „Was du nicht willst, das man dir tut, das füge auch keinem anderen zu.“ Im Vergleich zu dem, was Jesus hier sagt, ist das eigentlich noch harmlos, denn Jesus geht viel weiter.
Es geht hier nicht einfach darum, nur Dinge zu unterlassen, die man selbst nicht möchte. Es ist kein passives Prinzip. Nein, Jesus fordert aktive Liebe. Das, was du dir von anderen wünschen würdest, dass sie tun sollten, das tu ihnen. Es geht um Liebe, die tätig wird.
Das mag im ersten Moment ein bisschen leichter klingen als der Aufruf zur Feindesliebe in den Versen davor. Und doch zeigt uns dieser Vers als Spiegel, dass es genau an diesem Punkt schwer wird. Wir scheitern immer wieder daran.
Diejenigen unter uns, die verheiratet sind, können das mal in ihrer Ehe spiegeln. Hast du Erwartungen an deinen Ehepartner oder deine Ehepartnerin, die manchmal größer sind als das, was du selbst bereit bist zu geben? Hier erwarte ich ein bisschen Gnade, ein bisschen Vergebung, ein bisschen Rücksicht.
Sind wir bereit, wenn wir mit konkreten Nöten konfrontiert werden, so zu helfen, wie wir es gerne hätten, wenn wir in einer solchen Not wären? Oder machen wir es mal ganz einfach: Nimmst du Gebetsanliegen auf, nur um sie gleich wieder zu vergessen? Oder betest du fleißig für diejenigen, die dich darum bitten? Was würdest du dir wünschen, wenn du in großer Not wärst?
Ich glaube, wir merken, wie herausfordernd das ist. Vor allem auch deshalb, weil wir, wenn wir diesen Vers genau betrachten, feststellen: Es geht hier nicht darum, für andere das zu tun, was sie uns getan haben. Also nicht im Sinne eines „Prit pro quo“ – ich tue für dich, was du für mich getan hast. Du hast dir quasi das Recht erworben, dass ich jetzt auch etwas für dich tue.
Oft handeln wir so. Aber es geht nicht darum, etwas zu tun in der Hoffnung und Erwartung, dass es uns zurückgegeben wird. Nein, unser Tun soll sich nicht an dem orientieren, was wir von anderen empfangen oder erhoffen, sondern an dem, was wir uns von ihnen wünschen würden.
Schau in den Text: Es geht darum, was wir uns wünschen würden, was wir uns wünschen, dass sie tun. Das heißt: Begrenze deine Liebe nicht, sagt Jesus hier. Begrenze deine Liebe nicht dadurch, dass du realistisch abwägst, was du auch von anderen erwarten könntest.
Jesus ruft uns hier nicht zu einem realistischen Abwägen auf, sondern zu einem idealistischen Geben. So wie du es eigentlich auch gerne hättest, auch wenn deine Erfahrung dir vielleicht sagt, dass andere es nicht machen.
Es geht nicht darum, was du von anderen erwarten kannst, sondern was du eigentlich gerne hättest, was du dir wünschen würdest.
Ich glaube, wenn wir so darüber nachdenken, merken wir, wie herausfordernd dieses Grundprinzip der Liebe ist. Ich habe die Predigt geschrieben, und während ich über diesen Vers und dieses Prinzip nachdachte, wurde mir plötzlich klar: Ich hatte mich gerade ungefähr eine Stunde vorher an diesem Prinzip versündigt.
Angeregt durch die beiden letzten Predigten überlegte ich, wie es eigentlich mit meinem Geben aussieht. Gebe ich eigentlich wirklich den Zehnten? Gerade weil wir durch meine Frau ab und zu noch Einkommen haben, das nicht regelmäßig kommt, sondern sporadisch, habe ich mich gefragt, ob wir dafür eigentlich genug gegeben haben.
Dann habe ich nachgerechnet und sogar eine oder zwei Überweisungen fertig gemacht. Als ich gerade die Online-Überweisungen in Auftrag geben wollte, dachte ich: Warte mal, da müssen ja noch Steuern draufgezahlt werden. Ich begann nachzurechnen und dachte: Vielleicht ist es ja sogar zu viel. Was bin ich eigentlich für ein Geizhals?
Am Sonntag predige ich noch, dass es nicht um Gesetzliches geht, sondern darum, dass wir unsere Herzen großherzig und voller Liebe geben sollen. Und dann erwische ich mich selbst dabei, dass ich nicht das tue, was ich eigentlich von anderen erwarten würde.
Kennst du das? Keine Sorge, ich habe den Auftrag dann doch noch abgeschickt.
Also: Tust du wirklich immer das, was du von anderen erwünschen würdest? Das ist das, wozu Jesus hier aufruft.
Das Vorbild der Liebe: Gottes Liebe als Maßstab
Und Jesus geht noch weiter und sagt: Ich gebe euch nicht nur einen allgemeinen, sehr herausfordernden Aufruf und erkläre euch ein Grundprinzip, an dem ihr euch immer wieder orientieren könnt. Nein, ich möchte euch auch einen Orientierungspunkt geben. Ihr solltet euch nicht an dem orientieren, was andere tun, nicht an dem, was die Welt oder auch Sünder tun, sondern an dem, was Gott für uns getan hat.
Das bringt uns zum dritten Punkt der Predigt, zum Vorbild der Liebe: Liebt nicht wie die Welt, sondern so wie Gott.
Nachdem Jesus also aufgerufen hat, so zu lieben, und dieses Prinzip erklärt hat, kommt er ab Vers 32 dazu, den Jüngern zu sagen: Hier ist, wie die Welt liebt – so liebt bitte nicht. Also liebt auch so, aber nicht nur so. Orientiert euch in eurer Liebe an Gottes Liebe.
Ich lese uns die Verse 32 bis 36 vor:
„Und wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben ihre Freunde. Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon? Denn die Sünder tun dasselbe auch. Und wenn ihr den leiht, von dem ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch die Sünder leihen den Sündern, damit sie das Gleiche bekommen. Vielmehr liebt eure Feinde, tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein, denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Was Paulus hier tut, ist, er bremst ein bisschen die Selbstrechtfertigung, die in manchen Christen, also in mir zumindest manchmal, vorhanden sein kann. Man denkt: Na ja, ich habe ja schon relativ viel Liebe. Paulus sagt: Bildet euch nicht ein, dass die Welt, dass Menschen, die Gott gar nicht kennen, dass Sünder nicht auch Liebe haben. Es ist ganz normal, diejenigen zu lieben, von denen wir geliebt werden. Es ist ganz normal, denen Gutes zu tun, die uns Gutes tun. Es ist ganz normal, denen zu leihen, von denen wir uns etwas zurückerwarten. Solche praktische Liebe ist gut. Also nehmt nicht mit nach Hause, dass wir das nicht tun sollten. Doch, auf jeden Fall. Aber noch viel mehr.
Denn wir als Christen sollen uns nicht auf das beschränken, was auch die Welt tut. Wir sollen anders lieben, mehr lieben, als es diese Welt tut. Christen sollte man an einer ganz besonderen Liebe erkennen – einer Liebe, die die Welt eben nicht kennt, einer Liebe für die Feinde, einer Liebe, die Gutes tut und leidet, auch dann, wenn es nichts zurückgibt.
Aber ist das letztendlich nicht ein bisschen viel verlangt? Wie kann Jesus das von uns fordern? Ich glaube, er kann es fordern, weil es unsere Berufung ist – unserer Berufung als Jünger Jesu, ihm nachzufolgen und immer mehr so zu sein wie er. Und eigentlich sollte das die Berufung aller Menschen sein. Dafür hat Gott die Menschen gemacht. Gott hat uns Menschen in seinem Abbild geschaffen, damit wir so lieben, wie auch Gott liebt. Wir sollen etwas abbilden gegenüber der ganzen Schöpfung.
Und weil wir uns so unheimlich schwer damit tun, weil wir Menschen immer wieder daran gescheitert sind, weil es keiner schafft, so zu lieben, wie Gott liebt, etwas von Gottes Liebe gegenüber der Schöpfung widerzuspiegeln, kam Gott in Jesus Christus zu uns Menschen. Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Er lebte genau so wie der Vater. Und seinen Jüngern gab er drei Jahre lang Anschauungsunterricht. Er zeigte ihnen, was es heißt, die Feinde zu lieben, denen Gutes zu tun, die ihn hassen zu segnen, die ihn verfluchen, für die zu bitten, die ihn beleidigen.
Wir haben dieses Anschauungsbeispiel zwar nicht in dem Sinne vor Augen, dass Jesus mit uns irgendwo langgeht und wir sehen können, wie er es tut, aber wir haben natürlich das Zeugnis all dieser Dinge niedergeschrieben in der Bibel. Wir müssen es nicht nur einmal beobachten, wir können es immer und immer wieder lesen.
Ich möchte euch Mut machen: Lest die Bibel, lest vor allem die Evangelien. Nutzt auch diese Predigtserie, die heute wieder beginnt, um Jesus noch klarer in den Blick zu bekommen, um ihn zu beobachten und im Schauen auf ihn immer mehr verwandelt zu werden – hinein in sein Ebenbild.
Und dann seht, wie Jesus diejenigen liebte, die ihn ablehnen. Wegen der Rebellion gegen Gott musste er überhaupt die Herrlichkeit beim Vater verlassen. Weil Menschen böse waren gegen Gott, weil Menschen nicht so lebten, wie Gott es wollte, musste Jesus die Herrlichkeit Gottes verlassen, Mensch werden und in diese sündige Welt hineinkommen. Was für eine Liebe, was für eine Opferbereitschaft, was für eine Hingabe!
Und dann ist er den Weg weitergegangen bis zum Kreuz, wo er sein Leben gab für die, die gegen Gott waren, die gegen ihn waren. Jesus hat seine Feinde geliebt.
Seht auf die Liebe Jesu, die sich daran zeigte, dass er denen Gutes tat, die ihn misshandelten. Denkt zum Beispiel an Malchus, den Knecht des Hohenpriesters. Als sie Jesus verhaften wollten, kam Petrus und hieb ihm mit einem Schwert das Ohr ab. Und was tat Jesus? Im Wissen darum, dass er gleich verhaftet werden würde, heilte er schnell noch sein Ohr. Er tat denen Gutes, die ihm Übles taten.
Oder denkt an Jesus am Kreuz, als er dort hing und die Leute ihn verspotten. Was tut Jesus? Er bittet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Aber ihr Lieben, lasst uns auf Jesus schauen und immer mehr darin wachsen, so zu werden, wie er war, so zu lieben, wie er geliebt hat – gerade auch die Menschen, die nicht liebenswürdig sind.
Deshalb ist es so grundlegend wichtig, Jesus zu kennen. Wenn wir ihn nicht kennen, würden wir auch nicht so lieben, wie er liebt. Das heißt: Wenn du die völlig bedingungslose, selbstlose Liebe Jesu noch nicht erkannt hast, dann nimm dir bewusst Zeit, Jesus klar in den Blick zu bekommen.
Im November bieten wir an den vier Dienstagen im November wieder einen Christenentdecken-Kurs an – eine gute Gelegenheit, Jesus in den Blick zu bekommen. Es geht einfach darum, Christus zu entdecken, Jesus Christus kennenzulernen: Wer er war, wozu er Mensch geworden ist, was er von uns will. Lerne ihn zu erkennen, erfahre seine Liebe und folge dann seinem Vorbild.
Grundlegend für den Aufruf, den wir hier hören, ist das, was die Beatles uns sagen: „All you need is love.“ Erfahre die Liebe, die einzigartige Liebe Gottes, und orientiere dich daran.
Das ist das, was wir in Vers 35 lesen. Hier heißt es über Gott, den Allerhöchsten: „Er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.“ Amen, das ist meine einzige Hoffnung, das ist meine gewisse Zuversicht.
Als ich noch als Feind Gottes lebte, da war er mir gütig. Ich war nicht dankbar für Jesus am Kreuz, das war mir eigentlich ziemlich egal. Ich war böse, weil ich meine eigenen Wege ging und nicht danach fragte, was Gott von mir will. Doch Gott war gütig gegen mich, den Undankbaren und Bösen. Und allein aufgrund seiner Barmherzigkeit und Liebe durfte ich Christus erkennen als meinen Retter und Herrn.
Und gilt das nicht für fast alle unter uns? Gilt das nicht auch für dich? Kannst du nicht auch sagen: Ich weiß, dass mein Gott mir gegenüber gütig war, als ich noch undankbar und böse war?
Wir dürfen die Aufopferungsbereitschaft, die bedingungslose Liebe Gottes erleben. Wir dürfen wissen um seine Barmherzigkeit. Das ist das, was wir in Vers 36 lesen: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Halleluja, unser Vater ist barmherzig. Und jetzt wollen wir tun, was er getan hat.
In den Versen 32 bis 34 betont Jesus: Wenn wir nur Barmherzigkeit zeigen, wo wir sie wieder erwarten, wenn wir nur gütig sind gegenüber denen, die uns gegenüber gütig sind, dann verdient das keinen besonderen Dank. Das macht jeder.
Aber er betont dann hier in Vers 35, dass diejenigen, die sich an Gottes Barmherzigkeit, an seiner Güte orientieren, einen großen Lohn empfangen werden.
Der Lohn der Liebe: Gottes großzügige Gegenliebe
Und das bringt uns zum letzten Punkt dieser Predigt. In den Versen 36 bis 38 – beziehungsweise 37 und 38, Entschuldigung – zeigt uns Jesus den Lohn der Liebe.
Da heißt es: „Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet; verurteilt nicht, so werdet ihr nicht verurteilt; vergebt, so wird euch vergeben; gebt, so wird euch gegeben.“ Entschuldigung, da waren wir schon ein volles und ein gedrücktes und gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben. Denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen.
Das heißt: Wenn wir, motiviert durch Gottes Liebe und Barmherzigkeit, darauf verzichten, andere zu richten und zu verdammen, dann dürfen wir gewiss sein, dass Gott auch uns nicht richten und verdammen wird.
Als Christen können wir gerade deshalb großzügig geben, weil wir wissen dürfen, dass Gott uns viel mehr geben wird. Das Bild, das hier gebraucht wird, ist für uns ein bisschen ungewöhnlich, weil wir normalerweise nicht davon sprechen, dass wir Dinge in den Schoß bekommen. Aber ich glaube, wenn wir ein bisschen darüber nachdenken: Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und immer noch überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben.
Das ist ein Bild für Fülle. Gott wird euch reich geben, reich. Aber wir sollten eben mit dem Maßstab andere messen, den wir gerne an uns selbst angelegt haben möchten von Gott.
Ich denke, wir alle wissen, wie wir vor Gott nur bestehen können: weil er uns vergibt, weil er uns seine Liebe gibt, weil er uns unendlich gnädig ist. Ich denke, wir wissen um die Großzügigkeit, um die Liebe Gottes, um den reichen Schatz, der jeden erwartet, der Jesus Christus nachfolgt.
Wenn wir den Aufruf, das Grundprinzip und das Vorbild der Liebe Jesu erkannt haben und danach leben, dann dürfen wir wissen: Wir werden am Ende nicht als Verlierer dastehen. Du wirst nicht verlieren. Deine Bilanz am Ende wird nicht negativ sein, weil du nie mehr geben kannst, als du empfangen wirst von Gott. Vertraust du darauf?
Und der Herr sagt dir: Das ist nicht unmöglich, ich befähige dich dazu. Er hat uns zuerst geliebt und dann hat er uns seine Liebe durch seinen Geist in unsere Herzen ausgegossen, sodass wir befähigt sind, als zuerst Geliebte nun andere zu lieben.
Und warum? Damit eben auch die, die heute noch Feinde sind, Gottes Liebe erkennen dürfen durch dich. All they need is love, love is all they need.
Bist du bereit, ihnen diese Liebe zu zeigen? Diese Liebe, die gibt und nicht fragt: Was kriege ich dafür? Diese Liebe, die sich aufopfert, diese Liebe, die selbst zu den Feinden hingeht und zu denen, die uns verspotten.
Gott wird das Reich entlohnen.
Beispiel aus der Mission: Liebe trotz Feindschaft
Ich möchte mit einer kurzen Geschichte über wahre Liebe enden.
Im Januar 1956 nahm der amerikanische Missionar Jim Elliot zusammen mit vier weiteren Missionaren Kontakt zu einem Indianerstamm im Amazonasgebiet in Ecuador auf. Viele von euch kennen diesen Bericht. Diese Missionare waren von der Liebe Gottes getrieben. Sie hatten ihre Heimat und den Wohlstand, den sie in den USA besaßen, verlassen. Einige von ihnen stammten aus relativ guten Elternhäusern. Sie kamen einfach, weil sie die Liebe Gottes erfahren hatten und diese weitergeben wollten.
Sie versuchten, Kontakt zu diesem Indianerstamm aufzunehmen. Im Januar 1956 kam schließlich der Tag, an dem sie einen ersten wirklichen Kontaktversuch unternahmen. Doch was geschah? Sie wurden brutal getötet von denen, denen sie die Liebe Gottes zeigen wollten.
Die damals 29-jährige Witwe von Jim Elliot, Elizabeth, blieb mit ihrer damals noch nicht einmal einjährigen Tochter in Ecuador zurück. Sie blieb dort, weil sie wusste, dass das Werk der Liebe Gottes weitergehen musste. In Gottes guter Vorsehung war es ihr möglich, zwei Frauen aus diesem Stamm kennenzulernen, die für eine Zeit den Stamm verlassen hatten. So konnte sie die Sprache des Stammes lernen.
Heute vor sechzig Jahren, im Oktober 1958, zog Elizabeth Elliot mit ihrer dann dreijährigen Tochter zu diesen Menschen, zu dem Stamm, der ihren Mann getötet hatte. Sie vergab ihnen, sie liebte diese Menschen und diente ihnen. Das Zeugnis ihrer Feindesliebe war so stark und strahlte so hell, dass viele Menschen in diesem Indianerstamm zum lebendigen Glauben an Jesus Christus kamen.
Hier zeigt sich der Lohn der Liebe. Elizabeth Elliot ist vor zwei Jahren gestorben. Ihr Zeugnis lebt weiter und darf uns heute inspirieren. Sie darf heute beim Herrn sein und den Lohn der Liebe empfangen.
Schlussgebet: Bitte um die Kraft zur Liebe
Ich möchte für uns beten.
Himmlischer Vater, danke für das, was wir nie ganz begreifen können. Warum hast du die Herrlichkeit des Himmels eingetauscht gegen eine Welt voller Sünde? Warum hast du in ärmlichen Umständen gelebt, wurdest verspottet, verhaftet, gefoltert und brutal getötet? Warum diese Liebe?
Herr, wir bekennen dir, dass wir diese Liebe nicht aus uns selbst haben. Wir können sie nur von dir erbitten.
So möchte ich dich bitten für uns als Gemeinde: Fülle unsere Herzen immer mehr mit deiner Liebe. Lass sie uns durchdringen und durch uns hinausstrahlen in diese finstere Welt. So können auch viele Menschen deine Liebe erkennen.
Danke, dass wir wissen dürfen: Wir werden nie zu mehr gerufen, als wir selbst empfangen. Ganz im Gegenteil.
So preisen wir dich für das Versprechen des Lohns der Liebe, der alle erwartet, die dir nachfolgen.
Gepriesen seist du dafür, in Jesu Namen. Amen.