Einführung und Überblick über das Lukasevangelium
Noch einmal mit uns. Herr Jesus, wir möchten dich bitten, dass du uns das richtige Verständnis von deinem Wort gibst, damit wir das mitnehmen, was du uns sagen möchtest. Amen.
Wir haben uns jetzt mit etwas Abstand von ein paar Tagen beschäftigt. Dazwischen lag der Sonntag, und am Samstag hatten wir Seminare. Dort haben wir uns getroffen und uns, wenn ihr euch noch erinnert, mit dem Lukasevangelium auseinandergesetzt. Es ist fast so, als müsstet ihr noch etwas länger dableiben, denn bisher sind wir ja nur bis zum vierten Kapitel gekommen. Also haben wir noch ein paar Kapitel vor uns – genau gesagt zwanzig.
Was machen wir jetzt? Wir werden einige Kapitel überspringen. Eine Alternative wäre, dass ihr einfach bis morgen früh sitzen bleibt, dann schaffen wir es vielleicht auch, alles durchzugehen. Aber das wird schwierig, denn nach einigen Stunden wird es mühsam, weiter hier zu sitzen. Deshalb machen wir das nicht. Stattdessen überspringen wir einige Kapitel.
Ich werde einen Ausschnitt aus Kapitel 21 nehmen, also aus der Zeit gegen Ende von Jesu Leben. Zuerst lese ich einen Abschnitt aus dem Lukasevangelium, Kapitel 21, Verse 12 bis 19 vor. Später werde ich auch noch die Verse 32 bis 38 aus demselben Kapitel lesen.
In diesem Abschnitt ist Jesus inzwischen in Jerusalem angekommen. Es geht besonders um den Ausblick Jesu auf die Zukunft. Ich dachte, das ist ein guter Abschluss. Ihr seid sicher auch gespannt, wie eure Zukunft weitergeht, wenn ihr euch wieder auf den Weg nach Hause macht. Wahrscheinlich denken einige von euch auch darüber nach, dass wichtige Entscheidungen anstehen, zum Beispiel bezüglich Beruf oder Wohnort.
Deshalb habe ich gedacht, es ist gut, noch einmal einen Ausblick auf die Zukunft zu geben. Dabei geht es hier nicht nur um unsere individuelle Zukunft, sondern um die Heilsgeschichte Gottes. Das heißt, um die Zukunft im Großen, in die wir alle mit hineinkommen werden. Als Christen sind wir ja selbst schon Teil davon, aber darauf wollen wir noch ein besonderes Augenmerk legen.
Jesu Warnungen und Verheißungen an die Jünger
Ich lese aus Kapitel 21, Verse 12 bis 19:
„Aber vor all dem werden sie Hand an euch legen und euch verfolgen. Sie werden euch den Synagogen und Gefängnissen überantworten und euch vor Könige und Statthalter führen – um meines Namens willen. Das wird euch widerfahren als Zeugnis.
So nehmt euch vor, dass ihr euch nicht vorher sorgt, wie ihr euch verantworten sollt. Denn ich werde euch Mund und Weisheit geben, sodass niemand euren Gegnern widerstehen oder widersprechen kann. Ihr werdet aber von Eltern, Brüdern, Verwandten und Freunden verraten werden. Manche von euch werden getötet, und ihr werdet von allen Menschen um meines Namens willen gehasst sein.
Doch kein Haar von eurem Haupt wird verloren gehen. Seid standhaft, und ihr werdet euer Leben gewinnen.“
Ich lese weiter ab Vers 32:
„Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis alles geschehen ist. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden niemals vergehen.
Hütet euch jedoch, dass eure Herzen nicht beschwert werden durch Fressen und Saufen und die Sorgen des täglichen Lebens. Dass dieser Tag nicht plötzlich über euch kommt wie eine Falle. Denn er wird über alle kommen, die auf der ganzen Erde wohnen.
Seid deshalb allezeit wach und betet, dass ihr stark werdet, um allem zu entfliehen, was geschehen soll, und um vor dem Menschensohn zu stehen.“
Er lehrte tagsüber im Tempel. Nachts aber ging er hinaus und blieb auf dem Berg, den man Ölberg nennt. Das ganze Volk machte sich früh auf, um ihn im Tempel zu hören.
Soweit.
Kontext und Weltbild Jesu im Lukasevangelium
Das Ganze steht in einem Gesamtzusammenhang. Wir sehen das am Anfang von Kapitel 21: Jesus kommt mit seinen Jüngern in den Tempel. Dort sagt Jesus, dass dieser Tempel vernichtet werden wird. Die Jünger fragen ihn daraufhin, wann das geschehen wird und was dann passieren wird. Das ist also der Kontext, in dem das hier stattfindet.
Es geht auch um die Frage der Wiederkunft Jesu. Ab Vers 25, den wir jetzt übersprungen haben, werden Zeichen für das Kommen des Menschensohns beschrieben – also für den Zeitpunkt, an dem Jesus zum zweiten Mal auf die Erde kommen wird.
Schon an der Frage der Jünger, wann das sein wird und was in der Zukunft passieren wird, erkennen wir ein besonderes Weltbild. Dieses Weltbild haben wir oft schon im Kopf, sind uns aber manchmal nicht bewusst, wie stark wir christlich geprägt sind. Es ist ein Weltbild, das ein Ziel vor Augen hat. Wir glauben, dass die Weltgeschichte auf ein Ende zuläuft, so wie sie einen Anfang hatte.
Dieses Weltbild gibt es beispielsweise im Hinduismus nicht. Im Hinduismus ist alles ein großer Kreislauf; in vielen Millionen Jahren wiederholt sich alles, alles kommt wieder. Ähnlich war es in der Antike bei den Stoikern. Sie gingen davon aus, dass sich die Weltgeschichte alle dreitausend Jahre wiederholt. Es kommt ein großer Weltbrand, alles wird verbrannt, die Erde abgefackelt. Danach werden wieder Menschen auf die Erde gesetzt, die genau dieselben Fehler machen und dieselben guten Dinge tun. Nach dreitausend Jahren ist alles wieder vorbei und beginnt von vorne.
Das ist ein ganz anderes Weltbild. Es findet sich im Buddhismus, im Hinduismus, im Universalismus und bei den Stoikern, die in der Umwelt Jesu lebten. Die Jünger kannten diese Vorstellungen auch, denn solche Prediger zogen im ganzen Römischen Reich umher.
Hier setzt Jesus bewusst ein anderes Geschichtsbild entgegen, wie es auch schon im Alten Testament vorkommt. Ein Geschichtsbild, das wir wahrscheinlich auch vertreten. Es gibt einen definierten Anfang – zwar nicht immer denselben, aber einen Anfang – und ein definiertes Ende.
Genauso wie für unser Leben: Als Christen gehen wir davon aus, dass unser Leben einmalig ist. Alles, was wir erleben, ist eine einmalige Situation. Wenn das Leben einmal endet, ist alles vorbei. Wie wir lesen: „Dem Menschen ist gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Hebräer 9,27). Danach gibt es keine Chance mehr. Das zeigt auch die Geschichte von Lazarus und dem reichen Mann im Lukasevangelium (Lukas 16,19-31). Nein, es gibt keine Chance nach dem Tod.
Es gibt keine Reinkarnation – also kein immer wieder auf die Erde kommen, keine zweite, dritte oder tausendste Chance. Das ist ein ganz anderes Weltbild.
Christen erwarten ein Ziel der Geschichte. Das Ziel der Geschichte ist die Herrschaft Jesu. Dann werden Geschrei, Krankheit und Leid aufhören, so sagt uns die Offenbarung. Dann wird Gott herrschen, die Sünde wird ausgeräumt sein, der Teufel gebunden, und es wird einen neuen Himmel und eine neue Erde geben (Offenbarung 21,1-4).
Das ist das, was hinter der Hoffnung der Jünger damals stand und hinter der Ankündigung Jesu.
Die Verfolgung der Christen in der Endzeit
Nun wollen wir nur einen Ausschnitt daraus nehmen, sonst kämen wir hier nicht sehr weit. Wir wollen uns diesen Ausschnitt anschauen: Wie geht es der Gemeinde? Und damit sind ja diejenigen gemeint, die sich Christen nennen. Das betrifft uns also.
Was wird in dieser letzten Zeit mit uns geschehen? Wir können uns die Frage stellen: Sind wir schon in dieser letzten Zeit? Möglicherweise ja, denn einiges deutet darauf hin, dass wir sagen können: Bald kommt Jesus wieder.
Nun wollen wir sehen, was Jesus dazu sagt. Er sagt erst einmal in Vers 12: „Aber von diesem allen werden sie die Hand an euch legen.“ Das heißt, bevor all das geschieht, was vorher gesagt wird – zum Beispiel die Zerstörung des Tempels – werden sie die Hand an euch legen und euch verfolgen.
Hier stellt sich die Frage: Wer wird denn überhaupt verfolgt? Ich habe jetzt vorausgesetzt, dass es die Gemeinde ist. Allerdings könnten wir zunächst den Eindruck gewinnen, dass es die Juden sein müssen, denn Jesus spricht vom Tempel und später auch von Jerusalem. Zum Beispiel in Vers 24 heißt es, dass die Völker nach Jerusalem kommen werden. Das müssten doch die Juden sein, also richtet sich Jesus vielleicht gar nicht an uns als Gemeinde, sondern an die Juden.
Allerdings sieht die Sache anders aus, wenn wir genau hinschauen. In Kapitel 20, Vers 45, als Jesus seine Rede beginnt, lesen wir: „Als aber das Volk zuhörte, sprach er zu seinen Jüngern.“ Das bedeutet, das Volk hört zu, aber die Zielgruppe, die Jesus eigentlich meint, sind die Jünger. Und bei den Jüngern merken wir, dass sie zwar Juden sind – die ersten Jünger –, aber auch Christen.
Wenn wir uns daran erinnern, dass in der Offenbarung die Christen als diejenigen angesprochen werden, die verfolgt werden, und dann der Überrest der Juden, die Jesus als Messias erkannt haben, dazukommt, merken wir: Im Hinblick auf die Offenbarung sind hier eigentlich Christen gemeint. Obwohl Jesus sich hier erst einmal an die ersten Christen, also potenziellen Christen, richtet – nämlich die Juden, die Jünger, die er anspricht – sind es doch Gläubige, die gemeint sind.
Das merken wir auch, wenn wir das Kommen des Menschensohns ab Vers 21 ansehen. Dort geht es um das Ende Jerusalams und das Kommen des Menschensohns. Auch hier werden dieselben Kriterien genannt, die wir in der Offenbarung finden. Dort wird ganz deutlich die Gemeinde genannt, die verfolgt wird.
Insofern können wir also annehmen, dass hier Christen gemeint sind. Wenn wir lesen, dass sie verfolgt werden, könnte man das auch so übersetzen: „Sie verfolgen euch.“ Dann steht hier: „Und sie werden euch überantworten.“ Man könnte das auch so übersetzen, dass sie euch vor die Synagogen und vor die Könige und Statthalter schleppen.
Das heißt, Verfolgung und das Schleppen vor die Vertreter in den Synagogen und vor Könige und Statthalter sind nicht zwei verschiedene Dinge, sondern dasselbe. Hier wird beschrieben, wie die Verfolgung abläuft.
Interessanterweise finden wir hier gleich zwei verschiedene Aspekte der Verfolgung: Zum einen die staatliche Verfolgung – sie werden vor Könige und Statthalter geschleppt –, also die höchsten Vertreter und Autoritäten des Staates damals. Zum anderen finden wir indirekt auch die Verfolgung durch die religiöse Einrichtung, nämlich die Synagogen.
Das ist das, was wir später beim Antichristen und dem falschen Propheten finden. Der falsche Prophet steht für den religiösen Hintergrund, der Antichrist für den politischen Hintergrund. Und hier erwähnt Jesus beides.
Nun fragen wir uns: Warum werden die Jünger in die Synagogen geschleppt und in Gefängnisse? Was hat das mit den Synagogen zu tun? Wer wird heute in eine Kirche oder eine Synagoge geschleppt, um dort verurteilt zu werden?
Damals war das möglich. Denken wir nur daran, als Jesus festgenommen wurde: Er wurde zu Hannas und Kaiphas gebracht, die über ihn urteilten. Der Staat führte das Urteil aus, aber die religiöse Instanz war an der Verfolgung beteiligt.
Jesus sagt, dass es auch in der Endzeit so sein wird: Ihr werdet nicht nur staatlicher Verfolgung ausgesetzt sein, sondern auch religiöser Verfolgung.
Es wird eine religiöse Alternative geben, die sagt: Ihr als Christen seid falsch, ihr müsst euch dem unterordnen, was dort verkündet wird. Die Menschen werden also in der Endzeit nicht vollkommen areligiös sein, wie wir manchmal denken, sondern ein Großteil wird religiös sein – aber entgegengesetzt zum christlichen Glauben.
Das erleben wir langsam. Es baut sich ein Potenzial von religiösen Überzeugungen auf. Wir haben uns mit Magie, Okkultismus beschäftigt, die eine starke Rolle spielen. Denken wir auch an die Esoterik und das Interesse an östlichen Religionen.
Es gibt schon Religiosität, die bei Menschen eine Rolle spielt. Wenn Menschen in eine große Krise kommen, fragen sie oft nach Gott – aber nicht mehr nach Jesus Christus als Messias, sondern nach einer anderen Alternative.
Damals war es üblich, dass in den Synagogen nicht nur der Hohepriester Urteile vollzog. Im ersten und zweiten Jahrhundert wurden in den Synagogen auch Geißelungen vorgenommen. Jemand, der eine Sünde begangen hatte, wurde von Priestern, Hohepriestern, Sadduzäern und Schriftgelehrten zitiert und verurteilt. Dann konnte man ihn auspeitschen. Das gab es.
Interessant ist auch, dass das Gefängnis erwähnt wird. Wahrscheinlich denken wir an unsere heutigen Gefängnisse und Strafvollzug – zum Beispiel: Du bist Christ, dafür musst du zehn Jahre ins Gefängnis.
Jesus meint hier etwas anderes. Das wissen wir, wenn wir das Alte Testament und das Judentum genauer kennen. Im Judentum gab es kein Gefängnis zur Strafverfolgung. Im ganzen Alten Testament bei den Gesetzen des Mose steht nichts davon, dass jemand zehn Jahre ins Gefängnis kommt, wenn er jemanden ermordet oder fünf Jahre, wenn er gestohlen hat. Gefängnisse gab es nicht.
Das scheint erst einmal seltsam. Man könnte sagen: Welch ein glückliches Volk, das ohne Gefängnisse auskommt. Die Mörder waren auch böse, aber es gab im Alten Testament nur Körper- oder finanzielle Strafen – also Zahlungen oder körperliche Strafen wie Auspeitschen oder das Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Gefängnisse gab es nicht. Wenn jemand einsperrt wurde, dann nicht als Strafe, sondern zur Verwahrung bis zum Urteil. Wer nicht zahlen konnte, musste für die Wiedergutmachung sorgen. Wenn das nicht möglich war, verlor er sein Leben – die Todesstrafe gab es auch.
Jetzt fragen wir uns: Warum kommen die ins Gefängnis? Gefängnisse gab es im Alten Testament nur, um jemanden festzuhalten, bis das Urteil gesprochen wurde.
Wenn also jemand jemanden ermordet hatte, gab es nicht sofort ein Urteil. Die Person wurde gefangen genommen und festgehalten, bis die Richter zusammenkamen und das Todesurteil fällten.
So lange wurde die Person im Gefängnis gehalten – nicht als Strafe, sondern zur Verwahrung.
Hier ist dasselbe gemeint: Wenn wir vor Könige oder Synagogen gebracht werden, heißt das nicht, dass wir eine Gefängnisstrafe erwarten müssen. Es bedeutet nur, dass man uns festhält, um uns verurteilen zu können.
Das ist der Hintergrund.
Das ist eine interessante Überlegung, auch für uns heute. Wenn Christen politisch engagiert wären, könnten sie sagen: Gefängnisse abschaffen, viel Geld sparen und den Menschen andere Strafen geben, bei denen sie stärker spüren, was sie getan haben.
Sie müssten dann tatsächlich die Auswirkungen ihrer bösen Taten erleben – zum Beispiel durch Arbeit oder andere Maßnahmen.
Die Bedeutung der Verfolgung als Zeugnis
Das wird euch wiederfahren als ein Zeugnis, und das ist hier ganz seltsam. Wir denken jetzt an Verfolgung – das ist doch schlimm, das ist doch eine Niederlage Gottes. So denken auch diejenigen, die die Christen verfolgen. Sie sagen: „Jetzt zeigen wir denen mal richtig, wer hier der Herr im Haus ist. Wir unterdrücken sie, wir rotten sie aus, und dann ist es vorbei mit den Christen.“
Doch hier sagt Jesus, es wird genau das Gegenteil passieren. Die Absicht ist, Christen zu vernichten, aber das Ergebnis wird die Bestätigung des Glaubens sein. Es steht hier: „Es wird geschehen zu einem Zeugnis.“ Das heißt, die Menschen wollen Gott etwas Negatives antun, aber Gott dreht das Ganze um. Am Ende wird seine Sendung dadurch bestätigt, und die Christen werden dadurch beglaubigt.
Es ist ein Zeugnis, sicherlich einerseits, weil die Christen geduldig in der Verfolgung ausharren. Dadurch wird den Menschen deutlich, dass es sich nicht nur um irgendeine religiöse Überzeugung handelt, sondern dass eine Kraft Gottes dahintersteht, die Menschen aus eigener Kraft gar nicht bewältigen können. Menschen würden aufgeben, doch sie tun es nicht.
So ähnlich war es ja schon bei der Verfolgung im Römischen Reich, als die Christen in die Arena geführt wurden, um von Löwen zerrissen zu werden. Die Zuschauer waren enttäuscht von der Show. Denn die Christen, die gefressen werden sollten, verhielten sich anders, als erwartet. Man hätte gedacht, sie laufen in Angst herum, schreien und kämpfen mit den Löwen. Stattdessen stellten sie sich in einen Kreis, sangen Lieder und ließen sich einfach so auffressen.
Das war keine Show, keine Spannung, nichts Dramatisches. Dadurch sind viele zum Glauben gekommen. So sagt Tertullian: „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche gewesen.“ Deshalb hat man sie später gar nicht mehr in die Arena geschickt. Man dachte sich: „Das ist kontraproduktiv. Es kommen mehr zum Glauben, als dass wir Christen umbringen. Das wirkt nicht.“
Aber genau so kann Gott das gebrauchen. Die Menschen meinen es böse, aber Gott kann etwas Gutes daraus machen. Das ist hiermit gemeint: Es wird zum Zeugnis sein von dem, was da passieren wird. Und es wird auch ein Zeugnis ablegen von der Schlechtigkeit der Verfolger.
Die Verfolger halten sich für besser: „Wir sind die Besseren, die Christen sind die Bösen und die Dummen.“ Dann wird hier ganz deutlich werden, wie wir auch in Philipper 1,28 lesen können, dass diejenigen, die die Christen verfolgen, sich dadurch selbst ein Urteil sprechen. Es ist also auch ein Zeugnis für die Schlechtigkeit der Verfolger.
Wir sehen die Erfüllung dieser Aussage Jesu auch direkt im Leben der Jünger. Jesus sagt ja, dass die Jünger genauso leiden werden: „Habt ihr mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen.“ Und das passiert tatsächlich.
In der Kirchengeschichte wissen wir nur von einem Jünger, nämlich Johannes, dass er ein hohes Alter erreicht hat und eines natürlichen Todes starb, soweit wir wissen. Von den anderen Jüngern wissen wir aus der Bibel und der Kirchengeschichte, dass sie alle einen Märtyrertod gestorben sind. Manche starben relativ jung, andere wurden etwas älter. Aber Johannes war der Einzige, dem das nicht widerfuhr.
Gottes Beistand in der Verfolgung
Nehmt euch nun zu Herzen, dass ihr euch nicht vorher Sorgen machen sollt, wie ihr euch verantworten werdet. Das Wort „verantworten“ kann man auch so verstehen, dass ihr eine Verteidigungsrede vor Gericht einüben sollt. Es geht also nicht darum, dass wir faul sein sollen oder dass es ein Verbot gäbe, den christlichen Glauben zu verteidigen. Es geht nicht darum, gute Gründe zu finden, um Menschen zu zeigen, dass es sinnvoll ist zu glauben.
Vielmehr ist gemeint: Ihr wisst nicht, wann man euch festnehmen wird. Deshalb sollt ihr euch nicht ständig damit beschäftigen, eure Rede auswendig zu lernen, was ihr dann sagen wollt. Diese besondere Situation ist damit gemeint: Ihr seid unter Druck, unter Angriffen von außen. In dieser Lage will Gott sich verwirklichen. Er will ein Zeugnis ablegen, wie wir im Vers vorher gelesen haben. Gott will handeln und sich verherrlichen.
In dieser Situation nützt es nichts, Reden auswendig zu lernen. Natürlich soll man sich mit dem Glauben auseinandersetzen. Aber hier geht es nicht um das Predigen des Evangeliums, nicht um Mission oder Apologetik. Es geht darum, dass Christen, die auf Tod und Leben in den Händen ihrer Henker sind – in dieser Extremsituation – sich nicht auf sich selbst verlassen sollen. Stattdessen sollen sie sich nur auf Gott verlassen.
Vertraut darauf, dass Gott sich in dem, was ihr sagt, verherrlicht und dass er euch durch den Heiligen Geist führt. Das ist der Hintergrund dessen, was hier gemeint ist. Das nimmt uns auch den Druck. Wenn wir wirklich in eine solche Verfolgungssituation kommen, dann kommt es nicht auf die Stärke unseres Glaubens an.
Ihr könnt euch selbst einmal fragen: Was würde ich tun, wenn jemand mit einem Maschinengewehr vor mir stünde und sagen würde: „Schwör deinen Glauben ab, oder ich schieße dich nieder“? Hier in der Sicherheit der Bibelschule Brake, in Gemeinschaft mit vielen anderen Christen, fällt es vielleicht leicht zu sagen, dass man widerstehen würde und sagt: „Ja, er schießt mich für den Glauben.“ Aber ich bin mir da nicht sicher.
Natürlich würde ich immer sagen, dass ich den Glauben in meinem Herzen behalte. Aber wenn diese Leute das hören wollen, dann sage ich vielleicht: „Okay, alles vergesse ich.“ Und sobald sie mit ihrem Gewehr weg sind, würde ich sagen: „Gut, ich bin davongekommen. Ich danke Gott, dass ich noch lebe.“ So haben manche Christen in der Verfolgung damals auch gehandelt.
Dann aber trotzdem zu sagen: „Ich halte daran fest“, das kann nur Gott bewirken. Aus eigener Kraft können wir das nicht. Dazu sind wir zu schwach, glaube ich – zumindest ich. Ich glaube, ich bin zu schwach dafür. Das ist Schwäche. Ich kann das nur, wenn Gott mir die Kraft gibt, wenn Gott das durch den Heiligen Geist bewirkt.
Ich hoffe allerdings, nie in eine solche Situation zu kommen. Deshalb hoffe ich auch, daraus wieder herauszukommen. Aus meiner Sicht kann diese Verfolgungszeit also noch ein bisschen warten. Aber Jesus sagt, dass es bald so weit sein wird. Einige der Anzeichen haben sich bereits erfüllt. Von daher wissen wir nicht, was uns noch bevorsteht.
Gottes Gabe von Mund und Weisheit
Vers 15: Denn ich will euch Mund und Weisheit geben.
Dieser Vers klingt auf den ersten Blick etwas seltsam. Jesus sagt, er wolle uns etwas geben – Mund und Weisheit. Aber haben wir nicht alle schon einen Mund? Was ist damit gemeint? Ihr habt doch einen Mund, ich auch, und wir können reden. Hier handelt es sich um ein Bild. Diese Ausdrucksweise findet sich im Alten Testament häufiger.
Was gemeint ist: Jesus ist bei uns gegenwärtig. Er will uns nicht irgendeinen Mund oder irgendeine Weisheit geben, sondern seinen Mund und seine Weisheit. Wenn ich sage: „Hier ist mein Mund“, ist das ähnlich wie die Redewendung „Ist dem Arm des Herrn etwas zu schwach oder zu groß?“ Natürlich ist das nicht wörtlich gemeint, sondern übertragen. Wenn ein Körperteil genannt wird, meint man damit, ob Gott etwas nicht vermag.
Hier steht: „Ich will euch meinen Mund geben.“ Das heißt, er will bei uns sein und durch unseren Mund sprechen, um das auszusagen, was Sache ist. Dazu genügt es nicht, nur einen Mund zu haben. Das wird doppelt betont: Er will uns einen Mund geben, weil er gegenwärtig ist und in uns wohnt. Außerdem will er uns seine Weisheit geben.
Die Weisheit Jesu wird im Lukasevangelium mehrfach betont. Schon ganz am Anfang, in Kapitel 2, Vers 40, heißt es: „Das Kind wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.“ Später, im selben Kapitel, Vers 52, wird gesagt: „Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade.“ Und auch in Kapitel 7, Vers 35, sowie Kapitel 11, Vers 31, wird seine Weisheit erwähnt. Jesus war voll Weisheit, von Weisheit geprägt.
Wer ein Anti-Intellektualist ist und behauptet, Christen müssten dumm sein, liegt falsch. Wäre das so, dann wäre Jesus kein Christ, und wir müssten ihn ablehnen. Weisheit ist etwas Gutes. Lest die Sprüche! Dort wird Weisheit und Klugheit sehr gelobt. Wir sollen klug und weise sein. Entscheidend ist jedoch, dass diese Weisheit und Klugheit Gott unterstellt ist. Wenn Weisheit von Gott losgelöst ist und meint, klüger als Gott zu sein, dann ist das die Torheit, die wir im ersten Korintherbrief, Kapitel 1, finden. Diese Weisheit ist schlecht.
Nur die Weisheit, die von Gott kommt, sollen wir erstreben und suchen. Sie zeigt sich in unserem täglichen Leben durch Klugheit. Besonders in den Sprüchen werden Klugheit und Weisheit oft gegenübergestellt. Sie gehören zusammen. So wie der König Salomo weise war, um richtige Urteile zu fällen und gut zu regieren – das ist Klugheit im Alltag, und sie ist gut.
Doch diese Weisheit ist nicht selbstgemacht. Wir sollen Gott unseren Verstand übergeben und ihm zur Verfügung stellen. Dann wird er uns führen und gebrauchen. So ist es gemeint: Jesus will uns seinen Mund und seine Weisheit geben und in uns wohnen.
Auch bei Jesus selbst zeigt sich diese Weisheit. Seine Gegner kamen zu ihm, um ihn fertigzumachen. Doch seine Antworten waren so klug, dass sie nichts mehr gegen ihn in der Hand hatten. Als Jesus festgenommen wurde, konnten sie ihm nichts vorwerfen. Es gab keine Anklage, die Bestand hatte.
So wird es auch bei uns sein, wenn wir Verantwortung übernehmen müssen, etwa vor einem Richter oder religiösen Gegner. Durch den Heiligen Geist können wir so antworten, dass die Menschen merken: Das hat keinen Bestand, das ist ungerecht. Das ist die Weisheit, die hier gemeint ist. Sie sorgt dafür, dass alle Gegner uns nicht widersprechen oder widerstehen können – genauso wie bei Jesus.
Sie wollten Jesus reinlegen, etwa bei der Frage nach der Sünde, die schwerer zu vergeben sei als Krankheit. Oder bei der Ehebrecherin, ob man sie steinigen müsse. Jesus antwortete: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Oder bei der Frage, ob man dem Kaiser Geld zahlen solle. Die Gegner hofften, ihn reinzulegen. Entweder waren die Juden sauer, weil er sagte, man solle sich den Römern unterordnen, oder er übertrat das Gesetz, wenn er sagte, man dürfe dem Kaiser nichts geben. Doch sie hatten keine Antwort, konnten nicht mehr reagieren.
Ähnlich verspricht Jesus, wird es auch bei uns sein. Widerspruch gab es gegen Jesus, und uns ist das angekündigt. In Lukas 2, Vers 34 heißt es, dass Jesus zum Widerspruch kommen wird – ein Stein des Anstoßes. Dasselbe Wort wird hier verwendet. Die Menschen werden ihm nicht widerstehen können.
Wir haben die Verheißung, die auch über Jesus erfüllt ist. Selbst in Unterdrückung sind wir nicht allein. Selbst dort, wo körperliche Qualen drohen oder Menschen uns gefangen nehmen wollen, werden wir widerstehen können.
Beispiele aus der Kirchengeschichte
Ich möchte euch zwei Beispiele aus dem Buch „Kirchengeschichte“ von Eusebius von Caesarea vorlesen. Er lebte vor einigen hundert Jahren und war der erste Christ, der eine Kirchengeschichte verfasste. In seinem Werk steht viel darüber, wie die ersten Christen lebten, besonders in den drei Jahrhunderten der Verfolgung.
Ich möchte euch zwei kurze Geschichten erzählen, wie das damals ablief. Eusebius hat sorgfältig nachgeforscht und selbst in dieser Zeit mitgelebt. Die Beispiele zeigen, wie Christen in dieser Verfolgung lebten und wie sie schon damals erfüllt waren von dem, was Jesus verheißen hatte. Sie wussten, richtig zu antworten und angemessen zu reagieren. Die Menschen bemerkten dadurch, dass die Vorwürfe gegen die Christen keinen Bestand hatten.
Als Erstes möchte ich euch von einem Gemeindeleiter namens Pontinus berichten. Er war mit dem bischöflichen Dienst in Lugdunum betraut. „Bischof“ ist hier eine Übersetzung aus dem Griechischen und bedeutet einfach Gemeindeleiter. Damals war das noch kein Amt mit prunkvollem Ornat oder großem Palast, sondern eine normale Leitungsfunktion.
Pontinus war ein Mann von über neunzig Jahren, körperlich sehr geschwächt und schwer atmend aufgrund seiner Gebrechen. Doch seine Sehnsucht nach dem Märtyrium stärkte ihn durch die Kraft des Geistes. Auch er wurde vor den Richterstuhl gebracht. Obwohl sein Körper durch Alter und Krankheit gebrochen war, blieb seine Seele frisch, sodass Christus triumphieren konnte.
Als ihn die Soldaten vom Richterstuhl wegführten, begleitet von der städtischen Behörde und einer großen Volksmenge, die allerlei gegen ihn riefen, als wäre er Christus, legte er ein herrliches Bekenntnis ab. Auf die Frage des Statthalters, wer der Gott der Christen sei, antwortete er: „Wenn du würdig bist, wirst du ihn erkennen.“
Daraufhin wurde er erbarmungslos hin- und hergerissen und musste Schläge vieler Art erdulden. Die Menschen in seiner Nähe misshandelten ihn ohne Ehrfurcht vor seinem Alter mit Händen und Füßen. Die Fernstehenden warfen alles, was sie gerade zur Hand hatten, gegen ihn. Alle glaubten, sich schwer zu versündigen, wenn sie ihm nicht mit Hemmungslosigkeit begegneten. Mit ihrem Verhalten meinten sie, Rache für die Götter zu nehmen.
Kaum noch fähig zu atmen, wurde Pontinus ins Gefängnis geworfen, wo er zwei Tage später seinen Geist aufgab.
Hierauf offenbarte sich das große Wirken Gottes. Der unergründliche Erbarmer zeigte sich auf eine Weise, wie es selten in der damaligen Brüdergemeinde geschah. Dabei ist nicht die heutige Brüdergemeinde gemeint, sondern die damalige Gemeinde der Brüder, die einfach in Erscheinung trat, wie es der Art Christi entsprach.
Auch diejenigen, die nach der ersten Verhaftung den Glauben verleugnet hatten, wurden eingesperrt und mussten ebenfalls Leiden erdulden. Dies hatte positive Auswirkungen: Die Soldaten wurden aufmerksam, und die zuvor Schwachen, die nicht zum Glauben stehen wollten, fassten plötzlich Mut. Sie sahen, dass dieser alte Mann dazu stand, und sagten: „Wir wollen jetzt auch zum Glauben stehen.“
Ein Beispiel dafür ist das kurze Gespräch zwischen Pontinus und seinem Richter. Obwohl nur ein kleiner Auszug überliefert ist, wird deutlich, worum es ging. Der Richter erkannte, dass es keine stichhaltigen Vorwürfe gegen ihn gab.
Ich möchte euch jetzt auch einer Frau vorstellen, der geschlechtlichen Gerechtigkeit wegen. Es handelt sich um Potaminäa aus Ägypten. Sie wurde ebenfalls gefangen genommen. Eusebius berichtet, wie es ihr erging.
An siebter Stelle wird Basilides genannt, der die berühmte Potaminäa auf dem Richtplatz begleitete. Noch zu Eusebius’ Zeiten wusste man in ihrer Heimat viel von ihr zu erzählen. Für ihre körperliche Reinheit und Jungfräulichkeit, die ihr Schmuck waren, hatte sie zahllose Kämpfe gegen ihre Liebhaber ausgetragen. Ungläubige wollten mit ihr schlafen, doch sie weigerte sich. Sie wollte erst heiraten, damit die Anmut ihrer Seele auch die Schönheit ihres Körpers in voller Blüte zeigte.
Nachdem sie unzählige Martern erduldet hatte, wurde sie zuletzt nach schrecklichen und geradezu schauerlichen Peinen zusammen mit ihrer Mutter Marcella verbrannt.
Wie berichtet wird, ließ der Richter namens Aquillas sie zuerst am ganzen Körper fürchterlich misshandeln. Schließlich drohte er, sie den Gladiatoren zur Schändung auszuliefern. Sie besann sich zunächst, antwortete dann aber auf die Frage sehr entschlossen und sagte etwas, das bei den Richtern als Frevel galt.
Kaum hatte sie dies ausgesprochen, fiel das Endurteil über sie. Basilides, der Gemeindeleiter der Stadt und einer der diensttuenden Soldaten, dem sie übergeben wurde, führte sie zur Richtstätte.
Als der Pöbel sie bedrängte und mit rohen Worten verhören wollte, trieb Basilides die Frevler zurück und hielt sie fern. Er zeigte ihr viel Mitleid und Anteilnahme. Potaminäa nahm das bekundete Mitgefühl freundlich auf und ermahnte den Mann, guten Mutes zu sein. Nach ihrem Hinscheiden würde sie sich vor dem Herrn für ihn erbitten und ihm bald vergelten, was er ihr angetan hatte.
Nach diesen Worten ertrug sie standhaft den Martyrertod. Verschiedene Teile ihres Körpers, von der Fußsohle bis zum Scheitel, wurden langsam und allmählich mit siedendem Pech übergossen. Es folgten weitere Qualen und Kämpfe.
Schließlich erschien sie ihm in der Nacht nach ihrem Tod im Traum. Daraufhin bekehrte er sich. Das wird weiter erzählt.
Auch als Basilides bald darauf von seinen Kameraden aus irgendeinem Grund zur Ablegung eines Eides aufgefordert wurde, verzichtete er darauf. Es war ihm streng verboten zu schwören, denn er war Christ und bekannte dies offen. Zunächst hielt man Basilides für einen Scherzmacher.
Der Soldat, der sie hinrichten sollte, wurde durch das Beispiel und die Standhaftigkeit Potaminäas selbst zum Glauben bekehrt und später ebenfalls hingerichtet.
Diese zwei Beispiele zeigen Menschen, die schon in der ersten Zeit der Verfolgung vor Richtern und Verfolgern standen. Gott gab ihnen die Kraft, das auszuhalten und so zu antworten, dass allen klar wurde: Hier muss Gott dahinterstehen – der spricht durch sie.
Verrat und Tod in der Verfolgung
Wir haben Vers 16: "Ihr werdet aber verraten werden von Eltern, Brüdern, Verwandten und Freunden, und man wird einige von euch töten." Das erscheint uns zunächst seltsam. Zuvor wird doch gerade gesagt, dass Jesus uns schützen und uns die richtigen Worte geben wird.
Ich habe euch das hier bei Eusebius gezeigt: Das heißt nicht unbedingt, dass jeder mit dem Leben davonkommt. Denkt auch an die Offenbarung. Dort finden wir, dass viele Christen, die dann noch leben werden, hingerichtet und getötet werden. Ja, Jesus wird uns beistehen, aber Beistehen bedeutet nicht, dass jeder überleben wird. Es heißt auch, Beistehen in der Verfolgung und im Sterben. Das ist die traurige Wahrheit, die Jesus hier seinen Jüngern sagt und uns damit weitergeben will.
Das, was hier so nebenbei erwähnt wird, betrifft eine ganze Reihe verschiedener Gruppen. Zunächst zerbricht der Familienzusammenhalt, denn sonst würde ja niemand verraten werden. Ich meine, wenn ihr euch fragt: Würdet ihr eure eigenen Kinder anstiften, zu sagen: "Meine Kinder sind Christen, damit sie hingerichtet werden?" – ich hoffe, eure Kinder tun das auch nicht. Aber zerbrochene Familien gibt es, da hasst der eine den anderen, und alle kämpfen miteinander. Das ist dann kein Problem.
Wir merken, das Ganze ist hier konzentrisch aufgebaut. Lukas geht von den engsten Verwandten oder Beziehungen zu weiterläufigeren Bekannten über. Die engste Beziehung sind die Eltern – man könnte hier noch Ehepaare erwähnen, die aber nicht genannt werden –, dann Brüder, also Geschwister, danach die Verwandten im weiteren Sinne wie Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins, und schließlich die Freunde im weiteren Bereich.
An jeder dieser Stufen, wo wir mit Menschen umgehen, wird es Verräter geben, die euch den Strafverfolgungsbehörden ausliefern. Das ist, was hier gesagt wird. Für die Zuhörer damals, die Juden, muss das besonders schlimm gewesen sein. Sie lebten in einem besetzten Land unter dem Druck der Römer. Die Verpflichtung und Treue in der Familie war ihnen sehr wichtig. Lest mal im Alten Testament, wie wichtig die Familie war. Wenn ein Bruder gestorben war, musste sich der andere Bruder um die Familie kümmern. Es gab regelrechte Verpflichtungen und sehr enge Beziehungen untereinander.
Hier sagt Jesus: Das wird auch zerbrechen. In euren engsten Beziehungen werden Verräter sein, weil der äußere starke Druck sie dazu treibt, euch zu denunzieren. Das erleben wir zum Teil heute schon. Denken wir zum Beispiel an diejenigen, die in islamischen Ländern zum Glauben kommen und dort von ihren eigenen Familienangehörigen hingerichtet und getötet werden. Natürlich nicht immer, sonst gäbe es ja in islamischen Ländern keine Christen. Aber es wird durchaus von islamischen Geistlichen gefordert und in einigen Ländern auch von Eltern und Verwandten praktiziert.
Oder denken wir an eine ähnliche Situation: Man nannte sie später Stalins Waisenkinder. Bei den großen Verfolgungen in Russland wurden Kinder aufgefordert, ihre Eltern zu denunzieren – aus politischen, aber auch aus religiösen Gründen. Die Eltern wurden danach getötet. Die Kinder wurden als "Stalins Waisenkinder" bezeichnet und man sprach ihnen zu, sie hätten ein großes Verdienst dem Kommunismus gegenüber. Eigene Kinder verraten ihre Eltern, und diese werden deshalb getötet, auch um des Glaubens willen.
Hier sehen wir, dass sich im zwanzigsten Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein etwas erfüllt hat von dem, was Jesus hier vorhersagt: Einige werden getötet. Wir sehen das auch im Reich des Tieres, wo die Gläubigen bekämpft werden (Offenbarung 13,7). Es gibt dort Folter. Hier steht ja auch, sie werden einige von euch töten. Das Wort "tanatao" meint so viel wie töten, aber auch töten mit Gewaltanwendung.
Als Jesus hingerichtet wurde, wurde dasselbe Wort benutzt. Es bedeutet hier nicht einfach, dass sie eingeschläfert werden, sondern es kann auch grausame Verfolgung meinen. Das ist der Zusammenhang, in dem das Ganze steht. Es werden Menschen sein, die einen solchen Hass auf Christen haben, dass sie sie töten wollen, obwohl sie ihnen nicht direkt widersprechen können (vgl. Vers vorher).
Wir merken, dass hier ein ideologischer Hass vorliegt. Es geht nicht nur darum, dass Christen etwas Böses getan haben, sondern weil man sie als Friedenstörer ansieht: "Sie machen unsere Gesellschaft kaputt, diese bösen Christen, deshalb muss man sie töten." Das ist etwas, was sich gerade heute immer mehr aufbaut. Christen werden als diejenigen angesehen, die die heile Welt der Toleranz und der Weltreligionen gefährden.
Gerade kürzlich gab es eine Meldung, dass viele Vertreter der Weltregierung in Aachen zu einem gemeinsamen Gebet und einem gemeinsamen Überlegen zusammenkamen, wie der Weltfrieden gefördert werden kann. Dort war auch Bundespräsident Rau, der ein Grußwort hielt. Solche Veranstaltungen nehmen zu.
Es gibt das Parlament der Weltreligionen in Chicago, den ehemals katholischen Theologieprofessor Hans Küng, der mit seinem Projekt "Weltethos" versucht, die Menschen mit einzubeziehen, und es gibt Bestrebungen in der Europäischen Union, dass im Religionsunterricht die Gleichheit aller Religionen gelehrt wird, um den religiösen Frieden zu fördern.
Auch hier zeichnen sich Tendenzen ab, bei denen Christen, die sagen: "Nein, nur Jesus ist die Wahrheit", als Friedenstörer gelten. Man sieht sie als diejenigen, die den Weltfrieden gefährden. Deshalb müsse man sie einsperren und mundtot machen.
Denkt auch daran, dass in Schweden, zum Teil auch in den Niederlanden und Belgien, Christen ins Gefängnis kommen können, wenn sie Homosexuelle diffamieren. Diffamieren heißt schon, zu sagen: "Das ist sündig und falsch, das darfst du nicht." Nach schwedischem Gesetz kann man dafür belangt werden – erst mit Bußgeld, bei schwereren Fällen auch mit Gefängnisstrafe.
Ich habe gerade darüber einen Teil eines Buches geschrieben, das bei der Dillenburger Verlagsgesellschaft unter dem Titel "Ideadokumentation Homosexualität" erschienen ist. Dort gehe ich dem Thema nach und führe Schweden ganz genau auf. Du darfst sagen, dass in der Bibel Homosexualität als schlecht bezeichnet wird, aber sobald du sagst, dass das auch für heute gilt, diffamierst du das und kannst gesetzlich belangt werden.
Dann müssen wir uns fragen: Was macht ein Christ da? Die ganze Geschichte könnte ich noch weiter aufführen, wer da noch alles straffällig werden kann, wenn er etwas sagt. Wir merken, das kann für Christen gefährlich werden. Christen werden als Ruhestörer angesehen, deshalb greift man sie an.
Die ärgsten Gegner, die wir hier finden, sind nicht unbedingt die großen Sünder, die sagen: "Ich will in Sünde und Ausschweifung leben." Die ärgsten Gegner, die hier genannt werden und Jesus auch verfolgt haben, sind die Führungsschicht, die Intellektuellen, die meinen, alles in der Hand zu haben – die religiösen Führer der damaligen Zeit. Das ist auch das, was Jesus für die Zukunft vorhersagt: Einige werden gefangen genommen und verfolgt werden.
Ihr werdet gehasst sein von jedermann um meines Namens willen. Das geht dann weiter, eben der Hass (vgl. Johannes 15,18). Jesus sagt dort: "Die Welt wird euch hassen, wie sie mich gehasst hat."
Im Vers 18 steht: "Ihr werdet gehasst werden." Darüber habe ich schon einiges gesagt. Als Trost können wir herausnehmen, dass in Vers 18 auch gesagt wird, dass kein Haar von unserem Haupt verloren gehen wird. Das erinnert uns daran, dass Jesus das schon im Matthäusevangelium sagt, Kapitel 10, Vers 30: "Eure Haare sind alle gezählt. Kein Haar wird von eurem Kopf fallen."
Das gibt uns Mut und soll den Christen Mut machen. Denkt nicht, wenn ihr eine schwere Situation erlebt, möglicherweise auch um des Glaubens willen verfolgt werdet, dass Gott nicht mehr da ist. Gott ist noch da. Das heißt nicht, dass Gott schwach ist oder dass Gottes Weg misslungen ist. Gott ist immer noch da und führt weiter. Das ist, was hier gesagt werden soll.
Es wird nicht verheißt, dass wir um jeden Preis überleben werden. Das wird hier nicht festgesetzt. In der Endzeit finden wir auch in Offenbarung 7, ab Vers 3, dass es einen Überrest geben wird, den Jesus bewahren wird. Und diejenigen, die bis ans Ende ausharren (vgl. Matthäus 24,13), werden überleben und von Gott bewahrt werden.
In Vers 19 heißt es noch: "Seid standhaft, und ihr werdet euer Leben gewinnen." Das können wir auf zweierlei Weise verstehen. Einerseits könnte es so gemeint sein, wie Jesus im Lukas-Evangelium Kapitel 12, Vers 4 sagt: "Habt keine Angst vor denen, die den Körper töten können, sondern fürchtet den, der die Seele töten kann."
Hier meint Jesus, dass diese Verfolgung euch äußerlich töten kann – was schlimm genug ist – aber eure Seele können sie nicht zerstören. Wenn er sagt: "Ihr werdet euer Leben gewinnen", meint er, dass sie euch vielleicht äußerlich quälen und töten, aber euer Leben bei ihm, euer ewiges Leben, können sie nicht angreifen.
Das ist eine mögliche Auslegung. Da es hier um handgreifliche Verfolgung geht, habe ich den Eindruck, dass es auch so verstanden werden kann, vielleicht sogar genauer: Es werden einige sterben und verfolgt werden, aber diejenigen, die in dieser Zeit als Christen übrig bleiben, wird er bis zum Ende bewahren.
Das heißt, wenn du als Christ übrig bist und noch lebst, sei nicht frustriert. Denke nicht: "Jetzt werden wir alle sterben, es bleibt keiner übrig." So ähnlich wie Elija, der dachte, durch Ismael und Ahab seien alle tot und keiner mehr übrig. Er geriet in Frustration und Depression.
Denk daran: Gott ist mächtiger. Er wird eine Gruppe bewahren – seien es die 144.000 aus der Offenbarung oder eine größere Zahl, denn wir finden verschiedene Zahlen in der Offenbarung. Er wird sie bewahren und durchhalten lassen, obwohl alles Äußere dagegen spricht und die Verfolgung perfekt zu sein scheint.
Er wird sie leibhaftig am Leben erhalten. Nicht alle, aber diejenigen, die bei ihm bleiben – nicht aus eigener Kraft, sondern durch die Kraft Gottes.
Überblick über die Christenverfolgung in der Geschichte
Mit der Christenverfolgung verhält es sich so, dass es sie in der gesamten Kirchengeschichte gab und tatsächlich immer noch gibt. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle einen kleinen Überblick geben, wie es mit der Verfolgung war. Tatsächlich lesen wir davon schon in der Apostelgeschichte. Denkt an Stephanus, einen der ersten oder sogar den ersten Nachfolger Jesu, der für seinen Glauben stirbt.
Das setzt sich dann fort: Paulus und Petrus werden hingerichtet. Im Jahr 64 nach Christus, als der Brand von Rom ausbricht, werden Christen in Rom verfolgt. Priscilla und Aquila fliehen schließlich. Paulus trifft sie auf seiner Missionsreise, später reisen sie wieder zurück nach Rom und sind erneut dort.
Wir finden drei große Verfolgungswellen in den ersten drei Jahrhunderten, bei denen Millionen von Christen – oder genauer gesagt, Hunderttausende, denn es gab damals noch nicht so viele – ihr Leben verloren. Man hat sie nicht genau gezählt, aber es waren sehr viele. Als die Germanen um 200 Süddeutschland überrennen, weil die Römer zu schwach sind, wird berichtet, dass beispielsweise in Mainz Tausende von Christen in den Kirchen von den damals noch nicht gläubigen Germanen erschlagen werden. Zahlreiche Missionare lassen ihr Leben, um die Germanen, also unsere Vorfahren, für den christlichen Glauben zu gewinnen. Sie kamen aus England und Irland, einige aus Italien und Griechenland, und haben hier in Deutschland, damals Gemaling genannt, ihr Leben gelassen.
Im sechsten Jahrhundert werden zahlreiche Christen im heutigen Persien, damals dem Sassanidenreich, getötet. Bei der Ausbreitung des Islam im siebten und achten Jahrhundert verlieren Tausende von Christen ihr Leben in Nordafrika, Arabien und Persien. Leben und Freiheit, Versklavung und Tod warten auf sie – und das in Gegenden, die vorher einmal von Christen bewohnt waren.
Dann kommen die Kreuzfahrerheere, die sich nicht nur gegen die Muslime wenden, sondern insbesondere in Südfrankreich zahlreiche Christen hinmetzeln, weil sie nicht zur offiziellen Kirche standen. Zum Beispiel die Katharer und Albigenser sowie die Waldensergemeinden, die im zwölften Jahrhundert von der offiziellen Kirche vernichtet werden. Die nestorianischen Christen, die sich bis nach China, in die Mongolei und nach Indien ausgebreitet hatten, wurden um das Jahr 700 und 800 herum von den muslimisch gewordenen Mongolen getötet.
Im Dreißigjährigen Krieg verfolgen sich die Christen gegenseitig: Katholiken gegen Protestanten, Protestanten gegen Katholiken, Lutheraner gegen Calvinisten und Calvinisten gegen Lutheraner. Sie bringen sich gegenseitig um – aber auch das ist Christenverfolgung. Dazu kommt die Gegenreformation der Katholiken.
Allein in Frankreich wird geschätzt, dass zur Zeit der Reformation ein Drittel der Bevölkerung zum evangelischen Glauben gewechselt war. Heute kann man sie kaum noch an einer Hand abzählen; es sind sehr wenige übrig geblieben. Wo sind sie geblieben? Viele sind ausgewandert, die restlichen wurden umgebracht. Man rechnet allein damit, dass im sechzehnten Jahrhundert etwa 18.000 evangelische „Ketzer“ in Frankreich, Österreich, Italien und Spanien hingerichtet wurden.
Wir erinnern uns daran, dass beispielsweise die protestantischen Bewohner Salzburgs und andere österreichische Gläubige, unter ihnen die Vorfahren von Zinzendorf, vertrieben wurden. Sie mussten mitten im Winter barfuß und ohne Hab und Gut über die Alpen steigen; viele sind dabei umgekommen. Denken wir an die Hugenottenkriege in Frankreich, bei denen Hunderttausende Evangelische ihr Leben lassen mussten, oder an die etwa 200.000 Christen, die 1603 in Japan starben, weil die japanische Regierung gegen die Christen vorging und eine grausame Christenverfolgung inszenierte. Sie wurden gefoltert, gekreuzigt oder in Vulkankrater geworfen, wenn sie nicht ihrem Glauben absagten.
Um 1650 starben zahlreiche Christen an den Marterpfählen nordamerikanischer Indianer, die sie für den Glauben gewinnen wollten. Es gab Christen, die nicht nur Indianer töteten, sondern selbst für ihren Glauben mit dem Leben bezahlten. Oder denken wir an die Zeit zwischen 1894 und 1896 in der Türkei, als 150.000 christliche Armenier getötet wurden, und ab 1916 etwa noch einmal 1,2 Millionen. Das ist uns manchmal gar nicht bewusst, dass noch vor hundert Jahren zehn Prozent der türkischen Bevölkerung Christen waren – vielleicht nicht alle gläubige Christen, aber formal bekannten sie sich zum christlichen Glauben und waren sogar bereit, dafür zu sterben. Heute sind es weniger als 0,1 Prozent; sie wurden in den letzten hundert Jahren getötet.
Denken wir daran, dass in der Sowjetunion ab 1939 150 Geistliche getötet wurden und fünf Millionen orthodoxe Christen, weil sie an ihrem Glauben festhalten wollten. Ähnlich erging es im Nationalsozialismus, ebenso in der spanischen Revolution von 1936, wo zehn Kirchenmitarbeiter getötet wurden, weil sie an ihrem Glauben festhielten. In Mexiko wurden während der Sozialistischen Revolution 5.000 Geistliche ermordet. In Kenia wurden 1925 Tausende Christen von der Mau-Mau-Bewegung ermordet. In Saudi-Arabien wurden von 1993 bis 1995 Menschen wegen des Besuchs eines Gottesdienstes oder wegen des Besitzes einer Bibel verurteilt und hingerichtet.
Im Sudan werden Christen bis heute gekreuzigt, und 45 Christen sitzen in Umerziehungslagern, um Muslime zu werden – insbesondere Jugendliche und Kinder. Denken wir daran, dass in Israel christliche Gottesdiensträume abgebrannt werden und zum Teil Steckbriefe von orthodoxen Juden an die Wände geheftet werden, um christliche Missionare zu verunglimpfen und gegen sie aufzurufen. In Sri Lanka sind radikale Buddhisten aktiv, die Gemeindehäuser niederbrennen und Christen töten. In Laos werden Kirchen geschlossen, christliche Versammlungen verboten und Bibeln verbrannt. In Nordkorea kann ein Christ allein für den Besitz einer Bibel – selbst wenn er sie nicht liest – bis heute mit dem Tod bestraft und hingerichtet werden.
Und denken wir daran, dass noch im Jahr 1988 etwa 300.000 Christen in einem Jahr für ihren Glauben getötet wurden. In der Gegenwart rechnet man damit, dass es pro Jahr etwa 150.000 sind – aber auch das ist schon eine ganze Menge. Das entspricht einer Großstadt in Deutschland, in der jedes Jahr Christen aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden. Heute sind Brennpunkte der Verfolgung unter anderem Indonesien, Pakistan, einige arabische Länder, der Sudan sowie die verbliebenen kommunistischen Länder, insbesondere in Ostasien, wo die Christenverfolgung am stärksten ist.
Das zeigt uns: Christen haben durch alle Zeiten hindurch für ihren Glauben gelitten. Wir merken, dass wir auch heute – selbst wenn wir das vielleicht in Deutschland nicht wahrnehmen – nicht in einer Zeit allgemeiner Toleranz gegenüber Christen leben, sondern in einer Zeit der Christenverfolgung. Nur haben wir es noch nicht bemerkt, vielleicht weil es nicht in den Medien vorkommt. Möglicherweise sollten wir uns dessen mehr bewusst werden, mehr für unsere verfolgten Geschwister beten oder ihnen auch ganz praktisch helfen. Wir sollten unsere Politiker darauf aufmerksam machen, sich nicht nur für die Gleichberechtigung von Homosexuellen weltweit einzusetzen.
Hier komme ich mit einem Nebenschlag dazu: Sobald die Grünen ihr Regierungsprogramm verabschiedet haben, wurde erklärt, dass eines der Ziele der deutschen Außenpolitik – also von Dr. Fischer – sein soll, die Diskriminierung von Homosexuellen international zu bekämpfen und Homosexuelle aus Gefängnissen zu befreien. Von Christen, die in weit größerer Zahl verfolgt werden, findet man in diesen Regierungsvereinbarungen kein Wort. Das zeigt, wie die Prioritäten gesetzt sind.
Wir sollten unsere Politiker darauf aufmerksam machen, für unsere verfolgten Geschwister einzutreten – ganz praktisch. Und wir können gewiss sein, dass es in absehbarer Zeit auch bei uns zu Diskriminierung oder möglicherweise sogar Verfolgung von Christen in Europa kommen kann.
Wir sind, so würde ich vermuten, die Christen der letzten Generation, von denen wir in Matthäus 24, Vers 32 lesen: "Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis das alles geschieht." Nun könnte man sagen, diese Generation – wobei Generation ja schwierig zu definieren ist – meint die, die zur Zeit Jesu gerade geboren wurden, oder sind es die, die damals lebten? Ganz praktisch sind eure Kinder eine andere Generation als ihr. Jesus sagt ja, die Generation, die jetzt da ist, also ihr und eure Kinder, leben zur selben Zeit. Was genau meint er damit? Das ist schwer zu sagen.
Im Alten Testament wird „Generation“ häufig als ein Zeitraum von etwa vierzig Jahren definiert. Das lesen wir, wenn gesagt wird, die Wüstenwanderung habe eine Generation gedauert, nämlich vierzig Jahre, und dann seien alle gestorben, die zu diesem Zeitpunkt noch lebten. Wenn wir vierzig Jahre zum Todesdatum Jesu hinzurechnen, sind wir etwa im Jahr 70 nach Christus. Dort wäre eine erste Erfüllung – nämlich die Zerstörung des Tempels. Der Tempel wurde 70 nach Christus von den Römern zerstört. Wie Jesus das wissen konnte, wissen wir nicht genau.
Aber „Generation“ meint noch mehr. Es bedeutet auch so viel wie Stamm, Geschlecht, Gruppe oder Volk. Man könnte auch im Wörterbuch nachlesen, dass es so übersetzt werden kann. Auch in der Bibel wird das so verwendet, zum Beispiel in Matthäus 1,17 für Familie, in Matthäus 11,16 als Nation oder als Gruppe von Menschen mit denselben Ansichten, in Matthäus 17,17 oder in Philipper 2,15, wo gesagt wird, dass die Menschen, die jetzt leben, ein verderbtes und verdrehtes Geschlecht seien. Und „Geschlecht“ ist dasselbe Wort, das hier für Generation oder Geschlecht gebraucht wird.
Das heißt, Jesus meint wahrscheinlich noch mehr als nur die unmittelbare Erfüllung der Zerstörung des Tempels. Er hat auch den Blick auf das Kommen des Menschensohnes, das nach der Offenbarung ja erst später stattfindet. So ist das erst eine erste Stufe der Erfüllung. Die weitere Stufe, sagt er, betrifft dieses Geschlecht, diese Art von Menschen, die sich gegen Christen wenden, die selbst meinen, wichtiger, klüger und besser ausgerichtet zu sein als Jesus. Diese werden nicht aufhören, bis Jesus einmal kommt.
Seid also nicht in der Illusion, dass die Leute irgendwann aufhören, euch zu verfolgen. So wie die, die jetzt mich verfolgen, so wird es auch bis zum Ende sein. Ich denke, das ist das, was Jesus hier sagen will.
Jesus zeigt sich dann mit den Worten, dass Himmel und Erde vergehen werden, aber seine Worte nicht vergehen, als Provokateur für die Pharisäer. Denn dass das Wort Gottes nicht vergeht, lesen wir schon in Psalm 119. Hier stellt er sein Wort auf dieselbe Stufe und sagt auch, dass alles, was wir in der Weltgeschichte als Großes und Kleines finden, er überschaut das gesamte Universum und die gesamte Weltgeschichte und sagt: Das, was ich euch zu sagen habe, ist mehr, wichtiger und größer.
Das fordert uns natürlich heraus. Wenn alles vergeht, soll das heißen, dass alles, worauf wir bauen können, nicht mehr da ist. Jesu Wort aber bleibt. Das ist das, was er uns verspricht. Nun sind wir herausgefordert: Worauf bauen wir in unserem Leben? Sei es auf unsere Fähigkeiten, unsere Gesundheit, den sicheren Staat oder den Wirtschaftsstandort Deutschland, auf unsere Altersversorgung, unsere Rente – einige werden vielleicht noch Rente bekommen, andere nicht mehr –, vielleicht auf unsere Einkünfte oder unser gespartes Konto.
Worauf vertrauen wir? Jesus sagt: Himmel und Erde werden vergehen, alles, worauf ihr baut, wird vergehen. Selbst die Pyramiden haben zwar ein paar Tausend Jahre überstanden, aber sie werden jetzt von Touristen und Umweltzerstörung beschädigt. Auch sie werden irgendwann nicht mehr existieren. Aber was bleibt, sind die Worte Jesu.
Hier sind wir herausgefordert: Wo liegen unsere Prioritäten im Leben? Wie gehen wir damit um? Das bedeutet natürlich auch, wie gehe ich in Ehrfurcht mit dem Wort Gottes um? Wenn es ewig wahr und gültig ist, wie viel Ehrfurcht habe ich davor? Wie sehr achte ich auch auf die Kleinigkeiten im Wort Gottes? Wenn es ewig gültig ist, dann ist jedes Detail davon wichtig – wichtiger als viele irdische Dinge, um die ich mich kümmern könnte und die mir im Alltag Sorgen bereiten.
Dann stellt sich auch die Frage: Kann ich Bibelkritik betreiben? Ich kann ja schlecht sagen: Jesus hat das damals zwar gesagt, aber ich weiß es heute besser, weil unsere Forschung so und so ein Ergebnis gebracht hat. Jesus sagt, es hat Adam und Eva gegeben. Aber ich bin heute klüger und weiß, dass es sie nie gab, sondern nur etwa „Lucy“ oder andere menschenähnliche Affen, die früher lebten. Ich bin klüger als Jesus.
Wie passt das zusammen? Dann müssten wir eine ganze Menge aus der Bibel streichen. Dann würden wir sagen, Jesus hat hier gelogen oder sich geirrt. Aber wie wollen wir jemandem vertrauen, der sich irrt oder lügt? Wo wissen wir, wo er sich nicht geirrt hat?
Wenn wir glauben, was hier steht, dann können wir keine Bibelkritik machen. Wir können nicht sagen: Das lassen wir rausfallen, das kann ich nicht glauben, das will ich nicht glauben, das stimmt nicht. Dann reißen wir uns die eigene Grundlage weg und unterstellen Jesus eine Lüge.
Wir können die Bibel nicht nach philosophischen Erkenntnissen oder wissenschaftlichen Ergebnissen interpretieren, die gerade modern sind. Wir sollten viel Zeit mit der Bibel verbringen, denn sie ist das, was dauerhaft wertvoll ist.
Das heißt, wir sollten alle die Bibelschule besuchen, um mindestens drei Jahre intensiv die Bibel zu studieren. Ihr wisst, das ist nicht ganz ernst gemeint, aber natürlich seid ihr alle herzlich eingeladen – in welchem Alter auch immer. Wir können sagen, Bibelschule ist von neun bis neunzig Jahren möglich. Nicht ganz von neun, denn erst muss man die Schule fertig haben, aber es gibt keine Altersgrenzen.
Warnung vor Ablenkungen und Suchtverhalten
Dann lesen wir Vers 34: „Hütet euch in euren Herzen und beschwert euch nicht mit Fressen und Saufen und den täglichen Sorgen dieser Tage, damit der Tag nicht plötzlich über euch kommt.“
Welcher Tag ist damit gemeint? Es ist der Tag des Gerichts, den Jesus ja vorher angekündigt hat. Erinnert euch, diesen Tag haben wir schon in Kapitel 2, Vers 4 und Kapitel 4 kennengelernt. Der Tag des Herrn, der Tag des Gerichts, der kommen wird, wird hier noch einmal hervorgehoben. Die Jünger sind sich der Gefährdung durchaus bewusst. Sie sollen in dieser Gefährdung nicht der Völlerei erliegen.
Das Wort „Kraipali“, das hier mit „Fressen“ übersetzt wird, meint so viel wie „Völlerei, Rausch, Schlemmerei, übermäßiges Essen, berauscht sein durch Essen“. Und das Wort „Mete“ meint das starke Trinken alkoholischer Getränke, Trunkenheit oder gewohnheitsmäßiges Trinken. Hier haben wir übrigens ganz nebenbei eine Stelle, die sich gegen Suchtverhalten bei Christen wendet. Denn diese beiden Begriffe beziehen sich auf Essen und Trinken im Suchtverhalten, also darauf, dass man nicht mehr davon loskommt.
Das ist das, was hier gemeint ist. Das sind die Fachbegriffe, die benutzt werden. Und da sollte uns generell klar sein: Mit solchen Verhaltensweisen sollen wir nichts zu tun haben. Sowohl was das Essen betrifft – hier in der Bibelschule werden wir ja sogar dazu verführt –, als auch beim Trinken. Ich möchte es nicht „fressen“, Männer, aber wir sind ja ordentlich und gut zu essen werden wir hier verführt. Das soll euch aber nicht vom Wort Gottes abbringen. Es soll euch nicht davon abhalten, euch auf den Tag des Gerichts, die Ankunft Jesu, vorzubereiten.
Ich hoffe, dass euch das Essen hier nicht davon abhält, wenn ihr viel zu euch nehmt. Auch die Lebenssorgen sollen uns nicht abbringen. Das Wort „Lebenssorgen“ (Merimna) meint so viel wie „zwischen zwei Dingen hin- und hergerissen sein“. Das bedeutet: Ich mache mir ständig Gedanken, was passiert, wie es weitergeht. Und plötzlich denke ich nicht mehr daran, dass Jesus einmal kommt, ich denke nicht mehr ans Wort Gottes. Das kann mich davon ablenken.
Hier heißt es: Lasst euch nicht dadurch verführen, nur an Essen und Trinken zu denken und an den täglichen Lebenslauf. Was ist jetzt mit diesem Kredit? Was ist mit dem Auto, das repariert werden muss? Diese Dinge sind ja gut und schön, aber sie dürfen euch nicht von Gott ablenken. Denkt daran, was gesagt wird: Himmel und Erde werden vergehen, euer Auto wird vergehen, euer Bankkonto wird vergehen, die Wohnung wird vergehen – all das wird vergehen. Aber mein Wort wird nicht vergehen.
Das ist es, was wir in die Ewigkeit hineinnehmen. Lasst euch also nicht zu sehr ablenken. Die Dinge müssen erledigt werden, aber so, wie Bonhoeffer einmal sagte: Wenn wir das Vorletzte erledigen, also das, was wir hier gerade vor Augen haben, müssen wir immer das Letzte im Blick haben – nämlich das, was Gott uns vorbereitet hat, das, worauf wir einmal warten in der Herrlichkeit.
Wir sollen nicht zu viel Zeit in diese Dinge investieren und uns nicht nur von unserem Wohlergehen und Vergnügen bestimmen lassen. Sonst wird es wie ein Fallstrick sein. Ein Fallstrick ist hier gemeint wie eine Falle, die jemand ausgelegt hat: Laub wird darüber gelegt, und wenn du dort spazieren gehst, trittst du hinein und hängst plötzlich an einem Baum fest. So ähnlich wird es auch mit dem Tag des Gerichts sein. Du gehst spazieren, machst dir Gedanken, was du morgen kochst, und plötzlich ist Jesus da – alles vorbei, morgen wird gar nicht mehr gekocht.
So ähnlich ist das hier beschrieben. Man wird plötzlich überfallen, kann nichts dagegen tun und wird herausgerissen. Deshalb heißt es: Mach dich bereit! Den Tag kannst du nicht berechnen, aber du kannst innerlich bereit sein, wenn Jesus kommt. Das ist damit gemeint.
Was wir hier auch noch sagen können, richtet sich sicherlich besonders auf die Zeit des Endes. Denken wir an Krisenzeiten. Manche fühlen sich in Krisenzeiten unsicher: Wie ist das mit dem Job, vielleicht mit der Gesundheit? Dann kann es umso mehr sein, dass man herausfliehen will, sich nicht bedrängen lassen möchte. Also isst und trinkt man, um sich besser zu fühlen, um ruhiger zu werden. Manche Menschen machen das so unter Stress.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, ich neige manchmal auch dazu, wenn ich starken Stress habe, nebenbei noch ein paar Kekse oder Schokolade zu essen. Das soll aber nicht so sein. Ich meine nicht gegen Schokolade, aber es soll nicht so sein, dass wir unsere Ruhe in Essen und Trinken suchen oder in den Sorgen. Denn diese letzte Zeit bringt Verfolgung und Bedrängnis mit sich.
Nein, wir sollen umso mehr auf Gott vertrauen. Das ist das, was hier gemeint ist. Der Tag des großen Gerichts wird auch in Kapitel 10, Vers 12 und Kapitel 17, Vers 31 erwähnt. Hier steht in Vers 25: „Denn er wird über alle kommen, die auf der ganzen Erde wohnen.“ Ich habe euch das ja auch schon gesagt: Wenn Jesus kommt, müssen sich alle vor ihm verantworten. Das haben wir im zweiten Kapitel gelesen. Keiner kann entfliehen.
Hier wird auch gesagt, dass das Gericht weltweit sein wird, auf der ganzen Erde. Das wurde uns ja vorher schon angekündigt. Die Christen werden vor viele Könige und Statthalter gezerrt, nicht nur in einem Land. Es ist also eine universelle Verfolgung.
Das Wort „wohnen“ bedeutet im Griechischen so viel wie „ansässig sein“ oder kann auch bedeuten, „sorglos sitzen“. Das ist klar: Wenn ich bei mir zu Hause bin – „my home is my castle“ –, dann kann ich zufrieden sitzen, es ist alles in Ordnung, keine Probleme. Das ist mitgemeint.
Im Matthäus-Evangelium, Kapitel 24, wird beschrieben, dass es sein wird wie in der Zeit von Noah: Die Menschen werden essen und trinken, heiraten und sich heiraten lassen. Das ist an sich nicht schlimm, aber sie sind so sorglos, sitzen da und führen ihr Leben, als ob es nie ein Ende gäbe – und dann kommt das Gericht. Wir sollen bereit sein.
Deshalb heißt es: „Seid allezeit wach und betet, seid stark, damit ihr entfliehen werdet und vor dem Menschensohn stehen könnt.“ Allezeit wach zu sein ist hier nicht gegen den Mittagsschlaf an der Bibelschule Brake gerichtet – den dürft ihr halten. Allezeit wach sein heißt ja auch nicht, dass wir keinen Schlaf haben sollen. Sonst würden wir bald verrückt werden, und das würde niemandem helfen.
Hier meint „allezeit wach sein“ vielmehr, immer bereit zu sein. Mein Leben, auch am Abend, soll ich mit Gott abschließen. Also nicht zu sagen: „Ich sterbe jetzt“, sondern: „Meine Sünden will ich ausräumen, ich will Gott das bekennen, ich will bereit sein zu jedem Zeitpunkt meines Lebens, wenn Jesus kommt.“ Das ist gemeint.
Und beten heißt hier die innere Verbindung zu Gott. Beten auch darum, dass Gott uns bewahrt und uns Kraft gibt in der Verfolgung und Bedrängnis der letzten Zeit. Denn wir wissen, wir können nicht nur auf uns selbst bauen, sondern brauchen auch in dieser Zeit die Hilfe Gottes.
Jetzt steht da, dass ihr stark werden sollt. Dieses „stark werden“ meint einerseits, stark zu werden, um die Verfolgung zu ertragen. Nicht, dass ihr hier Arnold Schwarzenegger werdet – wir beten dafür, wir brauchen kein Bodybuilding –, sondern stark zu werden, um widerstehen zu können, wenn die Verfolgung kommt.
„Stark werden“ kann aber auch als „würdig werden“ übersetzt werden. So kommt ein anderer Aspekt hinzu: Wir werden würdig, vor Jesus zu stehen, weil wir ausgehalten haben, weil wir bei Jesus festgehalten haben, weil wir bereit waren zu diesem Zeitpunkt – nicht aus eigener Kraft, das ist klar, sondern weil Gott uns die Kraft gegeben hat.
„Wir stehen vor dem Menschensohn.“ Manche denken hier vielleicht an das große Gericht und meinen, man müsse würdig sein, wenn man vor Gericht steht. Ja, das würde aber heißen, wir seien durch unsere Werke gerecht. Nein, das ist hier nicht gemeint.
Das Wort hier meint gerade nicht, dass wir vor Gericht stehen oder uns verteidigen müssen, sondern es meint die Vereinigung mit einer Person, hier mit Jesus. Es bedeutet, vor Jesus zu stehen, eng mit ihm zusammen zu sein. Ihr sollt vorbereitet sein, eng mit Jesus verbunden zu sein – nicht, um euch vor ihm zu verantworten. Das ist hier nicht gemeint.
So wie Paulus sagt: „Ich hoffe abzuscheiden, ich hoffe beim Herrn zu sein, aber noch eine Zeit lang bin ich hier, solange Gott mich gebrauchen will.“ Das ist die Sehnsucht, die hier zum Ausdruck kommt: Ich will vor dem Menschensohn stehen, ich will in der Nähe Jesu sein. Das ist die Sehnsucht, die sich ausdrückt.
Abschluss: Jesus lehrt im Tempel und ruht am Ölberg
Und dann haben wir noch den Abschluss: Er lehrte tagsüber im Tempel und ging nachts schlafen, nämlich am Ölberg.
In Vers 37 wird deutlich, dass Tag und Nacht hier gegenübergestellt werden. Jesus hatte kurz zuvor den Tempel gereinigt, indem er mit der Geißel die Händler und Geldwechsler hinausgeworfen hatte. Nun nutzt er den gereinigten Tempel als Ort seiner Verkündigung.
Hier steht, dass der Tag begann – nach jüdischer Zeitrechnung begann der Tag mit dem Sonnenaufgang. Das war im April, wahrscheinlich ungefähr zur Zeit des Passahfestes. Der Tag begann normalerweise gegen sechs Uhr morgens, wenn die Dämmerung endete und die Sonne aufging. Er endete abends gegen 18 Uhr.
Während dieser gesamten Zeit, also etwa zwölf Stunden am Tag, befand sich Jesus im Tempel. Die Menschen drängten sich um ihn und hörten ihm zu.