Einführung und persönliche Anmerkungen
Jetzt natürlich noch nicht alles. Ich hoffe, dass wir dort, wo wir heute und morgen zusammen sind, noch etwas persönlich ins Gespräch kommen. Zum Beispiel habe ich jetzt ja noch gar nicht von meiner Frau oder von meinen Kindern erzählt. Ach so, dann schweige ich jetzt ja. Oder von unserem Hund. Das könnte ich euch auch noch ein bisschen erzählen.
Ja, aber nein, lassen wir das mal beiseite. Wir sind ja hier in erster Linie zusammengekommen, um uns auf das Wort Gottes zu konzentrieren. Man sagt ja sprichwörtlich – ihr kennt ja vielleicht auch das Sprichwort „Eulen nach Athen tragen“. Damit meint man Leute, die sich in einer Sache schon sehr gut auskennen, denen man jetzt noch irgendetwas Neues darüber sagen will.
Ich gehe mal davon aus, dass ihr als bibeltreu orientierte Gemeinde – und ich sehe hier einige mit grauen Häuptern, ähnlich wie ich – schon seit einigen Jahren Christen seid. Dann ist der Epheserbrief für euch ja nichts ganz Neues. Von daher seht es vielleicht einfach als eine Wiederholung oder Vertiefung an.
Ich versuche, euch heute und morgen einige Einblicke in den Epheserbrief zu geben – Bestätigungen, vielleicht auch Erweiterungen. Vielleicht werden euch Dinge neu klar. Aber es soll nicht nur etwas für euren Intellekt, für den Verstand sein, sondern auch etwas, das ihr mitnehmen könnt in euren Alltag nächste Woche.
Also, wo ihr euch an Dinge erinnert, die euch ermutigen, im Alltag helfen, euch ermahnen oder euch eine neue Wegweisung geben. Oder euch unterstützen, richtige Entscheidungen zu treffen. Denn für all das kann das Wort Gottes immer wieder dienlich sein.
Ich werde auch zwischendurch einmal mit euch ein paar Experimente machen. Ich hoffe, das klappt gut. Und wenn die dann zu abenteuerlich sind, sagt Bescheid und erhebt Protest. Sagt: „Nein, das geht bei uns hier ja gar nicht.“ Denn ich kenne euch als Gemeinde ja noch nicht so gut und weiß nicht, was da zulässig ist und was nicht.
Ich bin ja in unterschiedlichen Gemeinden unterwegs. Vor eineinhalb Jahren war ich einige Zeit bei Gemeinden in Indien. Dort war es zum Beispiel so, dass ich, wenn ich so gestanden hätte wie hier, schon die Hälfte der Gemeinden nicht mehr zugehört hätte. Warum? Weil man in diesen streng indischen Gemeinden ohne Schuhe stehen muss. Mit Schuhen auf der Kanzel geht gar nicht.
Wenn ich das jetzt morgen bei euch tun würde, hätte ich wahrscheinlich ein anderes Problem. Aber dort geht das auf keinen Fall, denn das ist ein Zeichen der Unreinheit, die man mit auf die Kanzel nimmt. Also muss man entweder barfuß oder mit Socken dort stehen.
Oder ohne Krawatte ging es auch gar nicht. Der Prediger verliert die Hälfte seiner Autorität, wenn er keine Krawatte trägt. Aber ich sehe, die meisten von euch haben hier auch keine Krawatte, also glaube ich, bin ich hier ganz richtig.
Gut, ich möchte euch einen Einblick geben. Wenn ich einmal unverständlich rede – also nicht mit Absicht –, sondern wenn ihr nicht genau wisst, was ich damit meine, dann meldet euch bitte sofort und sagt Bescheid. Ich versuche, die Sache zu klären.
Genauso ist es, wenn ich einmal, wozu ich eben die Tendenz habe, zu schnell spreche. Dann sagt das bitte auch, damit ihr nicht den ganzen Abend hier sitzt und nichts mehr mitbekommt. Das wäre schade.
Also, wenn ihr merkt, das ist jetzt zu schnell, versuche ich zu bremsen. Wahrscheinlich müsst ihr mich fünf Minuten später wieder daran erinnern. Aber das ist auch in Ordnung.
Zielsetzung und Umgang mit der Bibel
Ich möchte euch einen Einblick in den Epheserbrief geben. Gleichzeitig möchte ich euch verschiedene Möglichkeiten vorstellen, wie ihr mit der Bibel umgehen könnt. Es gibt unterschiedliche Arten und Weisen, die Bibel zu lesen und zu verstehen.
Ich will euch Informationen geben, aber auch verschiedene Wege zeigen, wie ihr mit dem Wort Gottes umgehen könnt. Das kann eine Bereicherung sein. Mancher Christ gewöhnt sich an eine bestimmte Art, die Bibel zu lesen – zum Beispiel immer mit einem Kommentar, einem Wörterbuch oder indem er Bibelstellen parallel liest.
Ich werde euch nicht die gesamte Vielfalt vorstellen können, die es an Möglichkeiten gibt. Aber vielleicht ist etwas dabei, bei dem ihr merkt: Das ist doch mal eine Möglichkeit. So könnte ich meine persönliche Bibellese gestalten.
Denn manchmal kann es sein, dass wir auch als überzeugte Christen in der Bibel lesen, aber feststellen, dass uns das Gelesene nicht mehr so anspricht. Wir lesen es, weil wir es gewohnt sind, und das ist auch gut. Doch vielleicht könnte man noch mehr daraus herausholen.
Vielleicht sind da Dinge enthalten, die euch weiterhelfen können.
Hintergrund und Entstehung des Epheserbriefes
Zuerst einmal ganz allgemein zum Epheserbrief: Wir wissen nicht ganz genau, wann er verfasst wurde, aber vermutlich in der Zeit zwischen 60 und 62 nach Christus. Das heißt, Paulus ist hier schon von seiner letzten Missionsreise zurückgekehrt und befindet sich in Gefangenschaft. Dreimal im Epheserbrief wird die Gefangenschaft des Paulus erwähnt. So schreibt er zum Beispiel: „Das schreibe ich euch, der Gebundene im Herrn.“ Man merkt also deutlich, dass er gebunden, also gefangen ist. Für ihn ist das keine übertragene Bezeichnung, sondern er meint es wortwörtlich.
Der Epheserbrief wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in Rom geschrieben, also dort, wo die Apostelgeschichte endet. Paulus war in Jerusalem gefangen genommen worden, am Ende seiner letzten Missionsreise. Von dort wurde er per Eskorte der römischen Armee nach Caesarea am Meer überstellt. Dort verbrachte er drei Jahre im Gefängnis, weil der römische Statthalter korrupt war. Wir lesen das auch in der Apostelgeschichte: Der Statthalter hoffte auf ein Bestechungsgeld. Er dachte, irgendwann würden die Gemeinden zusammenlegen und ihm ordentlich Geld zahlen, damit er Paulus freilässt.
Die Gemeinden taten das allerdings nicht. Stattdessen lesen wir in der Apostelgeschichte, dass Paulus zahlreiche Diskussionen mit dem Statthalter führte. Als der Statthalter schließlich ausgewechselt wurde, wollte Paulus dem endlich ein Ende setzen und forderte sein Urteil. Das wollte man ihm nicht geben. Daraufhin berief er sich auf den Kaiser und bat darum, sich vor dem kaiserlichen Gericht in Rom zu verantworten.
Die Apostelgeschichte beschreibt dann die Irrfahrt übers Mittelmeer. Es kam zu einem riesigen Sturm, der 14 Tage anhielt, und sie konnten kein Land sehen. Alle dachten, sie würden umkommen. Schließlich landeten sie auf der Insel Melita, wo sie aufgenommen wurden. Wenig später reisten sie weiter nach Rom. In Rom war Paulus noch einmal zwei Jahre in Gefangenschaft. Man kann nicht direkt von einem Gefängnis sprechen, denn er war eigentlich in einer Privatwohnung. Allerdings war er als Gefangener an Soldaten angekettet, die rechts und links neben ihm standen. Dort empfing er Gäste und schrieb Briefe. In dieser Gefangenschaft in Rom verfasste er auch den Epheserbrief.
Zu der Gemeinde der Epheser hatte Paulus eine besonders innige Beziehung. Er gründete diese Gemeinde auf seiner zweiten Missionsreise. Dort traf er auf Priscilla und Aquila, die kurze Zeit vorher in Rom gelebt hatten. Aufgrund einer örtlichen Verfolgung mussten sie Rom verlassen und ließen sich in Kleinasien nieder. Kleinasien ist das Gebiet der heutigen Türkei. Etwas unterhalb von Istanbul, also weiter südlich und direkt an der Meeresküste, lag die Stadt Ephesos.
Ephesus war damals die größte Handelsstadt in Kleinasien. Es gab sehr gute Verkehrsverbindungen und einen großen Hafen. Außerdem gab es dort, wie wir in der Apostelgeschichte lesen, ein riesiges Heiligtum der Diana. Wir kennen die Auseinandersetzungen, die daraus entstanden: Ein Schmied rief zum Aufruhr auf. Die Menschen schrien lange „Groß ist Diana von Ephesus!“ Es war ein regelrechter Volksaufstand. Die Leute mussten erst beruhigt werden, weil sie befürchteten, dass die Christen, die dort auftraten, das Heiligtum beschädigen würden. Damit war nicht eine wörtliche Beschädigung gemeint, sondern die Sorge, dass niemand mehr zur Diana von Ephesus beten würde.
Besonders die Silberschmiede hatten diesen Aufstand mit initiiert. Sie hatten ganz persönliche Motive, denn sie befürchteten, dass sie kein Einkommen mehr hätten, wenn die Leute nicht mehr nach Ephesus kämen, um die Diana zu verehren. Sie lebten davon, den Pilgern Schmuckstücke und Andenken zu verkaufen – man könnte sagen, das war damals schon Merchandising. Ging man nach Ephesus, kaufte man solche Schmuckstücke, und davon lebten die Silberschmiede sehr gut. Wenn es plötzlich einen Gott gab, den man nicht sehen konnte, fragten sie sich, was sie als Silberschmiede dann noch herstellen sollten. Deshalb riefen sie zum Aufruhr auf und es kam zu großen Auseinandersetzungen.
In späteren Jahren, als Paulus bereits in Gefangenschaft war, schickte er Timotheus, seinen engsten Mitarbeiter, nach Ephesus. Das lesen wir im 1. Timotheusbrief. Dort beschreibt Paulus, was zwischenzeitlich in der Gemeinde in Ephesus passiert war. Wir erfahren von Irrlehrern, zum Beispiel von Alexander, der wahrscheinlich der Schmied war und möglicherweise den Glauben verlassen hatte, sowie von Hymenäus, der ebenfalls ein Irrlehrer war.
Außerdem lesen wir von einer Gruppe in der Gemeinde, die das Heiraten verboten hatte – also Heiraten wurde als schlecht angesehen. Diese Haltung war vermutlich gnostisch geprägt. Eine Gruppe in der frühen Kirche meinte, alles Körperliche sei schlecht, und ein Christ dürfe nichts mehr mit dem Leiblichen zu tun haben. Deshalb wurde vermutlich auch die Ehe abgelehnt. Im 1. Timotheusbrief wird außerdem berichtet, dass manche bestimmte Speisen verboten hatten.
Viele Hintergründe und Probleme der Gemeinde in Ephesus erfahren wir also durch den 1. Timotheusbrief. Später, als Johannes seine Offenbarung schreibt – das ist noch einmal etwa 30 Jahre später, in den 90er Jahren – erwähnt er in seinen Sendschreiben auch die Gemeinde in Ephesus. Dort heißt es, dass die erste Liebe erkaltet ist. Das bedeutet: Die Gemeinde wurde sehr früh gegründet, ist zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Jahrzehnte alt und hat offenbar eine gewisse Behäbigkeit und Gewohnheit entwickelt. So beschreibt Johannes die Gemeinde in seinem Brief.
Versand und Inhalt des Briefes
In dieser Gemeinde schickte Paulus seinen Brief von Rom aus. Damals konnte man Briefe nicht einfach per Post verschicken, denn ein Postsystem gab es noch nicht. Man brauchte einen privaten Boten oder musste den Transport bezahlen, was natürlich teuer war.
Paulus schickte deshalb Tychikus mit dem Brief. Am Ende des Epheserbriefes wird beschrieben, dass Tychikus auch noch andere Briefe mitnahm, unter anderem den Philemonbrief und den Kolosserbrief. Kolossä war ebenfalls eine Stadt in der ähnlichen Gegend. Wenn man die beiden Briefe direkt nacheinander liest, stellt man viele Ähnlichkeiten fest: ähnliche Argumentationen und Themen werden aufgegriffen. Das deutet darauf hin, dass Paulus diese beiden Briefe in einem kurzen zeitlichen Abstand schrieb. Er war also noch tief im Thema drin und wählte manchmal dieselben Formulierungen, sowohl im Epheser- als auch im Kolosserbrief.
Der Epheserbrief lässt sich grob in zwei Abschnitte teilen. Insgesamt hat er sechs Kapitel. Die ersten drei Kapitel behandeln die Theologie, genauer gesagt die Theologie der Gemeinde. Fachsprachlich nennt man das Ekklesiologie, also die Lehre von der Gemeinde. Dort wird erläutert, woher die Gemeinde kommt, wie sie zusammengesetzt ist, wer sie gegründet hat, wofür sie da ist und wer dazugehört. Diese Themen werden ausführlich beschrieben.
Der Brief ist sehr theologisch geprägt. Es wird viel von Gott gesprochen, von seinem Eingreifen und davon, wie er die Gemeinde gegründet, bewahrt und geführt hat.
Der zweite Teil des Epheserbriefes ist stärker praktisch ausgerichtet. Er richtet sich auf den Alltag der ersten Christen in dieser Gemeinde. Hier geht es um Fragen wie das Verhältnis von Mann und Frau, den Umgang mit den Begabungen, die Gott den Menschen gibt, und ganz am Ende um die geistliche Waffenrüstung. Diese beschreibt, wie man in Zeiten von Anfechtungen kämpfen und sich verhalten soll.
Der erste Teil ist also stärker theologisch geprägt, was typisch für Paulus ist. Er will immer wieder deutlich machen, dass alle praktischen Anweisungen aus dem Blick auf Gott kommen – wer Gott ist und wie er an uns handelt. Deshalb stellt Paulus das an den Anfang: zuerst der Blick auf Gott und sein Heilshandeln durch Jesus Christus, dann der Blick darauf, wie wir uns im Alltag konkret verhalten sollen. Das eine baut auf dem anderen auf.
So ergibt sich ein erster Überblick über den Epheserbrief, seine Entstehung, den Autor und die Empfänger.
Erste Lesung des Epheserbriefes und Lesemethoden
Ich möchte jetzt einmal den ganzen Epheserbrief in einem Zug durchlesen. Das ist eine der Methoden, die wir auch anwenden. Manchmal merkt man dabei ganz andere Dinge, wenn man ein ganzes biblisches Buch oder einen ganzen Brief am Stück liest. Plötzlich fällt auf: Ah, da kommt das Thema, dann entwickelt es sich weiter, und dann folgt das nächste.
Bei dieser Art, die Bibel zu lesen, kommt es nicht auf jedes Detail an. Vielmehr geht es darum, die großen Linien der Argumentation zu erkennen. Manche Stellen liest man dabei etwas oberflächlicher. Danach gibt es dann das Vers-für-Vers-Lesen. Das machen wir gleich im Anschluss. Dabei schauen wir uns die einzelnen Worte, die Begründungen und die Beispiele an, die Paulus wählt. Aber zunächst möchte ich das flächendeckend machen.
Ich möchte auch Mut dazu machen, sich manchmal Zeit für eine ganze biblische Stelle zu nehmen – nicht nur für ein Kapitel oder ein paar Verse, sondern für ein ganzes Buch. Wer das tut, wird feststellen, dass es gar nicht so schlimm ist, wie es vielleicht klingt.
Ich selbst habe das auch schon gemacht, zum Beispiel in einer Freizeit. Ich habe das längste der Evangelien gelesen – nach der Apostelgeschichte ist das das längste Buch des Neuen Testaments überhaupt, nämlich das Lukasevangelium. Es hat zwar weniger Kapitel als Matthäus, aber mehr Verse. Es ist also insgesamt das längste Evangelium.
Dabei habe ich gemerkt, dass ich das gut in etwa drei Stunden vorlesen konnte. Das ist absehbar, oder? Etwa eineinhalb Spielfilme. Das ist also gut machbar. So liest man an einem Stück das ganze Evangelium und entdeckt plötzlich ganz neue Dinge, die man beim Lesen einzelner Stellen nicht wahrnimmt.
Keine Angst, der Epheserbrief ist viel, viel kürzer. Er braucht keine drei Stunden, das geht wesentlich schneller. Ich möchte den Epheserbrief jetzt nach einer sehr verständlichen Übersetzung lesen, nämlich der neuen evangelistischen Übersetzung. So kommt man leichter in den Fluss des Denkens hinein.
Danach werde ich mich besonders auf die Schlachterübersetzung stützen und diese vorlesen. Manche Formulierungen sind dort etwas anders, man ist manchmal näher am ursprünglichen Text. Aber um das große Ganze besser zu verstehen, ist die neue evangelistische Übersetzung, glaube ich, gut geeignet.
Also werde ich vorlesen, und alle anderen können gerne ihre Bibel aufschlagen und mitlesen. Das ist aber kein Muss, man kann auch einfach nur zuhören. Wer mitlesen möchte, kann das tun. Wenn wir dann Vers für Vers vorgehen, würde ich auf jeden Fall empfehlen, die eigene Bibel aufzuschlagen.
Hier müsst ihr selbst entscheiden, ob euch eine andere Übersetzung eher irritiert oder ob sie euch hilft. Wir werden uns das nachher auch noch einmal ganz genau anschauen.
Beginn der Lesung: Epheser 1,1-23 (Neue evangelistische Übersetzung)
Paulus schreibt, der nach dem Willen Gottes Apostel von Jesus Christus ist, an alle, die an Jesus Christus glauben, an die Heiligen, die Gott für sich ausgesondert hat. Er wünscht Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, dem Herrn.
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet hat durch unsere Beziehung zu Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns schon vor Erschaffung der Welt erwählt, einmal heilig und tadellos vor ihm zu stehen. Aus Liebe hat er uns schon damals dazu bestimmt, durch Jesus Christus seine Kinder zu werden. Das war sein gnädiger Wille. Es diente zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns durch seinen geliebten Sohn beschenkt hat.
Durch ihn wurden wir freigekauft zum Preis seines Blutes, und in ihm sind uns alle Vergehen vergeben. Das verdanken wir der unermesslich großen Gnade Gottes, mit der er uns überschüttet hat. Er schenkte uns Einsicht und ließ uns seine Wege erkennen. Weil es ihm so gefiel, hat er uns in das Geheimnis seines Willens, den er in Christus verwirklichen wollte, Einblick nehmen lassen.
Er wollte, wenn die richtige Zeit gekommen ist, seinen Plan ausführen: alles unter das Haupt von Christus zu bringen, alles, was im Himmel und auf der Erde existiert. In ihm haben wir auch ein Erbe zugewiesen bekommen. Dazu hat er uns von Anfang an bestimmt. Ja, das war die Absicht dessen, der alles nach seinem Plan verwirklicht. Er wollte, dass wir zum Lob seiner Herrlichkeit da sind – wir, die schon vorher auf den Messias gehofft haben.
Nachdem ihr das Wort der Wahrheit in der guten Botschaft von eurer Errettung gehört habt und zum Glauben gekommen seid, wurdet auch ihr durch ihn mit dem versprochenen Heiligen Geist versiegelt. Dieser Geist ist der erste Anteil an unserem künftigen Erbe, der vollkommenen Erlösung, die wir noch erhalten werden und die uns ganz zu Gottes Eigentum macht. Auch das wird zum Lobpreis seiner Herrlichkeit dienen.
Deshalb höre ich nicht auf, für euch zu danken, nachdem ich von eurem Glauben an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen gehört habe. Immer wieder denke ich in meinen Gebeten an euch. Ich bitte den Gott unseres Herrn Jesus Christus, den Vater der Herrlichkeit, dass er euch durch seinen Geist Weisheit gibt und euch zeigt, dass er selbst das ist, das ihr erkennen könnt.
Er gebe euren Herzen erleuchtete Augen, damit ihr seht, zu welch großartiger Hoffnung er euch berufen hat. So sollt ihr wissen, wie reich das herrliche Erbe ist, das auf euch, die Heiligen, wartet. Damit erkennt ihr, wie überwältigend groß die Kraft Gottes ist, die in uns Gläubigen wirkt. Diese Kraft lässt sich nur messen an der gewaltigen Macht, die er im Messias wirkte, als er ihn von den Toten auferweckte und in den himmlischen Welten an seine rechte Seite setzte.
Dort thront er jetzt, hoch über alle Gewalten, Mächte und Autoritäten – über allem, was Rang und Namen in dieser und auch in der zukünftigen Welt hat. Gott hat ihm alles zu Füßen gelegt. Er hat ihn, der über alles herrscht, auch zum Haupt der Gemeinde gemacht. Die Gemeinde stellt seinen Körper dar und seine Fülle. Es ist die Fülle von dem, der das All und alles erfüllt.
Auch euch hat er mit Christus lebendig gemacht, obwohl ihr durch eure Sünden und Verfehlungen tot wart. Früher habt ihr darin gelebt, unabhängig, abhängig vom Zeitgeist der Welt, abhängig von der Geistesmacht, die in der Luft herrscht und jetzt noch in den Menschen wirksam ist, die Gott nicht gehorchen wollen. Zu ihnen habt ihr früher auch gehört und wurdet wie sie von euren eigenen Begierden beherrscht. Ihr lebtet eure Triebe und Ideen aus und wart genauso wie die anderen von eurem Wesen her dem Zorn Gottes ausgeliefert.
Aber Gott ist reich an Erbarmen und hat uns seine ganze große Liebe geschenkt. Er hat uns mit dem Messias lebendig gemacht – auch uns, die aufgrund unserer Verfehlungen für ihn tot waren. Bedenkt: Aus reiner Gnade seid ihr gerettet. Er hat uns mit Jesus Christus auferweckt und uns mit ihm einen Platz in den Himmelswelten gegeben.
So kann er auch in den kommenden Zeitaltern den unendlichen Reichtum seiner Gnade und Güte in Jesus Christus an uns deutlich machen. Durch die Gnade seid ihr errettet worden aufgrund des Glaubens. Dazu habt ihr selbst nichts getan. Es ist Gottes Geschenk und nicht euer eigenes Werk. Niemand soll sich etwas auf seine guten Taten einbilden können.
In Jesus Christus sind wir Gottes Meisterstück. Er hat uns geschaffen, damit wir gute Werke tun – gute Taten, die er für uns vorbereitet hat, damit wir sie in unserem Leben ausführen.
Theologische Erläuterungen zum Briefanfang
Deshalb denkt daran, dass ihr früher zu den Völkern gehört habt, die von den Juden die Unbeschnittenen genannt werden, obwohl sie selbst nur äußerlich beschnitten sind.
Ihr wart damals von Christus getrennt, vom Bürgerrecht Israels ausgeschlossen und standet den Bündnissen Gottes und den damit verbundenen Zusagen als Fremde gegenüber. Ihr hattet keine Hoffnung und lebtet ohne Gott in der Welt. Doch jetzt seid ihr, die damals fernstanden, durch die Verbindung mit Jesus Christus und durch sein Blut zu Nahestehenden geworden.
Denn er selbst ist unser Friede. Er, der uns aus beiden eine Einheit gemacht hat, hat durch sein körperliches Sterben die Mauer der Feindschaft niedergebrochen. Dadurch hat er das Gesetz mit seinen Vorschriften und Geboten beseitigt, um zwischen Juden und Nichtjuden Frieden zu stiften. Ja, er hat die beiden in seiner Person zu dem einen neuen Menschen geformt und sie in diesem einen Leib mit Gott versöhnt durch seinen Tod am Kreuz. Dadurch hat er auch die Feindschaft getötet.
So ist er gekommen und hat euch, den Fernstehenden, die gute Nachricht vom Frieden gebracht und den Nahestehenden ebenso. Denn durch ihn haben wir beide in einem Geist freien Zugang zum Vater.
Ihr seid also keine Fremden mehr, keine geduldeten Ausländer, sondern Mitbürger der Heiligen und gehört zur Familie Gottes. Ihr seid auf dem Fundament der Apostel und Propheten aufgebaut, in dem Jesus Christus selbst der Eckstein ist. Durch ihn, den Herrn, wächst der ganze Bau fest zusammengefügt zu einem heiligen Tempel empor.
Mit ihm verbunden werdet auch ihr als Bausteine in diese geistliche Wohnstätte Gottes eingefügt.
Das ist auch der Grund, weshalb ich, Paulus, nach dem Willen von Jesus Christus euch nichtjüdischen Völkern zum Guten im Gefängnis bin. Ihr habt doch wohl von der Aufgabe gehört, die mir in Bezug auf euch gegeben worden ist: Verwalter der Gnade Gottes zu sein.
Denn durch eine Offenbarung hat er mir das Geheimnis enthüllt, wie ich es eben kurz beschrieben habe. Wenn ihr meinen Brief lest, werdet ihr merken, welche Einsicht Gott mir in das Messiasgeheimnis geschenkt hat. Früheren Generationen war das nicht bekannt. Er hat es aber jetzt seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist enthüllt.
Die nichtjüdischen Völker sollen am Erbe teilhaben und zum einen Leib gehören. Die Zusagen Gottes, die in Christus Wirklichkeit wurden, sollen durch das Evangelium auch ihnen gelten.
Durch die Gabe der Gnade Gottes bin ich ein Diener dieser Botschaft geworden. So hat er an mir seine gewaltige Macht erwiesen, mir, dem Geringsten von allen, die Gott geheiligt hat. Durch diese Gnade durfte ich den nichtjüdischen Völkern verkündigen, dass der unfassbare Reichtum des Messias auch für sie da ist. Ich durfte ans Licht bringen, wie Gott dieses Geheimnis nun verwirklicht hat – diesen Plan, den der Schöpfer aller Dinge vor aller Zeit gefasst hat und bis jetzt verborgen hielt.
Erst durch die Gemeinde sollte den Mächten und Gewalten der Himmelswelt bekannt werden, auf welche Weise sie die vielfältige Weisheit Gottes kennenlernen. Denn so entsprach es dem ewigen Plan Gottes, den er in Jesus Christus, unserem Herrn, verwirklicht hat.
Weil wir uns auf ihn verlassen, haben wir den freien Zugang zu Gott, den wir in aller Öffentlichkeit und voll aller Zuversicht nutzen.
Darum bitte ich euch: Lasst euch nicht irreführen durch das, was ich leiden muss. Denn ich ertrage es um eurertwillen zur Ehre für euch.
Deshalb knie ich mich hin vor dem Vater, von dem alle Weisheit und Wesenheit im Himmel und auf der Erde ihren Namen erhalten hat. Er möge euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit mit Kraft beschenken, damit ihr durch seinen Geist innerlich stark werdet.
Dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohnt und ihr in seiner Liebe fest eingewurzelt und gegründet seid. So werdet ihr zusammen mit allen, die von Gott geheiligt sind, imstande sein, das ganze Ausmaß zu erfassen – seine Breite, Länge, Höhe und Tiefe – und zu erkennen, was alle Erkenntnis übersteigt: die unermessliche Liebe, die Christus zu uns hat.
So werdet ihr bis zur ganzen Fülle Gottes erfüllt werden, dem, der so unendlich viel mehr tun kann, als wir bitten oder erdenken. Er wirkt mit seiner Kraft in uns. Ihm gebührt die Ehre in der Gemeinde und in Jesus Christus von Generation zu Generation in alle Ewigkeit. Amen.
Ermahnung zum Leben in der Gemeinde
Als einer, der für den Herrn im Gefängnis ist, ermahne ich euch: Lebt so, wie es der Berufung entspricht, die an euch erging. Seid euch eurer eigenen Niederlichkeit bewusst, begegnet den anderen freundlich, habt Geduld miteinander und ertragt euch gegenseitig in Liebe.
Bemüht euch sehr darum, die Einheit zu bewahren, die der Geist Gottes gewirkt hat, im Verbund des Friedens. Ihr seid ja ein Leib. In euch lebt ein Geist, und ihr habt eine Hoffnung bei eurer Berufung bekommen. Ihr habt nur einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe, und über allen ist der eine Gott, der Vater von allen, der durch alle in allen wirkt.
Jeder von uns hat den Anteil an der Gnade erhalten, so wie er von ihm, von Christus, zugemessen wurde. Darum heißt es ja in der Schrift: Er stieg hinauf in den Himmel, hat Gefangene mit sich geführt und den Menschen Gaben gegeben. Wenn er aber hinaufgestiegen ist, muss er ja zuerst auf die Niederungen der Erde hinabgestiegen sein.
Der, der zu uns herabgestiegen ist, ist auch der, der hoch über alle Himmel aufgestiegen ist und alles Geschaffene mit seiner Macht erfüllt. Er hat die einen als Apostel gegeben und die anderen als Propheten. Er gab Evangelisten, Hirten und Lehrer, damit sie die Gottgeweihten zum Dienst ausrüsten und so der Leib Christi aufgebaut wird.
Das Ziel ist, dass wir alle die Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes erreichen, dass wir zu mündigen Christen heranreifen und in die ganze Fülle hineinwachsen, die Christus in sich trägt. Dann sind wir keine unmündigen Kinder mehr, die sich vom Wind aller möglichen Lehren umtreiben lassen und wie Wellen hin und her geworfen werden.
Dann fallen wir nicht mehr auf das falsche Spiel von Menschen herein, die andere hinterlistig in die Irre führen. Lasst uns deshalb fest zur Wahrheit und zur Liebe stehen und in jeder Hinsicht zu Christus, unserem Haupt, hinwachsen. Von ihm her wird der ganze Leib zusammengefügt und durch verbindende Glieder zusammengehalten.
Das geschieht in der Kraft, die jedem der einzelnen Teile zugemessen ist. So bewirkt Christus das Wachstum seines Leibes; er baut sich auf durch die Liebe.
Aufforderung zu einem neuen Lebensstil
Ich muss euch nun Folgendes sagen und ermahne euch im Auftrag des Herrn: Ihr dürft nicht mehr so leben wie die Menschen, die Gott nicht kennen. Ihr Leben und Denken sind von Nichtigkeiten bestimmt, und in ihrem Verstand ist es finster, weil sie vom Leben mit Gott ausgeschlossen sind. Das kommt von der Unwissenheit, in der sie befangen sind, und von ihrem verstockten Herzen. So sind sie in ihrem Gewissen abgestumpft und haben sich ungezügelten Lüsten hingegeben. Sie sind unersättlich in sexueller Unmoral und Habgier. Aber ihr habt gelernt, dass so etwas mit Christus nichts zu tun hat.
Ihr habt von ihm gehört und auch verstanden, was in Jesus Wirklichkeit ist: dass ihr in Hinsicht auf euer früheres Leben den alten Menschen abgelegt habt. Denn der richtet sich in Verblendung und Begierde zugrunde. Ihr dagegen werdet in Geist und Sinn erneuert, da ihr ja den neuen Menschen angezogen habt, den Gott nach seinem Bild erschuf und der von wirklicher Gerechtigkeit und Heiligkeit bestimmt ist.
Als Menschen, die das Lügen abgelegt haben, müsst ihr einander die Wahrheit sagen. Wir sind doch als Glieder miteinander verbunden. Versündigt euch nicht, wenn ihr zornig werdet! Die Sonne darf über eurem Zorn nicht untergehen. Gebt dem Teufel keinen Raum in euch.
Wer ein Dieb war, soll nicht mehr stehlen, sondern hart arbeiten und mit seinen eigenen Händen seinen Lebensunterhalt verdienen, damit er Notleidenden davon abgeben kann. Lasst kein gehässiges Wort über eure Lippen kommen! Habt da, wo es nötig ist, ein gutes Wort, das weiterhilft und allen Wohltut. Sonst kränkt ihr den Heiligen Geist, den Gott euch als Siegel aufgeprägt hat und der euch die volle Erlösung garantiert.
Fort also mit aller Bitterkeit, mit Wut, Zorn und gehässigem Gerede! Schreit euch nicht gegenseitig an und verbannt jede Bosheit aus eurer Mitte. Seid vielmehr umgänglich und hilfsbereit. Vergebt euch gegenseitig, weil Gott euch durch Christus vergeben hat.
Werdet also Nachahmer Gottes! Ihr seid seine geliebten Kinder und lasst euer Verhalten von der Liebe bestimmen, wie auch der Messias seine Liebe bewiesen hat, als er sein Leben für uns hingab. Er brachte sich als Opfergabe dar, an der Gott großes Wohlgefallen hatte.
Von sexueller Unmoral jedoch, von Schamlosigkeit jeder Art und von Habsucht soll bei euch nicht einmal geredet werden. Das schickt sich nicht für Menschen, die Gott geheiligt hat. Auch Unanständigkeit, dummes Geschwätz und derbe Späße passen nicht zu euch. Benutzt eure Zunge lieber zum Danken.
Denn ihr müsst wissen, dass keiner von denen, die in sexueller Unmoral leben, ein ausschweifendes Leben führen oder von Habgier erfüllt sind. Habgier ist nämlich eine Form von Götzendienst. Ein solcher Mensch wird keinen Platz im ewigen Reich des Messias und Gottes haben.
Lasst euch von niemandem einreden, dass all das harmlos sei! Gerade wegen dieser Dinge zieht sich der ungehorsame Mensch den Zorn Gottes zu. Habt also nichts mit ihnen zu tun.
Früher gehörtet ihr zwar zur Finsternis, aber jetzt gehört ihr durch den Herrn zum Licht. Lebt nun auch als Menschen des Lichts! Ein solches Licht bringt als Frucht jede Art von Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.
Fragt immer danach, was dem Herrn gefällt, und beteiligt euch nicht an den nutzlosen Dingen, die aus der Finsternis kommen. Stellt sie vielmehr bloß, denn was manche heimlich tun, ist schon auszusprechen unanständig. Wird es bloßgestellt, dann wird es durch Gottes Licht offenbar. Denn alles, was ans Licht kommt, kann selbst Licht werden.
Deshalb heißt es: Wach auf, du Schläfer! Steh auf vom Tod, und der Messias wird dein Licht sein.
Praktische Lebensführung und Beziehungen
Achtet also genau darauf, wie ihr euer Leben führt – nicht als Törichte, sondern als weise Menschen. Nutzt die Gelegenheit, die Gott euch gibt, denn wir leben in einer bösen Zeit. Seid also nicht leichtsinnig und gedankenlos, sondern begreift, was der Herr von euch will.
Betrinkt euch nicht, denn das führt zu einem zügellosen und verschwenderischen Leben. Lasst euch stattdessen vom Geist Gottes erfüllen. Das geschieht, indem ihr euch gegenseitig mit Psalmen, Lobliedern und anderen geistlichen Liedern ermutigt. Singt und musiziert aus vollem Herzen dem Herrn. Dankt Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus allezeit und für alles. Ordnet euch in der Ehrfurcht vor Christus einander unter.
Ihr Frauen, unterstellt euch euren Männern, so wie ihr euch dem Herrn unterstellt. Denn so wie Christus das Oberhaupt der Gemeinde ist – er hat sie ja gerettet und zu seinem Leib gemacht – so ist der Mann das Oberhaupt der Frau. Wie sich die Gemeinde Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen, und zwar in allen Dingen.
Ihr Männer, liebt eure Frauen, und zwar so, wie Christus die Gemeinde geliebt und sein Leben für sie dahingegeben hat. Er tat das, um sie zu heiligen und zu reinigen, sie durch das Wort Gottes wie durch ein Wasserbad. Denn er wollte die Gemeinde wie eine Braut in makelloser Schönheit präsentieren – ohne Flecken, Falten oder sonstige Fehler, heilig und tadellos.
So sind auch die Männer verpflichtet, ihre Frauen zu lieben wie ihren eigenen Körper. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Niemand hasst doch seinen Körper, sondern ernährt und pflegt ihn. So macht es auch Christus mit der Gemeinde, denn wir sind ja die Glieder seines Leibes.
Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen, um sich mit seiner Frau zu verbinden, und die zwei werden völlig eins sein. Darin liegt ein tiefes Geheimnis. Ich beziehe es auf Christus und die Gemeinde. Für euch gilt jedenfalls: Jeder liebe seine Frau so wie sich selbst, und die Frau soll ihren Mann achten.
Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern, weil ihr mit dem Herrn verbunden seid. Das ist nur recht und billig. „Ehre deinen Vater und deine Mutter“ – so lautet das erste Gebot, dem eine Zusage folgt, damit es dir gut geht und du ein langes Leben auf Erden hast.
Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, sondern erzieht sie nach den Maßstäben und Ermahnungen des Herrn.
Ihr Sklaven, gehorcht euren irdischen Herren mit aller Ehrerbietung und Gewissenhaftigkeit. Dient ihnen mit aufgeschlossenem Herzen, als würdet ihr dem Christus dienen. Tut es nicht, um gesehen zu werden und euch bei ihnen einzuschmeicheln. Betrachtet euch vielmehr als Sklaven des Messias, die Gottes Willen von Herzen gerne tun.
Seid euren Herren wohlgesonnen und dient ihnen mit der Überzeugung, dass ihr es für den Herrn und nicht für Menschen tut. Ihr wisst doch, dass jeder, der Gutes tut, vom Herrn dafür belohnt wird, egal ob er Sklave ist oder ein freier Mensch.
Und ihr Herren, behandelt eure Sklaven im gleichen Sinn. Lasst das Drohen sein und denkt daran, dass ihr im Himmel einen gemeinsamen Herrn habt, von dem alle Menschen gleich sind.
Geistliche Waffenrüstung und Gebet
Und schließlich: Lasst euch stark machen durch den Herrn, durch seine gewaltige Kraft. Zieht die volle Rüstung Gottes an, damit ihr den heimtückischen Anschlägen des Teufels standhalten könnt.
Wir kämpfen ja nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern gegen dämonische Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher der Finsternis, gegen die bösen Geisteswesen in der unsichtbaren Welt.
Greift darum zu den Waffen Gottes, damit ihr standhalten könnt, wenn der böse Tag kommt. Und dann, wenn ihr alles erledigt habt, noch steht!
Steht also bereit, die Hüften umgürtet mit Wahrheit, den Brustpanzer der Gerechtigkeit angelegt, die Füße mit Bereitschaft beschuht, die gute Botschaft vom Frieden mit Gott weiterzutragen.
Greift vor allem zum Großschild des Glaubens, mit dem ihr die Brandpfeile des Bösen auslöschen könnt. Setzt euch den Helm des Heils auf und nehmt das Schwert des Geistes, das Wort Gottes, in die Hand.
Betet dabei zu jeder Zeit mit jeder Art von Gebeten und Bitten in der Kraft des Heiligen Geistes. Seid wachsam und hört nicht auf, für alle Gläubigen zu beten.
Betet auch für mich, dass Gott mir das rechte Wort schenkt, wenn ich meinen Mund aufmache, um das Geheimnis des Evangeliums bekannt zu machen. Als Gesandter des Evangeliums bin ich ja im Gefängnis, damit ich so freimütig davon rede, wie ich reden soll.
Unser lieber Bruder Tychikus, ein treuer Helfer im Dienst für den Herrn, wird euch erzählen, wie es mir geht und was ich tue. Deshalb habe ich ihn auch zu euch geschickt, damit ihr erfahrt, wie es um uns steht und er euch ermutigen kann.
Allen Geschwistern wünsche ich von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus Frieden und Liebe, verbunden mit dem Vertrauen zu ihm.
Die Gnade sei mit allen, die unseren Herrn Jesus Christus in unvergänglicher Treue lieben.
Persönliche Anmerkungen zum Brief und Lesetipps
Ich weiß jetzt nicht, wer gerade zur Uhr geschaut hat. Ich habe es jedenfalls nicht getan, hätte es aber tun können, um dann zu sehen, wie das abgelaufen ist. So ähnlich müsst ihr euch das vorstellen, als Tychikus angekommen ist. Dann hat man die Briefe auch in einem Zug gelesen. Das würdet ihr wahrscheinlich auch tun, wenn euch ein Brief geschickt wird – also normalerweise.
Ich erinnere mich noch, als ich frisch mit meiner Frau verliebt war und Briefe von ihr bekommen habe. Ich muss zugeben, manchmal habe ich den Brief den ganzen Tag liegen lassen und immer wieder in die Hand genommen. Das war wohl, um die Vorfreude zu steigern. Aber wenn ich ihn dann geöffnet habe, habe ich ihn ganz gelesen. Es wäre auch komisch, irgendwo aufzuhören, wenn da etwas Nettes steht und man es nicht bis zum Ende liest.
Ihr merkt ja, so viel ist das gar nicht. Da ist nicht einmal ein ganzer Gottesdienst mitgefüllt. So ähnlich müssen wir uns vorstellen, wie diese Briefe gelesen wurden. Sie waren ja nicht als theologisches Fachbuch konzipiert, sondern als Briefe, die in das lebendige Gemeinde hineingeschrieben wurden – gleichzeitig natürlich auch für uns heute.
Hier sehen wir, dass es einen Anfang gibt, ganz persönliche Dinge mit Hinweisen auf Grüße und die Position des Tychikus in der Gemeinde. Aber es gibt auch allgemeine theologische Erklärungen: Wer Gott ist, wie wir erlöst sind, welche Position Jesus Christus hat und all solche Dinge.
Manchmal würde ich empfehlen, lest das einfach so – das, was ich jetzt nicht tue. Ein anderer Tipp: Manchmal kann es helfen, wenn ihr beispielsweise in einer Woche immer wieder denselben Text lest, jeden Morgen denselben Text. Wenn ihr das probiert, wird euch auffallen, dass euch jeden Tag etwas anderes an dem Text deutlich wird. Denn da ist ja die ganze Vielfalt des Wortes Gottes.
Manchmal denkt ihr am Ende: Boah, so viel steckt da drin, das kommt beim ersten Lesen gar nicht heraus. Also kann es helfen, ein ganzes biblisches Buch durchzulesen. Und manchmal hilft es auch, wenn ihr euch einen Textabschnitt nehmt – was weiß ich, da zehn Verse, in denen ein Gleichnis drin ist oder ein Lobgesang Gottes oder ein solches Kapitel – und das am Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag lest. Ihr werdet merken, dass Gott euch auf besondere Weise bereichert, weil euch jedes Mal neue Dinge auffallen.
Auch das kann eine Hilfe sein. Das mache ich jetzt nicht, weil es ja auch eine Frage der Zeit ist. Wenn ich jetzt wieder anfange zu lesen, denken einige vielleicht: Oh, das haben wir doch gerade gehört, und vielleicht müsste ich morgen nochmal anfangen, alles durchzulesen. Das mache ich jetzt nicht.
Ich möchte euch in einer nächsten Phase den gesamten Text noch einmal vorlesen – aber nicht in einem Zug. Ich werde euch jetzt das erste Kapitel vorlesen, und zwar in der Schlachter-Übersetzung. Ihr werdet merken, dass das ein bisschen anders klingt. Manchmal ist sie noch etwas genauer am ursprünglichen Text orientiert, wodurch sie aber auch etwas schwerer verständlich ist. Das heißt, ihr braucht ein bisschen mehr Erklärungen dafür. Aber das ist kein Problem. Dafür bin ich heute Abend auch hier, und ihr ja auch, damit wir uns da gemeinsam hineinknien.
Es wird so laufen, dass ich euch einige grundlegende Informationen über den Text gebe – insbesondere bei Aussagen, von denen ich denke, dass sie ganz besonders wichtig sind oder die möglicherweise unklar sein können. So kann ich sie euch klarer machen.
Am Ende eines Kapitels wird es dann eine Aufgabe für euch geben. Ich will euch jetzt schon mal vorwarnen, damit ihr wisst: Aha, wenn ich gleich fertig bin, seid ihr dran. Also lauft mir vorher nicht weg! Zuerst wollen wir Kapitel für Kapitel den Zusammenhang verstehen und genauer hinschauen.
Ich werde das so machen, dass ich das ganze erste Kapitel jetzt vorlese – Schlachter-Übersetzung – und dann Vers für Vers durchgehe, um einige Erklärungen zu geben. Und wie gesagt, danach seid ihr dran.
Also noch einmal: Jetzt könnt ihr eure Bibel aufschlagen, falls ihr das bisher noch nicht getan habt. Dann lesen wir gemeinsam das erste Kapitel.
Vorlesung Epheser 1 (Schlachter Übersetzung)
Erstes Kapitel
Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, an die Heiligen und Gläubigen in Christus Jesus, die in Ephesus sind: Gnade sei mit euch und Frieden von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jedem geistlichen Segen in den himmlischen Regionen in Christus. Wie er uns in ihm vor Grundlegung der Welt auserwählt hat, damit wir heilig und tadellos vor ihm seien in Liebe.
Er hat uns vorherbestimmt zur Sohnschaft für sich selbst durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade. Mit dieser Gnade hat er uns begnadigt im Geliebten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Übertretungen, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns überströmend widerfahren ließ in aller Weisheit und Einsicht.
Er hat uns das Geheimnis seines Willens bekannt gemacht, entsprechend dem Ratsschluss, den er nach seinem Wohlgefallen gefasst hat. In ihm, zur Ausführung, in aller Fülle der Zeiten, alles unter einem Haupt zusammenzufassen: Christus, sowohl das, was im Himmel als auch das, was auf der Erde ist.
In ihm haben wir auch ein Erbteil erlangt. Wir sind vorherbestimmt nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt, nach dem Ratschluss seines Willens, damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit dienen. Dies haben wir zuvor auf Christus gehofft.
In ihm seid auch ihr, nachdem ihr das Wort der Wahrheit, das Evangelium eurer Errettung, gehört habt. Als ihr gläubig wurdet, seid ihr in ihm versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung, der das Unterpfand unseres Erbes ist, bis zur Erlösung des Eigentums, zum Lob seiner Herrlichkeit.
Darum lasse ich auch nicht ab, für euch zu danken und in meinen Gebeten an euch zu denken, nachdem ich von eurem Glauben an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen gehört habe.
Ich bete, dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der Weisheit und Offenbarung gebe, damit die Augen eures Verständnisses erleuchtet werden. So könnt ihr erkennen, was die Hoffnung seiner Berufung ist und was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen bedeutet.
Ebenso mögt ihr erkennen, was die überwältigende Größe seiner Kraftwirkung an uns ist, die wir glauben, gemäß der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke.
Diese Kraft hat er wirksam werden lassen in Christus, als er ihn aus den Toten auferweckte und ihn zu seiner Rechten setzte in den himmlischen Regionen. Dort ist er hoch über jedes Fürstentum, jede Gewalt, Macht, Herrschaft und jeden Namen erhoben, der genannt wird – nicht allein in dieser Weltzeit, sondern auch in der zukünftigen.
Und er hat alles seinen Füßen unterworfen und ihm zum Haupt über alles in der Gemeinde gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.
Erläuterungen zum Stil und Aufbau des Briefanfangs
Eine andere Übersetzung
Es wird wahrscheinlich deutlich geworden sein: Hier ist es schwieriger, der Argumentation des Paulus zu folgen. Das liegt daran, dass Paulus unendlich lange Sätze formuliert hat. Wenn du jetzt mal durchliest, dann kommen ständig „und“, „dann“, „aber“, „damit“ und so weiter. Manchmal musst du noch einmal zurücklesen, um zu verstehen, wie er angefangen hat. Dann kommt ein „damit“, und du fragst dich: Was ist da mit „damit“ gemeint? Dann liest du fünf Verse zurück, und erst dort fängt das Ganze richtig an. Das macht das Ganze schwierig.
Und das ist nicht das Problem des Übersetzers, sondern auch im Griechischen sind das endlos lange Sätze, also mehrere endlos lange Sätze. Vielleicht müssen wir uns das so vorstellen: Paulus fängt mit einem Gedanken an, ist so begeistert vom Handeln Gottes, dann fällt ihm noch etwas ein – „oh ja, da müssen wir hier noch etwas ergänzen“ – und das hängt noch damit zusammen, und das auch noch. Er ist so begeistert vom Heilsplan Gottes, dass er Schwierigkeiten hat, das Ganze systematisch aufzubauen. Als Lehrer neige ich ja eher dazu, systematisch vorzugehen: Punkt eins, Punkt zwei, Punkt drei, vielleicht noch durchnummeriert. Das macht Paulus hier aber nicht.
Ich sage ja nicht, dass ich es besser gemacht hätte, gar nicht, denn immerhin ist er inspiriert, ich nicht. Von daher hat Gott ihn ja in seiner Wortwahl geführt. Es ist also von Gott so gewollt. Aber es strengt uns dann etwas an, dieser Argumentation zu folgen, diese Begeisterungsstürme mitzuerleben, die Paulus hier hat, als er im Gefängnis sitzt und an Jesus denkt und an das, was er für ihn getan hat.
Ich gehe jetzt Stück für Stück durch den Text. Wenn ich etwas nicht erwähne, von dem ihr denkt, „oh, das ist jetzt aber wichtig“ oder „naja, da ist mir etwas unklar“, dann meldet euch und sagt das.
Die Einleitung in dieses Buch ist ganz typisch für die Briefe des Paulus. Er macht das ganz ähnlich in all seinen Briefen. Das liegt aber auch daran, dass das das typische Muster war, in dem man damals in der Antike Briefe schrieb. Normalerweise stellte man erst vor, wer schreibt, und dann sagte man, an wen geschrieben wird. Und wenn man schrieb, wer geschrieben hat, wurde normalerweise die Person auch genannt.
Das gab es bis in die neueste Zeit hinein. Heute steht das häufig im Briefkopf, also sind dort zum Beispiel alle Titel mit drin: Professor, Doktor, Magister, sonst irgendwas. Oder kennt ihr vielleicht mittelalterliche Schriften? Da steht dann „Eure Magnifizenz und Majestät und Herzog von so und so und Baron von so und so“ und so weiter, Zeile um Zeile, und irgendwann kam dann auch der Name. So ähnlich hat man das bis in die jüngste Vergangenheit gemacht.
Umso mehr müssen wir darauf schauen, wie sich Paulus vorstellt, denn darin steckt eine ganze Menge von dem Selbstverständnis, mit dem er auftritt. Hier steht: Paulus, Apostel Jesu Christi. Nun, „Apostel“ klingt in unseren Ohren ziemlich wichtig, in den damaligen Ohren gar nicht so sehr. Denn Apostel bedeutete eigentlich nur „Bote“, und ein Bote ist normalerweise unwichtig.
Ich will hier niemanden herabwürdigen, der vielleicht als Postbote arbeitet – wobei ich gehört habe, dass das politisch inzwischen unkorrekt ist und „Postzusteller“ heißen soll, weil „Postbote“ nicht so ehrwürdig klingt – aber ein Bote ist eigentlich nichts Besonderes. Das Wichtige ist, wer ihn schickt oder was er transportiert, nicht der Bote selbst.
Damit macht Paulus auch deutlich: Die Autorität liegt nicht bei ihm. Nicht „Ich bin der große Lehrer, Meister, Professor für Theologie“, sondern er macht ganz klar: Derjenige, der mich schickt, ist wichtig. Und dann sagt er: Ich bin der Bote von Jesus Christus, also ich gebe weiter, was Jesus sagt. Und zwar nicht, weil ich mir das ausgesucht habe. Paulus sagt nicht: Ich habe mich beworben und wurde dann ausgewählt, nachdem ich alle Prüfungen bestanden habe. Sondern er sagt: Das ist allein, weil Gott mich dazu berufen hat, der Bote von Jesus Christus zu sein.
Dann schreibt er an die Heiligen und Gläubigen in Jesus Christus in Ephesus. Deutlich wird hier, dass es damals nicht mehrere Konfessionen und Gemeinden gab, sondern einfach die Gläubigen, die in Ephesus wohnten.
Das kann verschiedene Gründe haben. Wir könnten das gleich gemeindlich ausschlachten und sagen: Aha, auch heute muss das so sein, es darf nur eine Gemeinde in Mettmann geben, alles andere ist falsch, also „Antigläubige“ in Mettmann wäre eine Möglichkeit. Es könnte aber auch daran liegen, dass die Gemeinde einfach so klein war, dass es gar nicht so viele Gläubige gab. Vielleicht waren da gar keine 500 Gläubigen, die sich sammeln konnten, sondern nur 30, 40 oder 50. Insofern erübrigte sich die Frage nach vielen Gemeinden.
Das können wir nicht genau deuten. Auf jeden Fall ist für Paulus klar: An die Christen in Ephesus schreibt er, und die nennt er Heilige. Nun, der Begriff „Heilige“ trifft eigentlich auf alle Christen zu. Heilig meint das ausgesonderte Sein für Gott, also die, die ganz für Gott da sind, die ganz für Gott leben. Das schreibt er ja später auch. An diese wendet er sich.
Allerdings könnte es heute irritierend wirken, wenn sich jemand im Alltag als „Heilige“ vorstellt. Wenn ich beim Einkaufen bin und mich jemand fragt: „Wer sind Sie denn?“ und ich antworte: „Ich bin der heilige Michael“, könnten die Leute irritiert schauen. Sie denken vielleicht, ich mache einen Witz oder bin abgehoben. Aber im Grunde genommen ist genau das gemeint, was Paulus hier sagt.
Heilige sind keine Menschen, die aufgrund irgendeiner kirchlichen Autorität in einen hohen Stand der Würde versetzt wurden, sondern Heilige sind diejenigen, die ganz für Jesus Christus leben wollen. Das sind die Heiligen.
Dann sagt Paulus: die Gläubigen. „Gläubig“ meint damals das Wort „pistoio“, das dahintersteht, und bedeutet die, die ganz und gar auf Gott vertrauen. So müsste man das übersetzen. Mit „Glaube“ ist hier nicht gemeint, dass sie ihre Unterschrift unter ein Glaubensbekenntnis setzen. Glaube war ein dynamischer Prozess, das heißt, jemand, der damit lebt.
Das beschreibt Paulus später auch: Was macht denn den Gläubigen aus? Er sagt nicht: Du bist jetzt Gläubiger, und jetzt tu das auch noch. Sondern durch das, was man tut, zeigt man, dass man Gläubiger und Heiliger ist.
Dann wünscht Paulus „Gnade und Friede“, was er ganz häufig tut. Er mischt hier den typisch griechischen Gruß mit dem typisch hebräischen Gruß. Er meint das wahrscheinlich ganz ernst.
Das eine ist die Gnade („charis“), die auch in „Charismata“ steckt, also die Gnadengaben, die Gnade des Handelns Gottes. „Gnade sei mit euch“ bedeutet konkret, dass Gott euch in seiner Güte beschenkt und führt. Es war aber auch der allgemeine Gruß in Griechenland, ohne theologischen Hintergrund.
Das andere Wort ist „Friede“ („airene“ im Griechischen), aber hier abgeleitet von „Schalom“ aus dem Hebräischen. Juden begrüßen sich bis heute mit „Schalom“ – Frieden. Friede meint hier den Frieden Gottes, der alles erfüllt und umfassend ist, absolute Zufriedenheit und vollkommene Erfüllung bietet. Das wünscht Paulus ihnen.
Von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Hier übrigens ein indirekter Hinweis auf die Gottheit Jesu. Das ist ganz häufig so: Nie wird sonst jemand in einem Atemzug mit Gott genannt. Wenn Paulus hier Gott und Jesus Christus zusammen nennt, heißt das für ihn, dass sie auf einer Stufe stehen, auf einer Ebene.
Paulus würde nie schreiben: „Euch grüßt Gott und Paulus!“ Das geht nicht. Aber ganz häufig nennt er hier im Brief den Vater und den Sohn im selben Atemzug. Das macht ganz klar, dass er von einer innigen, sonst nirgendwo vorhandenen Verbindung zwischen dem Vater und dem Sohn ausgeht.
Wenn er von „Herr Jesus“ spricht, ist hier der Sklavenhalter mitgemeint, um das richtige Verhältnis deutlich zu machen, also der absolute Herrscher, der „Kyrios“, was hier gemeint ist – nicht nur „irgendwie Herr“.
Dann heißt es: „Gepriesen sei der Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jedem geistlichen Segen in den himmlischen Regionen in Christus.“ Das können wir auf mehrere Weise verstehen.
Erstmal finde ich es biografisch erstaunlich, dass Paulus das schreibt, denn er sitzt zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis. Die meisten Leute, die ich kenne, die gerade in einer schwierigen Lebensphase sind, sagen eher: „Warum lässt Gott das zu?“ Oder: „Mir geht es schlecht, aber ich erfahre noch den Beistand Jesu, und das ist schon gut.“
Wenn man das hier liest, würde man nicht zuerst an einen Gefangenen denken, sondern an jemanden, dem es gerade richtig gut geht, der vielleicht gerade geheiratet hat oder im Urlaub ist.
„Gepriesen sei der Gott, der uns gesegnet hat mit jedem geistlichen Segen.“ Wenn hier steht „in den himmlischen Regionen“, kann man das auf zweierlei Weise verstehen.
Einmal könnte gemeint sein, dass der Ursprung des Segens, den wir haben, aus den himmlischen Regionen kommt. Das heißt, wir werden nicht in erster Linie auf irdischer Ebene beschenkt, sondern der Segen kommt aus dem Himmel.
Es könnte auch bedeuten – was später im Brief noch auftaucht –, dass hier der Unterschied zwischen der Stellung und dem Zustand gemeint ist, den wir haben. Es wird gesagt, dass wir in der Stellung vor Gott schon Söhne Gottes sind, wir haben das Recht bei ihm, wir sind Gottes Hausgenossen.
Das sind wir ja schon. Aber wenn wir uns gegenseitig anschauen, dann hoffe ich, seid ihr nicht beleidigt, wenn ich sage, ihr seht aus wie ganz normale Menschen. Hier ist nicht gemeint, dass ihr so strahlt wie Gott vielleicht in der Herrlichkeit. Häufig sehen wir, dass ein Bekehrter vielleicht etwas mehr lächelt, aber sonst sieht er genauso aus wie vorher.
Deshalb: „in den himmlischen Regionen“, bei Gott sind wir schon andere Menschen. Gott sieht uns durch die Brille Jesu als heilige Menschen, als seine Erben, als seine Hausgenossen. Deshalb der Hinweis auf die himmlischen Regionen. Er segnet uns in jeder Hinsicht.
Das ist immer wieder gut für uns zu lesen, wenn wir uns gerade mal deprimiert fühlen. Dann zu lesen: Das ist nur ein Teil der Angelegenheit. Obwohl ich jetzt krank bin, meinen Arbeitsplatz verloren habe, oder sonst etwas passiert ist – Paulus ging es noch viel schlechter. Und er hat den Blick: Eigentlich hat Gott uns wahnsinnig beschenkt. Das sollten wir nie vergessen. Nicht zu stark auf unseren irdischen Zustand schauen, sondern auf unsere Stellung bei Gott, weil wir gerettet sind.
Wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt – das wird mehrfach in diesem und im nächsten Kapitel wiederholt: die Erwählung Gottes, weil sie mehrfach erwähnt wird.
Hier wird noch erwähnt: Er wählt vor Grundlegung der Welt. Hier wird deutlich gemacht, und das ist der Inhalt des ganzen Kapitels: Alles, was wir haben, selbst unsere Erlösung, haben wir nicht uns zuzuschreiben – nicht, weil wir so gute Menschen sind, nicht, weil unsere Eltern nett waren oder wir gut gelernt haben –, sondern das ist alles Geschenk Gottes. Das soll hier deutlich gemacht werden.
Deshalb „erwählt“. Dieses „Erwählt vor Grundlegung der Welt“ hat bei Theologen in der Geschichte der Theologie viel Streit ausgelöst. Es gibt fast keinen Vers, über den nicht gestritten wurde.
Hier war man sich auch nicht einig, was genau damit gemeint ist. Einige sagen: Das ist doch ganz klar „vor Anbeginn der Welt“. Aber was ist mit „Welt“ gemeint? „Welt“ wird in der Bibel ganz unterschiedlich benutzt.
Wenn da steht: „Ihr sollt nicht der Welt gleichförmig sein“ – was heißt das? Wenn „Welt“ mit allem gemeint ist, was da drin ist, dann dürft ihr euch auch nicht mehr kleiden, denn das macht euch gleichförmig. Ihr seht aus wie draußen, eure Autos sind auch Welt, das hier ist Welt, das Mikrofon ist Welt – alles Materielles.
Aber „Welt“ wird auch benutzt als die von Gott abgekehrte Form des Lebens. Das ist nicht unbedingt die Natur, sondern manchmal ist Gott dahinter.
Manche Theologen sagen: „Erwählung vor der Welt“ kann heißen, bevor Gott die Welt geschaffen hat, kann aber auch heißen, bevor der Sündenfall stattgefunden hat.
Vielleicht haben einige von euch als Bibelleser das schon gehört, aber das ist eigentlich egal, denn beides liegt sehr lange zurück. Theologen nehmen es meistens genau.
Die einen sagen: „Vor den sechs Tagen“ (der Schöpfung), die anderen sagen: „Nach den sechs Tagen“, vielleicht waren noch vierzehn Tage dazwischen, in denen Adam und Eva im Paradies waren.
Der theologische Unterschied ist immens: Wenn Gott dich vor der Schöpfung der Welt erwählt hat, dann hat er den Sündenfall schon eingeplant, der sogar notwendig war. Ohne den Sündenfall würde die Erwählung keinen Sinn machen.
Das hätte theologische Auswirkungen, denn der heutige Mensch wäre nicht frei. Adam und Eva waren sündlos, als sie geschaffen wurden. Das hat Folgen.
Deshalb ist das nicht harmlos, aber ihr müsst euch daran nicht zerstreiten und auch keine Gemeindespaltung daraus machen.
Es gab Fachworte dafür: „supralapsaristisch“ und „infralapsaristisch“. Das klingt gut. „Lapsus“ ist der Sündenfall. Die einen sagen „vorher“, die anderen „nachher“. Das ist an diesem Vers festgemacht: „Erwählt vor Beginn der Welt“, so steht es hier.
Der vielleicht viel wichtigere Gedanke ist: Wir sind erwählt, und das macht Paulus im ganzen Kapitel deutlich – nicht so, wie wir heute manchmal meinen.
Die Theologie heute ist sehr anthropozentrisch, also auf den Menschen ausgerichtet. Wofür ist die Erlösung? Damit wir in den Himmel kommen.
Paulus sagt: Nein, du bist nicht erlöst, damit du gerettet wirst. Was steht hier? Du bist erwählt und erlöst, damit wir heilig und tadellos vor ihm sein in Liebe.
Gott hat dich erwählt, nicht weil es so sehr auf dich ankommt, sondern weil du in deinem Leben Gott verherrlichen sollst.
Deshalb bleiben manche bei der Bekehrung stehen und sagen: Jetzt ist alles gerettet, ich war ungläubig, jetzt bin ich gerettet, alles ist klar, alles erledigt.
Aber hier steht: Nein, Gott hat dich erwählt nicht nur, damit du gerettet wirst – das ist Nebeneffekt –, sondern damit du ihn verherrlichst durch das, wie du lebst und was du tust.
Das ist ein ganz anderer Blickwinkel.
Plötzlich merken wir, dass sich nicht alles um uns dreht, auch bei der Erlösung. Sonst bei solchen Erklärungen, selbst über die vier geistlichen Gesetze, kann das manchmal so kommen: Der Mensch ist wichtig, der Mensch ist ganz schlimm, dann kommt Gott und rettet ihn, jetzt geht es dem Menschen gut, und dann ist er in der Ewigkeit bei Gott, und da geht es ihm noch besser.
Hier will Paulus sagen: Du nimmst dich viel zu wichtig. Am Anfang war Gott, dann war Gott, dann war Gott. Und dann hat Gott, um sich selbst zu verherrlichen, die Welt geschaffen, um der ganzen unsichtbaren Welt zu zeigen: Seht ihr, so prächtig und groß und toll sind meine Ideen.
Manche von uns würden sagen: Das klingt ziemlich selbstverliebt, egoistisch. Beim Menschen würden wir das so sagen, weil sich der Mensch meistens mehr einbildet, als er wirklich ist.
Aber bei dem, der wirklich alles in allem ist, ohne den es gar nichts gibt, da würden wir sagen: Der verdient das. Wenn wir ihm das nicht sagen, wäre das falsche Bescheidenheit.
Bei Gott ist das etwas ganz anderes, weil ihm das zusteht. Bei uns wäre es Anmaßung, aber ihm steht es wirklich zu.
Deshalb wird uns das hier so deutlich betont.
Und da steht: Er hat uns vorherbestimmt zur Sohnschaft für sich selbst durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens.
Hier wird wieder gesagt: Nach seinem Willen, nicht nach unserem.
Sohnschaft – wir sind Kinder Gottes, weil er es will.
Und wieder: Warum? Zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade, mit der er uns begnadigt hat.
Warum hat er uns bestimmt zur Sohnschaft? Nicht, damit wir gerettet werden – das ist Nebeneffekt –, sondern zum Lob seiner Herrlichkeit.
Wir sind gerettet, damit wir hier auf der Erde die Herrlichkeit Gottes repräsentieren, damit das ganze Universum die Herrlichkeit Gottes wahrnimmt, und die unsichtbare Welt, die Geister, die Dämonen und alles, sieht: Gott ist der Herr, Gott hat die vollkommene Liebe, er hat den vollkommenen Plan. Das soll deutlich werden.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut. Klar, das Blut Jesu meint, dass ein Opfer gebracht werden muss, das wertvollste Opfer des Universums überhaupt, nämlich Gott selbst.
Dann steht hier: Die Vergebung der Übertretungen nach dem Reichtum seiner Gnade.
Hier wieder überströmend, wie er uns überströmend widerfahren ließ in aller Weisheit und Einsicht.
Er hat uns das Geheimnis seines Willens bekannt gemacht.
Hiermit ist gemeint: Jetzt ist der Wille Gottes bekannt.
Manche Christen heute meinen, sie müssten wieder halbe Juden werden, also zurück zum Alten Testament. Es gibt sogar einige, die sagen: Wir verstehen die Bibel gar nicht, wenn wir nicht richtige Juden aus dem Alten Testament sind.
Hier wird ganz deutlich gemacht: Nein, der Ratschluss Gottes wird erst im Neuen Testament bekannt.
Das heißt, wir müssen das Alte Testament mit der Brille des Neuen sehen, sonst verstehen wir es nicht.
Wir verstehen die ganzen Opfer nicht, dafür brauchen wir den Hebräerbrief.
Wir können erst den ganzen Plan, den Ratschluss Gottes, verstehen, wenn wir ihn vom Neuen Testament aus sehen, von dem, was Gott dort geoffenbart hat.
Und was ist das eigentliche Ziel? Da sagt er: Das Ziel ist, den, der nach seinem Wohlgefallen gefasst hat, in ihm zur Ausführung, in der Fülle aller Zeiten, alles unter einem Haupt zusammenzufassen, in Christus.
Dieses „in der Fülle der Zeit“ wird immer dann gebraucht, wenn Gottes Heilsplan vor Augen gemalt wird.
Vielleicht kennt ihr ja auch: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Jungfrau, unter das Gesetz getan“ usw. Kurzfassung des Evangeliums.
Das ist allerdings nicht dasselbe hier, denn hier steht: Wenn die Zeit einmal erfüllt ist, wird er alles unter einem Haupt zusammenfassen. Das ist noch nicht passiert.
Da wird erklärt, was zusammengefasst werden soll: die gläubigen Juden und die gläubigen Heiden.
Hier ist ein Hinweis, dass diese Zeit erst noch kommt. Das ist nämlich die Zeit des tausendjährigen Reiches.
Da wird Jesus regieren, und der Überrest Israels wird gläubig geworden sein. Die werden zusammen mit den Christen regieren unter der Herrschaft Jesu.
Dann wird alles unter einem Haupt zusammengefasst werden. Das kommt also noch.
Dann steht: „In ihm, in dem wir auch das Erbteil haben, von dem wir vorherbestimmt sind.“ Wieder vorherbestimmt. Gott hat das gemacht nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach seinem Ratschluss, seines Willens.
Hier wieder derselbe Gedanke, zum dritten Mal jetzt.
Es ist nicht deine Entscheidung, du bist nicht der tolle Christ, sondern es ist sein Plan.
Dann steht da wieder: Warum dieser Plan? Damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit dienen.
Dreimal wird jetzt betont: Du bist gerettet, damit Gott verherrlicht wird, damit sein Plan zum Zug kommt.
In ihm seid auch ihr, nach dem Wort der Wahrheit des Evangeliums, eurer Errettung gehört habt.
In ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung.
Hier wird wiederum gesagt, dass auch das Gottes Handeln ist.
Nebenbei ist das einer der wichtigsten Verse gegen eine falsch verstandene charismatische Theologie.
Denn in der charismatischen Theologie gibt es eine Zweistufen-Lehre: Du bist erretteter Christ, und dann brauchst du noch die Geistestaufe, und dann bist du Gott ganz besonders nahe.
Hier will ich deutlich lesen: Was steht da? Alle sind in dem Moment, als sie gerettet wurden, mit dem Heiligen Geist versiegelt.
Übrigens hat „versiegelt“ mehrere Bedeutungen. Siegel wurden früher benutzt, um Eigentum zu kennzeichnen.
Du hattest zum Beispiel eine Kiste, die verschickt wurde. Dann drückte man den Siegelring drauf, und es wurde deutlich: Das ist meine Kiste. Das war eine Art Unterschrift.
Das Siegel sollte auch etwas verschließen, damit niemand es öffnen durfte außer dem Empfänger. Das Siegel durfte nicht gebrochen werden.
Das soll hier auch deutlich machen: Gott hat uns den Heiligen Geist gegeben. Das heißt, wir sind Eigentum Gottes. Er hält seine Hand darüber, es gehört ihm.
Das bedeutet auch, dass niemand uns antasten darf, weil wir sein Eigentum sind.
Mit „Siegel“ ist also nicht nur gemeint, dass er uns den Heiligen Geist gegeben hat. Hier wird auch auf die Funktion des Heiligen Geistes in unserem Leben Wert gelegt.
Jeder, der errettet ist, ist Eigentum Christi. Deshalb hat jeder dieses Siegel. Das heißt: Ich gehöre zu Jesus Christus, der Heilige Geist ist in uns.
Die Schwierigkeit ist, dass wir den Heiligen Geist nicht sehen. Das wäre interessant, wenn es so wäre wie bei den ersten Jüngern, als sie an Pfingsten wie Flammen auf den Köpfen aussahen.
Dann bräuchten wir nur durch die Stadt zu gehen und könnten sagen: Da hinten ist auch ein Bruder, und da ist noch eine Schwester, das leuchtet da auch.
Wäre schön, dann bräuchten wir keine Rätsel in der Gemeinde, wer gerettet ist und wer nicht.
Wissen wir gleich, wer der Heuchler ist. Na gut, der macht sich dann so eine Pappflamme auf den Kopf – das würde nicht funktionieren, schade.
Wir sehen im Verlauf der Geschichte, wie sich zeigt, dass wir den Heiligen Geist haben. Das zeigt sich darin, wie wir leben und handeln.
Das zeigt, dass wir den Heiligen Geist haben. Aber das ist indirekt, leider nicht direkt.
Hier aber die sichere Zusage für jeden, der heute Abend hier sitzt: Wenn du Kind Gottes bist, musst du dir keine Gedanken machen, ob du den Heiligen Geist hast oder nicht – du hast ihn.
Der Unterschied besteht darin, wie sehr wir dem Heiligen Geist Raum geben in unserem Leben, sodass er unser Leben Stück für Stück verändert.
So kann sich die Frucht des Heiligen Geistes entfalten, die wir in Galater 5 lesen.
Der Heilige Geist ist da. Jetzt kommt es nur darauf an, wie sehr wir zulassen, dass er unser Denken, Reden und Handeln verändert.
Dann geht es noch ein bisschen weiter: „Darum lasse auch ich, nachdem ich vom Glauben an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen gehört habe, nicht ab, für euch zu danken und ihn zu bitten.“
Hier sehen wir einen Einblick in das Leben des Paulus, der selten für sich selbst bittet, sondern immer seine Geschwister im Blick hat.
Immer wieder, wenn ich so etwas lese, fühle ich mich herausgefordert, weil es mir viel leichter fällt, für mich zu beten.
Natürlich für die, die direkt um mich herum sind – meine Kinder, meine Frau – das fällt mir auch noch relativ leicht.
Aber hier ist es eine weit entfernte Gemeinde, eine von vielen, die er gegründet hat.
Wenn er schreibt, und ich denke, er meint es ehrlich: „Allezeit danke ich dafür.“
Was mir da immer wieder auffällt: Paulus hat bei jeder Gemeinde, bei fast jeder, etwas Positives gesehen.
Gerade im Bibelbund fällt das manchmal unter den Tisch, weil man so oft mit Bibelkritik konfrontiert wird.
Das kann frustrierend sein.
Ich finde es viel schöner, von Leuten umgeben zu sein, die sagen: Halleluja, alles toll, die Bibel ist gut.
Aber leider ist das nicht immer so.
Von Paulus können wir lernen: Obwohl manche Dinge schiefgehen, hat er trotzdem Dankbarkeit und sieht, dass Gott in euch handelt.
Gott baut seine Gemeinde, egal wie viele Gemeinden eingehen, egal was schiefläuft.
Diesen Blick zu haben, auch zu sehen, dass Gott wirkt, selbst wenn jemand eine falsche Auffassung hat.
Gott wirkt im Leben dieses Menschen – auch bei euren Gemeindegliedern.
Manchmal denkt man vielleicht: Was ist denn da noch gut? Da muss ich lange überlegen.
Manchen fällt das bei jedem in der Gemeinde schwer, außer bei sich selbst.
Das ist das Elia-Syndrom.
Elia hat das auch nach seinem Zusammenbruch erlebt: Er sagte zu Gott am Berg Horeb, er sei der Einzige, der übrig geblieben sei.
Am Ende sieht er, dass Gott noch fünftausend andere hat.
So geht es manchen, die sich für die Einzigen halten.
Wenn wir sagen: Komm mal runter, Gott baut seine Gemeinde. Er braucht nicht nur dich. Nimm dich nicht so wichtig.
Das ist, glaube ich, auch hier wichtig.
Wenn wir dieses Positive sehen, das Gott in der Gemeinde wirkt, trotz aller Schwächen, sollte das nicht vergessen werden.
Dann bittet Paulus darum, worum? Nicht dass sie reich werden oder gesund sind.
Immer wieder sagen Christen: Wenn Gott dich segnet, bist du reich und gesund.
Es ist erstaunlich, dass Paulus nie darum bittet. Ich kenne keine Stelle, wo er darum bittet.
Ihm sind andere Dinge viel wichtiger.
Er bittet darum, dass ihr zur Erkenntnis seiner selbst kommt, dass ihr erleuchtete Augen des Verständnisses habt, damit ihr wisst, was die Hoffnung der Berufung ist.
Er bittet darum, dass sie geistlich wachsen und mehr verstehen, was Gott in ihrem Leben bewirken will.
Das ist ihm entscheidend.
Er bittet nicht einmal darum, dass er freigelassen wird.
Ich meine nicht, dass er nicht frei werden wollte, sicherlich wollte er das.
Aber das war für ihn nicht das Primärwichtige.
Das Primärwichtige war, dass Gott zum Zug kommt, dass Gemeinde wächst, dass geistliches Wachstum da ist.
Dann spricht er weiter: „Was auch die überwältigende Größe seiner Kraftwirkungen an uns ist, die wir glauben, gemäß der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, die er wirksam werden ließ in Christus, als er ihn aus den Toten auferweckt hat und zu seiner Rechten in die himmlischen Regionen gesetzt hat, hoch über jedes Fürstentum, jede Gewalt und Macht.“
Hier bezieht er sich auf die Auferstehung Jesu als Beweis für die Macht Gottes.
Das ist für ihn ein starker Beweis.
Wenn Gott das kann, dann ist ihm nichts zu schwer.
Er kann auch eure Probleme lösen, euch Weisheit geben.
Hier mache ich jetzt einen Punkt, weil wir am Ende des ersten Kapitels sind.
Ich habe nicht alle Sachen erklärt, die im Text drin sind, weil er ziemlich theologisch schwergewichtig ist.
Eine ganze Menge steckt darin.
Mein Gefühl sagt mir, die Zeit ist fortgeschritten.
Wenn ich noch zwei weitere Kapitel mit euch durchgehen wollte, müsste ich die Uhr zurückstellen.
Das wäre eine Idee, dann merkt ihr das gar nicht und denkt, es ist noch so früh.
Ich könnte das machen, aber ich weiß nicht, ob ihr mir dann nicht böse seid und morgen früh nicht kommt.
Das wäre nicht so schön.
Ich möchte euch jetzt eine kleine Aufgabe geben und ein paar Minuten Zeit dafür.
Wenn wir das schaffen, würde ich sagen: Lieber ein Kapitel genauer angeschaut, den Überblick haben wir ja schon mal, als zu viele Kapitel nacheinander.
Ich möchte euch gerne mit reinnehmen in eine andere Art, dieses Kapitel sich anzueignen.
Ich möchte, dass ihr euch zu viert oder fünft zusammensetzt, vorne und hinten, also jeweils umdrehen oder ihr könnt euch da drüben hinsetzen.
Nehmt euch etwa zehn bis fünfzehn Minuten Zeit, nicht zu lange.
Ihr bekommt eine Aufgabe, die euch sogar etwas Freiraum lässt.
Aus pädagogischen Gründen ist die Aufgabe überlegt.
Ihr sollt aus dem ersten Kapitel entweder ein Lied, ein Gedicht oder ein Gleichnis machen.
Warum? Auch das ist pädagogisch überlegt.
Dieses erste Kapitel ist ja ein Lobpreis auf den Heilsplan Gottes, formuliert von Paulus.
Einen Lobpreis kann man gut in einem Gedicht, einem Lied oder einem Gleichnis ausdrücken, je nach euren Fähigkeiten.
Der Einfachheit halber gebe ich euch den Tipp: Falls ihr ein Lied wählt, müsst ihr nicht alles komponieren.
Ihr könnt einfach die Melodie eines bekannten Liedes nehmen, und eine Strophe genügt.
Auch ein Gedicht muss nicht lang sein, zum Beispiel nicht wie Psalm 119, eine kurze Strophe reicht.
Wofür soll das dienen? Es soll euch helfen, das Kapitel noch einmal anzuschauen, die wesentlichen Gedanken des Heilsplans Gottes zu erfassen, und das auf eine schöne Weise auszudrücken.
Ihr habt ein Stück Papier, setzt euch zusammen, vorne und hinten, vier, fünf, sechs Personen.
Ich gebe euch ein paar Minuten Zeit, gehe herum, nicht um zu kontrollieren, sondern um zu sehen, ob alles klar ist, wie ihr arbeitet.
Hinterher bin ich froh, wenn zwei oder drei Beispiele vorgestellt werden, was ihr herausbekommen habt.
Ich bin überzeugt, bei euch sind einige, die talentiert sind, Gedichte, Lieder oder Gleichnisse zu schreiben.
Überlegt euch, was ihr machen wollt.
Das ist Gruppenarbeit, nicht nur eine Person.
Wenn ihr jemanden habt, der gut kontrollieren kann, betet für ihn, der macht das dann und trägt es vor.
Wenn wir noch eine Stunde zusammen wären, hätten wir richtig tolle Lieder.
Aber es ist der Zeit geschuldet, ihr habt euch auf halb zehn eingestellt, und das ist es jetzt gleich.
Ich will noch mal erläutern, wofür das Ganze da war.
Wenn wir solche schönen Verse in der Bibel lesen, sagen wir oft: Aha, alles klar.
Aber wenn ihr euch hinsetzen und etwas ausschreiben müsst, merkt ihr, dass ihr viel intensiver nachdenken müsst.
Erst mal, was sagt er, dann wie drücke ich das aus.
Das ist eines der Dinge, die wir wollen, wenn wir uns mit dem Wort Gottes auseinandersetzen.
Man kann das analytisch tun, indem man Worte analysiert, oder indem man über den Sinn nachdenkt und versucht, mit eigenen Worten auszudrücken und zusammenzufassen.
Ihr werdet merken, wenn wir das zehn Minuten länger gemacht hätten, würdet ihr den Bibeltext viel intensiver in Erinnerung behalten, als wenn wir ihn nur einmal gelesen haben.
Das ist das Ziel.
Und nebenbei entdecken wir vielleicht ein paar Musiktalente.
Dann habt ihr immer wieder neue Lieder für die Gemeinde – ein schöner Nebeneffekt.
Gut, ich möchte jetzt nicht mehr darüber sagen, sondern bin gespannt auf eure Ergebnisse.
Wir hören alle gut zu.
Denkt daran: Es soll alles zum Lob Gottes sein, egal, wie gut wir das künstlerisch empfinden.
Es soll zum Lob Gottes sein, das, was wir in diesem Kapitel lesen, mit eigenen Worten zusammenzufassen.
