Einführung in die Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist
Wir haben begonnen, uns mit dem auseinanderzusetzen, was typisch für unsere Zeit ist.
Ich habe hier übrigens auch einige Bücher mitgebracht, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Zum Beispiel das „Deutschland Trendbuch – Fakten und Orientierungen“, herausgegeben von der Bundesregierung. Darin steht vieles, etwa was in der Bildung typisch für unsere Zeit ist oder in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Es werden dabei auch relativ starke Veränderungen beschrieben.
Ein weiteres Buch stammt eigentlich aus den USA: „With Popcorn, mit Clicking – der neue Popcorn Report“. Dabei geht es nicht wirklich um Popcorn. Die Autorin ist eine bekannte amerikanische Trendforscherin. Sie hat ihren Namen verändert, weil sie einige Leute beauftragt hat, den idealsten Namen für eine Zukunftsforscherin zu finden. Man hat ihr „Popcorn“ empfohlen. Deshalb nennt sie sich so, wie sie früher hieß, weiß ich gar nicht, aber ihr richtiger Name ist es nicht.
Außerdem habe ich noch ein Buch, das schon einige Jahre alt ist und aus dem christlichen Bereich stammt. Es beschäftigt sich mit dem Zeitgeist. Der Autor, Stephan Holthaus, nennt es „Trends“. Dabei geht es im Grunde genommen auch darum, welche Überzeugungen im Zeitgeist ganz typisch sind.
Eigentlich hatte ich vor, euch nach dem Mittagessen in ein paar Gruppen aufzuteilen. Das tut wahrscheinlich gut, dann etwas zu erarbeiten und das anschließend vorzutragen. Ich habe auch etwas Material dafür mitgebracht. Allerdings liegt mein Material im Auto. Meine Kinder sind gerade mit meinem Autoschlüssel draußen spazieren gegangen.
Jetzt schaue ich, ob sie bald zurückkommen. Wenn nicht, warten wir mit der Aufgabe noch ein bisschen. Oder ihr macht sie ohne Material, das geht auch.
Thematische Schwerpunkte für die Gruppenarbeit
Heute Nachmittag möchte ich mich stärker auf einzelne Lebensbereiche konzentrieren, mit denen wir zu tun haben.
Ein wichtiger Bereich ist Ehe und Familie beziehungsweise Partnerschaft. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern die Gesellschaft, die uns prägt, Einfluss darauf hat.
Ein weiterer Bereich ist Freizeit und Freizeitgestaltung. Hier interessiert, wie wir dabei beeinflusst werden. Außerdem möchte ich den Umgang mit Medien als Schwerpunkt behandeln.
Darüber hinaus habe ich vor, einige Themen aufzunehmen, die ihr spontan einbringt. Ich habe den Eindruck, dass diese Themen typisch für unsere Zeit sind und uns prägen.
Insbesondere wollen wir über Dinge sprechen, die entweder negativ sind und uns Probleme bereiten, oder die neutral erscheinen. Die zentrale Frage dabei ist, wie wir gut mit diesen Situationen umgehen können.
Die Rolle der Medien in der heutigen Gesellschaft
Wie? Vielleicht beginne ich mit der Frage der Medien. Generell leben wir heute in einer Mediengesellschaft, ganz gleich, wie man das nennen möchte. Medien spielen eine sehr starke Rolle, und ich möchte hier nicht ein bestimmtes Medium herausgreifen. Letztendlich ist es gar nicht so entscheidend, welches Medium wir betrachten, denn sie sind alle ähnlich aufgebaut.
Ein Medium ist ja nur eine Vermittlungsinstanz für irgendeine Information, die ich weitergeben möchte. Früher wurde das klassischerweise in Büchern gemacht. Man hat Inhalte aufgeschrieben. Das war eine langwierigere Sache, denn die Informationen mussten erst erarbeitet, gedruckt und in Bibliotheken verbreitet werden. Außerdem musste man die Bücher erst finden.
Zwischenzeitlich nahm man Zeitschriften, die etwas lockerer verpackt waren und oft mit Bildern illustriert wurden. Danach kamen Radiosendungen hinzu, bei denen ebenfalls Informationen weitergegeben wurden. Später kam das Fernsehen dazu, und in der neuesten Zeit ist das Internet hinzugekommen, über das Informationen zugänglich sind.
Generell will ein Medium uns einen Inhalt vermitteln. Das ist neutral und an sich nicht böse. Deshalb ist auch kein Medium an sich böse. Man kann schlecht sagen, das Handy sei böse und das Buch sei gut. Das passt so nicht. Entscheidend ist vielmehr, wie wir mit dem Medium umgehen und welche Inhalte uns vermittelt werden.
Prinzipiell kann jeder schlechte Inhalt genauso durch Bücher vermittelt werden wie durch das Internet oder Fernsehen. Hier gibt es keinen generellen Unterschied. Es kommt vielmehr darauf an, was der Inhalt ist und wie wir damit umgehen.
Die Medien, die wir heute zur Verfügung haben, bieten viele Stärken und Vorteile, die frühere Medien nicht hatten. Ein wesentlicher Vorteil ist die viel schnellere Zugänglichkeit. Das bedeutet, wir können uns heute viel schneller Informationen verschaffen als noch vor wenigen Generationen.
Letzte Woche habe ich von einer Universität in den USA gehört. Dort sind manche Entwicklungen des Zeitgeistes etwas schneller als hier. Die Universität hat jedem Studenten ein iPhone gekauft. Das ist nett, aber natürlich müssen sie das irgendwo bezahlen, etwa durch erhöhte Studiengebühren oder Ähnliches. Auf jeden Fall haben alle ein iPhone gratis bekommen.
Warum? Weil sie damit automatisch mit dem Server der Universitätsbibliothek und den Dozenten verbunden sind. So will man das Lernen erleichtern. Du lernst nicht nur in der Bibliothek oder zuhause am Schreibtisch, sondern kannst dich im Sommer auch nach draußen setzen oder beim Snowboardfahren etwas nachlesen. Du bist mit der Bibliothek verbunden und kannst Pflichtlektüre direkt lesen.
Das ist an sich faszinierend. Das Positive daran ist, dass Wissen sehr leicht zugänglich ist. Gerade wenn du es portabel mit dir trägst und ins Internet gehen kannst. Früher musste man in die Bibliothek gehen oder im Lexikon nachschauen. Heute kann man Informationen viel leichter zugänglich machen. Das ist der Vorteil: viele Informationen und leicht zugängliche Informationen.
Jetzt frage ich mal: Hast du die Kinder gesehen? Ach so, na gut. Das ist der Vorteil der Medien. Die Kinder sind irgendwo unterwegs, ich habe keine Ahnung, wo, und möchte meinen Autoschlüssel wiederhaben. Kann man sie per Handy anrufen. Das ist doch auch praktisch.
Der moderne Jugendliche heute hat das Handy quasi an der Hand festgewachsen. Deshalb heißt es ja auch Handy – das ist das Handy in der Hand. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich das sehe. Leute, die mit dem Handy groß geworden sind, gehen ganz anders damit um als ich.
Bei mir ist das Handy immer irgendwo, ich weiß nicht genau wo, und meistens ist die Batterie leer, weil ich vergessen habe, es aufzuladen. Für viele junge Leute, die damit aufgewachsen sind, ist das Handy unverzichtbar. Du brauchst es im Alltag wirklich. Ohne das Handy kannst du kaum leben.
Sobald du im Bus sitzt und deine Freunde, die gerade noch neben dir standen, nicht mehr da sind, musst du das Handy aufmachen oder eine Nachricht schreiben. Übrigens ist SMS ein großer Trend in den USA, noch mehr als Anrufe. In Deutschland kommt das wohl auch, wobei die Deutschen da noch etwas Nachholbedarf haben.
Nach statistischen Angaben in den USA verschickt jeder Jugendliche im Durchschnitt acht SMS pro Stunde, in der er wach ist. Das ist eine ganze Menge. Dabei ist alles mitgerechnet: die Schulzeit, die Busfahrt, alles. Das fand ich schon bemerkenswert.
Vielleicht kommt das in Deutschland auch noch. Ich gehöre ja schon eher zur älteren Generation des Zeitgeistes. Mich würde das oft nerven, wenn ich mir vorstelle, ich wäre bei der Arbeit und müsste jede Stunde acht SMS schreiben. Das heißt, alle zehn Minuten eine Nachricht schreiben oder lesen und dann wieder antworten. Wie soll man da noch zur Arbeit oder zum Lernen kommen?
Aber irgendwie scheint das trotzdem zu funktionieren.
Chancen und Herausforderungen im Umgang mit Medien
Generell sind Medien neutral. Entscheidend ist der Inhalt und wie man damit umgeht. Dabei gibt es, glaube ich, Herausforderungen in unserem Zeitgeist.
Zunächst drängen die Medien in jeden Bereich unseres Lebens hinein, ähnlich wie ich das gerade scherzhaft angedeutet habe. Das eröffnet zunächst Chancen. Medien ermöglichen es, schnell Informationen zu erhalten und über Dinge Bescheid zu wissen, die man sonst nie erfahren hätte. Das ist vergleichsweise günstig, denn man muss nicht viel Geld investieren.
Außerdem bieten Medien außerordentlich missionarische Möglichkeiten, wenn man sie nutzt. Man kann Kontakt zu Menschen halten, die man sonst nie wiedersehen würde. Zum Beispiel trifft man jemanden im Zug und spricht über den Glauben – normalerweise wäre das Gespräch damit beendet. Früher konnte man höchstens Telefonnummern austauschen, aber das war komplizierter, mit Festnetzanschlüssen und der Unsicherheit, ob jemand zu Hause ist.
Heute ist man jederzeit und relativ günstig erreichbar. Das merkt man besonders im Umgang mit Jugendlichen. Oft gibt es ganze Cliquen, die alle Aldi Talk nutzen. Mit einem Aldi Talk Tarif kann man Tag und Nacht endlos telefonieren – für gerade mal 4,70 Euro im Monat. Falls das jemand noch nicht hat und viel telefoniert, ist das ein günstiges Angebot. So kann man viel miteinander sprechen und sich austauschen.
Das hat erst einmal Vorteile: Man kann Kontakte pflegen zu Menschen, die sonst außerhalb des eigenen Horizonts wären oder mit denen man wenig zu tun gehabt hätte. Was ich noch stärker nutze, sind E-Mails, um weltweit mit Menschen in Kontakt zu treten. Ich erinnere mich an einige Situationen, in denen ich vor einer Reise in die USA noch Dinge klären musste. Normalerweise wäre das mit Briefen sehr kompliziert gewesen. Telefonate waren teuer und mussten lange organisiert werden.
Hier habe ich einfach eine E-Mail geschrieben, ein paar Stunden später kam die Antwort, und die Sache war geklärt. Das ist genial und super. Kommunikation und Beziehungen können aufrechterhalten werden, Informationen gesammelt werden – und das alles mit geringem Aufwand.
Dieses missionarische Potenzial wird von vielen Christen noch nicht ausreichend genutzt. Es geht dabei nicht nur um Gemeinschaft, sondern auch darum, missionarische Gedanken weiterzutragen. Es gab nie eine Zeit, in der Christen Medien so einfach und fast kostenlos nutzen konnten, um viele Menschen mit dem Glauben zu erreichen.
Nehmen wir das Beispiel der Muslimarbeit vor zwanzig Jahren: Was musste man damals tun? Man musste sich auf das Land vorbereiten, einen Job finden, eine Ausreisegenehmigung bekommen und Unterstützung organisieren. In vielen Ländern war Missionieren zudem verboten. Heute kann man sich einfach zu Hause ins Internet setzen, in einen Chatraum nach Saudi-Arabien gehen – sogar nach Mekka, wo man als Christ normalerweise nicht mehr hinkommt – und offen über den Glauben sprechen.
Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, dass man sich einen islamischen Virus auf den Computer holt. Letztes Jahr gab es an unserer Bibelschule einen Vorfall: Wer die Bibelschul-Internetseite aufrief, sah plötzlich nur noch die Seite einer Moschee und hörte den islamischen Gebetsruf. Ein Muslim aus der Türkei hatte die Seite gehackt, alle Daten gelöscht und nur den Gebetsruf mit Moschee-Bild hinterlegt.
Das kann passieren, wenn man sich deutlich zum Glauben äußert. Aber man kann damit leben. Das ist noch etwas anderes, als eingesperrt, gefoltert oder getötet zu werden. Die Möglichkeiten heute sind enorm: Von Deutschland aus kann man weltweit, überall dort, wo es Internet gibt, Glaubensinhalte verbreiten – ohne große Verbote und ohne große Gefahr.
Diese Chance muss man allerdings auch nutzen, denn eine Chance ist nicht automatisch da, sondern man muss sie ergreifen. Jede Gemeinde, die will, kann heute einen Livestream einrichten. Zum Beispiel für Gottesdienste mit Kamera. Natürlich muss man einverstanden sein, dass man aufgenommen wird. Per Livestream kann man weltweit gesehen werden.
Die Frage ist natürlich, wer das sehen will. Ich habe mit jemandem aus einer größeren Gemeinde in Karlsruhe gesprochen, die etwa tausend Mitglieder hat. Dort sagte man mir, dass sie inzwischen mehr Besucher über das Internet haben als vor Ort. Jeder Gottesdienst wird von zwei- bis dreitausend Leuten online gesehen, während tausend Personen persönlich teilnehmen.
Man könnte meinen, dass dadurch weniger Menschen zum Gottesdienst kommen. Doch das ist nicht der Fall. Die Zahl der Gottesdienstbesucher bleibt gleich, aber viele weitere schauen sich den Gottesdienst online an. Es gibt zum Beispiel ein großes Potenzial bei älteren Menschen im Altenheim, die sonst nirgendwo hingehen können, bei Kranken oder bei Menschen, die beruflich irgendwo auf der Welt unterwegs sind, wo es keine deutsche Gemeinde gibt.
Auch Missionare auf dem Missionsfeld, die nur eine kleine Gemeinde mit wenigen Mitgliedern haben, möchten oft deutschen Gottesdienst sehen. Es gibt also viele Menschen, die froh sind, solche Predigten mitzubekommen. Das ist eine gute Chance.
Dadurch wird der Gottesdienst nicht überflüssig, hoffentlich nicht. Die Menschen sollen ja weiterhin persönlich kommen. Aber man hat die Möglichkeit, noch viel mehr Menschen zu erreichen.
Auch in der Jugendarbeit spielen Medien eine wichtige Rolle. Heute kann jemand, der Jugendarbeit macht, ohne den richtigen Umgang mit Handys und wahrscheinlich auch ohne Facebook kaum auskommen. Denn wie soll man sonst mit Jugendlichen in Kontakt bleiben? Es geht ja nicht nur um die wöchentliche Jugendstunde – das wäre viel zu wenig.
Man muss davon ausgehen, dass Jugendliche ständig miteinander kommunizieren, indem sie Nachrichten senden. Als Jugendarbeiter muss man nicht ständig online sein, aber zumindest ab und zu reinschauen. Man kann zum Beispiel die neuesten Fotos auf Facebook kommentieren oder eine ermutigende Nachricht schicken: „Bleib dran und kämpfe den guten Kampf des Glaubens.“ Solche ermutigenden Botschaften kann man an alle Freunde verschicken.
Ich glaube, dafür sind die Medien sehr gut geeignet. Früher war das kaum möglich, weil man jemanden erst besuchen musste – mit Fahrerei und Absprachen. Heute kann man einfach etwas verschicken, und der Jugendliche sieht die Nachricht dann auf seinem Facebook-Account. Er freut sich darüber, sieht vielleicht noch ein Bibelzitat als Sprechblase dazu. Das ist positiv.
Solche Möglichkeiten kann man nutzen, um den Glauben zu vertiefen, zu erweitern und zu intensivieren. Das sind positive Chancen, die uns die Medien bieten. Medien bestimmen unser Leben heute viel stärker als noch vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren.
Veränderungen im Medienkonsum und deren Auswirkungen
Wenn ich meinen Kindern erzähle, wie es war, als ich groß geworden bin, kommt es ihnen so vor, als wäre das aus der Steinzeit. Bei mir gab es kein Handy, keinen Computer, keine Internetspiele und nicht einmal CDs mit Hörspielen. MP3-Player? Davon konnte man nur träumen. Es gab einfach nichts davon.
Fernseher hatten meine Eltern zwar, aber das Fernsehen damals ist mit heute gar nicht vergleichbar. Zu meiner Kinderzeit gab es nur drei Programme. Diese sendeten von 16 Uhr nachmittags bis 24 Uhr nachts. In der restlichen Zeit lief das Testbild. Manche Jugendliche wissen heute gar nicht, was das ist. Ich kann es erklären: Das war einfach ein Bild mit einem großen ZDF-Logo, ein paar bunten Balken und einem Dauerton. Manche schauten sich das sogar an, wenn sie Fernsehen sehen wollten.
Das heißt generell, selbst der Fernsehsüchtige wurde vom Staat daran gehindert, denn der Großteil des Tages lief nichts. Die meisten Sendungen waren ziemlich harmlos. Das, was damals nur für Jugendliche gedacht war, gilt heute als Programm für Dreijährige – zum Beispiel Flipper, Lassie oder Unsere kleine Farm.
Wobei ich zugeben muss, dass wir als Eltern bei uns zu Hause den Fernseher abgeschafft haben. So gab es wenigstens einen Konfliktpunkt weniger. Bisher leben wir einigermaßen damit, und ich verbisse mich nicht zu sehr. Aber generell gibt es heute viel, viel mehr Möglichkeiten, und das ist erst einmal gut. Auch manche Fernsehsendungen sind gut.
Aber wo liegen die Probleme? Ein Problem ist der zeitliche Umgang mit den Medien. Und das ist immens. Wenn ich zum Beispiel die acht SMS pro Stunde rechne, allein die Zeit, die du dafür brauchst – lesen, schreiben, absenden – das ist nicht nur das Abschicken. Die Zeit, die du dafür aufwendest, müssen wir als Christen auch vor Gott verantworten.
In der Bibel steht das deutlich: Für jedes Wort, das wir sagen, für jedes Mal, wenn wir etwas tun oder nicht tun, müssen wir Rechenschaft vor Gott ablegen. Gott will uns nicht einengen, sondern sagt einfach: Verpasst du vielleicht viel Wichtigeres, weil du so viel Zeit mit Medien verbringst?
Der Medienkonsum ist heute enorm. Man rechnet damit, dass der normale erwachsene Deutsche, vor allem über dreißig Jahre alt, täglich rund zweieinhalb Stunden vor dem Fernseher verbringt. Das ist eine immense Zeitspanne, egal was man sieht.
Bei Jugendlichen ist das Fernsehen nicht mehr so dominant. Hier spielen andere elektronische Medien eine größere Rolle, fast noch mehr als das Fernsehen. Internet und Handy sind heute wichtiger. Zeitlich kommt da leicht anderthalb Stunden dazu, sodass man insgesamt etwa vier Stunden täglich vor Medien verbringt – und das ist nicht wenig.
Manche unserer Nachbarn haben den Fernseher oder das Radio den ganzen Tag laufen. Das ist nicht nur Hintergrundgeräusch, sondern sie setzen sich auch bewusst davor. In vielen Gemeinden, vielleicht auch bei euch, verbringen viele Menschen sehr viel Zeit mit Medien.
Der Zeitfaktor ist also enorm wichtig. Heute findet man kaum Leute, die Zeit haben – zumindest sagen sie das. Objektiv gesehen hatten wir kaum eine Zeit in der Weltgeschichte, in der so viel Zeit zur Verfügung stand wie heute. Subjektiv empfinden wir das anders, denn der Medienkonsum fordert und frisst uns viel Zeit, egal was wir sehen oder hören.
Wenn ihr Internet habt, kennt ihr die Faszination, immer noch hierhin zu klicken, dort etwas anzuschauen, auf Ebay zu stöbern, E-Mails zu checken oder bei Facebook zu sehen, was Freunde machen. Plötzlich sind eine, zwei oder drei Stunden vergangen, der Abend oder die Nacht ist weg, und am nächsten Morgen ist man müde oder unkonzentriert.
Das betrifft jede Generation. Früher hieß es oft, nur Jugendliche seien betroffen. Doch in den letzten Jahren habe ich beobachtet, dass viele Ältere ebenfalls stark betroffen sind. Ältere Menschen, die keine Kinder mehr zu Hause haben, mehr Zeit haben und vielleicht in Pension sind, verbringen oft sehr viel Zeit mit Medien.
Das kann der Fernseher sein, das Radio oder MP3-Player. Es kommt nicht darauf an, welches Medium, sondern dass der Medienkonsum sehr groß ist. Das bedeutet, dass reale Beziehungen und die reale Welt in den Hintergrund treten. Man hat immer weniger Zeit, um einfach mal Freiraum zu haben und nichts zu tun.
Manchmal kann das sogar diktieren, was man tut. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt: Wir waren schon mit unseren Kindern unterwegs zum Spaziergang, und sie hatten einen MP3-Player in den Ohren. Theoretisch kann man das tun, aber man ist nicht mehr ganz da, wo man sich real aufhält. Man ist mit dem Kopf und den Ohren woanders.
Das führt dazu, dass man sich eine Kunstwelt schafft. Das passiert auch durch intensiven Handy- und Facebook-Gebrauch. Man hat eine eigene Familie, die man elektronisch zusammenstellt und mit der man mehr Zeit verbringt als mit der realen Familie oder den realen Menschen.
Natürlich sucht man sich Freunde, wenn man jung ist, in der Schule, im Freundeskreis oder in der Gemeinde. Früher gab es einen klaren Vergleich zwischen Familie, Nachbarschaft, Arbeitsplatz und Freundschaft. Heute fließt das stärker ineinander, was dazu führt, dass Menschen immer einseitiger werden.
Freunde sucht man sich nach gleichen Interessen, Meinungen oder Alter aus. Wenn das überproportional zunimmt und man ständig mit diesen Menschen in Kontakt ist, dann rückt der andere Teil der Realität immer mehr in den Hintergrund. Menschen, die anders sind oder einen nerven, werden an den Rand gedrängt.
Dabei sind gerade diese Menschen wichtig, damit man nicht zu einseitig wird, sondern korrigiert und in Frage gestellt wird. Das ist eine große Herausforderung, die wir brauchen.
Wir erleben also eine starke Vereinseitigung. Menschen sind in Szenen organisiert, und in diesen Szenen läuft alles gleich, weil es der eigene Freundeskreis ist. Das ist ein Problem.
Die Zeit wird stark einbezogen, und man konzentriert sich auf eine überschaubare Gruppe, die einem sehr ähnlich ist. Man nimmt nur Freunde an, die gleich denken. Sonst telefoniert man nicht mit ihnen oder hat keinen Kontakt per Handy oder Facebook.
Das führt zu einer Verarmung des Lebens. Man isoliert sich von dem, was einen herausfordert, was zur Veränderung anregt und in Frage stellt. Gerade das ist aber notwendig.
Hier, glaube ich, muss ein Christ ein Fragezeichen setzen und sagen: So geht das nicht.
Oberflächlichkeit und Manipulation in der Medienkommunikation
Ein zweiter wichtiger Punkt bei den Medien ist, dass es häufig zu einer Verarmung der Kommunikation kommt. Ihr müsst mal überlegen, was häufig als SMS geschrieben wird oder was auch per Anruf weitergegeben wird. Das meiste davon ist nichts anderes als Wortgeräusch, um es krass auszudrücken. Es handelt sich um Informationen, die total überflüssig sind.
Manchmal wird jeder von uns unfreiwillig Zeuge irgendeines Telefonanrufs. Ich bin irgendwo im Zug, und dann telefonieren ringsherum gleich ein paar Leute, oder auf dem Bahnsteig auch noch. Das meiste, was gesagt wird, ist total überflüssig. Das geht ungefähr so: „Ich bin hier, wo bist du?“ „Ja, ich bin gerade da, in fünf Minuten bin ich da.“ Zwei Minuten später: „In drei Minuten bin ich da, in zwei Minuten bin ich da. Jetzt bin ich da, ich sehe dich schon aus dem Fenster, jetzt werden wir uns gleich umarmen, hast du meine Nummer noch?“ Tatsächlich, ihr müsst mal auf manche der Gespräche achten: Es wird kaum noch Inhalt vermittelt, es sind nur Wortgeräusche, viel Gerede ohne Substanz.
Deshalb gab es nie so viel Austausch von Daten wie heute. Aber das meiste, was ausgetauscht wird, ist vollkommen flach und oberflächlich. Das gilt nicht nur fürs Handy, sondern auch für immer mehr Reportagen im Fernsehen, Radio oder anderswo. Das ist so voraussehbar, dass ich manche Sendungen schon vorher abschalte, weil ich weiß, was am Ende gesagt wird. Zum Beispiel bei den immer gleichen Interviews nach einem Fußballspiel: Da fragen sie: „Was wollen Sie sagen?“ Und alle antworten: „Ja, wir haben zwar Angst, aber wir werden siegen, wir sind die Besseren.“ Dafür brauche ich das alles nicht mehr zu hören. Es ist alles dasselbe, nichts Originelles mehr.
Und hinterher, wenn sie gewonnen haben, wird gefragt: „Wie haben Sie sich gefühlt?“ „Wie sollen wir uns denn fühlen, wenn wir gewonnen haben?“ Die Antwort lautet dann: „Das war so toll, das war so ein tolles Gefühl, wir haben uns super gefühlt und endlich haben wir es geschafft.“ Diese Interviews kann ich euch für die nächsten Fußballspiele auch noch alle geben, obwohl ich nicht mitspiele. Das heißt, das ist vielfach total keine Information.
Auch ein Journalist heute wird so unter Druck gesetzt, dass er Informationen so schnell sammeln muss, dass er sie gar nicht mehr durchdenken kann. Er geht häufig zu Wikipedia, liest dort ein paar Sachen heraus, die jeder andere auch auslesen kann, sagt dieselben Dinge, stellt dieselben Fragen. Das heißt, wir haben eine immens aufgeblähte Informationswelt, aber es wird kaum noch wirklich etwas gesagt.
Ihr merkt, viele Leute sind nicht mehr in der Lage, Neues zu denken, obwohl sie massenhaft Informationen beziehen. Wenn du dir die Weite des Internets anschaust und Suchworte bei Google eingibst, hast du bei den meisten Worten, wenn sie nicht ganz ausgefallen sind, Zehntausende, ja manchmal sogar zig Millionen Seiten. Theoretisch hast du eine immense Bandbreite von Informationen. Aber genau im Gegenteil dazu hat das Internet nicht zu besserer Information geführt, sondern bei vielen Menschen zu einer einseitigen Information.
Denn jeder, der mit Medien vertraut ist, weiß: Welche Meldungen auf Google sind interessant? Die ersten zehn auf der ersten Seite. Alle anderen interessieren niemanden. Habt ihr schon mal die 195. Seite angeschaut? Nein, denn das macht keiner, das ist viel zu aufwendig. Theoretisch hast du also immens viel Information, aber wirklich entscheidend sind eigentlich nur die ersten drei bis zehn Meldungen, je nachdem wie die Seite aufgebaut ist. Wer darauf kommt, bestimmt das Denken der Menschen.
Wenn du heute Informationen über zum Beispiel Martin Luther suchst, was macht der normale Mensch? Er geht zu Wikipedia. Man gibt ja nicht mal bei Google ein, sondern weiß, Wikipedia liefert die Informationen. Wikipedia hat heute eine enorme Macht, Informationsmacht. Was Wikipedia schreibt, gilt für viele als die Wahrheit. Früher, mit weniger Medien, gab es zumindest verschiedene Nachschlagewerke wie Brockhaus, Meyers Lexikon oder Dudenlexikon, die noch unterschiedliche Ansichten hatten. Das gibt es im Internet kaum. Welche Internetlexika sind so einflussreich wie Wikipedia? Es gibt keine. Vor zehn Jahren gab es mal Microsoft Encarta, heute fast verschwunden, höchstens noch als CD-ROM.
Das heißt, heute ist Wikipedia die Hauptquelle für Informationen. Wikipedia ist zwar immer besser geworden, es sind wirklich sehr gute Sachen drin. Aber viele Artikel sind auch stark ideologisch geprägt, das heißt, keine neutrale Information. Das merkt man besonders, wenn Informationen enthalten sind, die nicht dem normalen Zeitgeist entsprechen. Schlagt doch mal den Artikel über Homosexualität auf: Glaubt ihr, da gibt es kritische Anmerkungen? Natürlich nicht. Oder schaut bei Artikeln über christliche Institutionen nach: Da findet man häufig sehr einseitige Informationen.
Das müssen wir uns vor Augen führen: Jeder, der schreibt, auch wenn er objektiv schreiben will, hat seine Meinung und seine Auffassung, die sich darin widerspiegelt. So gibt es eine riesige Menge an Kommunikation, aber relativ wenig wirklich relevante Information. Häufig haben wir gar nicht mehr die Zeit, uns wirklich damit zu beschäftigen.
Nehmen wir an, du setzt dich hin, um einen Brief zu schreiben – jetzt wirklich einen Brief, nicht eine SMS. Normalerweise muss man sich dafür richtig Zeit nehmen und überlegen, wie man einen Satz formuliert. Die meisten Leute überlegen bei SMS viel weniger. Das heißt, auch die Qualität der Kommunikation, dessen, was ich mir ausdenke, leidet darunter. Ich habe ja auch nicht ständig etwas Geniales zu sagen. Das führt dazu, dass hinterher jede Kleinigkeit eine Meldung wert ist.
Gerade eben ist ein Schneepflug am Bus vorbeigefahren, nebenan ist ein Bus von der Firma so und so, und den habe ich gerade beim Spaziergang gesehen, den kenne ich auch. Und an der Tanzschule war gerade eine Veranstaltung. Du fährst also den Bus nicht, ohne gleich irgendetwas einzugeben – im Grunde genommen irrelevante Informationen, aber du hast ja nicht wirklich mehr etwas zu sagen.
Wer von uns hat denn wirklich jede Minute acht, also jede Stunde achtmal wahnsinnig wichtige Sachen für einen Freund zu sagen? Das gibt es ja nicht. Selbst wenn du verheiratet bist, hast du nicht immer so viele wichtige Informationen auszutauschen. Viele Dinge laufen einfach so. Das führt dazu, dass die Informationsbreite zwar sehr groß ist, die Informationstiefe aber sehr dünn geworden ist.
Irgendwo hat das mal jemand mit Wasser verglichen: Du kannst entweder eine Badewanne mit Wasser haben, die etwas tiefer ist, oder du kannst das Wasser auf eine Fläche von zweihundert Quadratmetern verteilen, aber nur sehr flach. Die Wasserfläche wirkt größer, aber wenn du hineinspringst, ist nichts mehr zum Baden da. So ähnlich ist es auch bei Informationen: Menschen können nicht mehr neue, tiefgehende Gedanken entwickeln, obwohl sie technisch viel mehr Möglichkeiten haben. Sie verteilen ihre Kapazität auf viele flache Informationen oder nehmen sich Zeit für wenige wirklich wichtige Gedanken.
Das führt zu einer Verflachung der Information. Ein weiterer Punkt, den ich genannt habe und der bei den Medien heute ein Problem ist, mit dem wir als Christen gut umgehen lernen müssen, ist die Vereinseitigung und die Manipulationsmöglichkeiten von Informationen. Ich habe die Marktmacht von Wikipedia bereits erwähnt. Auch ich benutze Wikipedia, das ist einfach und gut. Aber wir sollten das immer mit einer gewissen Skepsis betrachten und daran denken, dass alle Artikel – ausnahmslos alle – mit einem bestimmten Interesse, einer bestimmten Meinung und Überzeugung geschrieben sind. Das müssen wir immer hinterfragen, wenn wir damit umgehen.
Es gibt heute trotz der vielen Informationen nicht nur Oberflächlichkeit, sondern auch Vereinseitigung. Einige wenige sind prägend. Im letzten Sommer gab es eine Aktion, bei der viele große Medienanstalten zahlreiche Internetartikel gelöscht haben, teilweise einfach, weil es zu viel und unübersichtlich wurde. Hier liegt ein Problem: Manche Veröffentlichungen existieren nur als Internetartikel. Wenn diese gelöscht werden, gibt es sie praktisch nicht mehr.
Früher wurden solche Inhalte in Archiven gesammelt, da konnte man nachschauen. Heute ist es möglich, die Wirklichkeit zu verändern, indem man Informationen einfach entfernt. Dann gab es sie nie, und wenn jemand danach sucht, findet er sie nicht. Das heißt, Informationen können jederzeit angepasst werden.
Wir haben das erlebt, als vor einem Jahr zwei unserer Schüler im Jemen getötet wurden. Mehrere Medienanstalten, unter anderem auch die ARD, berichteten darüber. In den Internetartikeln fanden sich einige falsche Informationen, die offensichtlich falsch waren. Wir und andere meldeten uns, und manche Fehler wurden immerhin korrigiert. Doch es sah so aus, als ob es nie falsch gewesen wäre. Die Medien haben bewusst Lügen verbreitet, und zwar nachweisbare Lügen – und das in großen Medien in Deutschland.
Manche Christen haben das sogar geglaubt, sie sagten: „Jetzt habe ich das doch gelesen und im Fernsehen gesehen, das muss doch stimmen.“ Das ist erschreckend. Viele Menschen haben gegenüber Medien einen unheimlichen Glaubensvorschuss. Deshalb blühen im Moment auch medienverbreitete Verschwörungstheorien stark auf. Die Menschen glauben alles Mögliche, weil sie es im Internet gelesen haben.
Als Bush noch Präsident war, gab es viele Verschwörungstheorien mit Michael Moore und anderen. Viele dachten, der amerikanische Präsident sei dumm. Die meisten haben sich nie tief damit auseinandergesetzt, keine Regierungsprogramme gelesen oder Reden gehört. Sie haben nur ein paar Internetnachrichten und Komödien gesehen und danach gesagt: „Er ist dumm.“
Genauso war es mit Milosewitsch: Erst war er ein Held, solange er mit dem Westen verbündet war, dann wurde er zum großen Feind. Kaum jemand hat sich wirklich Gedanken gemacht. Als Obama gewählt wurde, fanden ihn alle Deutschen super. Wenn man sie gefragt hätte, warum, hätten die meisten keine richtige Antwort gegeben. „Er ist einfach super, weil er schwarz ist“, war ein Vorurteil. Er versprach Veränderung, doch die meisten seiner Versprechen wurden nicht erfüllt.
Das zeigt, wie stark die Meinung durch Medien geprägt wird. Es entsteht eine Gleichförmigkeit von Meinungen, weil man sagt: „Ich habe es gesehen, ich habe es gehört, also stimmt es.“ Viele Menschen sind heute mediengläubig. Sie sehen etwas, weil es auf einer Internetseite steht, und glauben, dass es wahr ist. Manche Informationen werden sogar mit Bildern untermalt. Weil sie das Bild gesehen haben, glauben sie, es stimmt.
Dabei weiß jeder, der ein bisschen mit Computern arbeitet, dass Bilder heute sehr leicht manipulierbar und fälschbar sind. Trotzdem sind viele Leute so gutgläubig. Auch bei Informationen muss man genau hinschauen. Ich mache das auch mit meinen Schülern: Manche zitieren Internetseiten, ohne zu merken, dass dort falsche oder bibelkritische Positionen vertreten sind.
Das ist kein Defizit nur meiner Schüler, sondern ein allgemeines Problem: Viele Menschen können weniger unterscheiden, was wahr und was falsch ist. Gut gemachte Lügen werden heute oft geschluckt. Vor einigen Jahren habe ich ein Büchlein über das Akri-Leg geschrieben, eine Verschwörungstheorie, die heute noch massenhaft in den Köpfen der Menschen steckt. Zum Beispiel glauben viele, Jesus sei verheiratet gewesen.
Wenn man heute eine Umfrage macht, gibt es wahrscheinlich viele, vor allem Jüngere, die sicher sind, dass Jesus verheiratet war. Es gibt sogar Nachfolgebücher, die das genauso behaupten. Eine amerikanische Journalistin tritt auf und sagt, sie sei eine Nachkommin von Jesus und Maria Magdalena. Warum? Sie hat das gefühlt. Als sie nach Südfrankreich zog, hatte sie plötzlich das innere Gefühl, Nachkommin zu sein. Sie verbreitet das in Büchern, die hunderttausendfach verkauft werden.
Diese Ideen werden heute sogar an Universitäten diskutiert. Warum? Weil es so einsichtig klingt. Immer wieder wird gesagt: „Hast du nicht auch das Gemälde von Leonardo da Vinci gesehen? Die Person neben Jesus sieht doch aus wie eine Frau, das muss Maria Magdalena sein.“ Nur weil die Idee genannt wird.
Dabei muss man sagen: Selbst wenn es so wäre, hat Leonardo da Vinci etwa 1400 Jahre nach Jesus gelebt. Wenn er also meinte, Maria Magdalena sei am Abend dabei gewesen – was sagt das über die Wahrheit aus? Gar nichts. Das wäre so, als würde ich heute behaupten, Martin Luther habe nie existiert, weil ich das gerade entdeckt habe. Wo sind die Beweise? Es gibt keine.
Leonardo da Vinci hat übrigens nie gesagt, dass die Person eine Frau ist. Er schrieb, es sei Johannes, der neben Jesus steht. Verschwörungstheoretiker sehen das Bild und denken: „Das sieht für mich wie eine Frau aus, also muss es eine Frau sein.“ Daraus schließen sie, Jesus sei verheiratet gewesen. Argumentativ ist das unsinnig, aber solche Argumentationen findet man heute massenhaft, selbst bei Akademikern.
Verschwörungstheorien sind weit verbreitet und faszinierend. Medien multiplizieren sie massenhaft. Besonders Christen sind anfällig dafür. Es gibt Verschwörungstheorien außerhalb des Glaubens, zum Beispiel eine der bekanntesten der letzten Jahre: Der 11. September sei von der CIA ausgelöst worden. Im Internet gibt es massenhaft Seiten, die behaupten, die US-Regierung habe ihre eigenen Gebäude zerstört.
Man kann das glauben. Die Internetseiten wirken auch sehr überzeugend, weil sie technisch gut aufgemacht sind, mit schönen Bildern, Grafiken und Zeichnungen. Typisch für Verschwörungstheorien ist, dass nur Teilinformationen genannt werden. Die Fakten, die nicht passen, werden einfach weggelassen. Da niemand viel lesen will und jede Wahrheit in maximal zehn Seiten zusammengefasst sein muss, lesen viele das und glauben es.
Ob die Anschläge nun von den Amerikanern oder von Al-Qaida verübt wurden, ist letztlich nicht ganz egal. Wir merken, dass dasselbe auch im Glauben passiert. Dort werden viele Ideen und Verschwörungstheorien durch Medien verbreitet, die bei Christen offene Ohren finden.
In den letzten Monaten habe ich mehrere solcher Verschwörungstheorien bekommen. Eine der jüngsten bin ich selbst zum Opfer geworden: Die Verschwörungstheorie, Weihnachten sei eigentlich vom Teufel. Wusstet ihr das? Massenhafte E-Mails wurden an viele Christen versendet, mit vielen Bildern, unter anderem auch ein Bild von meinem Weihnachtsbuch und einer Warnung: „Folgt nicht Michael Kotsch, denn er sagt, Weihnachten dürft ihr feiern, aber Weihnachten ist vom Teufel.“
Warum soll Weihnachten vom Teufel sein? Ein wichtiges Argument lautet: Der Begriff „Satan“ ist eigentlich griechisch, aber wenn man ihn ins Hebräische umschreibt und dann die Zahlendeutung der Kabbala nimmt, kommt der Begriff „Satan“ auf 354. Der 354. Tag im Jahr ist Weihnachten. Also ist Weihnachten vom Teufel. Wahnsinnig überzeugend, oder?
Ich habe mich gefragt, ob ich das noch einmal überprüfen soll. Vielleicht schaue ich nächste Woche mal den 354. Vers in der Bibel nach und sage dann: „Das ist die Zahl des Teufels, das ist ein Vers vom Satan.“ Oder wie wäre es mit dem 356. Kapitel in der Bibel? Vielleicht habt ihr ja eine Drei, eine Fünf und eine Vier in eurer Telefonnummer oder Hausnummer. Dann merkt man, dass das alles ziemlich absurd ist.
Aber Verschwörungstheorien wirken richtig überzeugend, wenn man sich darauf einlässt. Wenn man nur ein bisschen kritisch nachfragt, falls man die Kapazität dazu hat, merkt man: Das stimmt ja gar nicht, das ist alles falsch.
Christen sind manchmal anfällig, weil sie nicht gläubig sein wollen oder weil die Bibel manchmal zu kompliziert ist. Deshalb glauben sie Verschwörungstheorien. Es gibt massenhaft davon. Ich weiß nicht, ob ich alle empfange, aber wenn jemand eine neue Verschwörungstheorie hat, will er sie mir zeigen. Alle paar Wochen bekomme ich eine neue „Wahrheit“ über die Freimaurer, den schwarzen Papst, die Illuminaten, den Opus Dei, die Kommunisten, Atheisten, die amerikanische Regierung oder Geheimdienste.
Überall gibt es dunkle Mächte, die unser Leben beeinflussen und gegen den Glauben sind, und wo Schlimmes passiert. Christen glauben solche Sachen oft, weil sie sehr mediengläubig sind. Was in den Medien steht, wird häufig als Wahrheit wahrgenommen. Das ist ein Defizit, das wir haben. Deshalb brauchen wir als Christen eine gewisse kritische Unterscheidungsfähigkeit.
Wenn ich etwas glaube, dann glaube ich nicht alles, was irgendwo geschrieben steht, sondern nur das, was Gott mir gesagt hat. Das soll die Grundlage sein, und wir sollten immer einen gewissen Abstand bewahren.
Ich glaube auch, dass viele moderne Medien die Menschen zum Lügen verleiten, besonders die individuellen Medien wie Facebook. Ich glaube, unter Jugendlichen wird kaum so viel gelogen wie bei Facebook. Manches wird als Fake abgetan, also als Spaß oder Erfindung, aber oft ist es auch einfach gelogen.
Warum? Fast niemand schreibt auf Facebook so, wie er wirklich ist, sondern so, wie er sich inszenieren will. Die Fotos sind nicht unbedingt die, die man morgens beim Aufstehen oder beim Abwaschen macht, sondern die, auf denen man gestylt ist, in einer bestimmten Umgebung, mit einer bestimmten Haltung und Mimik. Man stellt sich dar.
Meistens sind die Haltungen auch nicht besonders originell. Es sind immer dieselben: Das Grinsen, die Körperhaltung. Es gibt nur begrenzt viele, und viele sind auf allen Facebook-Seiten zu sehen. Das ist nicht wahnsinnig schlimm, es ist keine Sünde, aber es ist nicht die Realität.
Wenn du eine Person kennenlernen willst, lernst du sie auf Facebook meistens nicht wirklich kennen, weil viele Dinge verfälscht oder gelogen sind. Wie leicht ist es, auf Facebook zu schreiben: „Ich liebe dich, ich finde dich toll, du bist super.“ In der Realität ist das schwieriger, weil man mit der realen Person zu tun hat.
Vielleicht habt ihr von dem amerikanischen Pastor gehört, der seiner Gemeinde verboten hat, einen Facebook-Account zu haben. Das gab es vor ein paar Wochen, natürlich in den USA. Warum? Weil dieser Mann festgestellt hat, dass es in seiner Gemeinde zehn oder zwölf Ehescheidungen innerhalb eines Jahres gab, die mit Facebook zu tun hatten.
Warum? Wenn man in einer Ehekrise steckt, ist das schon schwierig genug. Wenn man aber auf Facebook ist und alle so lieb und nett sind, alle Freunde schreiben: „Du bist so lieb“, und man sagt, wie böse der Partner ist, dann sind gleich einige da, die einen trösten wollen. Man denkt: „Die verstehen mich, wenn mein Mann oder meine Frau so wäre wie die hier.“ Vielleicht kommt dann noch eine große Liebe aus der Vergangenheit, die Kindergartenliebe, und man trifft sich, um sich trösten zu lassen – und zack, der Ehebruch ist da.
Der Pastor hat in seiner Gemeinde auffällige Steigerungen von Untreue aufgrund von Facebook beobachtet. Facebook ist eine virtuelle Traumwelt, in der man sich darstellt, und das verleitet sehr stark zu Untreue und Ehebruch. Das betrifft nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene.
Auch hier gibt es ein Defizit und ein Problem: Facebook ist nicht die reale Welt, sondern eine ausgeklammerte. Das gilt ebenso für SchülerVZ, StudiVZ und andere soziale Netzwerke. Es ist eine moralische Gefahr – einmal zum Lügen, zum Falschdarstellen, zum Heucheln und sogar zur Untreue. Das ist ein großes Problem.
Wir sind hier in einem ganz anderen Bereich: Zeit, Vertrauen, Information, Missbrauch von Vertrauen – das sind Negativseiten. Lügen sind weit verbreitet und werden geglaubt, weil man es gerne so haben möchte.
Einfluss der Medieninhalte auf Lebensvorstellungen
Ein weiterer sehr großer Faktor im Umgang mit den Medien ist natürlich der Inhalt dessen, dem wir uns aussetzen. Viele Menschen haben hier den Eindruck und täuschen sich selbst, wenn sie sagen: „Ja, ich nehme diesen Inhalt auf, aber dieser Inhalt prägt mich ja gar nicht.“ Faktisch ist es jedoch so – das haben auch die meisten Untersuchungen im Bereich der Psychologie und Pädagogik gezeigt – dass wir die meiste Zeit durch Vorbilder lernen.
Warum sind unsere Kinder uns in vielen Dingen ähnlich? Das liegt erstens am Vorbild. Man sagt ja auch: „Du kannst den Kindern alles sagen, am Ende tun sie doch nur, wie du bist.“ Das stimmt zwar nicht ganz, und zum Trost der Eltern: Kinder haben auch eine eigene Individualität. Und zum Trost der Kinder: Sie sind keine hundertprozentige Kopie der Eltern. Aber sehr viel wird im Laufe des Lebens von den Eltern übernommen. Manchmal wird einem das erst im Verlauf des Lebens klar. Wenn du plötzlich in ähnlichen Situationen bist, wie deine Eltern es waren, merkst du, dass du gleich reagierst – wie du mit Stress umgehst, wie du deine Kinder erziehst, wie du am Arbeitsplatz handelst oder wie du mit deinem Ehepartner umgehst. All diese Dinge zeigen, dass das, was uns prägt oder was wir als Vorbild nehmen, uns natürlich beeinflusst.
Wenn ich mich nun sehr stark und intensiv mit Medien konfrontiere, bekommen diese einen Vorbildcharakter. Das war vielleicht in den 50er und 60er Jahren so, wenn die Jungs aus dem Kino kamen und dann breitbeinig wie John Wayne liefen, als ob sie gleich ihren Colt ziehen würden. Oder wenn die Sprüche von James Dean nachgemacht wurden, wie „Schau mir in die Augen, Kleines.“ Wisst ihr, aus welchem Film das kommt? Das war in „Casablanca“, einem der bekanntesten Filme. Dort sagt der Held diesen Satz zu seiner Frau. Das wurde später ein stehender Spruch für viele Jugendliche, weil das Vorbild prägt.
Das heißt, Vorbilder, die wir immer wieder hören und sehen, wie man sich verhält, prägen unser Denken und unsere Wahrnehmung. Deshalb müssen wir uns bewusst werden und uns ein Stück weit aussuchen, wodurch wir uns prägen lassen. Was wir uns anhören, anschauen oder lesen – wenn das nur ein kleiner Teil unseres Lebens ist, ist das okay und nicht weiter schlimm. Aber je größer der Teil unseres Lebens ist, desto stärker beeinflusst es unsere Wahrnehmung.
Der Zeitgeist ist in den Medien ganz intensiv präsent, denn sie wollen immer das Aktuelle zeigen, das, was gerade „dran“ ist. Medien haben heute keine erziehende Funktion mehr. Sie sagen dir nicht, was richtig ist, sondern vermitteln, was gerade „in“ ist, was man so macht, denkt und tut. Ob wir das wollen oder nicht, übernehmen wir diese Dinge umso mehr, je häufiger wir sie sehen.
Hier könnte man die Frage stellen, und das betrifft auch das Thema Sexualität: Wodurch sind deine Vorstellungen von Sexualität geprägt? Verheiratete Menschen sagen vielleicht, sie hätten eigene Erfahrungen. Aber bevor man verheiratet war, ist das Allermeiste wahrscheinlich durch Medien geprägt. Denn wer hat schon mit seinen Eltern über Sexualität gesprochen? „Das ist peinlich, das macht man so nicht.“ Woher bekommt dann der Freundeskreis seine Informationen? Aus den Medien.
Das heißt, die Medien prägen ganz stark unsere Vorstellungen von Sexualität. Sie bestimmen oft, wie wir denken, dass Sexualität sein sollte, wie sie ablaufen müsste und welche Rolle sie spielt. Sexualität kommt in fast jedem Spielfilm vor, weil sie unterhaltend und schön dargestellt wird. Daneben gibt es Schätzungen, dass etwa 30 Prozent der Männer regelmäßig Pornografie im Internet anschauen. Das prägt natürlich auch das Bild von Sexualität, das vermittelt wird. Diese Eindrücke bleiben im Kopf und bestimmen unser Denken und Handeln.
Die Frage ist also: Woher sollten wir sonst Informationen über Sexualität bekommen? Als Christen sollten wir uns zuerst mit der Bibel beschäftigen und herausfinden, was dort über Sexualität steht, welche Bedeutung und welchen Stellenwert sie hat. Häufig belastet die äußere Prägung die Ehe, weil von außen der Eindruck kommt, so müsse es sein. Wenn es dann nicht so ist, wird das als Defizit oder Problem wahrgenommen.
Genauso verhält es sich bei der Frage nach Freundschaft. Wenn sich Jugendliche heute fragen, wie Freundschaft läuft, haben sie schon tausende Male in Filmen gesehen, wie Freundschaft dargestellt wird. Wie ist Freundschaft? Zuerst findet man jemanden „schick“, das Äußere spielt eine große Rolle. Dann sagt man möglichst bald „Ich liebe dich“, denn das wird in Filmen auch so gemacht. Schließlich gibt es einige Probleme zu überwinden, und nach einer halben Stunde sind sie im Bett. Am Ende des Films zerstreiten sie sich vielleicht wieder. Oder einer stirbt, was dann als ewige Liebe dargestellt wird. Das ist ein Bild, das häufig multipliziert wird und unser Denken prägt.
Wie oft habt ihr im Spielfilm eine glückliche Ehe gesehen? Ein Ehepaar, das seit zehn Jahren verheiratet ist, drei Kinder hat und glücklich miteinander lebt? Überlegt mal, in welchem Film das vorkommt. Es gibt einige wenige, zum Beispiel „Unsere kleine Farm“. Aber nennt mal einen neueren oder anderen Film! Man merkt, dass das sehr selten ist. Die Helden in Filmen sind meist unverheiratet. Das Signal für viele Jugendliche lautet: Warte möglichst lange mit der Heirat, leg dich nicht fest, lass dir alle Optionen offen. Und selbst wenn man sich festlegt, ist man heute, auch als Christ, nicht sicher, dass man nicht scheidet. Das klappt oft nicht, also trennt man sich und probiert es mit jemand anderem.
Diese Ideen sind weit verbreitet, auch in christlichen Gemeinden. Wenn es bei euch noch nicht der Fall sein sollte, bereitet euch darauf vor, es wird garantiert kommen. Ich kann euch diese Garantie geben. Denn jede Sache des Zeitgeistes trifft irgendwann auch Christen, beeinflusst sie und sie handeln danach. Andere Gemeinden sind schon so weit, dass es keine Diskussion mehr gibt. Wenn es nicht geklappt hat, dann eben mit dem anderen.
Die evangelische Kirche ist ein Trendsetter in dieser Hinsicht. Sie hat sogar Gottesdienste für Scheidungen eingeführt. Das heißt, man heiratet in der Kirche, aber es gibt auch eine Entschuldigung oder Entlassung, damit man in Frieden auseinandergehen kann. Ein Segen des Priesters wird gesprochen, verbunden mit der Bitte, dass alles gut geht und man wieder einen Freund findet. So etwas ist möglich. In solchen Situationen prägen die Leute vielmehr das Vorbild.
Zum Thema Homosexualität: Wie viele haben praktische Erfahrungen mit Homosexualität? Ich hoffe, die meisten hier nicht. Und woher kommt dann das Bild von Homosexualität bei den meisten? Durch die Medien. Wie wird Homosexualität in den Medien dargestellt? Nennt mir Serien oder Beispiele! Ich selbst sehe kaum Fernsehen, höre aber ab und zu etwas mit. Meistens ist der Homosexuelle nicht der Bösewicht, sondern eher neutral oder sympathisch. Oft ist er der coole, verständnisvolle Typ, der Frauenversteher, der Künstlertyp, Schauspieler oder manchmal Politiker – ein typisches Klischeebild. Mit der Realität hat das wenig zu tun, aber das prägt das öffentliche Bild.
Ich habe in meinem Buch, dem neuesten mit moderner Medizin und Ethik, ausführlich darüber geschrieben. Dort zitiere ich auch ein Buch, in dem ein Homosexueller selbst beschreibt, wie er seine Homosexualität erlebt. Das Buch stammt aus Amerika und wurde ins Deutsche übersetzt. Wenn man das liest, merkt man, dass das ganz anders ist als das, was häufig in den Medien verbreitet wird. Doch genau das bestimmt unsere Wirklichkeitswahrnehmung. Wir denken, das sei die Realität.
Als Christen müssen wir aufpassen, wodurch unsere Wahrnehmung bestimmt wird. Nicht nur, weil wir jemanden kennengelernt haben, der nett ist, oder weil wir es im Fernsehen so gesehen haben, ist das die Realität. Das ist nicht so. Dafür braucht man Zeit und Aufwand. Je mehr wir konsumieren, desto mehr wird unser Bild geprägt.
Genauso verhält es sich mit unserer Wahrnehmung von Gewalt. Gewalt im Fernsehen ist meistens schmerzlos. Sie trifft oft nur die „Bösen“, denen gönnt man das sowieso. Wenn sie in die Luft fliegen, sieht man keinen Schmerz, es gibt nur einen kurzen Blitz, einen Knall und eine Explosion – und dann sind sie tot. Mediengewalt führt dazu, dass Menschen echte Gewalt nicht mehr richtig einschätzen oder nachempfinden können. Manche sehen sie als Unterhaltung.
Gerade im letzten Jahr gab es zwei Fälle, die in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit erregt haben, beide in München. Einerseits eine Gruppe Schweizer Jugendlicher auf Klassenfahrt, die aus Langeweile jemanden zusammengeschlagen hat, wobei ein Opfer sogar getötet wurde. Vor Gericht wurde gefragt, warum sie das getan haben – Langeweile, es war „Action“. Das ist erschreckend.
Der andere Fall ist der eines Mannes, der zwei Jugendliche beschützen wollte, als diese von anderen Jugendlichen angegriffen wurden. Er wurde so schwer geschlagen, dass er starb. Das sind Extremfälle, klar, aber sie zeigen, dass viele Menschen keinen Bezug zu Gewalt haben. Gewalt ist virtuell, solange sie einen nicht selbst trifft. Es fehlt das Mitgefühl.
Der ADAC hat einmal einen Versuch gemacht, einen Autounfall zu inszenieren. Es dauerte lange, bis jemand stehenblieb, um zu helfen. Viele fuhren nur langsamer vorbei und schauten, aber hielten nicht an. Teilweise aus Angst, ob es echt ist oder ob sie überfallen werden könnten. Die Medien führen dazu, dass wir eine falsche Einstellung und Einschätzung von Gewalt entwickeln.
Auch Religion ist in den Medien stark geprägt. Religion ist entweder ein großer Event mit viel Gefühl, toller Band und Feiern, oder sie wird als abartig und komisch dargestellt. Es gibt kaum Versuche, Religion und Glauben objektiv und real darzustellen. Wo lest ihr schon mal etwas über das normale Leben eines Christen, so wie ihr es erlebt? Das gibt es kaum. Filme, die nicht christlich sind, zeigen das kaum.
Wenn mal eine fromme Person vorkommt, sind das oft Radikale, Extremisten oder Randfiguren. Fromme Menschen werden meist als Stümper oder Langweiler dargestellt. Ein Held, der bewusst ein normales christliches Leben führt, ist sehr selten im Fernsehen zu sehen. Vielleicht gibt es Ausnahmen, aber das ist die Ausnahme.
In den USA, wo die meisten Filme produziert werden, sind etwa ein Drittel der Bevölkerung evangelikale Christen. Das zeigt, wie wenig die Medien die reale Situation der Menschen widerspiegeln. Das gilt auch für den Glauben. Deshalb fällt es vielen schwer, über Glauben zu reden. Die Prägung durch die Umgebung und Medien sagt, dass Religion kein Thema ist. Man spricht über Sport, Arbeit, Liebe, Politik und Wetter, aber nicht über Religion.
Das ist nicht natürlich oder angeboren. In vielen Regionen der Welt ist es ganz normal, über Glauben zu sprechen. Zum Beispiel in islamischen Ländern ist der Glaube ein alltägliches Gesprächsthema. Ein Muslim in Ägypten redet lieber über seinen Glauben als über seinen Beruf. Unter Männern in Deutschland ist der Beruf ein beliebtes Thema, bei Muslimen in der Türkei oder Ägypten nicht. Dort prägt die Umgebung das Gespräch.
Warum reden wir hier so wenig darüber? Zum Teil, weil Medien und Umgebung uns prägen und immer wieder einwirken, dass Religion kein Thema ist, nicht cool oder sogar peinlich. Das ist eine Prägung der Umgebung, aber eigentlich gibt es keinen vernünftigen Grund dafür. Es ist etwas, was uns die Medien vermitteln.
Wir merken, dass der Zeitgeist unser Verhalten beeinflusst, oft unbewusst, weil es so unterschwellig geschieht. Er beeinflusst unser Gefühl, unsere Sicht und unsere Wahrnehmung der Welt, weil uns eine Kunstwelt vorgestellt wird, die die Medien vermitteln.
Das betrifft wichtige Themen wie Sexualität, Gewalt, Religion und Glauben sowie die Bedeutung der Welt insgesamt. Wenn wir von Medien geprägt sind, haben wir manchmal den Eindruck, dass das, was die Medien sagen, entscheidend ist. Aber wer sagt, dass wir das wissen müssen? Informationen werden ausgesucht, oft nach Modeströmungen.
Zum Beispiel: Wie oft liest man heute noch etwas über die Schweinegrippe? Vor etwa einem Jahr war das ein großes Thema, jeder musste Bescheid wissen. Sobald der Hype vorbei war, interessierte es niemanden mehr. Die Bedeutung war gar nicht so groß, aber durch die Medien wurde es aufgebauscht.
So lassen wir uns Themen aufdrängen und meinen, sie seien wichtig, obwohl sie schnell wieder verschwinden, weil die Medien das Interesse verlieren. Themen mit Kontinuität im Leben werden durch die kurzlebigen Medien oft in den Hintergrund gedrängt.
Ein weiteres Problem ist, dass viele Christen nicht mehr zur Ruhe kommen, weil sie ständig dem Medieneinfluss ausgesetzt sind. Das heißt, Momente allein mit einem anderen Menschen, allein mit der Bibel oder allein mit Gott gibt es weniger, weil immer Medien dabei sind. Das ist nicht das Schlimme an den Medien an sich, sondern der falsch eingesetzte und überproportionale Wert, den sie erhalten.
Viele Gemeinden haben heute Probleme, Mitarbeiter zu bekommen, obwohl wir alle objektiv mehr Zeit haben als jede Generation vor uns. Das gilt unabhängig davon, ob jemand beruflich stark eingespannt ist. Selbst diejenigen, die viel zu tun haben, haben mehr Zeit als Menschen vor 150 Jahren, in der Zeit der Erweckungsbewegung.
Ich habe im Bertelsmann Verlag nachgelesen, in der Zeitschrift „Evangelisches Monatsblatt für Westfalen“, die vor etwa 150 Jahren herausgegeben wurde. Dort wird beschrieben, wie sich die Erweckungsbewegung ausgebreitet hat. Damals arbeiteten die Menschen zwölf bis vierzehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Zuhause gab es keine Waschmaschine, keinen Kühlschrank oder Schnellkochherd. Alles wurde selbst gemacht. Und trotzdem trafen sie sich fast täglich zum Beten und Bibellesen.
Ich möchte nicht sagen, wir sollten das zurückdrehen, sondern nur darauf aufmerksam machen, dass wir objektiv Zeit haben. Die Frage ist, wie wir sie einsetzen. Medien können oft ein großer Zeiträuber sein, der Zeit wegnimmt, die wir anders sinnvoller nutzen könnten.
Ich bin nicht grundsätzlich gegen neue Medien wie mp3-fähige Computer oder Ähnliches. Viele nutzen sie sinnvoll, auch ich brauche meinen Computer täglich. Aber generell kann Medienkonsum sehr viel Zeit fressen, die man anders nutzen könnte.
Gerade bei der Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist ist es nicht wichtig, alles zu verbieten. Das wäre ein falsches Gottesbild. Gott will uns das Optimale zeigen, die richtige Erfüllung im Leben. Alles, was dem nicht entspricht, ist zweite Wahl, Ersatz oder Placebo und nicht das, wonach wir streben sollten.
Das ist ein lebenslanger Kampf. Man entscheidet sich nicht einmal und dann ist alles klar. Wenn ihr das versucht, werdet ihr immer wieder kämpfen. Immer wieder heißt es: „Das musst du gesehen haben, gehört haben, dorthin gegangen sein, das gemacht, getrunken, gegessen, gekauft, angezogen, Urlaub gemacht haben.“ Das ist der Anspruch.
Viel Zeit wird von Medien und allem, was darüber hinausgeht, aufgefressen. Wir müssen uns selbst hinterfragen und immer wieder neu darum kämpfen, wie wir mit unserer Zeit umgehen und wofür wir sie einsetzen. Objektiv betrachtet haben die meisten von uns heute viel mehr Zeit als unsere Vorfahren. Trotz Stress, der zum Leben dazugehört und manchmal auch eine Chance ist, mit Gott umzugehen und daraus zu lernen.
Das waren einige Gedanken zum Thema Medien. Medien sind nicht generell schlecht, auch nicht ein Medium gut und das andere schlecht. Es kommt darauf an, wie wir sie einordnen. Sie haben Defizite, die wir ausgleichen müssen, aber auch positive Wirkungen, die wir nutzen sollten. Besonders sollten wir die Möglichkeiten nutzen, Glauben zu vermitteln und weiterzugeben.
Ich hoffe, mein Autoschlüssel ist da. Dann werde ich euch jetzt in eine Gruppenarbeit einteilen. Dafür möchte ich Vivian bitten, hinten an mein Auto zu gehen. Ihr könnt euch schon mal in Gruppen einteilen.
Ich schlage vor, wir machen sechs Gruppen. Jeweils zwei Gruppen bearbeiten dasselbe Thema. Ich habe aus unserer Bibliothek in der Bibelschule einen ganzen Stapel der Zeitschrift „Fokus“ mitgebracht. „Fokus“ ist kein extremes Magazin, sondern ein normales Nachrichtenmagazin in Deutschland.
Eure Aufgabe ist es, in Gruppen zu erarbeiten, wie dort Partnerschaft, Ehe und Freundschaft dargestellt werden. Was für Bilder werden vermittelt? Wie soll ein idealer Partner aussehen? Wie soll Ehe oder Freundschaft sein? Wahrscheinlich habt ihr auch eigene Ideen. Blättert einfach durch, schreibt ein paar Sachen auf und später tragen einige Gruppen ihre Ergebnisse vor.
So lockern wir das methodisch auf, damit ich euch nicht nur etwas erzähle und ihr denkt, ich sage nur etwas, das vielleicht gar nicht stimmt. Eine Zeitschrift ist ein Sprachrohr des Zeitgeistes. Dort steht, was gerade „in“ ist, was läuft und was wichtig ist.
Alle Gruppen bekommen dieselbe Aufgabe, ich möchte das nicht zu sehr variieren. Nun zur Aufteilung: Wollt ihr euch selbst aufteilen oder soll ich das machen? Gut, dann mache ich das.
Zwei Gruppen hier vorne: Du hier in der ersten Reihe bist in der ersten Gruppe, und ihr hinten seid in der zweiten Gruppe. Hier vorne machen wir zwei Gruppen aus der ersten und zweiten Reihe, vielleicht auch noch die dritte Reihe. Die anderen hinten sind dann eine Gruppe. Das ist nicht ganz gleich groß, aber so teile ich euch ein.
Hier sitzen drei Personen, ihr seid eine Gruppe, die drei dort seid eine weitere Gruppe, und der Rest bildet die letzte Gruppe. So haben wir sechs Gruppen. Alles klar? Ihr könnt euch jetzt setzen, wie ihr möchtet.