Liebe Gemeinde,
manche Machtproben sind so überflüssig wie ein Kropf. Die Menschen lassen sich nur darauf ein, weil sie verzweifelt sind, eitel oder ihr Mütchen kühlen wollen.
Es gibt jedoch auch andere Machtproben – sogar notwendige Machtproben –, die sich einfach nicht vermeiden lassen. Solchen muss man sich stellen, um Gottes willen. Da muss man durch.
Von einer solchen notwendigen und unumgänglichen Machtprobe berichtet unser Buch Daniel. Darum trägt die heutige Predigt den Titel Die Machtprobe Teil 2.
Die Ausgangslage der Machtprobe
Unmittelbar betroffen sind die drei Freunde Daniels. Gemeinsam mit ihm hatten sie Karriere in der Politik gemacht, bis sie eines Tages, etwa um 600 vor Christus, innerhalb weniger Stunden von Regierungspräsidenten zu Staatsvereinen wurden.
Wir haben beim letzten Mal genau gesehen, wie das passiert ist. Dabei haben wir auch festgestellt, dass Daniel selbst in diesem Fall gar nicht betroffen war, weil er bei dem Ereignis nicht zugegen war. Vielleicht war er im Urlaub oder aus anderen Gründen abwesend. Dafür aber waren seine drei Glaubensbrüder, seine drei Freunde, seine drei engsten Berater mittendrin in dieser Machtprobe.
Der Stein des Anstoßes war ein riesiges Standbild, das Nebukadnezar in der Ebene Duna hatte aufstellen lassen. Es war ein Denkmal, etwa drei Meter breit und dreißig Meter hoch, das möglicherweise den Hauptgott Nebukadnezars repräsentierte, nämlich Magnuk.
Wir hatten gefragt, warum dieser ganze Aufwand? Nun, Nebukadnezar wollte ein religiöses Symbol für sein riesiges Reich haben. Sein Reich bestand aus vielen verschiedenen Sprachen, Nationen und Traditionen. Deshalb brauchte er ein Symbol, ein gemeinsames emotionales Zeichen für alle. Er wollte einen Altar, vor dem sie alle gemeinsam knien.
Damit wollte Nebukadnezar seinen eigenen Machtanspruch festigen. Natürlich, denn es war sein Altar, es waren seine Hauptgötter, und es war seine Entscheidung und seine Anordnung.
Also inszenierte er einen Staatsakt mit Festmusik und hochrangigen Teilnehmern. Wie wir im Vers 3 gelesen hatten, Daniel 3,3, kamen zusammen die Fürsten, Würdenträger, Statthalter, Richter, Schatzmeister, Räte, Amtsleute und alle Mächtigen im Land, um das Bild zu weihen, das der König Nebukadnezar hatte aufrichten lassen.
Sie mussten sich vor dem Bild aufstellen, das Nebukadnezar hatte aufrichten lassen. Der Herold rief laut: „Es wird euch befohlen, ihr Völker und Leute aus vielen verschiedenen Sprachen: Wenn ihr den Schall der Posaunen, Trompeten, Harfen, Zithern, Flöten, Lauten und aller anderen Instrumente hört, dann sollt ihr niederfallen und das goldene Bild anbeten, das der König Nebukadnezar hat aufrichten lassen. Wer aber nicht niederfällt und anbetet, der soll sofort in den glühenden Ofen geworfen werden.“
Also standrechtliche Hinrichtung für alle Juden. Und all die Würdenträger, Finanzexperten, Regierungsbeamten und Juristen machten alle mit. Ausnahmen wurden nicht geduldet und standen unter Todesstrafe. Schließlich ging es um ein großes Ziel, um die Zukunft des Reiches, um die Einheit der Welt.
Und da durften sich auch die drei jungen Juden nicht entziehen. Als hohe Beamte mussten sie am Staatsakt teilnehmen und dem Herrscher ihre Referenz erweisen.
Der Zeitgeist fordert bedingungslose Unterwerfung
Der Geist der Zeit verlangt eine Einheitsfront in der babylonischen Oberschicht. Jetzt darf keiner ausscheren, keiner darf sich mehr den Luxus einer eigenen Meinung erlauben – das wäre Kapitalverbrechen. Schon der kleinste Dissident und Abweichler wird als Bedrohung für das Staatsganze empfunden.
Der Geist der Zeit nimmt alle und alles in die Pflicht. Dieser Zeitgeist, hier in der Person Nebukadnezar, fordert von uns bedingungslose Unterwerfung – bedingungslos. So muss es zwangsläufig zur Machtprobe kommen. Das war die erste Lektion, die wir letzten Sonntag gesehen und gelernt haben in diesem dritten Kapitel des Buches Daniel. Der Zeitgeist fordert Unterwerfung – das war das erste.
Wir haben gesehen, dass von uns Christen im Jahr 2007 zumindest in Westeuropa zurzeit nicht verlangt wird, dass wir vor heidnischen Standbildern niederknien. Obwohl ich Ihnen auch erzählt habe von Mitchristen in Indien, die sehr wohl erst kürzlich gezwungen wurden, sich vor hinduistischen Götzen in deren Tempeln zu verbeugen. Also das ist auch im 21. Jahrhundert noch nicht vorbei. Aber das ist nicht unser Problem.
Ein Götze, vor dem wir möglichst täglich niederknien sollen – und das hatten wir letzten Sonntag gesehen – ist die political correctness. Das heißt, bestimmte Überzeugungen, die der herrschenden öffentlichen Meinung allzu deutlich widersprechen, die politisch unkorrekt sind, sollen nicht mehr laut oder nicht mehr allzu laut ausgesprochen werden.
Ich hatte Ihnen letztes Mal etliche Thesen genannt, die gegen das Gebot der political correctness verstoßen, etwa die biblische Sicht über Homosexualität und Ehe oder der Anspruch Jesu, dass er der einzige Weg zum Himmel ist und dass alle Wege, die Jesus ablehnen, letztlich ins Verderben führen. Wer es dennoch wagt, solche Dinge zu sagen und öffentlich zu vertreten, der setzt sich dem Risiko aus, dass man ihn als Fundamentalisten verunglimpft, an den öffentlichen Pranger stellt und vielleicht irgendwann in Zukunft mit einer verschärften Fassung des Antidiskriminierungsgesetzes verfolgt.
Der Zeitgeist fordert Unterwerfung, auch in unserem Land. Und da ist nicht nur der Götze der Political Correctness, sondern gleich daneben steht auch – das haben wir letzte Woche gesehen – der Götze des postmodernen Lebensstils. Es ist so eine weitere Statue des Zeitgeistes, vor der sich möglichst auch die Christen niederwerfen sollen.
Wir hatten gesagt: Während die Political Correctness mit Drohung arbeitet, kommt der postmoderne Lebensstil eher mit Verlockung auf uns zu. Sein Motto lautet: Persönlicher Genuss und das eigene Wohlbefinden haben Vorrang vor allem anderen. Awareness ist wichtiger als Opfer, Wohlfühlen kommt vor Hingabe, die Leiblichkeit des Seins ist wichtiger als die Leidensbereitschaft um seines Willens.
Der Zeitgeist fordert Unterwerfung, und er fährt auch in christlichen Kreisen reiche, reiche Ernte ein – unter jungen und alten Menschen gleichermaßen. Gestern noch hörte ich ein Interview mit dem Direktor eines christlichen Pädagogikinstituts in Oregon, in den USA, Brian Ray. Er sagte: „Schüler aus christlichen Eltern tun sich statistisch kaum anders als andere Schüler, wenn wir das an Themen wie Alkohol- und Drogenmissbrauch oder vorherigem Schlechtsverkehr festmachen.“ Die Welt missioniert unsere Kinder offenbar effektiver als unsere Kinder die Welt.
Die Herausforderung der Erziehung und Mission
Diesen Satz las ich, und dabei zuckte es mich. Natürlich ist das eine Aussage über Amerika, wo sich viel mehr Menschen schnell als Christen bezeichnen. Dort kommt bei einer solchen Befragung sicherlich ein anderes Ergebnis heraus als bei uns in Deutschland.
Ich kenne auch viele Familien, die dieser Statistik in ihrem Leben eindeutig widersprechen. Doch in dieser These steckt eine Herausforderung, eine Herausforderung, der wir auch in Deutschland begegnen müssen.
Es geht hier um eine Machtfrage: Wer prägt und missioniert die Welt effektiver – unsere Kinder oder die Welt unsere Kinder? Wer beeinflusst stärker – der bequeme Lebensstil der Eltern oder wir Eltern die Freizeitgesellschaft um uns herum? Wer prägt wen? Der Zeitgeist fordert dazu heraus.
Ein Gewissen, das von Gottes Wort geprägt ist, kann nicht anders, als diese Machtprobe zu spüren und sich ihr zu stellen. So wie wir es bei den drei jungen Männern im Buch Daniel sehen.
Überlegen Sie einmal: Als alle um sie herum – es dürften Hunderte gewesen sein – auf dem Aufmarschplatz in der Ebene Dura standen, als alle auf Befehl vor dem Götzenbild niederknieten, im wahrsten Sinne des Wortes einknickten und sich verbeugten – da blieben die drei stehen.
Von Vers 12 heißt es ganz unzweideutig: Sie beteten das Bild nicht an (Daniel 3,12).
Die Konsequenz des Glaubensbekenntnisses
Und das war die zweite Lektion, die wir in diesem Kapitel gelernt hatten: Die bekennende Gemeinde braucht Gott um jeden Preis.
Schadrach, Meshach und Abednego verweigern dem Weltherrscher den totalen Gehorsam, weil ihr Leben unter dem Oberbefehl des Herrschers aller Herrscher steht, nämlich unter dem Oberbefehl des lebendigen Gottes. Und so kommt es, wie es kommen muss: Die Neider und Konkurrenten sehen ihre Chance.
Diejenigen, denen die drei gewissermaßen die Posten weggeschnappt hatten – obwohl das ja die Entscheidung Nebukadnezars war und sie selbst nichts dafür konnten – sehen jetzt ihre Gelegenheit. Sie sagen: Endlich haben wir etwas gegen sie in der Hand. Wer denunzieren will, findet immer irgendwelche Anlässe. Doch diesen Anlass liefern die drei frommen Männer selbst auf dem silbernen Tablett.
Ungehorsam gegenüber der Staatsmacht, begründet durch das religiöse Gewissen – das ist die Situation. Und so zerrt man sie vor den König. Nebukadnezar bekommt einen Schrecken. Er will seine besten Leute nicht verlieren, denn sie leisten gute Arbeit in ihrer Provinz. Aber Nebukadnezar kann sich auch keinen Autoritätsverlust leisten.
Deshalb gibt er den dreien eine zweite Chance und sagt: Also, kommt das Ganze noch einmal. Jetzt habt ihr genug bekannt, ihr habt euren Ernst gezeigt, aber ihr solltet es nicht übertreiben. Überzieht es nicht mit eurem Fanatismus. Jetzt lassen wir die Kapelle noch einmal spielen, und dann beugen wir euch auch.
Doch diese kleine dreiköpfige Bekenntnisgemeinschaft lässt sich nicht einschüchtern. Die bekennende Gemeinde gehorcht Gott um jeden Preis. Sie haben diese Machtprobe nicht gesucht, aber sie können und wollen auch nicht ausweichen.
Nebukadnezar will die Machtprobe, denn der Zeitgeist erträgt keine Abweichler.
Die Herausforderung der absoluten Macht
Und so geht der König aufs Ganze: Er duldet keinen Herrscher über sich und fordert schließlich Gott selbst heraus. Ein gefährlicher Vers, den Nebukadnezar dann formuliert – Vers fünfzehn. Das finden Sie jetzt schon auf Ihrem Zettel, am Ende von Vers fünfzehn, wo er schließlich sagt: „Lasst sehen, wer der Gott ist, der euch aus meiner Hand erwecken kann.“
Er ruft die Machtprobe mit dem eventuellen Gott aus. Das heißt: Euer eigener Gott, für den ihr eure Knochen hier überflüssigerweise hinhaltet, euer eigener Gott, für den ihr hier fanatisch die Bekenntnisflagge haltet, euer eigener Gott kann euch nicht aus meiner Hand erretten. Das ist die Kampfansage, das ist die Machtprobe.
Was bleibt den dreien jetzt noch? Genau hier setzt unser Richter an. In den Versen sechzehn bis achtzehn fangen Schadrach, Meschach und Abednego an und sprechen zum König Nebukadnezar: „Es ist nicht nötig, dass wir dir darauf antworten.“ Also auf die Frage, ob man sie jetzt werfen soll oder nicht, sagen sie: Es ist nicht nötig.
„Wenn unser Gott, den wir verehren, will, so kann er uns erretten aus dem Bühnenofen und aus deiner Hand. Natürlich kann er uns erretten. Und wenn er es nicht tun will, so sollst du dennoch wissen, dass wir deinen Gott nicht ehren und das goldene Bild, das du hast aufrichten lassen, nicht anbeten werden.“
Die Souveränität dieser Männer erinnert an die Verheißung, die Jesus seinen Jüngern gegeben hat. Wenn Sie das in Matthäus 10, Vers 19 nachlesen wollen, sagt Jesus: „Und man wird euch vor Statthalter und Könige führen, um meinetwillen und den Heiden zum Zeugnis.“
Und wenn sie euch nun überantworten, so sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt, denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr sagen sollt (Matthäus 10,20). Genau das erfahren diese jungen Männer hier. Sie sagen: Unsere Position steht fest. Wir haben in unserem Gewissen keinen Spielraum mehr für irgendwelche Diskussionen. Wir werden keine Verhandlungen über faule Kompromisse führen.
Aber wir wissen auch, Herr (Vers 17), unser Gott ist stärker als du. Wenn er will, kann er uns retten. Es kommt alles auf ihn an.
Und dann Vers 18 – und das ist das Erstaunlichste an diesem Mut der Männer – sie sagen: Selbst wenn der heilige Gott, unser Gott, aus Gründen, die wir nicht verstehen, uns nicht jetzt sichtbar aus seiner Hand befreien sollte, selbst dann werden wir ihm das Vertrauen nicht aufkündigen.
Wie viele verfolgte und gefolterte Christen haben das auch gesagt: Selbst wenn unser Gott aus Gründen, die wir nicht verstehen, zulässt, dass die Folter kommt und uns quält, selbst dann werden wir unseren Gott nicht verleugnen. Denn wir wissen, dass er es immer, immer gut mit uns meint.
So sagen sie es hier auch: Lieber verbrennen wir in deinem Ofen, als dass wir uns vor deinem Götzen beugen. Lieber mit Gott durchs Leid, als ohne Gott in eine trügerische Freiheit. Hauptsache mit Gott.
Das ist Glaube. Das bedeutet Hingabe, von der Jesus gesprochen hat: Hauptsache du, Herr, egal was sonst kommt. Und wie sehr ich auch mit all dem, was ich als Mensch bin und hoffe und wünsche, noch an bestimmten Dingen dieser Welt hänge und irgendwie hängen werde bis zu meinem letzten Atemzug – Hauptsache mit Gott.
Wenn ich dich nur habe, frage ich nichts nach Himmel und Erde.
Und Jesus hat das dann in Matthäus 6 so ausgedrückt. Er hat gesagt: Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und dabei Schaden an seiner Seele nimmt und Schaden an seinem Verhältnis zum heiligen, lebendigen Gott?
Die dramatische Situation und der göttliche Beistand
Überlegen Sie, welch grausame menschliche Situation die drei Männer auf dem Aufmarschplatz erleben mussten. Die Menschenmassen um sie herum, die Denunzianten im Hintergrund, die bestimmt zynisch grinsen, der qualmende Ofen in Sichtweite als Drohkulisse und der hutschnaubende, auf Einschüchterung setzende Demokrat Neza, der ihnen gegenübersteht. Und mittendrin unsere drei Freunde.
In dieser einsamsten Stunde ihres Lebens gibt Gott ihnen eine solche Freiheit und Vollmacht, dass es einen Gnadenakt geben wird. Luther hat in einer ganz kritischen Situation ähnlich gehandelt. Im Jahr 1522, in einer frühen Phase der Reformation, erhält er durch Informationen seiner Freunde in Wittenberg mit, dass die Reformation in eine kritische Phase gerät. Manche Schwärmer machen sich breit, die das Evangelium der Rechtfertigung aus den Augen verlieren und im Grunde eine neue Gesetzlichkeit errichten wollen. Die biblische Klarheit der Reformation ist in Gefahr.
Luther sagt daraufhin: „Ich muss nach Wittenberg, ich muss predigen.“ Doch sein Kurfürst Friedrich der Weise hat Angst und warnt ihn: „Sei besonnen! In Wittenberg kann ich dich nicht schützen.“ Luther antwortet ihm: „Ich könnte wohl eure kurfürstlichen Gnaden schützen, aber eure kurfürstlichen Gnaden können mich nicht schützen.“
Verstehen Sie, das war kein Hochmut von Luther. Er wollte damit sagen, dass er dankbar ist für alles, was er sich politisch an Rückendeckung gibt. Aber im Letzten können sie ihn auch nicht schützen. Gott aber schützt ihn. Und dann könnte er eher sie schützen, als dass sie ihn schützen könnten.
So geht Luther nach Wittenberg und hält 1522 die berühmten Invokavit-Predigten, aus denen wir heute viele wertvolle Erkenntnisse mitnehmen können. Diese Predigten markieren einen Meilenstein für die weitere Entwicklung der Reformation: Freiheit und Vollmacht durch Gottes Liebe.
Genau diese königliche Freiheit sprechen auch die jungen Männer aus. Und wissen Sie, Nebukadnezar muss in diesen Minuten instinktiv gestört gewesen sein. „Ich habe keine Macht verliehen“, sagt er, „ich habe keine Macht verliehen.“
Wir können uns vorstellen, wie sein Aufschrei vor Zorn und Empörung klingt. In Vers 19 heißt es: „Da wurde Nebukadnezar voll Grimm, und der Ausdruck seines Angesichts veränderte sich gegenüber Schadrach, Meschach und Abednego.“ Er befiehlt, den Ofen siebenmal heißer zu machen als sonst üblich.
Er befiehlt den besten Kriegsleuten seines Heeres, Schadrach, Meschach und Abednego zu binden und in den glühenden Ofen zu werfen. Babylon war ein Land der Öfen, weil dort Brandziegel in großen Mengen produziert wurden. Das war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor jener Zeit. Deshalb gab es dort viele mesopotamische Öfen.
Man muss sich das so vorstellen: Es war in der Regel ein Ziegelofen mit Luftdurchzug, ähnlich einem Tunnel, an einem Ende geschlossen. An der Decke waren Ventilatoren angebracht, um die Hitze zu regulieren. Gefeuert wurde meist mit Holzkohle. Es waren Grubenöfen, aber natürlich in viel größeren Dimensionen. Man schätzt, dass solche Öfen auf Temperaturen bis zu 900 oder 1000 Grad geheizt werden konnten.
Mit seinem gekränkten Stolz und seiner Rachlust lässt Nebukadnezar die Hitze noch weiter erhöhen. Er lässt sich hier ganz offensichtlich von seinen Gefühlen fortreißen, denn das ist nicht rational. Wenn er die Hitze noch stärker macht, quält er die Männer ja nicht länger. Wäre die Hitze nicht ganz so stark, würden sie viel länger um Luft ringen und gegen das Ersticken kämpfen. Also würde er ihnen eher einen Gefallen tun, wenn er die Hitze erhöht, weil sie dann nicht so lange leiden müssten. Das übersieht er in seinem Zorn und befiehlt, den Ofen siebenmal heißer zu machen.
Die Zahl sieben kann auch symbolisch gemeint sein, denn sieben ist die Zahl der Vollständigkeit. Nach dem Motto: Mach den Ofen so heiß wie irgend möglich, röstet sie bei denkbar höchster Temperatur. Das erreicht man durch mehr Brennstoff und entsprechend gesteuerten Luftzufuhr.
Die Männer werden offensichtlich auf eine Rampe gebracht. Der Eingang zum Ofen war also nicht ebenerdig, sondern etwas erhöht. In Vers 21 lesen wir, dass die Männer in ihren Mänteln, Hosen, Hüten und in ihrer ganzen Kleidung gebunden und in den glühenden Ofen geworfen wurden.
Weil das Gebot des Königs so streng war, schürte man das Feuer im Ofen so sehr, dass die Männer, Schadrach, Meschach und Abednego, deshalb die Rampe hinaufgebracht wurden. Die Feuerflammen sollten sie töten.
Die drei Männer fallen gebunden in den glühenden Ofen, so wie sie sind. Auffällig ist, dass sie ihre vollständige Kleidung tragen. Man fragt sich, warum. Diese Kleidung lässt sie als hohe Beamte erscheinen. Damit macht Nebukadnezar klar: Seht her, diese hohen Beamten werden nicht verschont.
Keiner soll glauben, er käme durch, wenn er dem König Ungehorsam zeigt. Selbst vor diesen hohen Beamten in ihren Uniformen macht Nebukadnezar nicht halt, auch sie müssen büßen. Er zieht wirklich durch.
Dann geschieht etwas Schreckliches. Beim Öffnen der Tür, in Vers 22, schlägt das Feuer den Soldaten entgegen, vielleicht durch die Umkehr des Luftzugs, und fügt ihnen tödliche Verletzungen zu. Die Verurteilten aber fallen gefesselt in den kochenden Ofen hinab.
Übrigens fällt auf, wenn man den Text genau liest, dass hier nichts romanhaft ausgeschmückt wird. Es wird nicht von den Zündungen, den Flammen oder entsetzlichen Schreien berichtet. Es werden nur die Fakten genannt, in kürzester und klarster Form.
Während dieser Hinrichtung hat Nebukadnezar einen Platz eingenommen, von dem aus er das Geschehen im Ofen beobachten kann. Wahrscheinlich war das eine Art Sichtfenster, um den Brennvorgang zu kontrollieren. Einige Staatsräte sind in seiner Nähe als Zeugen der Vollstreckung.
Dann passiert das Unvorstellbare. In Vers 24 entsetzt sich der König und ruft seinen Räten zu: „Haben wir nicht drei Männer gebunden und in das Feuer werfen lassen?“ Sie antworten: „Ja, König.“
Er sagt: „Ich sehe aber vier Männer frei im Feuer umhergehen, und sie sind unversehrt. Und der vierte sieht aus, als wäre er ein Sohn der Götter.“
Nebukadnezar kann sich überhaupt nicht vorstellen, was er da sieht. Die eben noch gefesselten Männer winden sich nicht, ringen nicht nach Luft, sondern gehen frei im Feuer umher. Zu den dreien hat sich eine vierte Person gesellt, von der Nebukadnezar sagt, sie sehe aus wie ein Sohn der Götter.
In Vers 28 wird er sagen, dass Gott seinen Engel gesandt hat. Wer ist dieser vierte Mann? Auf jeden Fall ist es ein Bote, den der lebendige Gott geschickt hat.
Die Nähe Gottes in der Not
Damit kommen wir zum dritten und letzten Punkt in dieser Machtprobe. Wir hatten gesagt: Erstens fordert der Zeitgeist Unterwerfung. Zweitens gehorcht die bekennende Gemeinde Gott um jeden Preis. Und jetzt zum dritten und letzten Punkt.
Das sehen wir im vierten Mann: Der allmächtige Gott ist nahe. Das ist unser dritter Punkt: Der allmächtige Gott ist nahe. Hier, in diesen Minuten, wird sichtbar – auch für die Ungläubigen – was schon vorher, was das ganze Kapitel über die Realität bestimmt hat. Das war schon immer so, aber jetzt wird es sichtbar: Der allmächtige Gott ist nahe.
Schauen Sie, der damalige Weltherrscher hatte ein Todesurteil gefällt. Nebukadnezar hatte alles getan, wirklich alles, um dieses Todesurteil so schnell wie möglich zu vollstrecken. Er zögerte nicht. Doch der lebendige Gott setzt dieses Todesurteil einfach außer Kraft, als wäre es nie gefällt worden. Der allmächtige Gott ist nah, und Nebukadnezar muss noch am Ort des Geschehens öffentlich eine Kehrtwende um hundertachtzig Grad vollziehen.
Wir fragen noch einmal: Wer ist dieser geheimnisvolle vierte Mann? Nebukadnezar sagt in Vers 25, er sehe aus, als wäre er ein Sohn der Götter. In Vers 28 heißt es: „Gott hat seinen Engel gesandt.“ Wer ist er? Manche Ausleger vermuten sogar, dass hier Jesus Christus selbst zu den Männern im Feuerofen gekommen ist.
Wir wissen aus vielen anderen Bibeltexten, dass der Herr Jesus Christus schon da war, bevor die Welt erschaffen wurde. Der theologische Begriff dafür ist Präexistenz. Der Herr Jesus existierte vor der Erschaffung der Welt und war bei der Erschaffung der Welt als Schöpfungsmittler dabei.
So meinen manche Ausleger, dass eventuell Christus selbst hier zu seinen Leuten gekommen ist. Walter Lüthi, der in seinen Predigten über das Buch Daniel keine Spekulationen liebt, hat dazu geschrieben: Er sagt, wir glauben, diesen geheimnisvollen Begleiter der drei Männer zu kennen, der aussieht, als wäre er ein Sohn der Götter. Und wir wagen zu glauben, dass er nicht nur ein Sohn der Götter ist, sondern der Sohn des einen Gottes, der herabgestiegen ist in den Feuerofen dieser Welt.
Weil er die ganze Breite und Höhe unseres Verbrechens und die ganze Tiefe unseres Falles erkannt und sich unser erbarmt hat. Seither scheint nicht nur die Sonne über dem Tal der Dora, seitdem steht das Kreuz des Erlösers aufgerichtet im Tal des Verbrechens.
Christus, Christus – eine Vorschattung auf das, was dann in seiner Kreuzigung für uns, in seinem großen Rettungswerk geschehen würde.
Charles Haddon Spurgeon hat über diesen Vers so geschrieben: Er sagt, als der Herr im Himmel seine drei treuen Zeugen im Feuerofen sah, sprach er: „Ich will jetzt hinabsteigen zu meinen Brüdern.“ So hat Spurgeon gesagt.
Auf alle Fälle wissen wir: Der allmächtige Gott ist nahe. Die Bibel äußert sich hier nur andeutungsweise. Auch im Neuen Testament wird diese Situation nicht endgültig aufgeklärt. Paulus zum Beispiel schreibt nicht, dass Christus schon damals zu den drei Männern im Feuerofen kam.
Die letzte Aufklärung über diesen Text werden wir erst im Himmel erfahren. Aber festhalten können wir: Möglicherweise ist es Christus. In jedem Fall schickt der lebendige Gott einen Boten. Und in diesem Boten tritt Gott selbst auf den Plan. Das ist das Entscheidende.
In diesem Boten identifiziert sich Gott mit seiner bekennenden Gemeinde. Gott ist mit uns. Wissen Sie, mit welchem Titel Jesus angekündigt wurde? Als der Bote Gottes sagte, eine Jungfrau werde einen Sohn gebären, und sie würden ihm den Namen geben, den Titel Immanuel. Das heißt: „Gott mit uns“. In Jesus ist Gott mit uns. Der allmächtige Gott ist nah.
Darum gilt diese dritte Wahrheit für uns genauso und noch viel mehr als für diese drei Männer damals: Der allmächtige Gott ist nah. Ob in der Ebene Dura, ob hier in Hannover, ob in der Grafschaft Huja – der allmächtige Gott ist immer und überall nahe.
Überall, wo seine Zeugen stehen und sich zu ihm bekennen, da ist der allmächtige Gott nahe. Da ist er da, und er kann jederzeit spürbar eingreifen. Er ist nahe am Arbeitsplatz, im Hörsaal, im Krankenzimmer. Er ist überall da.
Und er hat den drei Männern nicht erspart, dass sie ins Feuer hineinkamen. Aber er hat sie im Feuer bewahrt und durchgebracht. So macht es der Herr mit uns ja auch manchmal: Er erspart uns manche Prüfung nicht. Er lässt zu, dass wir in manches Feuer hineinkommen. Aber im Feuer ist er dann auch da.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die drei Männer in diesem Augenblick an jene Verheißung denken, die der Prophet Jesaja 150 Jahre vorher von Gott empfangen hatte. Da steht in Jesaja 43,2:
„Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen. Und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen, denn ich bin der Herr, dein Gott.“
Und so hat es sich jetzt wortwörtlich an diesen drei Männern erfüllt: Die Flamme soll dich nicht versengen.
Die Befreiung aus der Bedrohung
Wir gehen weiter Richtung Ziel, Vers 26: Nebukadnezar trat vor die Tür des glühenden Ofens und sprach: Schadrach, Meshach, Abednego, ihr Knechte des Höchsten, Gottes des Höchsten, tretet heraus und kommt her!
Natürlich bekommt er jetzt Angst, weil er merkt, hinter diesen Männern, denen er unrechtmäßig das Todesurteil auferlegt hat, steht eine höhere Macht. Nebukadnezar ahnt, dass es ihm jetzt an den Kragen gehen könnte, und ruft sie heraus: „Kommt, lasst uns retten, was zu retten ist!“
Da traten Schadrach, Meshach und Abednego heraus aus dem Feuer. Die Fürsten, Würdenträger, Statthalter und Räte des Königs kamen zusammen und sahen, dass das Feuer den Leibern dieser Männer nichts anhaben konnte. Ihr Haupthaar war nicht versengt, und ihre Mäntel waren nicht beschädigt. Man konnte nicht einmal einen Brandgeruch an ihnen wahrnehmen.
Das ist also die medizinische Kommission Nebukadnezars, die die drei Männer ansieht und feststellt: Sie sind gesund, ohne Verbrennungen, sie riechen nicht einmal nach Rauch. Die Kleider, mit denen sie hineingeworfen wurden, sind noch heil, und nicht einmal ihr Haar an den Köpfen ist versengt. Wenn man mit einer Kerze aus Versehen an die Haare kommt, erkennt man manchmal schon eine Andeutung von Versengtem, aber nicht einmal das ist hier passiert. Sie sind völlig unversehrt herausgekommen.
Damit zeigt der lebendige Gott uns, wo er einen Menschen schützt, da sind allen Machtapparaten der Welt die Hände gebunden. Wo der allmächtige Gott einen Menschen schützt, sind allen Machtapparaten der Welt die Hände gebunden. So haben das viele Christen immer wieder erfahren.
Ich musste an jene alte Dame denken, von der Serge Kodokow in seinem Buch „Vergeben in der Tasche“ berichtet. Er war früher ein KGB-Funktionär und versuchte mit einem Schlägertrupp, die Gläubigen, ihre Versammlungen und Gottesdienste zu stören, zu zerstören und zu bedrängen.
Er berichtet von einem solchen Sonntag, als sie herausbekamen, dass sich Christen zu einem geheimen Gottesdienst trafen. Sie drangen in das Gemeindehaus ein und prügelten die Christen auseinander. Serge Kodokow schreibt: „Nahe einer Wand sah ich eine alte Frau, die Angst stand ihr im Gesicht, und ihre Lippen zitterten im Gebet. Aber dass sie betete, brachte mich noch mehr in Wut.“
Plötzlich sah sie mich mit erhobenem Arm vor ihr stehen, bereit, den Gummiknüppel auf sie niederzuschlagen. Sie betete laut, und ich hörte für einige Sekunden zu, was sie sagte. Ihre Worte waren: „O Gott, vergib diesem jungen Mann, zeig ihm den wahren Weg, öffne seine Augen und vergib ihm, bitte vergib ihm, o Gott!“
Serge Kodokow fragte sich, warum sie nicht für sich selbst um Hilfe betet, sondern für ihn. Sie war dabei, von ihm erledigt zu werden, und bat für ihn. Er sagt: „Ich packte meinen Stock noch fester. Ich holte aus, doch plötzlich passierte die merkwürdigste Sache: Jemand griff mein Handgelenk und riss es zurück. Ein Schreck durchfuhr mich, denn es war schmerzhaft. Es war keine Einbildung, es war ein Druck am Handgelenk, der weh tat.“
Im ersten Moment dachte er, es sei einer der Gläubigen, und wandte sich um, um ihm einen Schlag zu versetzen. Doch es war niemand da. Trotzdem hatte ihn jemand gepackt, er spürte noch den Schmerz. Er ließ seinen Knüppel fallen und rannte nach draußen. Das Blut raste in seinem Kopf, und Tränen begannen über sein Gesicht zu laufen.
Wo der lebendige Gott einen Menschen schützt, kommt es nicht auf dessen Stärke an, sondern allein darauf, was Gott will. Dort sind alle Machtapparate der Welt und alle Schlägertrupps der Welt machtlos.
So muss auch Nebukadnezar seine absolute Machtlosigkeit erkennen. Er muss seine blasphemischen, gotteslästerlichen Worte selbst korrigieren und das genaue Gegenteil von dem behaupten, was er zu Anfang sagte. Er muss zugeben: Ich habe die Machtprobe verloren.
In Vers 15 hatte er gesagt: „Lasst sehen, wer der Gott ist, der euch aus meiner Hand erretten kann.“ Und hier in Vers 29 am Ende sagt er schließlich: „Es gibt keinen anderen Gott, der so erretten kann“, eben wie der Gott Israels. Es gibt keinen anderen Gott.
Vorher hatte er gesagt, es gibt keinen Gott, der das kann, und jetzt sagt er, es gibt einen, der das kann. So geht es allen, die sich gegen Gott und seine Leute auflehnen. Irgendwann müssen sie einsehen, dass sie am kürzeren Hebel sitzen.
Nebukadnezar lässt noch vor Ort eine öffentliche Erklärung ausrufen. Diese ist formuliert wie ein Edikt, ein Erlass. In Vers 28 beginnt Nebukadnezar und spricht: „Gelobt sei der Gott Schadrachs, Meschachs und Abednegos, der seinen Engel gesandt und seine Knechte errettet hat, die ihm vertraut und das Königsgebot nicht gehalten haben, sondern ihren Leib preisgaben, denn sie wollten keinen anderen Gott verehren und anbeten als allein ihren Gott.“
Das war ein Motiv, das der König verstanden hatte. „So sei nun dies mein Gebot“, sagt er, „wer unter allen Völkern und Leuten aus so vielen verschiedenen Sprachen den Gott Schadrach, Meschach und Abednego lästert, der soll in Stücke gehauen und sein Haus zu einem Schutthaufen gemacht werden.“ Nebukadnezar kannte nur diese Sprache.
Dann sagt er: „Denn es gibt keinen anderen Gott, der so erretten kann.“ Die Lutherübersetzung hat hier nicht ganz korrekt formuliert. Sie übersetzt: „Denn es gibt keinen anderen Gott als dem, der so erretten kann.“ Das hieße, Nebukadnezar hätte verstanden, es gibt nur einen einzigen Gott, nur den wahren Gott, der so erretten kann.
So weit war Nebukadnezar an dieser Stelle noch nicht. Wörtlich muss man übersetzen: „Es gibt keinen anderen Gott, der so erretten kann.“ Das heißt, er glaubte zwar immer noch, dass es Marduk und all diese anderen Götzen wirklich gab, aber er sagt, es gibt keinen anderen Gott, der diesem Gott Israels gleichkommt, der so mächtig und souverän erretten kann wie dieser.
Die Realität von Leid und Gottes Nähe
Wir müssen am Ende deutlich sagen: Nicht immer schenkt Gott sofort einen sichtbaren Triumph, wie hier in der Ebene Dura.
Denken Sie etwa an Stephanus, von dem die Apostelgeschichte Kapitel 7 berichtet. Er war ein Nachfolger, der gegen einen Mob predigte, der ihn töten wollte. Am Ende wurde er tatsächlich zu Tode gesteinigt. Aber auch Stephanus erfuhr die Nähe Gottes. Kurz bevor er starb, sagte er: „Ich sehe den Himmel offen stehen und Christus, der Herr, steht zur Rechten des Vaters.“ Gott hat Stephanus zu sich geholt.
Mitten in diesem Leid hatte Stephanus die Gewissheit, dass ein mächtiger Gott nahe ist und der Himmel offensteht. Nicht immer schenkt Gott gleich einen Triumph.
Als ich über diesen Feuerofen nachdachte, gingen meine Gedanken zu jenem Missionar Graham Stuart Staines, der im Januar 1999 in Indien so brutal umgebracht wurde. Wahrscheinlich haben Sie davon gehört. Im Bundesstaat Orissa setzte er sich für Leprakranke ein. Er war sowohl Mediziner als auch Missionar und Verkündiger.
Im Januar 1999 fuhr er mit seinen beiden Söhnen Philipp, elf Jahre alt, und Timothy, sieben Jahre alt, zu einer Dschungelfreizeit. Wie es seine Gewohnheit war, übernachtete er mit seinen Kindern im Jeep. Das war am 23. Januar.
Dann geschah Folgendes: Ein fanatischer Mob kam. Trotz Kerosin, das über den ganzen Wagen gegossen wurde – besonders aber auch auf das Stroh, das am Dach befestigt war, um nachts gegen Kälte abzuschirmen – wurde das Feuer gelegt. Das Stroh fing an zu brennen, der Wagen wurde angezündet und stand bald in Flammen.
Als Graham versuchte, die Autotür zu öffnen, wurde er von der Menge angegriffen. Philipp und Timothy versuchten, die Seitenfenster herunterzudrehen und aus dem Wagen zu springen, doch die Kurbeln waren schon zu heiß. Die Scheiben barsten, und die Jungen wollten herausklettern. Doch mit Stangen und Spießen wurden sie zurück in die Flammen gestoßen.
Dann sah man, wie sie selbst zu brennen begannen. Vater und Söhne umarmten sich, sprachen ein letztes Gebet und verbrannten gemeinsam.
Auch so kann es kommen. Gott geht manchmal wundersame Wege. Er geht zu den einen in den Feuerofen und lässt sie, ohne verletzt zu werden, herauskommen. In einer anderen Situation lässt er es zu, dass eine Familie, wie die des Missionars, in Flammen aufgeht.
Wie ein Augenzeuge berichtete, hielten sie sich an den Händen, beteten und wussten: Ein mächtiger Gott ist uns nah.
Gott wirkte weiter, nämlich durch die Witwe des Missionars, Gladys Daines. Eine Woche später, bei der großen Gedenkfeier, die in den Medien viel Aufmerksamkeit fand, sagte sie öffentlich: „Ich bin zwar schwer erschüttert, aber ich bin nicht zornig. Ich vergebe denen, die meinen Ehemann und meine Söhne verbrannt haben.“ Acht Tage später bekräftigte sie diese Vergebung.
Ein Reporter sagte daraufhin: „Wenn das Christentum ist, dann sollten wir alle Christen werden.“
Gott ist da. Der Herr, der allmächtige Gott, ist mit seiner täglichen Nähe bei uns, und darauf dürfen wir uns verlassen.
Gott geht manchmal eigenartige Wege, aber er ist immer nahe. Das hat er in Dura bewiesen, und er hat es für uns aufschreiben lassen, damit wir es nie vergessen.
Er ist nah. Seit der Auferstehung Jesu Christi von den Toten ist das noch deutlicher geworden. Jesus sagt: „Ich bin bei euch alle Tage.“ Er ist uns noch viel näher gekommen, und wir dürfen wissen: Kein Blatt Papier passt zwischen unseren Herrn und uns.
Walter Lüthi hat es wunderbar formuliert: „Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, da ist er als der geheimnisvolle Vierte mitten unter ihnen.“
Und wenn diese zwei oder drei in den Feuerofen müssen, dann ist derjenige, der Herr aller Gräber und Krematorien ist, auch der Herr aller Feueröfen.
Der allmächtige Gott ist nahe.
Die Zuversicht in der Prüfung
Und dennoch mein letzter Gedanke:
Wenn wir das lesen oder hören, springt uns manchmal die Sorge an: Hätte ich in so einer Situation auch durchgehalten? Wäre ich nicht überfordert gewesen? So fragen wir uns, wenn wir diese Worte lesen.
Deshalb möchte ich zum Schluss noch einmal an die bekannte Aussage von Corrie ten Boom erinnern. Sie war eine holländische Christin, die als junges Mädchen ebenfalls Angst hatte. Dennoch war sie immer sehr ernsthaft. Einmal sagte sie zu ihrem Vater: „Papa, ich habe Angst, dass ich, wenn es einmal dazu kommt, dass ich um Jesu Willen verfolgt werde, nicht durchhalte. Dass ich nicht treu bleibe. Ich habe Angst, dass ich es dann nicht schaffe.“
Ihr Vater antwortete: „Corrie, überleg mal: Wenn du zu den Großeltern fährst, wann gebe ich dir das Geld für die Fahrkarte?“ Sie sagte: „Du gibst es mir immer an dem Tag, an dem ich fahre.“ Er sagte: „Genau, so macht es Gott auch. Gott gibt dir die Kraft nicht schon jetzt, sondern erst dann, wenn du sie wirklich brauchst. Wenn die Stunde kommt, in der es nötig ist, deinen Glauben zu bekennen, wenn du Mut brauchst, der über unseren menschlichen Mut hinausgeht, dann wird Gott dir die Fahrkarte geben.“
So hat Corrie ten Boom das auch erlebt. Als die Nazis sie und ihre Familie verfolgten, versteckten sie trotzdem Juden in ihrem Haus. Als sie dann in Konzentrationslager gebracht wurden, haben sie erfahren, dass Gott sie hielt und bewahrte. Corrie ten Boom sagte im Nachhinein: „Als es so weit war, da gab mir Gott die Fahrkarte, da gab er mir die Kraft.“
Darauf können wir vertrauen: Gott gibt uns immer die Kraft, die wir brauchen. Heute und morgen bekommen wir die Kraft für unsere Situation. In der kommenden Woche erhalten wir die Kraft für die Gebetstage. Sie bekommen die Kraft, die Sie an Ihrem Arbeitsplatz, in Ihrem Lebensumfeld und in Ihrer ganz speziellen Situation brauchen, um den Herrn zu bekennen.
Wir werden oft merken, dass wir in Sünde bleiben. Wir werden auch erschrecken über unsere Schwächen. Aber der Herr wird uns seine Kraft geben, so wie es für jeden neuen Tag nötig ist. Darum können wir widerstehen – mit Gottes Hilfe.
Auch von uns fordert der Zeitgeist Unterwerfung. Er fordert Unterwerfung bis heute. Deshalb brauchen wir täglich Gottes Nähe. Täglich Gottes Nähe, damit wir uns dem Druck der political correctness nicht beugen müssen, damit wir den Mund nicht halten müssen. Wir brauchen den Schutz der Nähe Gottes, damit wir der Verführung durch den postmodernen Lebensstil nicht erliegen.
Wir dürfen nicht sagen: „Hauptsache, ich habe meine bürgerliche Beschaulichkeit. Ich fühle mich wohl in meiner kleinen Welt, kann mein Leben genießen und glaube an Jesus. Der passt da auch noch irgendwie rein und rundet das Ganze ab. Alles Weitere ist nicht so wichtig.“
Der Herr sagt: Doch, es ist wichtig! Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich. Der Herr fragt nach deiner und meiner ganzen Hingabe. Er hat sich selbst ganz gegeben. Darum ist er uns nahe, hält uns fest und macht uns stark – mitten in unseren Schwachheiten, die wir deutlich spüren. Aber er macht uns stark.
Dadurch können wir lernen, ihn zu bezeugen, wie jene drei Männer im Buch Daniel. Sie haben sich bestimmt genauso überfordert gefühlt wie wir oft. Doch sie wagten es, dem lebendigen Gott zu vertrauen. Sie erfuhren: Der lebendige Gott ist nahe und lässt die Seinen niemals im Stich – niemals!
Keiner wird zu Schanden, der Gottes Hand vertraut. Soll ich der Erste sein, der zu Schanden wird? Nein, das ist unmöglich!
„Du getreuer Gott, er stürzt vom Himmel, der mich täuscht, dein Wort. Auf unseren Gott ist Verlass.“ Darum gehen wir mutig und getrost in die nächste Woche hinein. Amen.