Einführung: Jesus jenseits des lieblichen Bildes
Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode siebenundachtzig: Die Autorität der Auferstehung.
Wenn ihr euch auf die gestrige Episode eingelassen habt, dann ist euer Bild von einem superlieben, allezeit lächelnden, alles irgendwie mit Sanftmut ertragenden Jesus ein klein wenig erschüttert worden. Jedenfalls war das mein Plan.
Nein, ich wollte Jesus nicht zu einem Rambo machen, aber ich wollte zeigen, dass er durchaus sehr ernst, bestimmt und unnachgiebig sein konnte. Wer Münzen ausschüttet, Tische umwirft und Tiere hinaustreibt, macht deutlich, dass für ihn das Maß voll ist und dass er diesem Treiben nicht länger zuschauen wird.
Die Empörung Jesu und die Frage nach dem Zorn
Macht nicht das Haus meines Vaters zu einem Kaufhaus, haben wir gestern gelesen. Das war es, was Jesus empörte: Aus einem Ort der Begegnung mit Gott, einem Ort der Anbetung, Besinnung und Predigt, war ein Kaufhaus geworden.
Aber Jürgen, wenn Jesus so wütend war, hat er dann nicht gesündigt? Ist Zorn nicht eine Sünde? Heißt es bei Paulus nicht, alle Bitterkeit, Wut, Zorn und Geschrei sei von euch weggetan? Stimmt, das steht da.
Aber es ist ganz wichtig, dass wir eines verstehen: Zorn ist nicht immer Sünde. Es gibt nicht nur den ungerechten, sondern auch den gerechten, den heiligen Zorn. Es gibt sogar Situationen in unserem Leben, in denen ein Mangel an Zorn Sünde sein kann. Einfach deshalb, weil Zorn dann das einzig angemessene Verhalten eines geistlichen Menschen ist.
Wir erleben so eine Situation bei dem Herrn Jesus, als man ihn davon abhalten will, einen Kranken zu heilen, weil Sabbat ist. Und dann heißt es in Markus 3,5: „Und er blickte auf sie umher mit Zorn, betrübt über die Verhärtung ihres Herzens, und spricht zu dem Menschen: Strecke die Hand aus!“ Er streckte sie aus, und seine Hand wurde wiederhergestellt.
Jesus ist hier zornig und traurig, und zwar, weil diese Situation genau diese Mischung von Gefühlen hervorbringt, wenn ich geistlich und psychisch gesund bin.
Lass mich dir einen Tipp geben: Beschäftige dich mit gerechtem und ungerechtem Zorn. Ein Link zu zwei Predigten findet sich im Skript.
Die Forderung nach einem Zeichen der Vollmacht
Aber zurück nach Jerusalem. Johannes 2,18: Die Juden nun antworteten und sprachen zu ihm: „Was für ein Zeichen der Vollmacht zeigst du uns, dass du dies tust!“
Als wir das letzte Mal die Formulierung „die Juden“ hörten, waren damit die Pharisäer gemeint. Man kann vermuten, dass sich hinter dieser Bezeichnung oft die einflussreiche Oberschicht verbirgt, also die politische Elite, mit einem Schwerpunkt auf den eher konservativen Kräften. Diese bekommen natürlich mit, was im Tempel geschieht, und sind alles andere als erfreut.
Sie fragen sich nämlich, mit welcher Autorität dieser ihnen völlig unbekannte Rabbi aus Galiläa hier auftritt. Deshalb fordern sie ein Zeichen, ein Wunder, das belegt, dass er Gott auf seiner Seite hat und so etwas wie ein Prophet ist. Immerhin hatte er gerade den Tempel als das Haus seines Vaters bezeichnet.
Noch ist diese Formulierung übrigens nicht so verdächtig, wie es dann in Johannes Kapitel 5 sein wird. Dort merken seine Gegner nämlich, dass Jesus nicht nur in Gott seinen Vater sieht, sondern sich selbst als den einzigartigen Sohn und damit als Gott im Fleisch.
Aber natürlich konnte jeder Israelit in Gott seinen Vater sehen. Im Buch Weisheit Salomos, das zwischen dem Alten und dem Neuen Testament entstand und zu den Apokryphen gezählt wird – also zu den Büchern, die man gut lesen kann, die aber keine biblische Autorität besitzen –, beschreiben die Bösen das Denken der Gerechten mit folgenden Worten (Weisheit Salomos 2,16):
„Als falsche Münze gelten wir bei ihm, das sind die Bösen, ihm, das ist dem Gerechten.“
Noch einmal: „Als falsche Münze gelten wir ihm, und er meidet unsere Wege wie Schmutz; er rühmt, wie es die Gerechten zuletzt gut haben werden, und prahlt damit, dass Gott sein Vater sei.“
Ich zitiere dieses apokryphe Buch, weil es uns mit dem Denken zur Zeit Jesu vertraut macht. Es war akzeptiert, wenn der Gerechte Gott als seinen Vater bezeichnete. Daher war auch Jesus, als er den Tempel reinigte und dabei den Tempel als das Haus seines Vaters bezeichnete, seinen Kritikern erst einmal nicht suspekt.
Was sie interessierte, war die Vollmacht, die Autorität, mit der Jesus da so mal eben im Tempel das tat, was er für richtig hielt. Ihnen stieß auf, dass er sich nicht mit ihnen abgestimmt hatte.
Das rätselhafte Zeichen Jesu und die Reaktion der Zuhörer
Johannes 2,19: Jesus antwortete und sprach zu ihnen: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“
Für seine Zuhörer war das völlig unverständlich. Man erkennt das sofort an ihrer Reaktion. Johannes 2,20: Da sprachen die Juden: „Sechsundvierzig Jahre ist an diesem Tempel gebaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten?“
Dazu muss man wissen, dass Herodes der Große im Jahr 21 vor Christus mit Umbauarbeiten am Tempel begonnen hatte. Sechsundvierzig Jahre später waren die Arbeiten am Tempelgebäude zwar schon lange beendet. Diese hatte man innerhalb von knapp zwei Jahren abgeschlossen.
Der Tempelbergkomplex, also das Gelände außen herum, war jedoch zu einer Art Dauerbaustelle geworden. Es ist daher total verständlich, dass Jesus’ Zuhörer einfach nur Bahnhof verstanden. Das, was Jesus sagte, ergab für sie keinen Sinn.
„Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten?“ Für sie ergab das keinen Sinn. Für uns hingegen schon – genauso wie rückblickend für Johannes und die anderen Jünger.
Der Leib Jesu als Tempel und die Bedeutung der Auferstehung
Johannes 2,21: Er aber sprach von dem Tempel seines Leibes.
Als er nun von den Toten auferweckt wurde, erinnerten sich seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte. Sie glaubten daraufhin sowohl der Schrift als auch dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.
Wenn der Tempel der Ort ist, an dem Gott wohnt – und ich glaube, genau so würden wir einen Tempel definieren –, dann ist der Leib Jesu ein Tempel. Denn in dem Körper Jesu steckt ein ganz besonderer Mensch: Gott im Fleisch.
Wollte man mit Gott sprechen, musste man nur mit dem Herrn Jesus reden. So einfach war das.
Noch etwas ist hier interessant: Die Jünger glauben rückblickend. Dieses Prinzip ist typisch für Prophetie. Eine Prophetie provoziert Glauben, aber erst, wenn sie sich erfüllt.
So wie der Herr Jesus es in Johannes 14,29 formuliert: „Und jetzt habe ich es euch gesagt, ehe es geschieht, damit ihr glaubt, wenn es geschieht.“
Deshalb erinnern sich die Jünger nach der Auferstehung an das, was Jesus gesagt hatte. Dieses Erinnern führt zum Glauben – zum Glauben an das Wort, das Jesus gesprochen hatte, aber auch zum Glauben an die Schrift.
Ohne dass wir genau wissen, welche alttestamentlichen Texte den Jüngern vor Augen standen, müssen es Texte sein, die, wie Psalm 16, von der Auferstehung des Messias handeln.
Und es ist diese Auferstehung, die zeigt, woher Jesus als der Sohn Gottes das Recht nimmt, das Haus seines Vaters zu reinigen.
Abschluss und praktische Anregungen
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir den Link zu den Predigten über Zorn anschauen und überlegen, ob es sich für dich lohnt, einen Blick in die Skripte zu werfen.
Das war's für heute? Ein Tipp: Schreib doch zwei ermutigende SMS an christliche Freunde.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.