Lebensweg und Glaubensentwicklung einer Sängerin
Sie ist katholisch, das gehört schon zu den Lebensführungen Gottes. Reden Sie ruhig ins Mikrofon und geben Sie das, was Ihnen wichtig ist, doch ein wenig mit. Drei Minuten – das könnten auch viereinhalb sein.
Ich bin jetzt 83 Jahre alt und habe ein langes Leben hinter mir. Ich stamme aus Wien und hatte fromme Eltern, allerdings so, wie man damals fromm war. Mein Vater hat nie ein Wort mit mir über die Religion gesprochen. Er hat mir immer nur meine Romane weggenommen und mir stattdessen Erbauungsbücher hingelegt. So wollte ich mit etwa sechzehn oder siebzehn Jahren meine Religion allein entdecken.
An der Akademie in Wien habe ich Musik, speziell Gesang, studiert, um Opernsängerin zu werden. Das wollte mein Vater zwar nicht, aber ich konnte mich durchsetzen. Bereits mit zwanzig Jahren erhielt ich mein erstes Engagement. Zuerst war ich in Breslau, dann Stettin, Danzig, Freiburg im Breisgau und schließlich neun Jahre hier in Stuttgart als erste Altistin mit dramatischen Rollen.
Doch Gott hatte etwas anderes mit mir vor. Ich hatte zwar große Erfolge, aber auch immer wieder Probleme mit Katarrhen, also Erkrankungen der Luftwege. Mein Beruf war dadurch sehr schwer. Ich musste viel üben und mit Technik singen, konnte mich fast nie ganz verausgaben.
Mit dem Kriegsende war auch meine Karriere zu Ende. Ich stand damals in der vordersten Reihe und habe in Paris bei der Weltausstellung gesungen. Ich erwähne das nur, damit Sie wissen, wie schnell und schrecklich dann der Absturz war.
In diesen schweren Jahren, in denen auch meine Ehe zerbrach – ich war mit einem Schauspieler verheiratet –, begann ich intensiv zu suchen. Eine „Wald-und-Wiesen“-Katholikin war ich zwar schon vorher, die immer wieder in die Kirche ging, aber dieses landläufige Christsein war in den großen Nöten zu wenig.
Damals stieß ich auf die moralische Aufrüstung durch ein Musical in unserem großen Haus in Stuttgart. Ich bekam Kontakt mit Menschen, lernte, stille Zeit zu machen, täglich in der Bibel zu lesen und mein Leben Jesus zu übergeben. Von da an ging es langsam aufwärts.
Ich hatte in diesen schweren Zeiten auch jahrelang schwere Depressionen, die allmählich abklangen. Es dauerte zwanzig Jahre, bis ich sie ganz loswurde. Durch diese Veränderung – ich habe noch zwei erwachsene Kinder, die ich allein großziehen musste – wurde ich nach meiner Zeit am Theater Gesanglehrerin.
Es gäbe noch sehr viel zu erzählen. Jedenfalls ist jetzt mein Alter meine glücklichste Zeit. Das kann ich wirklich sagen: die anhaltend glücklichste Zeit. Natürlich bin ich auch nicht immer glücklich. Ich muss... Punkt! Nein, nein, nein, jetzt machen Sie es, da war es noch.
Herausforderungen im Familienleben und Engagement in der Gemeinde
Jetzt sind wir an einem interessanten Punkt. Leider sind erwachsene Kinder keine Christen, und dadurch haben sie es teilweise schwer. Ich muss das mit ansehen, und mein einziger Enkel ist nicht getauft und wird falsch erzogen. Das ist mein großes Leid. Doch ich kann dieses Leid immer wieder abgeben und erfahre dabei immer wieder neue Freude. So darf ich auch für andere Menschen da sein. Das ist jetzt meine Hauptaufgabe.
Ich bin in drei Kreisen aktiv, in zwei davon in leitender Funktion. Im dritten bin ich in einem katholischen Kreis meiner Gemeinde, den ich angeregt habe. Dort gestaltet sich die Arbeit sehr schwierig.
Ein wichtiges Anliegen möchte ich noch ansprechen: Ich bin durch evangelische Christen erst selbst Christ geworden. Deshalb nenne ich mich immer eine evangelische Katholikin. Ich bin unendlich dankbar dafür und brenne dafür, so vielen Menschen wie möglich meinen Glauben weiterzugeben.
Ich arbeite noch aktiv bei Tagungen mit. Zurzeit bin ich im Maulbronner Kreis engagiert. Wir veranstalten viele Tagungen. Gestern bin ich gerade von einer Von-Bibra-Tagung zurückgekommen. Von-Bibra ist Ihnen wahrscheinlich ein Begriff, oder?
Ich bin dankbar, dass ich das sagen durfte. Ich kann nur sagen, dass wir alle sehr glücklich sein müssen, zu dieser kleinen Schar zu gehören und für das Reich Gottes arbeiten zu dürfen.
Vielen Dank fürs Zuhören. Ich danke Ihnen sehr. Es ist immer wieder schön, wenn man sich im Gottesdienst oder anderswo sieht.
Vor allem, Frau Hochreiter, Sie übernehmen immer eine große Betreuung, auch für Menschen, die besonders Not leiden. Das ist so schön, dass Sie die Kraft haben, junge Menschen zu tragen, die sehr seelisch krank sind. Das ist doch wunderbar.
Diese Freude wünsche ich mir auch für unsere Zwanzigjährigen – dass sie so viel Lebensfreude hätten wie Sie. Das ist doch richtig. Deshalb ist das Alter keine traurige Zeit. Das müssen wir in unsere Seniorenkreise hineintragen.
Gebet und Ermutigung für den Glauben
Jetzt wollen wir beten. Lieber Herr, Du bist das Leben, und Du willst es uns jeden Tag schenken.
Der Glaube an Dich und die Gemeinschaft mit Dir sind keine traurigen Dinge. Sie sind erquickend, erfrischend und erheben uns immer wieder aus den Traurigkeiten des Lebens.
Gib uns auch heute Abend durch Dein Wort Ermutigung und Stärkung. Korrigiere uns, wo wir falsch sind.
Ich möchte Dich auch bitten für all die Dienste, die in Deinem Namen geschehen, oft in aller Stille. Für die Kontakte und Betreuungen, die viele von uns wahrnehmen, gib doch, dass wir die Lichtstrahlen, die Du uns schenkst, weitergeben können.
Möge es vielen Menschen gelingen, diese Lichtstrahlen zu empfangen und dadurch erquickt zu werden. Amen.
Einführung in den Jakobusbrief und seine Bedeutung für die Gemeinde
Zwei Jakobus ganz am Ende vor der Offenbarung
Es gibt zwei gute Auslegungen zum Jakobusbrief. Die eine hat Fritz Grünzwey in der Wuppertaler Studienbibel geschrieben, die andere stammt von Gerhard Meier in der Hensler Kommentarreihe. Beide sind ganz praktisch, auch für einen Hauskreis geeignet.
Es ist ja so: Wenn man den Brief gerade gehört hat, möchte man ihn vielleicht nicht sofort noch einmal behandeln. Aber es kann ja sein, dass Sie in zwei Jahren sagen: „Ich würde mal gern einen Brief lesen.“ Der Jakobusbrief eignet sich gut für einen Hauskreis. Gerade dann sind die Auslegungen von Fritz Grünzwey und Gerhard Meier für jeden verständlich. Das ist eine große Hilfe mit vielen konkreten Anleitungen.
Braucht jemand eine Bibel, hier sind welche vorhanden, auch im Schrank unten. Dort können Sie sich jederzeit bedienen, wenn Sie es mal vergessen haben.
Überschrieben ist der Abschnitt bei mir mit „Kein Ansehen der Person in der Gemeinde“.
Liebe Brüder – wie gesagt, in der Bibel ist das nicht nur an Männer gerichtet, sondern mit diesem Wort „Brüder“ sind alle eingeschlossen. Früher hat man zum Beispiel gesagt „Bürger“. Heute sagt man „Bürgerinnen und Bürger“. Früher hat man einfach „Bürger“ gesagt, und damit waren alle gemeint. Heute sagt man „Menschen“. In ein paar Jahren wird man vielleicht „Menschinnen und Menschen“ sagen, ganz bestimmt.
So war es früher auch mit „Brüder“. Dieses Wort war einfach ein Ausdruck herzlicher Liebe, ohne dass man etwas Besonderes dabei dachte. Heute denken manche schon an Hass, wenn sie das Wort in den Mund nehmen.
Liebe Brüder, haltet den Glauben an Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit, frei von allem Ansehen der Person. Denn wenn in eurer Versammlung ein Mann käme mit einem goldenen Ring und in herrlicher Kleidung, es aber auch ein Armer in unsauberer Kleidung da wäre, und ihr seht auf den, der herrlich gekleidet ist, und sprecht zu ihm: „Setze du dich hierher auf den guten Platz“, und sprecht zu dem Armen: „Stell du dich dorthin“ oder „Setze dich unten zu meinen Füßen“, ist es recht, dass ihr solche Unterschiede bei euch macht und mit bösen Gedanken urteilt?
Hört zu, meine lieben Brüder: Hat nicht Gott die Armen in der Welt erwählt, die im Glauben reich sind und Erben des Reichs, das er denen verheißt, die ihn lieben? Ihr aber habt dem Armen Unehre angetan.
Sind es nicht die Reichen, die Gewalt gegen euch üben und euch vor Gericht ziehen? Verlästern sie nicht den guten Namen, der über euch genannt ist?
Wenn ihr das königliche Gesetz erfüllt nach der Schrift: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, so tut ihr Recht. Wenn ihr aber die Person anseht, tut ihr Sünde und werdet überführt vom Gesetz als Übertreter.
Denn wenn jemand das ganze Gesetz hält und gegen ein einziges Gebot sündigt, der ist an allem Gesetz schuldig. Denn der gesagt hat: „Du sollst nicht Ehe brechen“, der hat auch gesagt: „Du sollst nicht töten“. Wenn du nun nicht die Ehe brichst, aber tötest, bist du ein Übertreter des Gesetzes.
Redet so und handelt so wie Leute, die durch das Gesetz der Freiheit gerichtet werden sollen. Denn es wird ein unbarmherziges Gericht über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht.
Praktische Herausforderungen der Gemeinschaft in der Kirche
Ich habe immer eine kleine Schwierigkeit, wenn ich über diese Abschnitte sprechen muss, weil es bei uns in den Kirchen ein Problem gibt: Niemand sitzt vorne.
Man sagt dann oft: „Ach, ich bin so bescheiden.“ Die ersten fünf, die in die Kirche kommen – das ist zwar ein bisschen übertrieben – aber diese sitzen meistens in der letzten Reihe. Das ist dann schwierig für diejenigen, die aus irgendwelchen Umständen zu spät kommen. Sie müssen immer vorne durchlaufen.
Hier geht es nicht um Schüchternheit. Bei uns ist es keine Ehre, vorne zu sitzen, sondern ein Zeichen von Demut. Vielen Dank auch an alle, die jetzt vorne sitzen. Damit machen sie den anderen den Platz frei. Es soll nicht so verstanden werden, als wolle man immer auf den Kirchenplatz drängen. Wir kennen das aber auch aus anderen Bereichen des Lebens.
Es gibt ja Situationen, in denen wir ein großes Interesse daran haben, einen guten Platz zu ergattern. Wenn wir zum Beispiel einen Ausflug machen und mit dem Bus fahren, sieht das ganz anders aus. Da sind plötzlich ganz andere Plätze begehrt. Es gibt sogar ein Gerangel darum. „Ich möchte vorne sitzen, ich vertrage schlecht“, sagen manche. Dann müssen plötzlich alle spucken, um vorne sitzen zu können.
Es ist interessant, wem man den Vorzug gibt, wenn es um etwas Gutes geht. Ich möchte deshalb sagen, wir sollten das nicht so oberflächlich sehen, wie wir einander beim Sitzen behandeln. Vielmehr sollten wir uns fragen: Was bedeutet das überhaupt, Gemeinschaft unter uns?
Ich möchte gern ein paar Worte dazu sagen: Wie entsteht Gemeinschaft unter Christen? Gerade nach so einem interessanten Lebenszeugnis müssen wir das fortsetzen. Jetzt müssen Sie alle erzählen, auch Frau Hochreuter.
Wie gewinnt man Gemeinschaft mit anderen Christen? Interessanterweise denken wir oft, es seien die äußeren Umstände gewesen: Wir sind mit jemandem gewandert oder saßen zusammen bei einer Freizeit und lernten uns kennen. Doch die äußeren Umstände sind oft gar nicht so wichtig.
Wir werden eins, indem wir ein wenig von unserem Innersten preisgeben. Gemeinschaft unter Christen entsteht nur, wenn sie überhaupt geschieht und Bestand hat, indem wir an Jesus Christus Anteil haben und einander davon erzählen.
Ich könnte es auch anders ausdrücken: Ich werde einem Menschen erst nah sein, wenn wir miteinander beten können oder uns über den Glauben austauschen. Wenn wir darüber sprechen, was uns Jesus Christus bedeutet, merken wir erst nachher, dass uns etwas verbindet.
Vielleicht sind wir ein halbes Jahr voneinander getrennt, und doch, wenn wir uns sehen oder einen Brief schreiben, sind wir ganz nah beieinander.
Alle Bibelstellen, die von Gemeinschaft handeln, etwa beim Apostel Paulus, verwenden immer das griechische Wort koinonia für Gemeinschaft. Aber Paulus meint damit nicht nur das Äußere – das Zusammensitzen oder Zusammenhocken, wie die Schwaben sagen. Das Entscheidende an der Koinonia ist, dass wir Anteil an Jesus Christus haben.
Dieses Koinonia bedeutet, dass wir alle ein Stück von Christus besitzen. Sie kennen das Bild des Apostels Paulus, wenn er sagt, wir sind an den Leib angeschlossen. Das heißt, wir sind alle mit Christus verbunden und geben einander Handreichung – so wie im Körper die Hand dem Mund hilft, damit dieser essen kann.
So helfen wir einander zurecht, damit die Sache Jesu läuft.
Zerfall der Gemeinschaft und Sehnsucht nach Einheit
Die Gemeinschaft ruht in diesem. Heute, in unserer Zeit, ist die Gemeinschaft jedoch zerbrochen. Wir haben kaum noch Gemeinschaft, wenn man das mit früher vergleicht. Wenn die Älteren erzählen, wie es war, als man am Sonntagabend unter der Linde saß oder vielleicht in einem Dorf, in dem sie aufgewachsen sind, merkt man den Unterschied deutlich.
Hier bei uns haben wir um den Bobser noch ein Stück dörfliche Atmosphäre bewahrt. Man spürt immer wieder, dass es noch solche Verbindungen gibt, auch aus der Zeit, als man im Bunker miteinander zusammensaß. Das ist schön, aber in der Stadt oder in der modernen Welt ist das heute zerbrochen.
In unseren Hochhäusern drüben weiß man kaum noch, wer in welchem Stockwerk wohnt. Selbst ich als Pfarrer kenne in den Nachbarhäusern die Bewohner nicht mehr genau. Bei den Evangelischen vielleicht ab und zu, bis man dann die Meldung bekommt. Aber die Katholiken kennt man nicht, und oft wird jemand beerdigt, ohne dass man wusste, dass diese Person krank war. Das ist unser Gemeinschaftsgefühl.
Wenn das so zerbricht und die Menschen völlig vereinsamt sind, dann erwacht bei ihnen eine Sehnsucht nach einer perfekten Gemeinschaft. Man träumt sich eine ideale Gemeinschaft herbei. Das sieht man zum Beispiel daran, dass alle, die heute heiraten, sich eine wahnsinnige Ehe vorstellen. Das muss ein Riesending sein, wenn man heiratet, so, dass Erde und Himmel erbeben.
Viele sagen: Liebe Leute, das Ledigsein hat seine Vorzüge, das Verheiratetsein hat seine eigenen Herausforderungen. Aber man wählt den Weg, den Gott einem zeigt, man geht ihn und lebt mit allen Fehlern und Mängeln. Man lebt von der Vergebung.
Es ist interessant, dass alle glauben, die Ehe werde engelsgleich sein. Sprechen Sie mal mit jungen Leuten, selbst mit denen, die die Ehe nicht achten, oder wenn ich heute mit Brautpaaren zu tun habe. Ich habe oft das Problem, dass ich manche Trauungen verweigere, besonders bei Paaren, die schon lange zusammenleben.
Ich frage dann: Was wollt ihr denn jetzt? Warum wollt ihr euch trauen lassen? Damit es richtig schön wird? So stellt ihr euch vor, dass ich feierliche Worte spreche und dann macht ihr einen Schnackler, und alles wird perfekt? Versteht ihr das? Da kommt irgendeine magische Sache, durch irgendeine Handlung wird alles ideal und super, und dann ist es Gemeinschaft?
Nein, Gemeinschaft ist immer schwierig. Schauen Sie in die Bibel: Auch dort waren alle Ehen problematisch. Auch früher, in der vorigen Generation, war das so.
Das Merkwürdige ist, dass wir durch den Verlust der natürlichen Gemeinschaft, die man früher hatte – Familie und so weiter – heute gerne in die Gefahr geraten, eine ganz ideale Supergemeinschaft zu erträumen. Das wird auch in unserem Volk so sein.
Ich bin gespannt, wie die Sehnsucht nach Wiedervereinigung in unserem Volk weitergeht. Aber ich bin wirklich der Meinung, dass in unserem Volk noch einmal die Sehnsucht aufbricht nach einer großen Welteinheit der Völkerfamilie.
Wenn jetzt die kommunistischen Weltreiche zerfallen, wie es den Anschein hat, weil die kommunistische Ideologie sie nicht mehr binden kann, könnte es gut sein, dass eine neue ideologische Klammer des New Age noch einmal die ganzen Weltvölker in einem Riesenrausch vereint.
Brüder, wir sind alle eins, wir sind alle gleich, wir gehören alle zusammen, und wir nutzen die Welt ökologisch, soziologisch, pazifistisch und schön.
Aber das ist nicht die Gemeinschaft, die wir Christen meinen.
Vielfalt und Einheit in der christlichen Gemeinde
Bei uns ist es so, dass wir sehr verschieden sein können. Ich möchte nochmals betonen: In der christlichen Gemeinde darf man die Verschiedenartigkeiten behalten. Wir haben unterschiedliche Ansichten, etwa in politischen Meinungen und vielleicht auch in Stil- und Kunstfragen.
Ich möchte Sie auch immer wieder warnen: Gemeinschaft entsteht über seelische Dinge. Man kann das zum Beispiel in einer Versammlung erleben. Das ist schön, und am Ende einer Freizeit freut man sich darüber. Aber dann sagt man auch: „Lasst uns abbrechen, sonst gehen wir wieder zurück.“ Denn das Eigentliche ist nicht das Seelische. Das ist manchmal schön, wenn wir miteinander singen auf der Freizeit und so weiter. Doch das Wesentliche ist, dass wir Christus mit uns haben. Das verbindet uns.
Wir leben gemeinsam von Jesus, haben das Wort, das uns verbindet. Wenn wir uns unter dem Wort treffen, sind wir wieder miteinander verbunden. Übrigens ist das auch die größte Klammer zwischen Eltern und Kindern, zwischen Ehegatten und zwischen Verwandten. Die Gemeinschaft, die Christus stiftet, ist eine Vorwegnahme der himmlischen Gemeinschaft, die wir haben.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns einmal klar machen: Was ist Gemeinschaft? Man kann sich an Christen ärgern. Auch sie haben sich an Christen geärgert. Sie tragen ihre Macken und sind fehlbare Menschen. Aber das Schöne, was mich so erbaut, wenn ich sie treffe, ist, dass wir miteinander des Weges gehen und erleben, was Christus uns schenkt. Er öffnet uns die Augen zum Glauben.
Diese Gemeinschaft verbindet uns – über alle Rassengrenzen hinweg, über alle Verschiedenheiten unseres Wesens. Da ist weder Mann noch Frau, weder jung noch alt – wir sind eins in Christus. Verwechseln Sie das nicht mit einem menschlichen Einheitstraum! Wir müssen heute aufpassen, dass wir nicht auch die kirchliche Einheit erzwingen wollen.
Ich verstehe, dass die Sehnsucht bei vielen Menschen groß ist, besonders bei denen, die wenig Bezug zum christlichen Glauben haben. Sie wünschen sich, dass alle Kirchen zusammenfinden. Doch innerhalb einer Kirchenorganisation gibt es schon viele Gruppierungen, Spannungen und Spaltungen. Es kann sogar in einer Gemeinde schreckliche Spaltungen geben.
Darum ist die organisatorische Vereinigung nie mit großen Hoffnungen von uns begleitet worden. Mir wird sogar unheimlicher, je größer die Organisation wird. Wichtig ist, dass wir in Jesus eins sind.
Als Jesus im hohenpriesterlichen Gebet sagte: „Vater, dass sie alle eins sind“, dachte er nicht an Organisationen oder Mitgliedsbücher. Er meinte, dass wir eins sind, wie ich in dir und du in mir bist, dass wir so in Christus sind, wie Jesus im Vater lebt. Wenn wir so nahe bei Jesus sind, sind wir auch nahe beieinander. Dann können wir Widersprüche ertragen.
Frau Hochreit, durch viele Jahre war es nie die Frage, welches Gesangbuch jemand hat. In unserer Gemeinde gibt es viele Katholiken. Ich habe immer wieder gesagt, es ist gar nicht wichtig, die Konfession zu ändern.
Neulich habe ich zwei getraut, und dabei habe ich gemerkt, dass das kirchenrechtlich gar nicht geht, weil es zwei Katholiken waren. Aber sie sind seit Jahren in unserer Gemeinde. Das ist mit unseren Statuten nicht vereinbar, aber ich habe einfach gesagt: Sie wollen ihre Eltern nicht betrüben. Doch sie sind bei Jesus und leben aus seinem Wort. Und das ist das Wichtige, das uns verbindet – die Gemeinschaft, die uns eigen ist.
Soziale Unterschiede und die Bedrohung der Gemeinschaft
Mir waren diese Vorbemerkungen jetzt so wichtig, damit wir das sehen können, wenn Jakobus über die Bedrohung der Gemeinschaft redet. Die Gemeinschaft wird immer wieder bedroht, diese christliche Gemeinschaft. Schwäbisch würde ich sagen, sie wird bedroht, wo man miteinander verbachen wird, wo man sich so ganz eng zusammenschmiegen will. Das ist immer nicht gut, weil das ja nachher auch wieder einen Lösungsprozess bewirken muss.
Das sind dann eben wieder diese seelischen Dinge und diese nahe Sache. Das ist nie gut. Hier geht es in der Gemeinde darum, dass plötzlich wieder soziale Unterschiede eine tiefe Kluft schaffen. Und diese sozialen Unterschiede, die plötzlich hier vorkommen, sind die Fragen von Arm und Reich.
Für unsere Zeit ist das heute nicht mehr so, wir leben in einer bürgerlichen Zeit. Aber wenn man sich einmal zurückerinnert an die Zeit von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, da war das ja so eine Trennung zwischen der Adelsschicht und dem Bürgertum. Und wenn dann einer das fertiggebracht hat, dass er in seinen Versammlungen, wie es Zinzendorf eigen war, eine solche liebenswerte Gemeinschaft geschaffen hat.
Er hat noch lauter Asylanten aus Böhmen aufgenommen auf seinem Herrschaftsgut, sodass es dem sächsischen König zu viel wurde. Er wurde zwanzig Jahre seines eigenen Herrschaftssitzes verbannt und durfte seine Heimat nicht mehr betreten. Zinzendorf war das so wichtig: Wir wollen eine Brüdergemeinde machen, eine Jesusgemeinde.
Gehen Sie einmal in die Seele der Herrn Huter, in die Seele mit E geschrieben, in den Saal, der weiß gehalten ist, wo er einfach Sorge hatte, dass schon der Pfarrer hervorgehoben werden könnte. Nicht nur, dass alles in Weiß gehalten ist, die Farbe der Freude, auch die Särge waren ja immer weiß. Er hatte Schwarz nicht geduldet, sondern den Generalobersten, wie er es genannt hatte: der Herr Jesus selbst.
Dann saßen dort die Brüder, die Ältesten in der Brüdergemeinde Konthal, die ja keine Herrnhutergründung ist, aber doch manches von der Brüdergemeinde Zinzendorf übernommen hat. Die Ältesten sitzen oben rechts und links vom Prediger, der in der Mitte steht. Also das sind alles diese Versuche, diese Gemeinschaft nun darzustellen als eine Brüdergemeinde.
Bei Zinzendorf können Sie es interessant nachlesen, wie er jede Rassenschranke überwunden hat, auf den westindischen Inseln. Seine ersten Missionare haben Negerinnen geheiratet, selbstverständlich, einfach aus Liebe. Da gab es kein Problem.
Und wie sie ins Gefängnis kamen, weil die Dänen das nicht duldeten, ist Zinzendorf herausgegangen und hat sie aus dem Gefängnis geholt. Als er ankam, standen die Siedler da, denn er hatte die Vollmachten des dänischen Königs mitgebracht. Die erste, die er begrüßte, war die Mulattin, der er einen französischen Handkuss gab, 1730.
Herr Zinzendorf, damals Reichsgraf, war der Stiefsohn des österreichischen Generalfeldmarschalls, sein Vater war Minister in der Regierung. Er war Reichsgraf und hatte jederzeit Vortritt beim Kaiser des Deutschen Reiches. Das war der höchste Adel, den es gab. Und er gab einer Negerin auf den westindischen Inseln, einer Sklaventochter, einen französischen Handkuss und ließ seine Brüder auf der Seite stehen, weil er vor der Dame Ehrfurcht zeigte.
Das war immer etwas von der Brüderlichkeit, die durchbrach, wo man etwas vom Wunder der Jesusgemeinde versteht.
Warum war denn damals in dieser Jakobusgemeinde gekommen, dass den Reichen plötzlich Referenz erwiesen wurde? Nun, das kann ja überhaupt leicht passieren. Es kann sein, dass man heute dem Mächtigen Ehre erweist.
Ich erinnere mich noch an eine Hofhacker-Konferenz auf dem Killesberg. Da hat man ein paar Plätze vorne freigehalten, falls der Herr Landesbischof kommt usw. Und dann kam so ein Bauer und sagte: „Das soll es hier nicht geben, Ehre, Gäste! Wir wohnen alle im gleichen Flecke.“
Also das ist so schön, die Jesusgemeinde. Obwohl ich immer meine, man darf auch Ämter ehren, in der Verantwortung, die da gereicht wird. Wir sollten uns hüten, nicht den falschen Blick zu haben: „Oh, der ist da“, und vor allem den verachten, der nichts hat und in Unsoberkleidung kommt.
Ich habe Ihnen sicher auch schon öfter erzählt, bei der Heilsarmee, bei William Busby, als er als junger, feuriger Straßenarbeiter, ich glaube, da war er noch in seiner Kaufmannslehre, durch die Straßen streifte und die Betrunkenen abschleppte und sie in die Kirche mitnahm. Die stanken natürlich wie die Pest. Sie lagen da im Kanal und hatten gesoffen und so. Er brachte sie in die Kirche mit.
Und dann sagte die Gemeinde, die Methodistenkirche damals: „Könnt ihr euch nicht hinten hinsitzen, da kann man nicht mehr zuhören, das ist so penetrant der Geruch.“ Und das war für William Bus so schwer, dass eine Gemeinde abgerückt ist.
Wir müssen wirklich aufpassen, ob das nicht bei uns auch stattfindet. Ich meine, immer wieder heute überschlägt sich unsere Zeit auch, sodass gewissen Randgruppen der Gesellschaft fast übertrieben nachgegangen wird. Da gibt es eine fast immense Betreuung. Aber es sollte einfach so sein, dass wir auf den Unterschied nicht achten.
Ich weiß, dass viele Ältere denken: „Ach, ich bin alt.“ Nein, sie sind nicht irgendwo geschieden. Unsere jungen Leute freuen sich, wenn sie auf sie zugehen. Da sagen unsere jungen Leute immer wieder, dass ihnen gerade das fehlt: Christen der älteren Generation, weil sie es oft in ihrer eigenen Familie nicht haben und sie aus ungläubigen Familien kommen.
Also was ganz Wunderbares, wenn wir das so benutzen und einander so begegnen.
Offenheit und Aufnahme in der Gemeinde
Ich habe das ein paar Leuten erzählt, wie es am Sonntag war. Ich war nach dem Gottesdienst noch in der Kirche, da war ein Tscheche anwesend. Es müsste jemand von Ihnen ihm auch begegnet sein. Er sprach sehr schlecht Deutsch.
Wir nahmen ihn dann zum Essen mit – es war ein so schöner Sonntag. Ein so feiner Kerl. Er war drei Sonntage bei uns in der Kirche. Er arbeitete hier illegal als Versicherungsangestellter, um sich ein paar Mark zu verdienen. In der Eugenstraße schlief er in seinem Auto. Er wollte auch nichts annehmen, war sehr bescheiden und lehnte es ab, mit zum Essen zu gehen.
Dann zog er Fotos einer tschechischen Kirche heraus, in der ich schon gepredigt hatte. Ich kannte seinen Pfarrer, Karl Matejka, und zwar als eine herzliche, geistliche Gemeinschaft.
Es ist manchmal so schwierig, solche Menschen zu finden, die oft neben uns sitzen und vielleicht einfach nur scheu sind. Dabei berauben wir uns eines großen Segens. Verstehen Sie, was ich meine?
In der Gemeinde geht es nicht darum, Leute aufzunehmen, die gar nicht in die Gemeinde hineinwollen, sondern darum, jeden in seiner Art zu akzeptieren. Nach dem zweiten Gottesdienst kommen immer drei Mädchen aus Zuffenhausen vom Kindergottesdienst zu mir herüber. Darüber freue ich mich immer. Sie wollen mir die Hand geben. Das ist so etwas Herrliches. Sie gehören mit zu der Gemeinde, mit ihrer großen Liebe. Ihnen ist der Gottesdienst so wichtig.
So gehört in einer Gemeinde alles dazu. So wie wir uns freuen, wenn wir uns hier wieder treffen.
