Ich grüße euch von Dani Pockem. Eigentlich war geplant, dass er heute auch mit dabei ist, aber er steckt in Westafrika fest. Seine Papiere wurden dort leider nicht akzeptiert, sodass er irgendwie zwischen den Welten hängt. Die Botschaften debattieren heftig darüber, wie er wieder zurück nach Europa kommen kann.
Ich wollte gerne, dass Dani Pockem, ein Ältester unserer Gemeinde, mit dabei ist, weil er beruflich tagein, tagaus mit Politikern auf der ganzen Welt zu tun hat. Er leitet und führt Verhandlungen mit ihnen. Dabei erkennt er die ganze Szene, sozusagen hinter der Kamera.
Man sieht, was passiert, was den Leuten wichtig ist und was diese Persönlichkeiten ausmacht, die in Verantwortung stehen – oder wie man auf Englisch sagt, "in charge". Genau, mein Englisch ist seit unserem Aufenthalt in Amerika ein bisschen eingerostet. Ich habe schon fast die deutsche Sprache vergessen.
Grundlegende Überlegungen zum Verhältnis von Christentum und Politik
Ich möchte zu Beginn, bevor wir über konkrete Themen sprechen, die uns politisch vielleicht interessieren, gerne ein paar Grundlagen legen.
Heute ist unser Thema „Christ und Politik“. Für nicht jeden Christen ist klar, warum wir überhaupt etwas mit diesem politischen Geschäft zu tun haben sollten. Warum sollten wir uns damit auseinandersetzen?
Ist Politik nicht etwas, das eher weltlich und irdisch ist? Sind das nicht zwei getrennte Bereiche, in denen wir als Christen eigentlich nichts zu suchen haben? Christen sind doch vor allem für geistliche Dinge da, oder?
Vor Kurzem erreichte mich eine Nachricht: „Waldemar, ich bin ganz irritiert. Ich habe mit einem bekannten Christen gesprochen, der mich davor gewarnt hat zu wählen. Das dürfen wir als Christen gar nicht.“
Waldemar, was soll ich jetzt tun? Darf ich wählen oder nicht?
Es gibt einfach sehr unterschiedliche Meinungen darüber, welche Haltung wir als Christen zur Politik haben sollten. Warum beschäftigen wir uns überhaupt mit dem Thema „Christ und Politik“?
Eine kurze Grundlage, die ich legen möchte, ist: Wir stehen im Verhältnis zur Politik, weil Gott im Verhältnis zur Politik steht.
Die göttliche Autorisierung und Beauftragung des Staates
Gott autorisiert den Staat. Der Staat existiert nicht einfach aus sich selbst heraus und hat sich auch nicht selbst erdacht. Vielmehr ist der Staat im Auftrag Gottes da und steht in seinem Dienst. Ob dem Staat das bewusst ist und ob er diesen Dienst gut ausführt, ist eine andere Frage. Seine Funktion soll jedoch sein, Gott zu dienen und die Dinge so zu tun, wie Gott es möchte.
Man kann das vielleicht vergleichen mit Menschen, die im Ebenbild Gottes geschaffen sind. Sie sind mit dem Ruf beauftragt, Gott in dieser Welt zu repräsentieren. Auch wenn Menschen nicht an Gott glauben oder seine Existenz und diese Verbindung nicht anerkennen, hat Gott es doch so vorgesehen, dass Menschen ihn repräsentieren und in Beziehung zu ihm stehen.
Vor allem in Römer 13,1-7 finden wir eine der wichtigsten Passagen im Neuen Testament, wenn wir herausfinden wollen, was die Bibel über den Staat sagt, wie er funktionieren soll und was seine Hauptaufgabe ist. Dort lesen wir, dass der Staat von Gott kommt. Wir werden nicht den gesamten Text Vers für Vers durchgehen, da die Zeit dafür heute nicht ausreicht. Aber es heißt in Vers 1, dass der Staat von Gott verordnet ist. Der Staat stellt eine Anordnung Gottes dar.
In den Versen 4 und 6 wird dreimal betont, dass der Staat Gottes Dienerin ist. Das steht nicht nur einmal, sondern gleich dreimal da. Der Staat erhält seine Autorität und Macht von Gott. Er soll verantwortungsbewusst im Sinne Gottes mit dieser Macht umgehen und den Menschen dienen.
Auch 1. Petrus 2,13-14 enthält eine ähnliche Aussage: Gott autorisiert den Staat, und dieser hat seine Autorität nicht aus sich selbst heraus. Dort heißt es, dass wir uns allen menschlichen Einrichtungen unterordnen sollen – dem König als Oberhaupt oder den Statthaltern –, denn sie sind von Gott gesandt. Der Staat hat seine Autorisierung durch Gott erhalten; es ist nicht seine eigene Idee, sondern er steht in Verantwortung vor Gott und wurde von ihm gesandt. Leider geschieht das oft mehr schlecht als recht, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass der Staat in dieser verantwortlichen Position steht und seine Autorität allein von Gott hat.
Der zweite Punkt, den wir aus Römer 13 und 1. Petrus 2 lernen, ist: Gott beauftragt den Staat. Er sagt nicht nur, dass der Staat Macht von ihm erhalten hat, sondern er gibt ihm auch einen konkreten Auftrag.
In den Versen 3 und 4 von Römer 13 lassen sich vier Aufgaben herausarbeiten: Der Staat soll ein Schrecken für das Böse sein, das Gute loben, den Menschen zum Guten dienen und das Böse bestrafen. Diese Punkte sind sehr grundlegend. Römer 13 enthält kein Parteiprogramm, aber es zeigt das Mindestmaß dessen, wofür ein Staat da sein soll. Er soll zum Segen für seine Bevölkerung und Landsleute sein, für die er Verantwortung trägt. Der Staat soll das Gute stärken, mit denen kooperieren, die Gutes tun, und das Negative bestrafen.
Gott wirkt durch den Staat, um das Böse zu bestrafen. Wenn das Böse in einem Land grassiert und der Staat nichts dagegen unternimmt, hat Gott ein Problem damit. Gott hat kein Interesse daran, dass gut und böse einfach ignoriert oder übersehen werden. Der Staat hat die Funktion, das Böse zu bekämpfen. Er hat die Macht, die im Text mit dem Schwert symbolisiert wird, um notwendige Gewalt auszuüben.
Das bedeutet nicht, dass der Staat sofort mit Gewalt reagiert, wenn jemand nicht spurt. Aber grundsätzlich erhält der Staat das Gewaltmonopol und soll entsprechend handeln, um dem Bösen Einhalt zu gebieten. Als Dienerin Gottes hat der Staat das Ziel, Recht und Ordnung in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Er soll Partner des Guten sein und sich gegen Korruption und Ungerechtigkeit stellen. Wenn der Staat diese Aufgaben nicht erfüllt, kann das Böse ungehindert weiterwirken.
Diese Doppelaufgabe, das Böse zu minimieren, einzugrenzen und zu bestrafen, wiederholt Petrus in 1. Petrus 2,13-14. Dort heißt es: Ordnet euch allen menschlichen Einrichtungen unter, um des Herrn willen, sei es dem König als Oberhaupt oder den Statthaltern, die von ihm gesandt sind – und zwar zur Bestrafung der Übeltäter, aber zum Lob derer, die Gutes tun.
Das ist eine recht einfache, aber grundlegende Aussage. Wir legen hier eine Basis, um zu verstehen, warum wir uns überhaupt mit Politik beschäftigen. Wir stehen in einem Verhältnis zum Staat, weil Gott selbst in einem Verhältnis zum Staat steht. Gott hat ein Interesse daran, dass der Staat nicht vergisst, woher er seine Macht hat, und dass zumindest die Regierenden in Gottesfurcht wandeln.
Dieser Gottesbezug findet sich auch in den Ursprüngen unseres Grundgesetzes. In den USA ist dieser Bezug noch stärker verankert und wird auch öffentlich mehr zelebriert. Wie aufrichtig das geschieht, ist hier nicht das Thema. Aber es ist kein Zufall, dass in grundlegenden Gesetzestexten in Deutschland und Amerika ein Gottesbezug erkennbar ist. Das liegt daran, dass die Schrift die Grundlage bildet und dass in der damaligen Zeit, als das Christentum noch mehr Einfluss hatte, klar war: Der Staat hat sich nicht selbst erdacht, sondern steht in Beziehung zu Gott.
Gott hat ein Interesse daran und muss daran erinnert werden, dass der Staat seine Macht von ihm hat. Wenn der Staat seine Macht von Gott hat, erhält er auch seinen Auftrag von Gott und kann sich nicht selbst einen eigenen Auftrag aussuchen.
Wir werden heute nicht darüber sprechen, wie die Unterordnung des Christen unter den Staat genau funktioniert. Das war stärker Thema bei unseren Gesprächen während der Corona-Pandemie, an die sich einige noch erinnern können. Bedeutet das, dass wir Kadavergehorsam leisten müssen? Müssen wir wirklich alles tun, was der Staat von uns verlangt, nur weil wir uns unterordnen sollen?
Kurz gesagt: Wir sollen uns unterordnen, aber wir sollen Gott mehr gehorchen als den Menschen. Das sind die berühmten Worte aus der Apostelgeschichte. Unsere Loyalität zum Staat kennt Grenzen. Wenn der Staat etwas gebietet, was Gott verbietet, folgen wir dem Staat nicht. Wenn der Staat etwas verbietet, was Gott gebietet, folgen wir dem Staat ebenfalls nicht, sondern unserem Gewissen. Dieses Gewissen ist an das Wort Gottes gebunden und übertrumpft staatliche Ordnung immer.
In den meisten Fällen in Deutschland wird das kein großes Problem sein. Aber wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Ich will hier nicht pessimistisch sein, doch wir sollten sensibel dafür bleiben, dass unsere Unterordnung Grenzen hat.
Diese zwei Dinge – Gott autorisiert den Staat und Gott beauftragt den Staat – zeigen, dass Gott in Beziehung zum Staat steht und Interesse an dessen Regierungsführung hat. Deshalb haben auch wir ein Interesse daran, dass der Staat seinem göttlichen Auftrag gerecht wird.
Die Rolle der Christen im politischen Einfluss
Mein nächster Punkt lautet: Darum üben Christen politischen Einfluss aus. Einige sehen das anders, andere sind überzeugt davon. Wie ich vorhin schon sagte, gibt es auch Christen, die mir gesagt haben, ich dürfe ja noch nicht einmal wählen. Darf ich überhaupt politisch etwas äußern, mich dafür interessieren oder mich beteiligen?
Ich glaube, man kann mit großer Überzeugung sagen, dass Christen politischen Einfluss ausüben sollen. Ich möchte nun ein längeres Zitat von Wayne Grudem vorlesen. Falls euch dieser Name bekannt ist, liegt das daran, dass wir seine Dogmatik gerade in unserer Bibelschule durcharbeiten. Er hat sich intensiv mit politischen und ethischen Fragestellungen beschäftigt und plädiert stark dafür, dass Christen sich beteiligen, ihre Stimme erheben, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, und Einfluss auf die Politik ausüben.
Mir geht es jetzt nicht darum, dass ich jede Sichtweise von Wayne Grudem uneingeschränkt teile. Es gibt Punkte, in denen ich vielleicht anders denke. Dazu kommen wir später noch, denn ich finde, man sollte in manchen Bereichen vorsichtiger sein. Grundsätzlich stimme ich aber dem zu, was er hier feststellt.
Er fasst biblische Beispiele zusammen, in denen Gläubige im Alten und Neuen Testament auf die Politik und Machthaber eingewirkt haben. Da wir heute nur eine Überblickseinheit zu diesem Thema machen, können wir nicht jede Passage im Detail betrachten. Deshalb nur als Erinnerung diese Zusammenfassung:
Wenn Christen sich fragen, ob es richtig ist, bedeutenden christlichen Einfluss auf zivile Regierungen und Regierungsführer auszuüben, können wir uns von vielen positiven Beispielen in der Bibel ermutigen lassen. Dazu gehören Joseph – vielleicht eine der bekanntesten politischen Figuren im Alten Testament –, Moses, Daniel, aber auch Jeremia, Nehemia, Mordechai und Esther.
Ein weiteres Beispiel sind die schriftlichen Prophezeiungen von Jesaja, Hesekiel, Amos, Obadja, Jona, Nahum, Habakuk und Zephanja. Überall dort wird deutlich, dass diese Personen nicht einfach nur über den Glauben sprechen wollten. Ihr Glaube sollte Gestalt gewinnen und das Ohr der Regierenden erreichen. Ziel war es, dass diese umdenken, rechtschaffen handeln und Ungerechtigkeit eingedämmt wird.
Im Neuen Testament finden wir mutige Beispiele wie Johannes den Täufer und den Apostel Paulus. Solche Einflüsse auf Regierungen sind keine unbedeutenden Beispiele für obskure Teile der Bibel, sondern finden sich in der Geschichte des Alten Testaments von der Genesis bis zu Esther, dem letzten historischen Buch, in den kanonischen Propheten von Jesaja bis Zephanja und im Neuen Testament in den Evangelien und der Apostelgeschichte.
Diese Beispiele zeigen, wie Gottesdiener bedeutenden Einfluss auf heidnische Könige ausübten, die weder dem Gott Israels noch Jesus in der Zeit des Neuen Testaments die Treue hielten. Hier soll besonders betont werden, dass Joseph und Daniel politische Figuren waren, die nicht gottesfürchtigen Königen dienten, sondern Teil von korrupten Systemen waren – ohne selbst korrupt zu sein. Das wird manchmal vernachlässigt.
Joseph und Daniel hatten viel Macht und Einfluss, waren aber zugleich von Gottesfurcht geprägt. Sie lebten in einem korrupten Gefüge mit gottlosen Machthabern. Trotzdem haben sie politisch gehandelt und Einfluss genommen. Gleichzeitig haben sie aber auch klare Grenzen gezogen, wenn sie nicht mitmachen konnten, und gesagt: Hier überschreite ich eine Linie, da gehe ich nicht mit.
Weiter im Text heißt es: Wenn wir die vielen Geschichten von alttestamentlichen Propheten hinzufügen, die den guten und bösen Königen Israels Rat, Ermutigung und Zurechtweisung brachten, würden wir die Geschichten aller Könige und die Schriften aller Propheten einbeziehen – also fast jedes Buch des Alten Testaments. Dazu könnten wir noch mehrere Passagen aus den Psalmen und Sprüchen hinzufügen, die von guten und bösen Herrschern sprechen.
Die Beeinflussung der Regierung zum Guten auf der Grundlage der Weisheit in Gottes Wort ist ein Thema, das sich durch die gesamte Bibel zieht. Wenn man die Bibel der vergangenen Jahre Revue passieren lässt, fällt auf, dass ständig politische Figuren in der Schrift auftauchen. Die biblische Botschaft wird immer wieder ins Verhältnis zu diesen politischen Figuren gesetzt – egal, ob sie Juden, gottesfürchtige Menschen oder heidnische Personen waren, die sich für Gott gar nicht interessierten.
Die Botschaft Gottes wird in Beziehung zur Regierung gesetzt. Warum? Weil diese regierenden Machthaber, egal ob sie Gott kennen oder nicht, ihre Autorität von Gott erhalten haben. Sie haben den Auftrag, das Gute zu stärken und zu loben sowie das Böse zu bekämpfen und zu bestrafen.
Ein weiteres Zitat von Wayne Grudem, bevor wir zur nächsten Überschrift kommen: Wenn Christen nicht öffentlich über moralische und ethische Fragen sprechen, mit denen eine Nation konfrontiert ist, wer dann? Wo sollen die Menschen etwas über Ethik lernen? Vielleicht aus Hollywoodfilmen, von ihren Freunden bei der Arbeit, in der örtlichen Bar, von Berufsberatern oder Grundschullehrern? Aber wo lernen diese Menschen, was richtig und falsch ist?
Die einfache Tatsache ist: Wenn Christen nicht öffentlich darüber sprechen, was die Bibel zu Fragen von Recht und Unrecht lehrt, gibt es kaum andere gute Quellen, um eine transzendente, also göttliche und übergeordnete Quelle der Ethik zu finden. Eine solche Quelle liegt außerhalb von uns selbst, unseren subjektiven Gefühlen und unserem Gewissen.
Diese Frage ist für jede Nation von größter Bedeutung. Wenn Christen zu moralischen und ethischen Fragen schweigen, woher sollen dann moralische Normen kommen? Für die meisten hier ist das vermutlich selbstverständlich. Aber es ist nicht in jeder christlichen Tradition so.
Es gibt einige christliche Traditionen, in denen es einen sehr strikten Cut gibt: Das sind Dinge der Welt, da mischen wir uns nicht ein. Da sagen wir zunächst, das interessiert uns nicht, wir brauchen uns nicht dafür, vielleicht beten wir noch dafür, aber unseren Mund tun wir nicht auf. Das sollen die Weltmenschen machen.
Ich persönlich kenne diese Haltung noch aus eigener Erfahrung. Ich weiß nicht, ob sie so klar artikuliert wurde, aber sie wurde zumindest so gelebt. Wenn man hörte, ein Christ sei politisch aktiv, war das oft suspekt. Kennt das jemand? Der Gedanke war: Ein Christ darf eigentlich alles sein, aber Politiker und Christ sein, das verträgt sich nicht.
Das ist eine interessante Sichtweise. Wenn sie Schule macht, werden sich Christen zurückziehen, ihre Stimme nicht erheben und den Staat nicht daran erinnern, woher er kommt und welchen Auftrag er hat. Aber wir wissen, dass das Wort Gottes Kraft hat – auch zur Verwandlung und Veränderung.
Deshalb sind wir als Christen gefragt, Einfluss auszuüben, so wie wir es in der Schrift lesen können. Wayne Grudem hat das hier nur zusammenfassend dargestellt.
Die Gefahr der Politisierung von Christen und Gemeinden
Wir haben jetzt keine Zeit, auf die einzelnen Verse im Detail einzugehen. Wenn das genauer interessiert, können wir das vielleicht ein andermal vertiefen.
Bevor wir zu sehr praktischen Fragen kommen, möchte ich noch einen letzten allgemeinen Punkt ansprechen. Ja, Christen üben politischen Einfluss aus, aber Christen lassen sich nicht politisieren.
Es gibt Menschen, die sich komplett aus dem politischen Geschehen heraushalten und so in ihrer eigenen Welt, in ihrer eigenen Bubble leben. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die sagen: „Nein, wir müssen in diese Welt hineinwirken. Wir sind Salz und Licht der Welt, also lasst uns dort voll aufgehen.“ Dann hat man manchmal das Gefühl, dass die Gemeinde eher ein politisches Programm verfolgt, fast wie eine politische Partei im gesamten Parteienspektrum. Man kann kaum noch unterscheiden zwischen Parteipolitik und der Missionsarbeit der Kirche. Das wird dann fast gleichgesetzt: Was wir tun, ist Politik und nicht Evangelisation oder Jüngerschaft.
Sich politisch zu engagieren, ist wichtig. Aber man darf nicht vergessen, dass darin auch die Gefahr liegt, dass Christen und Gemeinden politisiert werden. Diese Politisierung gefährdet drei Dinge: unsere Einheit, unsere Hoffnung und unsere Wahrhaftigkeit.
Was meine ich damit? Wenn politische Debatten unser Selbstverständnis als Christen zu sehr bestimmen, dann findest du eine Gemeinde, die nicht mehr aus allen Völkern, Sprachen und Kulturen mit unterschiedlichen Überzeugungen zusammenkommt. Stattdessen ist die Einheit plötzlich nicht mehr Jesus Christus, das Kreuz und die Auferstehung, das Alte und Neue Testament. Unsere Einheit wird zu einer politischen Ausrichtung.
Dann passiert in Gemeinden etwas, das ich jetzt mal mit einem sehr negativen Begriff beschreibe: Wir haben plötzlich Brandmauern in der Gemeinde, und zwar in verschiedene Richtungen. Mir geht es nicht um eine spezifische Brandmauer, sondern darum, dass solche Mauern entstehen. Man sagt dann: „Ich kann mit dem nicht mehr beten, weil er politisch einer bestimmten Fraktion oder Partei nahesteht.“ Wenn er dieser Partei seine Stimme gegeben hat, bedeutet das für manche: „Ich kann nicht mehr mit ihm beten.“ Welche Einheit bleibt dann noch, wenn die politische Positionierung das Miteinander bestimmt?
So entstehen in Gemeinden Grabenkämpfe und Brandmauern. Dabei sollten wir uns daran erinnern, was Jesus niedergerissen hat. Er hat eine Mauer zwischen Juden und Heiden abgebrochen und sehr unterschiedliche Personengruppen zusammengeführt – in Jesus Christus.
Ich gehe stark davon aus, dass auch im ersten Jahrhundert Christen mit sehr unterschiedlichen politischen Überzeugungen zusammenkamen. Wichtig ist, dass wir unsere Einheit nicht durch die Politisierung der Gemeinde gefährden.
Meine erste Liebe gilt – und das sollten vor allem die politisch Interessierten unter uns hören – nicht meinen politischen Genossen, sondern meinen Brüdern und Schwestern, egal wo sie ihr Kreuz gemacht haben. Ob mir das gefällt oder nicht, darüber können wir sprechen. Aber es darf nicht so sein, dass wir uns nur mit Menschen wohlfühlen, die politisch gleichgesinnt sind.
Es kann passieren, dass man sagt: „Am liebsten habe ich Leute um mich, mit denen ich über politische Größen wie Weidel oder Baerbock sprechen kann.“ Man bewertet sie gleich, bläst dasselbe politische Horn und fühlt sich wohl, fast wie eine Made im Speck. Man feuert gemeinsam jemanden an oder canceln ihn, lobt das politische Engagement und fühlt sich eins in dieser Sache. Vielleicht hast du so etwas schon erlebt.
Dabei können wir leicht übersehen, dass wir hier eine Einheit zelebrieren, die nicht auf Jesus Christus basiert, sondern auf politischer Gleichgesinntheit. Es ist nicht schlimm, sich mit politisch Gleichgesinnten gut zu verstehen. Aber wenn die Einheit in politischen Dingen dir mehr Freude bereitet als die Einheit mit deinen Brüdern und Schwestern in Jesus Christus, dann gibt es ein großes Problem.
Viele Kirchen leiden genau daran: Die Brandmauer-Diskussionen aus den Medien werden ungefiltert in die Kirche getragen und eins zu eins übernommen. Plötzlich zählt in der Gemeinschaft nicht mehr nur der Name Jesu, sondern auch, wo jemand sein Kreuzchen gemacht hat. Ob das Kreuzchen weise oder unweise gesetzt wurde, sei dahingestellt.
Wie drastisch das werden kann, haben wir während der Corona-Zeit gesehen. Gemeinden merkten plötzlich, dass sie sich nicht mehr unvoreingenommen begegnen können, weil die gesundheitspolitische Entscheidung des anderen anders war. Dann konnte man nicht mehr ungetrübt miteinander beten und sich freuen, weil jemand politisch anders dachte.
Diesen Vorwurf müssen sich beide Seiten gefallen lassen. Die Impfbefürworter haben sich mit den Geimpften getroffen und gesagt: „Wir sind eins.“ Die Ungeimpften wiederum fühlten sich als eigener Club und wollten es den anderen später zeigen. Ihr versteht hoffentlich, was ich meine.
Das ist eine Verleugnung des Evangeliums. Es ist eine Verleugnung der Einheit, die wir in Christus haben. So wichtig die politischen Debatten auch sind – sie sind nicht unwichtig – wenn sie dazu führen, dass unsere Einheit verloren geht, dann haben wir ein echtes Problem.
Dann haben wir uns politisiert – und ich verwende bewusst diesen Begriff – und auch radikalisiert. Wir haben unsere Mitte nicht mehr radikal im Kreuz gefunden, sondern in politischen Fragen.
Glaubt mir, zu all diesen Themen habe ich sehr dezidierte Meinungen. Aber ich habe in dieser Zeit besonders auf meine Seele geachtet. Ich möchte meinen Bruder und meine Schwester, die ganz anders ticken als ich, nicht abwerten, nur weil sie zu einer anderen Überzeugung kommen – warum auch immer.
Die Gefahren der Politisierung für Hoffnung und Wahrhaftigkeit
Okay, Politisierung gefährdet unsere Einheit, aber sie gefährdet auch unsere Hoffnung. Wenn wir uns zu sehr von der Alltagspolitik bestimmen lassen, geraten wir in einen Modus, in dem unsere Hoffnung auf Veränderung für unser Land und für die Welt nicht mehr vom Evangelium abhängt. Stattdessen denken wir, dass Politik plötzlich Herzen verändern kann. Aber Politik kann keine Herzen verändern.
Politik ist nicht unwichtig. Sie gibt einen gewissen Rahmen und hält vor allem das Böse im Zaum. Doch die Veränderung der Nationen geschieht nicht durch Politik, sondern durch den Missionsauftrag. Ich möchte ganz kurz Matthäus 28, den Missionsauftrag, mit euch lesen. Dort heißt es in den Versen 18 bis 20: „Und Jesus trat zu ihnen, redete mit ihnen und sprach: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern. Interessant ist, dass hier nicht nur von einzelnen Personen, sondern sogar von Nationen die Rede ist. Macht Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“
Unsere Hoffnung, die wir haben, ist also nicht in der nächsten Koalition begründet und auch nicht in der nächsten schillernden Figur, die auftritt und Maximalforderungen stellt, die meine Forderungen sind. Jetzt hat Deutschland Hoffnung – Deutschland hat Hoffnung durch Jesus Christus und sonst gar nichts. Das dürfen wir bei allem Engagement, das auch in Ordnung ist, und bei allem Eifer, den du hast, nicht vergessen. Deine Hoffnung auf Veränderung von Menschenherzen wird niemals Politik sein.
Politik gibt Rahmenbedingungen, ja, und sie sollen so sein, dass wir in Frieden leben, damit wir ungehindert auch unser christliches Leben leben und die Botschaft hinaustragen können, damit Herzen sich verändern. Aber Politik ist im Prinzip nur der Rahmen. Wahre Veränderung wird niemals durch eine politische Ordnung kommen. Wenn das so wäre, dann wäre es so, dass wir zu glorreichen politischen Zeiten, in denen viel Frieden herrscht, sehen würden, dass Gottesfurcht auch in einem Volk steigt. Leider sehen wir das oft nicht so.
Politisierung gefährdet nicht nur unsere Einheit und unsere Hoffnung, sondern auch unsere Wahrhaftigkeit. Was meine ich damit? Das ist mir ein sehr, sehr wichtiger und ernster Punkt, vor allem für diejenigen, die sehr politisch interessiert sind unter uns. Es passiert immer wieder, so beobachte ich, dass politisch interessierte Christen dazu neigen, sich auf eine bestimmte Partei einzuschießen. Sie denken, das ist jetzt die Hoffnung, und diese Partei wird es ändern. Deshalb müssen wir sie promoten, unterstützen und nach oben bringen.
Wenn dann innerhalb dieses Parteigefüges, das du so beförderst, Ungerechtigkeit, Ungereimtheiten, Heuchelei, Korruption oder Fehler auftreten, merke ich bei Christen oft: „Na ja, es ist nicht so schlimm, die anderen sind viel schlimmer.“ Echtes Unrecht in der Partei, die du gerade unterstützt, wird gar nicht so ernst genommen wie das Unrecht in der Partei, gegen die du arbeitest. Das bedeutet, es gibt eine unangemessene Glorifizierung einer Partei und eine unangemessene Dämonisierung von Parteien. Könnt ihr mir folgen?
So ist es mir schon mancher Christ begegnet, bei dem ich denke: „Du bist für diese Partei, und ja, ich kann nachvollziehen, warum. Aber schau mal, hier geht das gar nicht in der Partei. Was sagst du dazu?“ Die Antwort lautet oft: „Ja, ja, aber die anderen…“ Moment mal! Bist du ein aufrichtiger Christ? Dann hast du dich zur Wahrhaftigkeit entschlossen. Bist du bereit, auch in dem politischen Spektrum, in dem du dich gerade bewegst, zu sagen: Hier passiert Unmoralisches, und es muss genauso beim Namen genannt werden wie bei den politischen Gegnern, die du ausgemacht hast?
Ich merke, so mancher Christ fängt dann an, mit zweierlei Maß zu messen: Bei den anderen ist alles schlecht, und bei den eigenen Fehlern ist man blind oder schwächt sie ab, weil man ja sein eigenes politisches Anliegen nicht konterkarieren möchte. Versteht ihr, was ich meine? Manchmal werden richtig moralisch fragwürdige, nein, verdammungswürdige Dinge einfach hingenommen, weil man ja irgendwie seinen Ruf nicht verlieren und sein politisches Anliegen nicht beschädigen möchte.
Prüf dich bitte selbst, ob du dazu neigst. Ich merke, das geht sehr schnell. Man möchte ja kein Nestbeschmutzer sein und immer nur das Positive von seiner Seite hervorheben. Aber ist das eigentlich das, was wir in der Schrift finden? Dass man ohne Ansehen der Person sagt, was Recht und Unrecht ist? Du kannst deine Überzeugung haben, aber in deiner Überzeugung musst du sagen, was hier passiert. Dabei machst du nicht die Augen zu, sondern sagst: Das ist Unrecht. Ich komme zu der Schlussfolgerung, dass ich mich aus bestimmten Gründen dafür entscheide, aber was hier passiert, ist nicht egal, sondern es ist trotzdem falsch.
Ich merke, dass Christen manchmal nicht diesen Mut haben. Diese Art von Politisierung gefährdet unsere Wahrhaftigkeit. Wir landen in einer großen Heuchelei, in der wir bei den anderen sehr schnell die Fehler aufzählen können, aber für die eigenen blind sind.
Darum möchte ich gerne auf zwei Bibelpassagen hinweisen, die uns zeigen, wie Gläubige im Alten und Neuen Testament sich nicht von Machthabern blenden ließen. Sie sprachen die Wahrheit, egal wer vor ihnen stand. Johannes der Täufer tadelte Herodes wegen all seines Bösen. Johannes war nicht einem Politiker verpflichtet, sondern der Wahrheit, egal wer auf dem Thron sitzt und wie angenehm oder unangenehm dieser ist.
Das sehen wir auch besonders bei Daniel. Daniel sagte zu Nebukadnezar: „Brich mit deinen Sünden durch Gerechtigkeit und mit deinem Vergehen durch Barmherzigkeit gegen Elende, wenn dein Wohlergehen von Dauer sein soll.“ Wenn Christen anfangen, Unrecht aufgrund einer politischen Agenda nicht mehr beim Namen zu nennen, dann scheint auf einmal alles Gold zu sein, was glänzt, und alles ist nur gut.
Vorsicht! Du stehst in der Gefahr – nein, du bist in die Gefahr hineingetappt –, dass du dich politisieren lässt, in einer Heuchelei lebst und nicht mehr wahrhaftig und aufrichtig bist. Bei aller Vorliebe für einen Kurs, den du vielleicht hast, brauchst du eine gesunde Distanzierung dazu. Du bist keiner Partei oder politischen Richtung Loyalität schuldig. Unsere Loyalität gehört nur einem und darf durch Parteipolitik nicht infrage gestellt werden.
Ich möchte noch zur Ergänzung, bevor es gleich praktisch wird, auf John Piper zu sprechen kommen. Er sagte: „Wir sollten Regierungen und Staatschefs, die das Böse nicht bestrafen und das Gute nicht loben, öffentlich zur Rede stellen, vor allem, wenn wir beobachten, dass sie sich an genau dem Bösen beteiligen, das sie bestrafen sollen. Die Kirche hat das Recht, solche Ungerechtigkeit prophetisch anzuprangern.“
Wenn wir glauben, dass unser Staatschef auf eine Weise handelt, die dem Bösen nicht entgegentritt, sondern es praktiziert und daran teilhat, und das Gute nicht unterstützt, sondern behindert, dann haben wir eine biblische Berechtigung, diese Verhaltensweisen und diese Politik öffentlich und prophetisch anzuprangern.
In Amerika gibt es eine viel aufgeheiztere Debatte als in Deutschland, wenn es um Politik geht. Das liegt daran, dass das Parteiensystem dort auf zwei große Parteien reduziert ist. Es gibt zwar noch andere, aber sie spielen kaum eine Rolle. Dann geht es nur noch darum: Bist du blau oder bist du rot? Nur ist das Blau dort nicht das Blau wie hier, sondern das Blau dort ist Rot – also Demokraten und Republikaner.
Unter den Christen gibt es riesige Debatten: In welche Richtung gehen wir? Der Großteil der evangelikalen Christen war sich klar, dass sie Trump wählen. Sie haben auch dazu beigetragen, dass Trump an die Macht kam. Ich möchte hier nicht über das Gutsein oder Schlechtsein dieser Wahl sprechen. Sie hatten Gründe, die sie dazu verleitet haben, Trump zu wählen beziehungsweise seine Administration zu unterstützen, weil sie gesehen haben, dass diese Administration den evangelikalen Christen in gewisser Weise entgegenkommt.
Nur passierte dann Folgendes: Moralisches Verfehlen von Trump – er ist kein Engel, das ist einfach so. Aber „er bringt uns Gutes und Segen.“ Du kannst rational sagen, dass du diese Administration aus bestimmten Gründen wählst. Aber wenn du dann nicht bereit bist, auch Licht in dein eigenes Lager hineinzulassen, dann solltest du von der Kanzel gehen und deinen Job aufgeben. Denn dann hast du dich in eine Maschinerie begeben, in der du menschengefährlich wirst. Dann bist du ein Handlanger der Politik, aber nicht mehr ein Bote des Evangeliums.
Versteht ihr, was ich meine? Nein, das war keine Werbung für Trump. Mir geht es hier überhaupt nicht darum, für eine bestimmte Partei oder Richtung zu werben. Ich habe sehr wohl meine Überzeugungen, aber um die geht es heute nicht.
Praktische Fragen zur Wahlentscheidung von Christen
Ich möchte jetzt auf eine praktische Frage eingehen. Wir haben unterschiedliche Möglichkeiten, wie wir wählen können. Bei manchen Christen stellt sich dann die Frage: Darf ich überhaupt als Christ einen Politiker wählen, der kein Christ ist? Darf ich sozusagen einen unmoralischen Politiker wählen? Ich wähle ja jemanden, der gar nicht meine Werte vertritt, und ich verhelfe dieser Person zur Macht, obwohl sie keine Gottesfurcht hat, nicht an Gott glaubt, sich nicht für ihn interessiert und vielleicht sogar das Gegenteil von dem lebt, was mir wichtig und heilig ist.
Ich möchte Wayne Grudem noch einmal zitieren: Gott gebrauchte den Pharao, den König von Ägypten, um Josef in eine Position der Autorität über das ganze Land zu bringen, damit er sein Volk vor der Hungersnot retten konnte. Gott gebrauchte Nebukadnezar, den König von Babylon, um Daniel und seine jüdischen Freunde zu beschützen und sie in hohe Ämter in Babylon zu erheben. Gott gebrauchte Kyros, den König von Persien, um die jüdischen Exilanten in ihre Heimat zurückzubringen, und Darius, den König von Persien, um das jüdische Volk beim Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem zu schützen.
Gott gebrauchte Ahasveros – oder in einigen Bibelübersetzungen Xerxes – den König von Persien, um Esther zur Königin zu erheben und Mordecai hohe Autorität und Ehre in seinem Reich zu geben. Im Zeitalter des Neuen Testaments gebrauchte Gott den Frieden, den das säkulare römische Reich mit der Pax Romana durchsetzte, um es den ersten Christen zu ermöglichen, frei zu reisen und das Evangelium in der gesamten Mittelmeerwelt zu verbreiten.
Du kannst natürlich nach deinem Gewissen handeln, und einige sagen, sie wählen ausschließlich bibeltreue Parteien. Es gibt ja auch Kleinstparteien, die sehr nah am Gemeindeprogramm vielleicht ein Parteiprogramm etablieren wollen. Das kannst du natürlich machen, wenn du das für richtig hältst.
Ich glaube allerdings, dass es kein Problem ist, wenn wir als Christen unmoralische Politiker wählen und ihnen politische Macht zuschreiben. Ich gebe das Mikrofon mal an Andre, er möchte etwas sagen.
Wir sehen, dass Gott nicht nur durch gottesfürchtige Machthaber wirkt, sondern auch zum Wohle seines Volkes durchaus mit Gottlosen an sein Ziel kommt. Er kann uns schon einen Hinweis geben, mit welcher Stimme wir dem christlichen Anliegen weiten Raum geben. Natürlich nicht mit hundertprozentiger Deckungsgleichheit, aber mit welcher Stimme gibt man wem möglichst viel Raum, um das christliche Anliegen zu befördern? Und das darf auch durchaus durch Machthaber passieren, die nicht gottesfürchtig in unserem Sinn sind.
Was mir aufgefallen ist: Das waren alles Könige, und keiner von ihnen wurde gewählt. Ich glaube, den Zusammenhang habe ich nicht ganz verstanden – ob ich unmoralische Politiker wählen darf, wenn hier nur Könige als Beispiele genannt werden, die ja nicht gewählt wurden.
Das ist natürlich richtig. Eine Monarchie ist nicht mit einer Demokratie zu vergleichen. Ein Daniel hat nicht dem König verholfen, zur Macht zu kommen. Aber dennoch hat er mit seiner Macht kooperiert. Da hast du vollkommen Recht.
All diese Leute waren Staatsbedienstete in dem Sinne und haben ihren Glauben nicht verleugnet, indem sie in diese Kooperation eingingen. Es gab allerdings durchaus Punkte des Ungehorsams, an denen sie sagten: Hier agiere ich nicht mehr weiter. Aber sie hätten ja auch schon bei ihrem Staatsdienst sagen können: „Das mache ich nicht, weil du unmoralisch bist und weil du die Macht hast.“ Ganz im Gegenteil – sie haben dazu verholfen, dass die Macht stabil blieb.
Bei Josef sehen wir das: Er verhilft dazu, dass das ganze Regime weiter existieren kann. Und da kommen wir zu einem wichtigen Punkt, der unsere ganze Debattenkultur in Deutschland extrem vergiftet und leider auch in christliche Kreise überschwappt: die ganze Debatte um die sogenannte Kontaktschuld.
Nur weil ich für jemanden stimme oder mit jemandem kooperiere, mache ich mir nicht alles zu eigen, wofür diese Person steht. Unsere ganze westliche Debattenkultur funktioniert durch die Kontaktschuld. Es wird gescannt: Mit wem pflegst du Umgang? Mit wem wurdest du gesehen? Wem hast du zugestimmt? Wenn diese Person eine Person ist, die in Missgunst gefallen ist oder die von den Mainstream-Medien als radikal gilt, von der man sich hüten soll, dann trifft dich die sogenannte Kontaktschuld.
Das bedeutet: Wenn du im gleichen Raum mit dieser Person bist, wird die gesamte moralische Bewertung über diese Person auf dich übertragen. Du bist dann sozusagen „mitgehangen, mitgefangen“ und damit auch disqualifiziert für alles Weitere. Erst wenn du Buße tust für diesen Kontakt und glaubhaft zeigst, dass du nichts mehr mit diesem Individuum zu tun hast und diese Person verdammst, verteufelst und verurteilst, erst dann machst du dich wieder zu einer Person, mit der man Kontakt haben darf.
Ihr guckt so fragend – jede Debatte ist genau angeleitet von diesem Prinzip der Kontaktschuld. Das trifft nicht nur auf politische Debatten zu, sondern auch unter uns Christen, manchmal sogar völlig unpolitisch, wenn es um christliche Themen geht.
Ah, du hörst diesen Prediger und hast vielleicht etwas geteilt, was dieser Prediger gesagt hat. Und weil du diesen Prediger gehört hast, und ich weiß, dass dieser Prediger aus bestimmten Gründen eine komplette Vollkatastrophe ist, bedeutet das auch, dass du eine Vollkatastrophe bist und ich mich am besten von dir fernhalte.
Moment mal! Ich habe vielleicht nur eine Aussage aus einem bestimmten Grund geteilt oder bestätigt. Das bedeutet nicht, dass ich mir alles zu eigen mache, was diese Person jemals gesagt, geschrieben oder getan hat. Kennt ihr das?
Ich denke, beachtet mal die Debattenkultur in Deutschland: Es kommt nicht so sehr darauf an, was gesagt wird. Es ist viel wichtiger, wer etwas gesagt hat und mit wem diese Person gesehen wurde oder in welcher Verbindung sie steht. Und wenn die Verbindung schon allein da ist, wirst du eigentlich abgeschrieben.
Ich kenne solche Fälle. Ich muss überlegen, wie ich das zum Ausdruck bringe. Es hat nichts mit unserer Gemeinde zu tun, aber ich muss es so formulieren, damit ihr versteht, worum es geht und die Tragweite erkennt.
Person A ist politisch sehr interessiert und äußert sich deutlich in der Öffentlichkeit. Person B ist nicht dafür bekannt, sich politisch zu äußern. Aber Person B kooperiert auf gemeindlicher, geistlicher Ebene mit Person C. Person A erwähnte nur den Namen von Person B in einer politischen Bewerbung einer gewissen Richtung. Daraufhin sagte Person C, sie wolle mit Person B nichts mehr zu tun haben, weil Person B in der Nähe von Person A steht, und Person A hat Werbung für eine politische Richtung gemacht.
Das ist komplett geisteskrank. Person B wird für etwas verantwortlich gemacht, was Person A gesagt hat. Person C hat kein Interesse daran, darüber zu sprechen, was Person B eigentlich denkt. Die Nähe zu Person A reicht Person C schon, um zu sagen: „Mit dir bin ich fertig, mit dir kooperiere ich nicht mehr im Evangelium.“ Das ist richtig hart und geht gar nicht. Aber so funktioniert die westliche Debatte Tag für Tag.
Falls du das Thema Kontaktschuld noch nie gehört hast: Sorry, das war heute wahrscheinlich ein Augenöffner. Es wird dir egal sein, wo du hinschaust – die Debatten sind voll davon. Du wirst es auch im Persönlichen erleben. Du musst aufpassen, welchen Namen du ins Spiel bringst.
Ich kenne auch eine Person, mit der ich in Kontakt stehe, die politisch in eine gewisse Richtung interessiert ist. Nur weil ich mit dieser Person freundschaftlich verbunden bin, wurde ich von politischen Aktivisten einfach in einen Topf geworfen: „Weimar gehört auch zu den Rechtsextremen.“ Okay, ich wusste gar nicht, dass ich so rechtsextrem bin – mit einem Gemeindeältesten, der schwarzer Afrikaner ist, einem Brasilianer, einem Russlanddeutschen und einem bio-deutschen Mitglied. Also ich wusste gar nicht, wie rechtsextrem ich sein kann.
Also bitte, was sagst du? Yes! Okay, wir werden noch einen bio-deutschen Ältesten für unsere Ältestenschaft finden.
Warum thematisieren wir das? Nur weil du dein Kreuz für etwas setzt, bedeutet das nicht automatisch, dass dir jede Verfehlung, die auf der anderen Seite passiert, zur Last gelegt werden kann oder muss.
Da sollten wir uns hüten in unserer Bewertung. Ich spiele hier nicht nur auf eine spezifische Partei an. Dieses Prinzip kann wirklich auf jede Strömung angewandt und von uns auch ausgelebt werden.
Überlegungen zur Wahlentscheidung und innergemeindlichen Vielfalt
Jetzt kommen wir zur Frage: Welche Partei soll ich wählen? Schön, dass ihr heute hier seid. Gebt mir mal eure Wahlzettel, ich fülle das mal für euch aus. Ich möchte euch jetzt meine Meinung sagen.
Ich bin der Meinung – und ich denke, ihr findet das interessant – dass Pastoren und generell geistliche Figuren, die Gemeinschaften oder Gemeinden repräsentieren, sehr, sehr vorsichtig sein sollten, wenn es darum geht, sich parteipolitisch zu äußern. Warum? Wir haben vorhin über den Punkt der Einheit gesprochen.
Wenn Pastoren sich parteipolitisch positionieren – ich möchte niemanden abkanzeln, der das tut –, aber für mich persönlich habe ich entschieden, dass ich das nicht in die Gemeinde oder in die Öffentlichkeit tragen möchte. Nicht, weil ich Angst habe, über meine Überzeugung zu sprechen, sondern weil ich lieber über Inhalte als über Parteien sprechen möchte.
Denn wenn ich als Leiter anfange, über Parteien zu sprechen, dann ist das problematisch. Ein Leiter ist immer auch eine Projektionsfläche für seine Gemeinde – immer. Manche setzen sich gerne, andere weniger gern ins Verhältnis zu ihrem Leiter und fragen sich natürlich: Sind wir irgendwie gemeinsam unterwegs?
Wenn ich mich plötzlich politisch klar positioniere, bringt das sehr schnell heftige Loyalitätskonflikte und auch Gewissenskonflikte in Gemeinden mit sich. Geistliche Leiter haben bei manchen gläubigen Menschen eine sehr hohe Autorität. Das ist an sich gut – aber es gibt auch zu viel Autorität. Manchmal ist es fast so, als hätte Gott selbst zu einem gesprochen.
Nehmen wir mal an, du bist für Partei A und ich für Partei B. Plötzlich hast du das Gefühl, du wirst gottuntreu, wenn du anders denkst als dein Leiter, weil der seine Partei bewirbt und gute Argumente dafür hat. Wenn du zu einer anderen Schlussfolgerung kommst, kann das bei schwächer aufgestellten Christen zu einem heftigen Gewissenskonflikt führen. Deshalb sollten Pastoren aus meiner ganz persönlichen Sicht sehr vorsichtig sein.
Welche Partei soll ich wählen? Ihr werdet heute von uns Ältesten natürlich keinen Hinweis oder Wink mit dem Zaunpfahl bekommen. Ich möchte eher dafür plädieren, dass wir lernen, inhaltlich zu prüfen und auch damit rechnen, dass wir zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Wir werden untereinander unterschiedliche Meinungen haben.
Woher kommen diese Unterschiede? Wie kann es sein, dass in einer Gemeinde der eine sagt: „Ich will CDU, na ja, da steht ja auch das C, man muss auch das C wählen“, während ein anderer sagt: „Ich mache die SPD“, oder „Ich mache die AfD“, oder „Ich mache die Linke“, oder „Die Grünen“?
Ich fand eine Grafik sehr interessant, die vor einiger Zeit durch unser Land ging – das Ergebnis der Europawahl 2024. Vielleicht erinnert ihr euch: Die Süddeutsche Zeitung schrieb, Deutschland sei nach der Europawahl gespalten. In den alten Bundesländern hat fast überall die Union gewonnen, in den neuen Bundesländern die AfD.
Ich finde diese Grafik extrem krass. Es ist nicht einfach verteilt, sondern es ist ein Block hier und ein Block da. Bitte legt es mir nicht so aus, als wollte ich CDU oder AfD Werbung machen – das ist nicht mein Punkt. Ich möchte nur zeigen: Wir sind ein Land, wir haben dieselbe Sprache, dieselbe Flagge, wir gehören zusammen. Und doch gibt es auf der einen Seite eine andere Überzeugung als auf der anderen.
Im Großen und Ganzen sind sich alle in dieser Richtung einig, mit allen Nuancen. Im Osten sind sich alle in eine andere Richtung einig. Woher kommen diese Unterschiede? Es ist nicht so, dass die einen „deutscher“ sind als die anderen – es sind alles Deutsche. Aber sie kommen zu unterschiedlichen Überzeugungen.
Das kannst du natürlich auch auf Gemeinden übertragen: Woher kommen Unterschiede unter Christen? Warum kommen unterschiedliche Ergebnisse zustande? Aus folgenden Gründen, denke ich – das ist nicht allumfassend, aber das, was ich ausmachen würde:
Erstens: Wir kennen die biblischen Positionen zu gewissen Fragestellungen gar nicht. Manche Christen wissen gar nicht, was die Bibel zu bestimmten Punkten sagt oder ob sie überhaupt eine Meinung dazu hat. Wenn wir unterschiedliche Informationsstände haben, kommen wir zu unterschiedlichen Überzeugungen.
Zweitens: Unsere allgemeine Informationslage ist unterschiedlich. Welche Medien wir konsumieren, ist verschieden. Du bekommst mehr Informationen von hier, der andere von dort. Dadurch fallen die Schlussfolgerungen unterschiedlich aus.
Drittens: Unsere subjektiven Erfahrungen sind unterschiedlich. Das ist ein Land, aber die Erfahrung von Ostdeutschen ist eine ganz andere als die von Westdeutschen. Diese unterschiedlichen Erfahrungen sind ein wichtiger Faktor, auch wenn nicht der einzige.
Mir geht es nicht darum, das Ergebnis zu bewerten, sondern darum, zu sensibilisieren: Die Erfahrungen, die ein Mensch macht, leiten ihn auch, wie er sich entscheidet. Es geht nicht darum, dass eine Person komplett böse oder komplett gut ist. Wir sind alle durchschnittliche Sünder und haben unterschiedliche Erfahrungen.
Viertens: Unsere Prioritäten unterscheiden sich. Was ist dir besonders wichtig?
Ich habe hier eine Grafik mit einem Koordinatensystem. Ihr müsst das nicht abzeichnen, ich möchte nur etwas verdeutlichen. Ich habe die großen politischen Felder aufgeschrieben: Wirtschaft und Inflation, Soziales und Gesundheit, Außenpolitik und Sicherheit, Umwelt und Klimaschutz, Migration und Integration, Bildung und Familie.
Das sind so die großen Themenfelder. Jeder von uns hat eine Präferenz, eine Vorliebe für ein bestimmtes Thema. Wenn du über Politik sprichst, redest du vielleicht die ganze Zeit über Migration – warum auch immer, vielleicht durch deine subjektive Erfahrung oder deinen Lebensumstand.
Vielleicht bist du in einer Situation, in der Migration für dich überhaupt kein Thema ist, sondern eher Außenpolitik und Sicherheit. Der andere redet die ganze Zeit über Wirtschaft. So kommen unterschiedliche Gewichtungen ins Spiel.
Warum jemand sein Kreuz aus bestimmten Gründen setzt, liegt daran, dass seine Prioritätensetzung im Leben, gekoppelt mit seinen Erfahrungen, ihn dazu führt, genau diese Partei zu wählen. Das bedeutet nicht, dass du moralischer bist als der andere, sondern dass du einfach eine andere Reihenfolge der Prioritäten hast.
Ich möchte euch einige Fallbeispiele geben, damit das etwas konkreter wird. Falls ihr euch fragt, was hinter diesen Begriffen steckt:
Bei Wirtschaft und Inflation hängt es stark davon ab, was du verdienst. Wenn du so viel verdienst, dass dir die Inflation ziemlich egal ist, interessiert dich das Thema kaum. Wenn du aber kaum Einkommen hast, ist das Thema sehr wichtig.
Nathanael lacht: „Hey, du bist Pastor, du wirst gut bezahlt.“ Wenn dein Job sicher ist, ist dir das Thema Wirtschaft vielleicht egal. Als Pastor ist das ganz gemütlich: Wir werden von euch bezahlt, egal wie die Wirtschaft läuft. Wobei das irgendwann auch Konsequenzen für uns hat, Nathanael.
Beim Thema Soziales und Gesundheit ist es so: Wenn du jung bist, ist dir vielleicht egal, was gesundheitspolitisch passiert. Wenn du älter bist, vor der Rente oder in der Rente, interessiert dich die Rentendebatte viel mehr. Wenn du Eltern hast, die Pflege brauchen, merkst du plötzlich, dass das viel Geld kostet.
Wenn du keine pflegebedürftigen Eltern hast, ist dir das Thema weniger wichtig – nicht weil es an sich egal ist, sondern weil dein Lebensumstand anders ist. Auch das Thema Abtreibung fällt hier hinein. Für viele ist das das wichtigste Thema, und sie entscheiden entsprechend.
Corona ist auch noch ein Riesenthema unter uns heute – ein Thema, das noch nicht abgehakt ist.
Zum Thema Migration und Integration: Einflussfaktoren sind zum Beispiel deine Herkunft. Der eine sagt: „Reicht jetzt mal mit den ganzen Ausländern“, der andere ist selbst migriert und fühlt sich von der Debatte angesprochen.
Ich hatte gerade ein Gespräch mit einer Person, die sagte: „Ich weiß, dass ich eigentlich nicht gemeint bin in der aktuellen Debatte, aber ich fühle mich unwohl, wie ständig über Ausländer gesprochen wird.“ Das ist interessant.
Ich sagte: „Die ganze Debatte hat mit dir gar nichts zu tun, mit deinem Lebensumstand.“ Aber trotzdem macht sie etwas mit ihr. Ich hätte das nicht gedacht, weil ich nicht in ihrer Haut stecke.
Oder vielleicht hast du Rassismuserfahrungen gemacht. Wer ist nicht in Deutschland geboren? Bitte die Hand heben. Wer hat Rassismuserfahrungen gemacht? Ihr nicht? Ich schon. Solche Erfahrungen prägen. Das sind Einflussfaktoren, wie man sich in solchen Debatten verhält.
Wenn du nie Rassismuserfahrungen gemacht hast, weißt du nicht, wie sich das anfühlt. Das kann richtig schlimm sein, weil du nicht aus deiner Haut kannst. Ich habe es vergleichsweise noch leicht. Aber wie geht es jemandem, an dessen Hautfarbe man sofort sieht, dass er nicht von hier ist? Das ist nicht witzig.
Die Ausbreitung des aggressiven Islams ist ebenfalls ein Aspekt, auf den ich jetzt nicht weiter eingehe.
Beim Thema Bildung und Familie: Was sind die Einflussfaktoren? LGBTQ und die Queer-Ideologie, die in Schulen und Kindergärten kommt. Wenn du keine Kinder hast, ist dir das vielleicht egal. Vielleicht denkst du: „Ist nicht so schön, aber betrifft mich nicht.“
Wenn du aber Familienvater oder Familienmutter bist und deine Kinder kommen nach Hause und erzählen, was sie lernen, fragst du dich, wo du dein Kreuz setzt.
Das Thema traditionelle Familie und Ehe irritiert manchen CDU-Wähler. Was soll ich machen, wenn unter Merkel die Homo-Ehe eingeführt wurde? Was gilt noch beim Kreuz bei der CDU? Das ist eine legitime Frage, die ich niemandem strikt beantworten kann.
Kommen wir zu Außenpolitik und Sicherheit: Es macht einen Unterschied, ob du Kriegserfahrungen gemacht hast. Einige ist das Thema Ukraine komplett egal, weil sie keinen Bezug dazu haben. Für sie ist das weit weg.
Aber wenn du vielleicht noch die Nachkriegsgeneration kennst, macht das etwas mit dir. Vielleicht bist du auch Pazifist aus theologischen Gründen. Dann musst du dich dazu verhalten.
Andere sagen: „Pazifismus ist schön und gut, aber für mich ist Israel ganz wichtig. Pazifismus lassen wir mal beiseite, Israel muss ausgerüstet werden.“ So gibt es ganz unterschiedliche Positionen, die alle ihre Berechtigung haben.
Ich möchte das an Fallbeispielen zeigen:
Elias erlebte die Corona-Maßnahmen als tiefen Eingriff in seine persönlichen Freiheitsrechte und seine Gemeindearbeit. Er sieht in den Einschränkungen der Versammlungsfreiheit eine Bedrohung für die Religionsfreiheit.
Für ihn ist entscheidend, dass der Staat nicht erneut so weitreichend in das Leben der Bürger eingreift. Deshalb wählt er eine Partei, die sich gegen staatliche Überregulierung und für bürgerliche Freiheiten einsetzt.
Das ist der Christ Elias.
Schauen wir uns Sarah an. Sie ist Christin mit Migrationshintergrund und hat Rassismus erlebt. Sie empfindet es als Widerspruch zu ihrem Glauben, der alle Menschen als Ebenbild Gottes sieht.
Sie setzt sich für soziale Gerechtigkeit, Antidiskriminierung und Chancengleichheit ein. Für sie ist es wichtig, eine Partei zu wählen, die sich gegen Rassismus und für eine vielfältige Gesellschaft einsetzt.
Benjamin ist tief davon überzeugt, dass Gewalt keine Lösung sein kann und dass Christen dem Gebot „Du sollst nicht töten“ uneingeschränkt folgen sollten. Er lehnt militärische Einsätze ab und setzt sich für Abrüstung und Diplomatie ein.
Deshalb wählt er eine Partei, die sich klar gegen Aufrüstung und Kriegseinsätze ausspricht.
Benjamin bekommt jetzt aber ein Problem mit Miriam.
Miriam sieht in der Unterstützung Israels eine biblische und moralische Verpflichtung. Sie betrachtet die Sicherheit des jüdischen Staates als oberste politische Priorität.
Sie ist überzeugt, dass Deutschland und seine Verbündeten Israel nicht nur diplomatisch, sondern auch militärisch unterstützen sollten.
Zwei Christen kommen bei der Waffenfrage zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Miriam wählt eine Partei, die sich klar für eine starke Partnerschaft mit Israel, eine entschlossene Bekämpfung von Antisemitismus und eine harte Haltung gegenüber Israelfeinden einsetzt.
Kommen wir zu Johannes. Er glaubt, dass der Schutz des ungeborenen Lebens das wichtigste gesellschaftliche Anliegen ist. Er ist überzeugt, dass jeder Mensch von der Empfängnis an eine gottgegebene Würde besitzt.
Daher wählt er eine Partei, die sich für strengere Abtreibungsregelungen, mehr Unterstützung für Schwangere in Not und einen stärkeren Schutz des Lebensrechts einsetzt.
Fünf Christen, fünf Anliegen. Diese fünf Christen werden bei unterschiedlichen Parteien am Ende landen, weil du diese berechtigten Anliegen sehr wahrscheinlich nicht in einer Partei vollumfänglich wiederfinden wirst.
Du wirst keine pazifistische Partei finden, die gleichzeitig Waffen nach Israel liefert. Das wird es so kaum geben.
Deshalb habe ich euch vorhin dieses Koordinatensystem gezeigt.
Wir sollten die hitzige Debatte, die in der Welt geführt wird, nicht so heiß unter uns Christen ausfechten, wie sie dort gekocht wird.
Denn der eine sagt: „Mir ist das Thema wichtig“, und ordnet es in seinem Koordinatensystem dort ein, der andere dort oder dort.
Es gibt berechtigte Anliegen, die einen zu seinem Kreuz führen.
Das bedeutet nicht, dass diese Person zu allem Ja und Amen sagt – Stichwort Kontaktschuld, die vielleicht noch mitschwingt.
Es ist einfach eine Wahl, die das kleinste Übel sucht und sagt: „Hier habe ich Hoffnung, dass dieses Thema nach vorne gebracht wird.“
Geprägt durch meine Erfahrung, durch meine Prioritäten, durch meine Bibelkenntnis und – was war noch ein Punkt? Ach ja – durch die Informationen, die mir zugänglich gemacht wurden.