Einführung in das Gleichnis vom verlorenen Sohn
Unser Predigttext steht in Lukas 15. Wenn Sie Ihre Bibel in die Hand nehmen, finden Sie ihn im Neuen Testament, Seite 84 in den ausgelegten Bibeln, Lukas 15, Verse 11 bis 32.
Jesus sagte: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der Jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: „Gib mir, Vater, den Anteil am Besitz, der mir zusteht.“ Daraufhin teilte der Vater sein Vermögen unter seine Söhne auf.
Nicht lange danach packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort brachte er sein Vermögen durch ein verschwenderisches Leben um. Als er nun alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land. Er geriet in Not.
Er ging zu einem Bürger jenes Landes, der schickte ihn auf seinen Acker, um die Schweine zu hüten. Er wünschte sich, seinen Bauch mit den Schoten zu füllen, die die Schweine fraßen, doch niemand gab sie ihm.
Da kam er zur Einsicht und dachte: „Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Hülle und Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger? Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. Mache mich zu einem deiner Tagelöhner.“
Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater.
Die Heimkehr und die Reaktion des Vaters
Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und hatte Mitleid mit ihm. Er lief ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Der Sohn aber sagte zu ihm: „Vater, ich habe gegen den Himmel und vor dir gesündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen.“
Doch der Vater sagte zu seinen Knechten: „Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an! Steckt ihm einen Ring an den Finger und zieht ihm Schuhe an! Bringt das gemästete Kalb her und schlachtet es!“
„Lasst uns essen und fröhlich sein, denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden worden.“ Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Der ältere Sohn aber war auf dem Feld. Als er nahe zum Haus kam, hörte er Musik und Tanz. Er rief einen der Knechte zu sich und fragte, was das zu bedeuten habe.
Der Knecht antwortete ihm: „Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat.“
Da wurde der ältere Sohn zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und bat ihn.
Er antwortete seinem Vater: „So viele Jahre diene ich dir schon und habe dein Gebot nie übertreten, und doch hast du mir nie auch nur einen Bock gegeben, damit ich mit meinen Freunden fröhlich sein konnte. Nun aber, wo dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Vermögen mit Huren verschlungen hat, hast du für ihn das gemästete Kalb geschlachtet.“
Der Vater sagte zu ihm: „Mein Sohn, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, gehört auch dir. Du solltest aber fröhlich sein und dich freuen, denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden worden.“
Die Bedeutung der göttlichen Liebe in der heutigen Welt
Herr, deute uns dieses wunderbare und große Bild. In unseren Tagen spielen die materiellen Nöte sicher nicht die wichtigste Rolle in unserem Leben. Ich denke, Sie genießen auch heute all die Erleichterungen, die wir in unserer modernen Welt haben.
Wir wohnen in bequemen Wohnungen, und wir machen es uns in unserer Arbeit leicht durch technische Erleichterungen von Maschinen. Es ist eine Kleinigkeit, an entfernte Orte zu reisen – sei es mit der S-Bahn, dem Auto oder dem Flugzeug. Wir haben viele Möglichkeiten in unserer modernen Welt. Doch gerade dadurch wird uns immer wieder spürbar, was heute ungelöst ist: die zwischenmenschlichen Kontakte.
Es belastet mich sehr, in meiner eigenen Gemeinde, in meinem Bezirk, wie viele Menschen hier einsam sind. Sie sehnen sich nach jemandem, der sie versteht, nach einem, der sie mal anhört und sich um sie kümmert. Es gibt kaum Liebe. In unserer Welt wird viel von Liebe gesprochen. Statistiker haben ausgerechnet, dass jedes tausendste Wort, das wir gebrauchen, irgendwie von Liebe handelt. Aber es gibt so wenig Liebe, die man tatsächlich erfährt.
Wenn viele Menschen heute keinen Mut mehr zum Leben haben, dann fehlt ihnen Liebe. Es ist direkt abenteuerlich, wie manche Menschen nur um Liebe zu finden, ganz gewagte Bindungen eingehen. Da sagt man: Wie ist das nur möglich? Aber sie hoffen, Liebe zu finden. Ob sie es finden, ist in den meisten Fällen sehr unwahrscheinlich.
Die Sehnsucht und der Bedarf an Liebe sind so groß, und kaum wird er gestillt – nur in wenigen Fällen. Es gibt wenige, die sagen: Ich habe Liebe, ich bin eingehüllt. Ach, die anderen klagen. Da bin ich froh, dass Jesus von Liebe sprach und immer wieder zeigt, dass Liebe, nach der der Mensch hungert und verlangt, nur von der großen, mächtigen, göttlichen Liebe kommen kann.
Das ist kein Ausweichen aus der irdischen Welt, wie manche meinen mögen, sondern das Urbild, der Quell aller Liebe. Sie kommt von Gott. Darum spüren wir ja noch, dass in der Liebe so etwas Mächtiges, Wärmendes und Heilendes liegt. Aber es ist ganz richtig, dass viele unserer irdischen Liebesbeziehungen gar keine Liebe in sich tragen. Dass viele auch dort, wo man Liebe wähnt, verzweifelt sind und sagen: Ich komme gar nicht zur Erfüllung.
Da müssen wir darüber nachdenken und einmal hinschauen, was Jesus uns von dieser großen Gottesliebe erzählt hat.
Die Blindheit gegenüber der Liebe Gottes
Zuerst kann man blind dafür sein – blind für die Liebe Gottes, die einem Tag für Tag, jeden Morgen neu geschenkt wird. Der Sohn lebt im Haus des Vaters, und Jesus zeichnet ein Bild von uns Menschen, die wir in der Nähe Gottes leben dürfen. Doch dieser junge Mann empfindet gar nichts für die Liebe, im Gegenteil: Sie ist ihm lästig. Was der Vater ihm gibt, davon möchte er sich am liebsten befreien. Er sagt, das hindert mich nur in meiner Selbstentfaltung. Ich will mich zuerst einmal in meinem Leben verwirklichen und mein Leben nach meinem Gutdünken gestalten.
Wenn wir unsere irdischen Beziehungen zwischen Sohn und Vater betrachten, wissen wir, wie wichtig es ist, dass Söhne sich vom Elternhaus lösen. Es wäre schlimm, wenn Eltern ihre Kinder nicht freigeben würden. Wenn dieser Prozess des Loslösens nicht gesund verläuft, kann es zu sehr unheimlichen Entwicklungen kommen. Das ist hier nicht in Frage gestellt. Das Unheimliche ist vielmehr, dass Menschen meinen, sie könnten sich durch die Befreiung von Gott selbst verwirklichen. Der Sohn denkt: Wenn ich meinen Vater los bin, dann beginnt das schöne Leben. Wenn ich ihn nur auf die Seite stelle und auf eigenen Füßen stehe, kann ich mein Leben so gestalten, wie ich es mir vorstelle.
Dann geht er auf den Vater zu und sagt: Gib mir. Wenn man einmal genau darüber nachdenkt, erzählt Jesus so, wie die Lösung von Gott sich vollzieht. Eigentlich hätte Gott das Recht, von uns zu fordern: Gib mir! Er hätte das Recht, in unserem Leben Ansprüche zu stellen. Aber wir treten auf und sagen zu Gott: Ich brauche deine Gaben, deinen Segen, dein Glück, meine Gesundheit, ein wirtschaftliches Auskommen, ein behagliches Leben, einen Rahmen, in dem ich existieren kann. Wir fordern! Und so treten wir auf, doch dann wollen wir ohne Gott leben, weil uns die Liebe gar nichts bedeutet.
Es ist erschütternd, wie wenig Sehnsucht wir überhaupt nach der göttlichen Liebe haben. Die brauche ich nicht, sage ich mir. Was ich brauche, sind ein paar Hilfen im täglichen Leben, das sind meine Probleme. Dann schlägt der Sohn die Tür zu und ist froh, dass er hinaus in die Welt treten kann, um sein Leben selbst zu gestalten. Ein unheimliches Bild, in dem man sich wiederfindet mit Stolz, Hochmut und eigenmächtigem Handeln. Hoffentlich sehen wir das bei unseren Kindern positiv: Jetzt stehen sie auf eigenen Füßen. Doch dieser Prozess ist nicht so, wie es oft genug zwischen Eltern und Kindern schmerzlich erlebt wird.
Das ist kein gesunder Ablösungsprozess, sondern letztlich nur ein Auflehnen. So wie es oft zwischen Kindern und Eltern passiert, wenn junge Leute ihren Eltern Hassworte entgegenrufen, weil sie sich nicht lösen können und ihre Gefühle nicht eingestehen wollen. Gerade weil sie an ihre Eltern gebunden sind, vollziehen sie umso härter diesen Bruch in einer totalen Trennung.
Erschütternd ist auch, dass der andere Sohn, der noch zu Hause ist und die Liebe des Vaters hat – dieses ganz andere Vaterbild als unsere irdischen Väter, dieser so gütige, liebende und geduldige Vater –, diese Liebe nicht wahrnimmt. Er ist nicht hochmütig, nicht stolz, nicht anmaßend und auch nicht liederlich. Aber er ist genauso kalt in seinem Herzen. Jesus zeichnet hier ein Bild von frommen Leuten, von uns, die wir einen Gottesdienst besuchen. Wir können alles tun und sagen: Ich habe kein Gebot übertreten, ich habe alles treu getan. Aber wir haben nie die Liebe Gottes entdeckt – diese Liebe, die heller als die Sonne strahlt und alles wärmt, was kalt ist.
Diese Liebe Gottes, die unser Leben durchströmen und neu machen will, hat er nie entdeckt und nie erfahren. Das Schlimme ist bei diesen beiden Söhnen: Sie sind letztlich beide verloren. Sie leben ihr Leben, aber sie haben diese göttliche Liebe nie empfunden und nie erlebt. Sie erfüllen ihre Pflichten und gelten in den Augen der bürgerlichen Moral als anständig – der eine – und als großer Playboy, ein erfolgreicher Mann unserer Zeit – der andere. Doch sie haben nie zu einem Leben gefunden, das aus Freude lebt, erfüllt und glücklich ist.
So zieht der verlorene Sohn in die Fremde. Er hat noch viele Güter in seiner Tasche, aber letztlich ist er leer und arm.
Die Krise als Wendepunkt
Zweitens kommt die Krise. Ich habe heute fünf Punkte, und die Krise kommt plötzlich über ihn herein. Er merkt gar nicht, was ihm fehlt – und darin zeigt sich Jesus uns. Man kann im Geschäft seines Berufs so engagiert sein, dass einem gar nicht bewusst wird, wie die göttliche Liebe fehlt. Das wird erst in den Krisen deutlich.
Bei dem jungen Mann war es eine Wirtschaftskrise, eine Talsohle, die ihn traf. Er bekam keinen Kredit mehr, das war zu teuer, denn gerade herrschte Hochzinspolitik. Jetzt war er da, gestand der junge Mann, und wusste nicht mehr, wie er weitermachen sollte.
Davor, als so viele Freunde um ihn herum waren und sein Terminkalender voll war, kam er gar nicht zur Besinnung. Damals dachte er nie darüber nach. Aber jetzt, als er hungernd auf der Straße stand, kam die Krise.
Sie zeigt sich oft durch einen plötzlichen Todesfall eines Menschen, der uns viel bedeutet hat, oder durch eine Krankheit, bei der wir plötzlich überlegen müssen: Wie geht es jetzt weiter? Ja, das kommt vor! Das passiert in dieser Welt! Man muss damit rechnen, dass es Krisen gibt.
Plötzlich in der Krise wird offenbar, dass er nichts mehr hat. Die äußere Not, die er jetzt empfindet, wird spürbar. Seine Taschen sind leer, er weiß nicht mehr, wie er sich versorgen soll, und er weiß nicht mehr, wohin er gehen soll. Da sucht er auf einmal nach einem neuen Anfang.
Viele Menschen sind heute erschüttert, doch oft suchen sie nur die äußere Heilung ihrer Krisen. Sie suchen kurzfristige Hilfe, um herauszukommen, nach Genesung.
Die falsche Lösung und Abhängigkeit
Drittens, eine falsche Lösung. Der junge Mann hängt sich in seiner Verzweiflung an einen Bürger. Er spürt genau, wie leer sein Leben ist. Man kann es kaum verstehen: Er war doch ausgezogen, um Freiheit zu suchen. Freiheit war das Traumwort seines Lebens. Doch jetzt verdingt er sich bei irgendeinem Mann dieser Welt und ist froh, wenn der ihm noch Futter zum Essen gibt. Das ist erschütternd, wenn man sein Leben einmal überschaut – ohne Gott.
Am Anfang dieses Weges hatten wir uns königliche Freiheit gewünscht, doch am Ende sind wir abhängig und gebunden. Dieser Bürger schickt ihn aufs Feld. Schon dieses Wort „schicken“ ist so entwürdigend, als wäre er ein Hund. So wird man am Ende behandelt, wenn man den Vater verlässt. Man wird von anderen geführt, gejagt und gehetzt.
Irgendwann muss doch die Besinnung kommen: Ist das mein Leben? Bin ich dafür geschaffen? Ist das meine Existenz, für die ich da bin? Ein abhängiger, geführter, von anderen manipulierter Mann. Und dann hat er Hunger. Damit zeichnet Jesus eine Sehnsucht, die niemals befriedigt wird. Er will ein erfülltes Leben haben. Am liebsten möchte er bei den Säuen am Trog sitzen und von ihrem Futter essen. Doch nicht einmal das wird ihm gewährt.
Es ist merkwürdig, dass der Teufel am Ende seine Anhänger so schlecht entlohnt, obwohl sie ihm ihre Gefolgschaft gegeben haben. Sie wenden sich von Gott ab und werden am Ende enttäuscht und leer sein – hungrig, voller Sehnsucht und niemals satt. Das war es doch, was er sich gewünscht hatte. Er dachte nie, dass alles aufhören könnte, was er als Gut vom Vater mitbekommen hatte.
Das sind Augenblicke, in denen man ins Fragen kommt und sicher auch einmal zurückblickt: Wo ist eigentlich mein Vater? Wo ist mein Vater? Wenn er ein guter Vater wäre, dann würde er sich jetzt um mich kümmern. Wie oft hört man heute diesen Schrei? Wenn er Liebe hätte, dann würde er ein Paket mit Schwarzwaldschinken schicken, der hier auf dem Hof alles versorgt. Ein Lumpenvater ist das! Wo ist die Gottesliebe?, schreien die Leute. Er kümmert sich ja nicht um mich.
Sie vergessen, dass es unsere freie Entscheidung war, wegzugehen. Manchmal meinten wir, es sei ein Auftrag des Vaters, wenn wir uns in die Geschäftigkeit unseres Berufes gestürzt haben. Das war es oft nicht. Wir haben es nicht im Ungehorsam gegenüber Gott getan, sondern wollten uns selbst befriedigen. Wir wollten uns satt machen – mit den Festen, die wir feierten, und den strapaziösen Urlauben, die wir planten. Aber es war nicht vor ihm gelebt und nicht mit ihm.
Leer und hungrig sitzt er da.
Die Besinnung und der Entschluss zur Umkehr
Viertens die Besinnung. Dieser junge Mann ist ganz anders als viele andere. Darum hat Jesus von ihm erzählt. Er klagt nicht die anderen an, er klagt auch nicht seinen Vater an. Er schimpft nicht auf die Regierung und sagt, dass diese solche Zustände billige. Er behauptet nicht, die Gewerkschaft versage in unserem Land, sonst müssten sie solche Arbeitsplätze abschaffen. Wo bleibt die Sozialfürsorge bei uns? Das Netz ist löchrig, da kann ich durchfallen. Ich habe einen Anspruch darauf.
Er erinnert sich: mein Vater. Das ist das Größte, wenn man in verzweifelten Stunden weiß: Mein Vater, nicht ein Vater, mein Vater. Ich gehöre dennoch ihm, dem großen ewigen Gott. Auf meinem Leben ist doch sein Name geschrieben. Der will mich haben. Da gehöre ich doch hin, ich bin doch sein Kind. Mein Vater weiß, ich gehöre zu ihm.
Und dann sagt er: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ Das ist das Entscheidende, auf das es jetzt ankommt. Ich muss eine Wendung vollziehen, ich muss herum.
Ich verstehe nie, warum evangelische Christen so eine Scheu haben, das Wort Bekehrung in den Mund zu nehmen. Das Wort Buße ist noch viel grässlicher, seitdem es Bußgeld gibt. Das sollten wir überhaupt nicht mehr verwenden. Das können wir in eine Bußgeldkartei eintragen, und wir können das nie einem anderen Sinn mehr unterziehen. Dabei heißt das Wort Buße doch eigentlich eine Bekehrung, ein Umkehren.
Ich muss herum, ich muss eine Wende machen um 180 Grad, ich muss zurück zum Vater. Ich muss mich aufmachen, das heißt, ich muss aufstehen.
Manche sind heute so resigniert, sie sitzen da und sagen: Ich weiß nicht mehr, wie es weitergeht. In meinem Leben ist alles durcheinander. Medizinisch bin ich am Ende, ich bin körperlich am Ende, mit meiner Kraft. Ich bin mit meiner Familie, mit meiner Ehe am Ende. Und dann vergraben sie sich nur noch in ihrem Schmerz.
Ich muss mich aufmachen, ich muss aufstehen. Das braucht Kraft. Ich muss mich aufmachen und zu meinem Vater gehen, in meiner Not zu ihm hinwenden und sagen: Du, ich bin es nicht wert, dass ich dein Sohn heiße.
Wir hatten das in den letzten Sonntagen verschiedentlich, dass diese Erkenntnis dazugehört: Ich bin es nicht mehr wert. So wie Petrus es einmal gesagt hat: Ich komme jetzt zu Jesus, und der braucht ja so tüchtige Leute wie mich. Ob der überhaupt mit meinem Torsoleben noch etwas machen kann? Bei mir ist doch so viel kaputtgegangen, wie soll das noch einmal neu werden?
Und er ahnt etwas: der Vater, mein Vater, der wird doch für mich etwas übrig haben.
Die Heimkehr und die Erfahrung der Liebe des Vaters
Und nur das Fünfte: die Heimkehr. Dort wird Liebe erlebt. Anders kennt dieser Sohn die Liebe nicht. Der Vater ist ganz anders, als er es sich vorgestellt hat. Alle unsere dürren und trockenen Sätze, die wir über Gott bilden, sind so dumm. Auch wenn sie von Weisheit triefen, kennen wir Gott doch gar nicht.
Wenn wir wie verlorene Gescheiterte zu ihm zurückkehren, lernen wir ihn kennen. Dann sagen wir: „Ich kann das gar nicht mit Worten ausdrücken.“ Der Vater stand jeden Morgen oben auf dem Balkon und schaute hinaus. Welcher Vater würde das tun? Die Knechte unten dachten: „Der spinnt. Jetzt guckt er immer nur hinaus in die Ferne. Der hat nur einen Tick, der will immer nur den Verlorenen haben.“
Aber das ist ja die Art unseres Gottes: Er will nur das Eine. Er geht dem Verlorenen nach, dem einen, der ihn braucht und den Weg nicht findet. Gott bangt, ob sie heute zurückfinden – in die ganze Nähe, als Sohn zurück ins Vaterhaus. Ob sie seine Liebe heute erfahren, trotz der Spannungen, in denen sie stehen, und den Kämpfen, die sie durchleiden müssen.
Als er am Horizont diesen kleinen Strich sieht, weiß der Vater: „Das ist er, jetzt kommt er endlich.“ Dann läuft er ihm entgegen. Man hat oft versucht, dieses Bild zu malen. Doch es ist nur von ihnen zu erleben. Sie werden nicht glauben, wie Gott ihnen entgegengeht, den Weg verkürzt und es leichter macht.
Der Sohn weiß genau, dass er es vor dem Vater sagen muss: sagen, was falsch war bei ihm. Man kann sich nicht dem Vater in die Arme werfen und so tun, als ob alles nicht gewesen wäre. Es war mir vorhin beim Abendmahl so wichtig: Wenn wir unsere Sünde bereuen und bekennen, ist Gott treu und vergibt sie uns.
Darum spricht der Sohn aus: „Vater, ich habe gesündigt.“ Das Wort war damals genauso unbequem und so fremd, weil es über unsere Lippen nicht kommen will. „Vater, es war eine Beleidigung an dir, an dir habe ich gesündigt, nicht an anderen, an dir. Dich habe ich auf die Seite gestoßen, deine Liebe habe ich missachtet.“
Da sehen Sie später noch einmal den anderen Sohn, den scheinbar so perfekt lebenden. Auch er hat gesündigt an der schlimmsten Stelle, wo man sündigen kann: er hat des Vaters Liebe mit Füßen getreten und war blind dafür. Das hat Jesus den Pharisäern erzählt, die immer meinten, sie hätten das meiste des Gesetzes erfüllt. Er sagte: „Ihr habt gesündigt.“
„Mehr als die anderen, indem ihr von der Liebe wisst.“ Das ist ein Wort an Kirchenchristen, dass wir doch die Liebe Gottes nicht versäumen. Dann fällt der Vater dem Sohn mitten in den Satz. Der Sohn will noch sagen: „Ich bin nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.“ Aber das ist dumm, als könnte man das Sohnesrecht verkaufen.
Der Vater fällt ihm ins Wort und sagt: „Schluss! Schnell das Kleid her, das gemästete Kalb!“ Gott sucht keine Tagelöhner, sondern Söhne. Er will sie haben, weil er aus ihrem Leben noch einmal das bewirken will, was sein Plan war: dass sie die Art Gottes in ihrem Leben tragen und ihr Leib seine Züge sichtbar werden lässt.
Er liebt sie, er geht ihnen nach und will sie. Sie fangen an, fröhlich zu sein. Sie sitzen zusammen bei Tisch, feiern und freuen sich, weil ein Mensch von der Liebe Gottes bewegt wurde. Da begann ein neues Leben. In dem Augenblick begann ein neues Leben, als dieser Verlorene vor dem Vater stand und mit ihm wirkte.
Das war erfülltes Leben. Nachdem die Menschen Huren und Verlangen, auch die äußeren Nöte gestillt waren, war der Sinn des Lebens da. Die Aufgaben, die Kraft, die er brauchte, waren vorhanden. Er war an einen Platz gestellt, wo er benötigt wurde. Sein Leben war geheilt.
Er konnte jeden Tag nur neu staunen über die Gnade, diese unbeschreibliche Güte des Vaters, der ihn angenommen hat. Wenn sie heimkehren, erfahren sie die Liebe Gottes, die uns treibt und zum Größten und Wichtigsten unseres Lebens wird.
