Einführung: Das Herz und Gottes Reinigung
Dem Herzen, an die Herzen für Gott: Zunächst einmal, dass man eigentlich ein schwarzes Herz hat und dass dieses Herz durch das Blut von Herrn Jesus weiß gewaschen werden muss. Danach kann es von Herrn Jesus mit guten Dingen gefüllt werden.
Im Vorhinein ist dazu ein Lied entstanden, das man mit den Kindern geübt hat. Dieses möchten wir euch jetzt vorspielen. Nein, ihr könnt es auswendig, okay? Aber ihr müsst natürlich hinschauen, ja? Das Lied ist nicht im Text.
Die Familie von Maria und Joseph: Ein besonderer Blick
Wir haben auf den Familienfreizeiten im Laufe der Jahre verschiedene Familien aus der Bibel betrachtet. Wer schon länger dabei ist, weiß, dass wir uns Ehepaare und Familien angeschaut und von ihnen gelernt haben.
Heute wollen wir uns mit einer Familie beschäftigen, die einen geliehenen Sohn hatte: Maria und Joseph. Denn der Erstgeborene, den sie hatten, war sozusagen nicht ihrer. Gott hat ihnen diesen Sohn geschenkt, und doch haben sie ihn angenommen.
Wir wollen also einen Besuch bei Maria, Joseph und ihrer Familie machen. Ich finde diese Familie und gerade dieses Ehepaar sehr bewundernswert. Oft vergisst man sie zugunsten ihres Sohnes. Er ist natürlich die wichtigste Person überhaupt, aber oft stellt man sich wahrscheinlich gar nicht plastisch genug vor, wie es wohl in der Jugendzeit des Herrn Jesus gewesen sein mag.
Ein Maler aus dem neunzehnten Jahrhundert hat versucht, dies sehr realistisch darzustellen. Er zeigte, wie er sich die Zimmermannswerkstatt des Joseph vorstellte, in der der Herr Jesus mithilft und jüngere Geschwister ebenfalls dabei sind. Wie war das damals wohl?
Historischer Hintergrund: Politische und gesellschaftliche Lage zur Zeit Jesu
Zunächst wollen wir uns ein wenig mit der Geschichte beschäftigen und klären, in welcher Zeit die beiden lebten. Politisch gesehen war es eine außergewöhnliche Epoche. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte war der gesamte Mittelmeerraum sowie die angrenzenden Länder unter einer einzigen Herrschaft vereint. Die Römer hatten alles erobert und besetzt. Das Gebiet, das auf der Karte dunkelgrün-blau dargestellt ist und sich rund ums Mittelmeer erstreckt, markiert den Machtbereich der Römer zur Zeit der Geburt Jesu.
Das bedeutet, auch Israel war besetzt. Die Römer hatten dieses gesamte Gebiet unter römischer Verwaltung. Dabei gingen sie sehr geschickt vor. Um keine grausame Diktatur mit harten Strafen zu errichten, setzten sie in den einzelnen Provinzen möglichst Regierende ein, die aus den jeweiligen Staaten stammten, aber romfreundlich waren.
Bei Israel war das jedoch nicht ganz so einfach möglich. Die Israeliten hatten einen starken Nationalstolz. Dort setzten die Römer Herodes ein, einen Edomiter. Herodes der Große wurde in der Bibel vor allem durch den Kindermord in Bethlehem berüchtigt. Er war ein grausamer Herrscher, der viele Menschen umbrachte, um seinen Thron zu sichern. Sogar seine erste Ehefrau und vier seiner Kinder ließ er töten, weil sie ihm zu mächtig wurden.
Trotzdem erkannte Herodes, dass er von den Juden gehasst wurde, und versuchte, ihre Gunst zu gewinnen. Er errichtete riesige Bauwerke, darunter Burgen wie Massada und Herodion, und baute Caesarea aus. Heute sind noch Überreste seiner Wasserleitung sichtbar, die über dreizehn Kilometer lang war und Caesarea mit Wasser versorgte. Ebenso ließ er ein Aquädukt in Jerusalem errichten, das die Stadt mit Wasser versorgte. Dadurch war Jerusalem nicht mehr abhängig von der Gihon-Quelle.
Vor allem ließ Herodes den Tempel neu konzipieren und bauen. 46 Jahre lang dauerte der Bau. Damit gewann er einen großen Teil der Juden für sich, obwohl er Ausländer war – ein Edomiter, also ein Nachkomme Esaus. Im Neuen Testament finden wir die Partei der Herodianer, das waren Israeliten, die hinter Herodes standen.
Das römische Reich wurde stark durch Augustus geprägt, den Begründer dieser gesamten Region. Er eroberte und organisierte das Reich, und seine Nachfolger, die weiteren römischen Kaiser, setzten die Herrschaft fort.
Das bedeutete, dass im gesamten römischen Reich eine zentrale Amtsführung herrschte. Alles wurde gesteuert, und von überall wurden Zölle eingehoben. Das begegnet uns auch häufig im Neuen Testament, etwa bei den Zöllnern, die für die Römer an verschiedenen Grenzübergängen Geld einsammelten.
Andererseits war es möglich, dass sich jeder im römischen Staat frei bewegen konnte. Die Amtssprache war Latein, die Verkehrssprache Griechisch, und die lokalen Sprachen wurden weiter geduldet. In Israel sprach man Aramäisch. Es wurde darauf geachtet, dass möglichst viele Menschen im Reich Griechisch und Lateinisch lernten.
Es ist bemerkenswert, dass genau zu dieser Zeit Gott seinen Sohn in diese Welt sandte. Im Galaterbrief lesen wir: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn.“ Gott nutzte die politische Situation, um das größte Werk der Weltgeschichte in diesem Zeitraum zu vollbringen.
Warum? Nur durch diese Umstände war es menschlich gesehen möglich, dass das Evangelium in kürzester Zeit den gesamten Mittelmeerraum erreichen konnte. Sonst hätten die Apostel ihre Missionsreisen nicht durchführen und sich nicht überall verständigen können.
Die Apostel nutzten diese Situation. Auch das Neue Testament ist fast vollständig in Griechisch verfasst, abgesehen vom Matthäusevangelium, das ursprünglich in Aramäisch geschrieben wurde. So konnten alle Menschen im gesamten römischen Reich die Schriften lesen und das Evangelium verbreiten. Dadurch wurde das Evangelium weitergetragen und verbreitet.
Religiöse Situation und Erwartungshaltung in Israel
Religiös hatten sich die Israeliten zwar daran gewöhnt, unter der Herrschaft der Römer zu leben. Immerhin brachte diese Herrschaft äußeren Frieden. Betrachtet man die Geschichte davor, erkennt man, dass es ratsam ist, die zeitgenössische Weltgeschichte zu lesen. Zum Beispiel die Geschichtsschreiber Josephus oder Tacitus.
Josephus verfasste zwei umfangreiche Werke: „Der jüdische Krieg“ und „Altertümer“. Diese Bände sind auch heute noch erhältlich, auch in deutscher Übersetzung. Josephus beschreibt darin einen Juden, der zur Zeit der Zerstörung Jerusalems zu den Römern übergelaufen ist. Er schildert die Geschichte Israels sowie alle Kämpfe und Aufstände, die im Laufe der Jahrhunderte stattfanden. Das ist hochinteressant, auch wenn man das Buch mit Vorsicht lesen muss, da es teilweise sehr einseitig und brutal wirkt. Es ist vergleichbar mit Sensationsberichten wie in der Bild-Zeitung. Die Berichte sind grausam, doch man kann daraus den Hintergrund und die Situation verstehen, in die der Herr Jesus hineingeboren wurde.
Zu dieser Zeit herrschte Ruhe im gesamten Römischen Reich, und die Menschen atmeten auf. Dennoch hegten die Israeliten in ihrem Herzen den Wunsch, eine eigene Nation zu sein. Seit ihrer Gefangenschaft in Babylon von 586 bis 536 v. Chr., als sie unter babylonischer Herrschaft standen, waren sie nie so frei gewesen, wie sie es sich gewünscht hatten.
Sie warteten auf den Messias, den Verheißenen, von dem im Alten Testament gesagt wurde, dass er in Israel, in Jerusalem regieren werde. Sie glaubten, dass sie dann das Haupt der Nationen sein würden. Diese Vision und dieser Wunschtraum waren unter den Israeliten zur Zeit des Herrn Jesus lebendig.
Ein Beispiel dafür finden wir in der Geschichte, als Joseph und Maria den Herrn Jesus als Baby nach Jerusalem brachten. Dort begegneten sie der Prophetin Hanna und Simeon. Diese redeten zu allen, die in Israel auf Erlösung warteten. Diese Erwartung war weit verbreitet.
Auch zur Zeit von Johannes dem Täufer, dem Vorläufer des Herrn Jesus, hörten viele Menschen auf ihn. Johannes sagte: „Ja, ich bin der Vorläufer dieses Messias.“ Die Menschen erwarteten, dass er endlich kommen würde, die Römer vertreiben und alle Verheißungen erfüllen würde.
Die Reise nach Bethlehem und die Herkunft von Maria und Joseph
In dieser Zeit leben Maria und Joseph. Sie machen sich auf den Weg. Zunächst wohnen sie in Nazareth, das im Norden liegt. Wie im Lukasevangelium berichtet wird, ziehen sie nach Bethlehem.
Der Grund dafür ist eine Volkszählung, die vor vielen Jahren von Augustus angeordnet wurde. Diese Volkszählung wird erst später durchgeführt. Jeder Israelit beziehungsweise jeder im gesamten Römischen Reich muss zu seiner Geburtsstadt reisen. Das bedeutet, dass Joseph mit Maria nach Bethlehem gehen muss.
Sie wählen nicht die direkte Luftlinie. Zu dieser Zeit liegt das Gebiet der Samariter dazwischen. Die Samariter sind ein Mischvolk, das sich nach der babylonischen Gefangenschaft dort niedergelassen hat. Es handelt sich um eine Vermischung von damals zugewanderten Menschen mit zurückgekehrten Juden.
Die Samariter haben keinen reinen Tempelkult, sondern ihre eigene Religion. Sie glauben zwar an Gott, haben aber eigene Gesetze. Die Juden mieden dieses Gebiet und gingen in der Regel immer darum herum.
Das heißt, wenn sie im Norden Israels waren, mussten sie immer ins Jordantal hinunter, den Jordan flussabwärts bis Jericho folgen und dann den Berg hinauf nach Jerusalem beziehungsweise nach Bethlehem steigen.
Joseph geht also mit seiner schwangeren Maria diesen Weg. Man kann sich gut vorstellen, dass es ein beschwerlicher Weg war. Alle Frauen wissen, dass Bewegung förderlich ist, um die Wehen einzuleiten.
So geschieht es auch bei Maria, und der Herr Jesus wird geboren.
Herkunft, Beruf und soziale Lage von Maria und Joseph
Nun betrachten wir diese Familie etwas genauer. Was für eine Familie waren Maria und Joseph? Man könnte sagen, sie stammten aus verarmtem Adel. Sie hatten einen guten Stammbaum, also adelige oder sogar königliche Vorfahren. Davon war jedoch nicht mehr viel übrig geblieben. Joseph war Bauhandwerker, in den meisten Übersetzungen wird er als Zimmermann bezeichnet. Da sie arm waren, geht daraus hervor, dass sie den Herrn Jesus im Tempel darstellten.
Nach dem Gesetz musste dies acht Tage nach der Geburt zur Beschneidung geschehen. Dabei brachten sie als Opfer zwei Turteltauben dar. Das war die Anordnung in 3. Mose 12 für arme Leute. Sonst hätten sie ein Lamm opfern müssen, Fürsten einen Stier. Daraus wird ersichtlich, dass sie nicht sehr wohlhabend waren, obwohl Joseph ein selbständiger Mann war.
In der Bibel finden wir zwei Geschlechtsregister, einmal in Matthäus 1 und einmal in Lukas 3. Beim oberflächlichen Lesen entsteht der Eindruck, die beiden Geschlechtsregister stimmen nicht überein. Das ist tatsächlich so, und viele Theologen sagen, das seien Fehler in der Bibel. Doch wenn man die Bibel genau liest, erkennt man den tieferen Sinn.
Im Lukasevangelium steht zum Beispiel: „Und er war, wie man meinte, der Sohn des Joseph.“ Damit wird gesagt, die Bevölkerung hielt Jesus für den Sohn von Joseph. Tatsächlich war er aber nur der Sohn Marias, denn er wurde vom Heiligen Geist gezeugt. Joseph war sozusagen der Stief- oder Pflegevater.
Deshalb wird im Lukasevangelium das Geschlechtsregister der Maria genannt, von der Jesus dem Fleische nach abstammt. Dieses Geschlechtsregister führt über die Königslinie zurück zu David, unterscheidet sich aber von dem des Joseph. Bis zu David sind beide Geschlechtsregister gleich, auch wenn sie unterschiedlich dargestellt werden. Im Lukasevangelium wird das Geschlechtsregister rückwärts genannt, im Matthäusevangelium vorwärts.
Das Matthäusevangelium stellt den Herrn Jesus als König Israels dar. Daher wird dort die Erbfolge gezeigt, die auf Joseph führt. Das erklärt den Unterschied der beiden Geschlechtsregister.
Beide stammen also aus der Nachkommenschaft Davids, des Königs Israels. Damit liegen beide in der Verheißung, die Gott David gegeben hatte, dass der Messias ein Nachkomme Davids sein würde. Egal, ob man das Geschlechtsregister Marias oder das Josephs betrachtet – man kommt immer bei Jesus an. Das ist die Mathematik Gottes. Menschen haben oft Mühe, die Logik Gottes zu verstehen.
Weiter wird berichtet, dass es verwandtschaftliche Beziehungen auch zum priesterlichen Geschlecht gab. Im Lukasevangelium wird gezeigt, dass Zacharias und Elisabeth mit Joseph und Maria verwandt waren. Das bedeutet, dass Maria, als der Engel ihr verkündete, dass sie schwanger würde, zu ihrer Tante Elisabeth ging. Zacharias war Priester. Sie gehörten zum Stamm Levi, sonst hätten sie nicht Priester sein können.
Maria und Joseph stammten aus dem Stamm Juda. Das war auch die Verheißung, dass der Messias aus Juda kommen würde. Das hatte Jakob im Alten Testament über seine Söhne gesagt.
Manche vermuten zudem eine weitere Verwandtschaftsbeziehung zu den Eltern von Johannes und Jakobus. Das ist eine Vermutung, die man nicht eindeutig belegen kann, aber sie liegt nahe. Gemeint sind Zebedäus und Salome. Das würde bedeuten, dass Johannes und Jakobus Cousins von Jesus waren.
Das vielleicht so zum Äußeren dieser Familie.
Gruppenarbeit: Charakterstudien zu Joseph und Maria
Nun möchte ich euch ein wenig an die Arbeit stellen. Die Väter und Männer bitte auf die eine Seite, die Frauen auf die andere.
Ich gebe euch einige Bibelstellen zur Orientierung. Die Väter notieren sich bitte Matthäus 1,18; Matthäus 1,24; Matthäus 2,14; sowie Matthäus 2,21-22. Die Schwestern nehmen Johannes Kapitel 2, Lukas 1,38; Lukas 2,19; Lukas 2,33 und Lukas 2,51 zur Hand.
Joseph – was beeindruckt euch an ihm? Beschreibt seine Situation vor und nach der Hochzeit.
Die Schwestern beschreiben Maria – was beeindruckt euch an ihr? Betrachtet ihre Situation vor der Ehe und die Zeit bei Elisabeth.
Ich wünsche euch gutes Gelingen! Ihr habt eine Viertelstunde Zeit.
Danach wollen wir die Ergebnisse zusammentragen. Ich habe den Eindruck, dass man bei solchen Gruppenarbeiten erst nach etwa zehn Minuten richtig warm wird, oder?
Eindrücke zu Joseph
Fangen wir mal mit den Josephs an. Was habt ihr herausgefunden? Wie könnte man Joseph beschreiben? Ich würde sagen, ihr da hinten von dem Tisch fangt mal an, dann können wir hier ergänzen.
Was uns beeindruckt hat, war zunächst, dass Joseph offensichtlich eine Beziehung zu Gott hatte. Er war in der Lage zu gehorchen. Seine Situation war sehr schwierig: Er musste der Meinung sein, dass Maria Ehebruch begangen hatte. Doch er überlegte von Anfang an, wie er Maria helfen könnte. Er hat das Pummermann genannt. Er wollte auf keinen Fall das Gesetz verletzen, deshalb konnte er sie auch nicht zu sich nehmen.
Joseph überlegte eine Möglichkeit, sie heimlich zu verlassen. Dabei setzte er irgendwie die Schuld so, dass es für die Leute aussah, als sei er der Vater des Kindes. Aber er wollte sie nicht verlassen. Er wollte die Schuld von Maria tragen und sie nicht in Schande bringen. Er muss eine Beziehung zum Herrn gehabt haben, denn sonst hätte er bei dem Traum gesagt: „Ja, man träumt häufig etwas, was man sich wünscht.“ Gerade ein schöner Traum, aber so ist es nicht. Aber ihm war klar, dass dieses Wort vom Herrn kam, dass das Kind tatsächlich vom Heiligen Geist war. Und er gehorchte.
Dasselbe finden wir später noch einmal, als der Engel in der Nacht im Traum zu ihm spricht. Joseph stand dann früh morgens auf, wartete nicht lange und ging los. Das ist schon beeindruckend, wenn es von ihm heißt, er sei gerecht. Er war wirklich ein Mann, der den Herrn kannte und bereit war zu gehorchen. Auch das kostete ihn einiges. Er hat sich das sicherlich anders vorgestellt – seine Ehe mit Maria.
Was haben wir noch zu ergänzen? Das ist eigentlich ähnlich wie hier. Was hier noch zur Sprache kam, ist, dass Joseph oft als Randfigur dargestellt wird, auch in der Weihnachtsgeschichte. Es wird vielmehr über Maria erzählt, auch ihr Besuch bei Elisabeth und wie sie das Ganze verarbeitet. Maria kommt später öfter in den Evangelien vor.
Manchmal hat man das Gefühl, Josef wird als phlegmatischer Typ dargestellt, der immer einen extra Hinweis vom Himmel braucht, um zu wissen, was er zu tun hat. So, als würde er sich keine Gedanken machen. Aber die ersten Verse, die wir gelesen haben, zeigen deutlich, dass er sich sehr wohl Gedanken macht. Und zwar nicht nur für sich, um aus der Situation herauszukommen, sondern wie die Situation gelöst werden kann.
Vielmehr ist er total gehorsam. Wenn Gott zu ihm sagt: „Tu das!“, dann steht er auf. Das Erste, was er macht, ist, seine Sachen, Kinder und Frau zusammenzupacken und loszulaufen. Das ist absoluter Gehorsam und gar nicht so phlegmatisch, wie man es vielleicht manchmal denkt oder vermittelt bekommt.
Vielleicht noch ein paar Worte dazu, sie heimlich zu entlassen. Das heißt nicht „verlassen“, sondern „entlassen“. Wir können offenbar auch von der Zeitgeschichte ausgehen, dass Joseph sich nicht einfach aus dem Staub machen wollte. Privat hätte er seiner Frau einen Scheidebrief geben können. Das hätte ihr die Möglichkeit gegeben, den Kindesvater zu heiraten, ohne dass es groß öffentlich bekannt geworden wäre.
Die andere Möglichkeit wäre gewesen, es öffentlich zu machen. Dann wäre es vor Gericht gegangen, was theoretisch die Steinigung als Folge gehabt hätte. Das wurde damals meines Wissens nach nicht mehr so hart bestraft. Also: In der Lutherbibel steht „verlassen“, das griechische Wort bedeutet aber „entlassen“.
Wir sehen also, Joseph scheint wirklich ein sehr charakterfester Mann gewesen zu sein. Was mir auch bei ihm imponiert: Der Mann kann schlafen, obwohl er Sorgen hat. Das ist für mich erstaunlich. Gott muss ihn jedes Mal wecken. Bei mir ist das anders. Wenn ich Sorgen habe – und solche habe ich nicht oft –, kann ich nicht schlafen.
Dieser Gehorsam ist bei ihm charakteristisch. Was bedeutet das noch? Dass er die Aufforderung Gottes annimmt, seine Frau zu sich zu nehmen. Was übernimmt er? Verantwortung für ein fremdes Kind. Und was noch? Dass die Leute sich nicht täuschen lassen können.
Im Grunde mussten die Leute doch mitbekommen, dass er sie heiraten sollte. Sie waren ja noch verlobt. Er soll sie heiraten. Dann können sich die Nachbarn ausrechnen, dass das Kind nicht von ihm ist. Also steht er in einem schlechten Licht.
Das ist bis heute so: Joseph wird oft als Trottel hingestellt. Und wie viele Gerüchte gibt es auch heute noch über Jesus und seine Zeugen. Diese Gerüchte gab es schon damals. Und er nimmt das auf sich.
Es wird auch von ihm gesagt, wie lange er lebt: bis Jesus geboren ist. Das heißt, der junge Mann oder alte Mann – ich weiß nicht, wie alt er war – heiratet seine Frau und wartet bis zur Geburt, bevor er stirbt. Ich glaube, das sind Dinge, die Männer wahrscheinlich besser verstehen können, was das heißt.
Das imponiert mir an Joseph. Er sagt nicht nur äußerlich Ja zum Willen Gottes, der sein Leben völlig verändert hat. Wie wird er sich das vorgestellt haben? Er wandert nach Bethlehem, flieht dann nach Ägypten und bleibt dort ein paar Jahre, bis Herodes gestorben ist. Dann zieht er nach Nazaret und kann erst dort seine Werkstatt eröffnen.
Sein beruflicher Werdegang wird völlig über den Haufen geworfen. Wovon er in Ägypten gelebt hat, kann man nur vermuten. Vielleicht war das, was die Weisen mitgebracht haben, genug.
Das imponiert mir an Joseph: Er übernimmt es, dass er in einem schlechten Licht steht, damit Gottes Wege erfüllt werden. Für mich ist es erstaunlich, dass Gott Joseph nicht vorher gefragt hat, ob er damit einverstanden ist. Gott stellt ihn vor vollendete Tatsachen, und Joseph sagt Ja.
Eindrücke zu Maria
Und die Schwestern, Herr Maria, was imponiert euch an Maria? Was habt ihr herausgefunden?
Muss sich jemand freiwillig bestimmen? Er wird ja von seiner Mutter angesprochen und sagt ihr deutlich, dass sie ihn raushalten soll. Er braucht sie gewissermaßen nicht. Und sie geht wirklich darauf ein, weil sie ihn mittlerweile kennt. Es ist ja so, dass er es alleine schafft. Er hat großes Vertrauen in Jesus. Sie kommt nicht mehr darauf zurück, sondern sagt nur noch zu den Leuten: „Schaut, was er euch sagt.“ So signalisiert sie eigentlich, dass sie wirklich das Vertrauen hat, dass er das macht.
Ihr Auftreten als Mutter ist sozusagen erfüllt und zurückhaltend. Das Muttersein ist nicht übermächtig, sondern geduldig. Es wurde ja schon einmal im Tempel durchgespielt, als er zwölf Jahre alt war, als er dort verblieb. Da war schon eine Würde genommen worden, wie sie das schon zu ihm kamen. Ihnen ist es ja für sich verhalten, auf eine Weise, die vielleicht die Weise ist, in der sie umgehen kann. Hier hat sie sozusagen darauf verzichtet, ihm etwas zu sagen, sodass er die volle Verantwortung übernehmen konnte.
Ja, sie war demütig. Sie kannte oder wusste, was es heißt, in Niedrigkeit zu leben. Damit war sie wohl vertraut. Und den Herausforderungen gegenüber hatte sie Erkenntnis und Einsicht. Sie konnte damit gut umgehen und Gott loben. Sie sagte nicht, das geht nicht, oder lehnte sich auf, sondern hatte volles Vertrauen, dass Gott in seiner Weisheit keine Fehler macht.
Sogar, wie ihr gesagt habt, wird es eher als Ehre empfunden und auch gesehen, wie Gott das Niedrige erhöht. Er übt eher das Frohe ein, um Gleichheit zu schaffen.
Was haben die anderen herausgefunden?
Also, ich denke, was ganz wichtig ist, weil sich das Thema der Bereitschaft auch durchzieht, ist die Vorgeschichte bis zur Hochzeit zu Kana. Maria behält die Worte immer und sie bewegt sie. Das sind zwei Dinge: Sie hört, sie nimmt auf und sie bewegt. Sie hat schon ganz viel mit Gott und mit Jesus erlebt, bevor sie zu dieser Hochzeit zu Kana kommt. Das imponiert mir sehr und ich finde es sehr nachahmenswert, wie sie mit Gottes Wort und mit allem, was ihr über Gott begegnet, umgeht.
Was haben die anderen noch gefunden?
Wir haben festgestellt, dass sie eine Beziehung zu Gott gehabt haben muss. Denn nach der Ehre kommt ja immer wieder die Not. Das kann man auch erkennen. Sie musste sich auch mit dem Alten Testament auseinandersetzen. Deine Frau hat uns gesagt, dass wahrscheinlich die Frauen zur damaligen Zeit auch irgendwie gehofft haben, dass sie den Messias erwarten.
Es ist auch herausgekommen, dass es für sie eine Ehre war. Besonders beeindruckt hat uns, dass sie einfach diese Demut hatte, die an allen Stellen steht: „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort.“ Sie hat sich überhaupt nicht aufgeregt oder Sorgen gemacht, das kann man zumindest nicht erkennen.
Ich denke, das kommt einfach daher, dass Gott bei ihr an erster Stelle stand und sie das einfach so annehmen konnte.
Auch sie musste im Grunde mit Vorwürfen und Gerüchten leben. Nach außen sah es ja so aus, als wäre es unehelich. Damit musste sie leben, und Gott mutet ihr das zu. Das finde ich auch erstaunlich, dass sie gar nicht dagegen opponiert.
Die Komplexität der Geburt Jesu und Gottes Plan
Warum hat Gott das eigentlich gemacht? Hätte er den Herrn Jesus nicht schon geben können, als Maria und Joseph verheiratet waren?
Ich denke nicht, denn sie haben ihn gebraucht.
Merken wir, wie kompliziert es für Gott eigentlich war, den Herrn Jesus zu schicken?
Einerseits musste Jesus von der Nachkommenschaft Davids sein. Er musste also menschlich geboren werden. Er konnte nicht einfach vom Himmel herabkommen. Andererseits durfte er nicht ehelich geboren sein. Er musste von einer Jungfrau geboren werden, denn das war so verheißen.
Ja, das ist schon interessant. Gott hat alle Teile so zusammengefügt, dass es genau passt. Alle Verheißungen, die vorher gegeben wurden, treffen in diesem Moment zusammen. Das ist Gottes Regie, oder?
Ja, er weiß vorher, was passieren wird.
Es gibt aber einen kleinen Punkt, der mich etwas stört. Ich bin erst kürzlich darauf aufmerksam geworden. Hier ist es so, dass Jesus durch eine Jungfrau geboren wird. Aber was bedeutet das genau?
Ich dachte immer, eine Jungfrau heißt, sie muss nicht verheiratet sein. Ich habe nie verstanden, warum Gott dann sagt, Joseph solle sie vor der Geburt heiraten.
Ach so, damit das Baby auf die Welt kommen kann.
Genau so ist es. Deshalb braucht Gott zwei gehorsame Menschen, die nicht fragen und nicht diskutieren, sondern einfach Ja sagen.
Ich bin überzeugt, dass die beiden am Anfang auch nicht ganz verstanden haben, worum es ging und was Gott vorhatte. Aber sie sagten Ja.
Wie ihr erkannt habt, bewegt Maria all das in ihrem Herzen und denkt darüber nach.
Die Geschwister Jesu und familiäre Beziehungen
Auch das ist interessant: die Geschwister des Herrn Jesus kennenzulernen. Die katholische Kirche sagt ja, dass Jesus allein blieb und Maria Jungfrau blieb. Das steht jedoch nicht so in der Bibel.
Wie viele Geschwister waren es? Wer zählt sie zusammen? Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten – wie viele waren es? Wer bietet mehr? Vier Jungs? Wer bietet mehr? Da spricht wohl der Theologe. Anders passt es nicht zusammen.
Also, mindestens müssen es sieben Geschwister insgesamt gewesen sein. Jesus hatte vier Brüder, die genannt werden: Jakobus, Joses, Judas und Simon. Zusammen mit Jesus sind das fünf. Und es sind doch auch Schwestern. Bei uns heißt es, es müssen mindestens zwei gewesen sein. Also sind es mindestens sieben Geschwister insgesamt – ja, Geschwister des Herrn Jesus.
Insgesamt waren es also mindestens sieben Geschwister. So könnte man das theologisch weiter auslegen. Aber es könnten natürlich auch noch mehr Schwestern gewesen sein, da Maria und Joseph zwölf Kinder hatten. Das ist Spekulation und kann keine Lehre sein. Aber wir müssen auf jeden Fall deutlich machen, dass Maria und Joseph weitere Kinder bekommen haben. Jesus ist sozusagen der Erstgeborene.
Es ist interessant, wie die Familie den Herrn Jesus aufgenommen hat. Wie war das Verhältnis der Brüder und Schwestern – oder Halbschwestern und Halbbrüder, wie wir es nennen wollen – zu Jesus? Es heißt einmal, er sei von Sinnen gewesen. Sie glaubten nicht an ihn, wird von ihm gesagt. Sie ärgerten sich an ihm.
Versucht euch das mal vorzustellen: Wer hat sieben Kinder? Einer davon fällt immer aus der Rolle, weil er immer artig ist. Das geht nicht. Einer fällt aus der Rolle, weil er immer artig ist. Wie geht man damit um? Was passiert mit so einem Streber?
Ich glaube, dass es für die Geschwister des Herrn Jesus ungeheuer schwer gewesen ist, ihn als den Messias, als den Sohn Gottes zu akzeptieren. Er war ganz anders. Über ihn wird kaum etwas berichtet. Es gibt nur katholische Legenden, die man eigentlich nicht lesen sollte, weil sie nicht stimmen.
Aber ein kleines bisschen können wir in der Bibel lesen, wie seine Brüder ihn empfunden haben. Wo finden wir in der Bibel etwas von seinen Brüdern nach seinem Tod und seiner Auferstehung? Im Judasbrief und im Jakobusbrief. Beide wurden von Halbbrüdern des Herrn Jesus geschrieben.
Das finde ich interessant. Notiert euch einfach die Stellen und schaut sie euch zu Hause mal an: Jakobus 1,1 und Jakobus 2,1. Jakobus sagt: „Habt den Glauben unseres Herrn Jesus Christus nicht mit Ansehen der Person.“ So muss er ihn erlebt haben. Er muss ihn erlebt haben. Jesus hat Glauben, und Jakobus urteilt, ohne auf die Person zu achten. Also keine mildernden Umstände, keine Herkunft oder Ähnliches. Er war gerecht. Das lässt ein kleines bisschen hineinschauen ins Kinderzimmer.
Judas schreibt in seinem Brief von der Barmherzigkeit, in Vers 4 und Vers 21, das an Jesus gerichtet ist. Auch da kann man sagen, das hat er schon als Kind mitbekommen. Das sind so ganz kleine Tupfer aus der Familie.
Es ist umso erstaunlicher, dass Judas in seinem Brief vom Herrn Jesus als dem Gebieter spricht. Was für ein Wandel muss da im Herzen vorgegangen sein? Während der Zeit, als Jesus auf der Erde war, glaubten sie nicht an ihn und sagten, er drehe durch. Aber nach der Auferstehung heißt es, dass der Herr Jesus seinem Bruder Jakobus erschienen ist (1. Korinther 15).
Wir merken, dem Herrn Jesus ist es ein Anliegen, dass seine Geschwister begreifen, wer er ist. Deshalb begegnet er ganz speziell seinem Bruder Jakobus. Dann wird gesagt, dass seine Brüder dabei waren, als die Jünger sich im Obersaal versammelten. Von da an waren sie mit dabei.
Nach der Auferstehung haben sie es begriffen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sie vieles überdacht haben, wie es damals in der Kindheit gewesen war und warum Jesus so anders gewesen ist.
Jesus’ Erziehung und das Familienleben in Nazaret
Ich finde es sehr interessant, sich mit diesen Stellen zu beschäftigen, weil sie mir etwas deutlich machen über die Familie, in der der Herr Jesus groß geworden ist.
Was mich auch beeindruckt, ist die Aussage, dass er nach Nazaret kommt. Wie wird diese Stadt genannt? Es ist die Stadt, in der er erzogen worden ist. Dort steht nicht, dass er aufgewachsen ist, sondern dass er erzogen worden ist. Das passt in unser Denken nicht so recht hinein, dass der Sohn Gottes erzogen wurde.
Aber etwas wird deutlich, wenn es heißt, der Herr Jesus ging nach seiner Gewohnheit in die Synagoge. Das war eine Gewohnheit, die er im Elternhaus gelernt hat. Das gehörte zur Erziehung. Wenn wir diese Puzzleteile zusammennehmen, formt sich ein Bild von dieser Familie.
Umso erstaunlicher werden mir Maria und Josef. Sie bekommen nicht den Heiligenschein, den manche ihnen geben möchten, aber sie imponieren mir als Eltern. Seine Nachbarschaft nimmt ihn wahr als den Sohn des Zimmermanns, sie nehmen ihn wahr als den Zimmermann. Das heißt, Jesus war nicht nur der Junior im Betrieb seines Vaters, sondern offensichtlich hat er selbst später die Aufträge ausgeführt.
Der Zimmermann Jesus hatte nicht die feingliedrigen Hände, wie er meistens gemalt wird, sondern er hatte Zimmermannshände. Ich weiß nicht, ob das so ist, aber ja, das ist schon richtig. Ich möchte nur deutlich machen: Er hat wirklich den Beruf ausgeübt, sonst würde er nicht als der Zimmermann bezeichnet werden.
Er weiß also, was Arbeit ist, er weiß, was Maloche ist, er weiß, wie man mit Menschen umgeht, wie es ist, auf dem Baugerüst zu stehen. Das hat mich manches Mal getröstet, was es heißt, selbständig zu sein. Er kann mich verstehen, und er kann dich verstehen. Er war nicht der Theoretiker, sondern der, der anpacken konnte.
Dann ziehen sie, so steht es in Matthäus 4, Vers 13, nach Kapernaum um. Manche nehmen an, dass sein Vater vorher gestorben ist. Möglicherweise kann man zwischen den Zeilen lesen, dass seine Schwestern verheiratet waren. Manche vermuten, dass vielleicht auch die Hochzeit zu Kana war, zu der er eingeladen war, ebenso wie seine Mutter. Offensichtlich aber lebte sein Vater zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, sonst wäre er sicherlich auch genannt worden.
Sie ziehen dann nach Kapernaum um. Ob einer seiner Brüder den Betrieb in Nazaret übernommen hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ziehen er und seine Mutter, so heißt es in Matthäus 4, Vers 13, nach Kapernaum um. Später wird Kapernaum seine Stadt genannt.
Die Geschichte Jesu als Zwölfjähriger in Jerusalem
Und dann möchte ich mit euch noch kurz Lukas 2,41-52 durchgehen. Ihr habt es eben schon erwähnt: Wie Jesus als Zwölfjähriger mit seinen Eltern nach Jerusalem geht und wieder diesen Weg von Nazaret nach Jerusalem durchs Jordantal nimmt.
Stellt euch die Situation vor: Als wir damals mal in Israel waren, standen wir in dem Wadikeld. Das ist der Weg von Jerusalem nach Jericho hinunter, und es ist ein schmaler Pfad. Die Festpilger gingen also nach dem Fest hinunter.
Wer von euch hat einen Zwölfjährigen? Wie selbstständig ist er? Ja, deiner ist schon mit dem Zug gefahren. Ich weiß nicht, was in euch vorgeht, wenn ihr daran denkt, dass euer Zwölfjähriger selbstständig wird.
Maria und Josef reisen mit der Reisegesellschaft nach Jericho hinunter. Das ist immerhin eine Tagereise weit. Sie kommen in Jericho im Quartier an – und der Junge ist nicht da. Es wird so geschildert, dass sie meinen, er sei vielleicht bei Verwandten oder Bekannten. Sie fragen herum, doch er ist nicht da. Da wird man nervös, oder? Habt ihr schon einmal erlebt, dass euer Kind verloren gegangen ist?
Der Kleine wird gesucht oder sucht seine Eltern. Man geht durchs Kaufhaus oder zur Polizei.
Sie laufen zurück – also auch wieder eine Tagereise den Berg hinauf. Die ganzen Pilger kommen ihnen entgegen, und jeder fragt: „Ihr kommt zu spät, was wollt ihr in Jerusalem? Habt ihr etwas vergessen?“
Ich denke einfach, stellt euch das mal vor: Maria und Josef haben den Herrn Jesus von Gott anvertraut bekommen. Der Engel hatte Maria gesagt, dass das Heilige in ihr sei. Das war im Grunde etwas, das sie bewahren sollten. Und was passiert? Er geht ihnen verloren.
Könnt ihr euch die Panik vorstellen? Nicht nur, dass es ihr Kind ist, sondern es ist der Sohn Gottes. Wie stehen wir vor Gott da? Er hat uns den Sohn Gottes anvertraut – und jetzt ist er weg. Was muss das für eine Aufregung in ihren Herzen gewesen sein!
Sie rennen zurück und suchen in Jerusalem. Nach drei Tagen finden sie ihn. Der Junge muss schon sehr selbstständig gewesen sein, oder? Was hätten wir mit unserem Jungen gemacht, der drei Tage weg war?
Sie machen ihm einen Vorwurf. Sie sagen: „Was hast du uns angetan?“ Und Jesus antwortet: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ Ja, sie hatten es vergessen.
Ich möchte uns das einmal so sagen: Wie ist das, wenn wir unsere Kinder aus den Augen verlieren? Ich meine jetzt nicht räumlich, aber das fängt ja in der Regel mit zwölf Jahren an, oder? Wenn die Pubertät beginnt, dann stehst du als Vater oder Mutter da und merkst, die Distanz zu deinen Kindern wird größer. Sie sagen dir längst nicht mehr alles, und du weißt nicht, was in ihnen vorgeht. Du merkst nur vielleicht, dass sie dich nicht mehr ansehen können, und du spürst diese Distanz. Kennt ihr das?
Wie gehen wir damit um? Maria und Josef verlieren ihren Sohn aus den Augen. Und ich glaube, auch das ist eine Sache, die uns Eltern bei unseren Kindern immer wieder passiert. Du kannst nicht mehr klammern, du kannst nicht mehr zwingen. Du merkst, je mehr du versuchst zu klammern, desto mehr sträuben sie sich und schotten sich ab.
Auch da ist Jesus ganz anders. Nach dem Zwischenfall heißt es, er war seinen Eltern untertan. In der Regel reagieren unsere Kinder anders.
Ich denke noch sehr an die Zeit, als unsere Kinder in die Pubertät kamen. Du merkst, du kannst ihnen nichts mehr sagen, die Distanz wird größer, und du kannst nur noch beten: „Herr Jesus, halt sie fest.“ Im Grunde merken wir, bis zu diesem Zeitpunkt muss die Erziehung abgeschlossen sein. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem unsere Kinder sich von uns lösen und selbstständig werden.
Wir meinen oft als Eltern, die Kinder bleiben Kinder, selbst wenn sie später vierzig oder fünfzig sind. Aber wir müssen sie loslassen. Ihr habt es richtig bei Maria entdeckt: Sie lernt Schritt für Schritt, ihren Sohn abzugeben. Sie ist nicht sauer bei der Hochzeit zu Kana, als Jesus sagt: „Frau, ich habe mit dir nichts zu schaffen.“ Oder: „Du hast mir nichts zu sagen. Ich stehe in der Verantwortung vor Gott.“
An solchen Punkten rumort es bei uns, oder? „Vergiss nicht, immerhin bin ich deine Mutter, bin ich dein Vater!“ Wir merken, wir müssen unseren Kindern helfen, selbstständig zu werden. Wir dürfen sie nicht klammern, sondern sie sollen wissen, wer ihr Vater ist.
Ich möchte jetzt gar nicht auf die Gottessohnschaft hier eingehen, sondern einfach mal das für unsere Familien anwenden. Und die andere Frage ist auch: Was, wenn wir unsere Kinder nicht mehr verstehen?
Für Maria und Josef war es unverständlich, wie ihr Sohn sich verhielt. Sie hatten vergessen, dass er der Sohn des himmlischen Vaters war. Sie hatten vergessen, dass Gott ihnen diesen Sohn geliehen hatte, dass sie im Grunde nur Leihmutter und Pflegeeltern waren.
Vielleicht verstehen wir oft auch unsere Kinder nicht mehr. Was bleibt, ist, dass wir für sie beten.
Es macht deutlich, wie wichtig Kleinkindererziehung ist und dass wir unsere Kinder loslassen können.
Der Herr Jesus als täglicher Begleiter im Familienleben
Einen letzten Gedanken möchte ich noch vor uns stellen: Wie mag es wohl in der Familie von Maria und Joseph gewesen sein, wenn wir uns vorstellen, dass der Sohn Gottes tagtäglich bei ihnen wohnt?
Wie ist es, wenn du dir vorstellst, in deiner Familie wohnt der Herr Jesus? William McDonald hat das einmal sehr anschaulich dargestellt. Es gibt ein Heftchen von ihm mit dem Titel „Als Jesus in mein Haus kam“. Darin stellt er sich vor, wie es eines Tages an der Tür klingelt und der Herr Jesus fragt: „Darf ich reinkommen?“
William McDonald beschreibt seine Gedanken, die einen Purzelbaum schlagen, als der Herr Jesus in den Flur kommt, dann ins Wohnzimmer, in die Küche und ins Schlafzimmer. Er sieht die einzelnen Dinge, die ich in der Eile nicht mehr verstecken konnte. Er sieht die Fernsehzeitschrift, die Bücher in der zweiten Reihe, gerade meine Steuererklärung, die ich abgebe, meine Videothek und mein Internet.
Stell dir vor, Jesus käme nicht nur zu Besuch, sondern sagt: „Ich möchte bei euch wohnen, ich möchte bei euch zu Hause sein, so wie damals bei Maria und Joseph. Ich möchte bei euch zu Hause sein.“
Stellt euch vor, an eurer Klingel steht: „Das Zuhause von Herrn Jesus“. Vielleicht geht ihr morgen nach Hause, stellt euch vor eure Haustür und wenn ihr aufschließt, denkt ihr: „Der Herr Jesus kommt jetzt mit rein.“ Ja, er hilft euch auch, die schmutzige Wäsche hereinzutragen.
Aber überlegt einfach mal: Jesus sagt, er möchte bei euch zu Hause sein und nicht nur zu Besuch, nicht nur zum Mittagessen, wenn zu Tisch gebetet wird. Er möchte jeden Tag bei euch sein.
Vielleicht ärgert uns das, wie die Geschwister von Herrn Jesus. Das ist ja kaum auszuhalten, einer, der immer brav ist, oder? Aber vielleicht denkst du auch: „Boah, wenn der Herr Jesus jeden Tag bei mir ist, dann kriege ich ja bloß ein schlechtes Gewissen. Herr Jesus, geh mal in Urlaub!“
Aber nimm den Gedanken mal mit: Der Herr Jesus möchte bei mir zu Hause wohnen, bei uns zusammen. Wie denkt er über unser Eheleben? Wie denkt er über unsere Erziehung? Wie denkt er über unseren Beruf? Wie denkt er über unseren Gemeindebesuch? Überall ist Jesus dabei.
Also nicht immer 4711 dabei, sondern der Jesus. Und das wünsche ich uns allen: dass Jesus bei euch und bei mir jeden Tag zu Hause ist.