Erwählt bevor die Welt erschaffen wurde

Gottes großartiger Plan für die Menschen — Teil 1/3
Jürg Birnstiel
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Serie | 3 Teile

Gottes großartiger Plan für die Menschen

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Erwählt bevor die Welt erschaffen wurde

Reihe: Gottes grossartiger Plan für die Menschen (1/3)

Epheser-Brief 1,1-6

Einleitende Gedanken

Niemand weiss wieso Menschen Jesus nachfolgen wollen, wenn sie das Evangelium hören und andere nicht. Es gibt verschiedene Vermutungen und den einen oder anderen Hinweis in der Bibel. Da wir gerne Ursachen und Zusammenhänge verstehen wollen, tendieren wir dazu, für dieses Problem eine Lösung zu finden. Wir würden gern verstehen und erklären können wieviel Verantwortung beim Menschen liegt und wie stark Gott beteiligt ist. Oder liegt es nur an Gott? Oder liegt es nur am Menschen? Selbst wenn wir die Antwort wüssten, was würde sie uns helfen? Was würde es nützen? Der Abschnitt, mit dem wir uns in dieser Predigtreihe beschäftigen werden, ist in einer bestimmten theologischen Ausrichtung ein wichtiger Abschnitt, um genau diese Frage zu beantworten. Sie meinen, in diesem Abschnitt eine eindeutige Antwort gefunden zu haben. Sie sind aufgrund dieses Abschnittes und vielen anderen Bibelstellen zum Schluss gekommen, dass Gott vor der Erschaffung der Welt entschieden hat, wer gerettet werden wird und demzufolge auch wer nicht gerettet werden wird. So sah es auch der Reformator Calvin, wie wir noch sehen werden. Von daher ist dieser Abschnitt umstritten und wird von den Gegnern der calvinistischen Erwählungslehre oft übergangen. Deswegen möchte ich diesen Abschnitt mit euch vertiefter anschauen. Es geht mir dabei nicht darum, gegen das calvinistische Verständnis der Erwählung zu kämpfen. Ich möchte einfach darlegen, wie ich meine, dass wir diese ersten 14 Verse im Epheserbrief verstehen können. Was ich meine, was Paulus damit sagen wollte. Die Entscheidung, welchem Verständnis dieses Textes ihr folgen wollt, muss ich euch überlassen.

Gepriesen sei Gott!

Paulus stellt sich zuerst vor, wie das bei Schriften in der damaligen Zeit üblich war. „Paulus, Apostel Jesu Christi nach Gottes Plan und Willen.“ Eph.1,1. Paulus betont seine Autorität, indem er sich als Apostel Jesu Christi vorstellt. Das wurde er nicht, weil er in jungen Jahren gerne Apostel werden wollte. Nein, das war nicht sein Wunsch. Im Gegenteil: Er wollte die Christen zum Schweigen bringen. Deshalb wollte er unbedingt nach Damaskus reisen, um die aufblühende Bewegung zu zerschlagen. Auf dem Weg dorthin stellte sich ihm Jesus in den Weg. Paulus sah Jesus den Auferstandenen in einem hellen Licht. Später schreibt der den Christen in Korinth: „Als Letztem von allen hat Jesus sich auch mir gezeigt; ich war wie einer, für den es keine Hoffnung mehr gibt, so wenig wie für eine Fehlgeburt. Ja, ich bin der unwürdigste von allen Aposteln. Eigentlich verdiene ich es überhaupt nicht, ein Apostel zu sein, denn ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt.“ 1.Kor.15,8-9. Doch Paulus sah als letzter den Auferstandenen und war dadurch autorisiert als Zeuge der Auferstehung das Evangelium zu verkündigen. Paulus wurde also von Gott in diesen Dienst berufen. Es war Gottes Wille. Damit zeigt Paulus den Empfängern dieses Schreibens, dass das, was er ihnen sagt, Gewicht hat und Gottes Wort ist. Nun benennt er die Empfänger des Schreibens. „An die, die in Ephesus leben und zu Gottes heiligem Volk gehören. Euch allen, die ihr aufgrund des Glaubens mit Jesus Christus verbunden seid.“ Eph.1,1. Christen sind die Empfänger dieses Briefes und wie wir noch sehen werden, sind es Christen mit heidnischem Hintergrund. Sie waren also nicht jüdischer Herkunft. Das sagt Paulus explizit im zweiten Kapitel des Briefes: „Ihr wisst ja, dass ihr wegen eurer nichtjüdischen Herkunft die ‚Unbeschnittenen‘ genannt werdet.“ Eph.2,11. Die Empfänger des Schreibens waren also mehrheitlich Heidenchristen und nicht Judenchristen. Für das Verständnis des Briefes ist diese Tatsache enorm wichtig. In unseren Bibeln steht meist, dass dieser Brief an die Christen in Ephesus gerichtet sei. „An die, die in Ephesus leben.“ Eph.1,1. In den bedeutendsten Schriftdokumenten fehlt jedoch diese Ortsbezeichnung. Es ist auch überraschend, dass dieser Brief von Paulus sehr unpersönlich verfasst ist. Das überrascht, weil Paulus fast drei Jahre in Ephesus lebte und wirkte. Viele Ausleger sind deshalb der Meinung, dass der Epheserbrief ein Rundschreiben war, das an verschiedene Gemeinde verteilt wurde. Für den Ortsnamen hätte man einen Platz offen gelassen und so konnte der Überbringer des Schreibens in diese Lücke den entsprechenden Ort eintragen. Paulus schrieb diesen Brief während seiner Gefangenschaft, vermutlich als er in Rom war. Was auch noch zu einem Schreiben gehörte sind die Segenswünsche: „Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn.“ Eph.1,2. Was uns heute bei diesem Segenswunsch überraschen könnte, ist, wie Paulus über Jesus spricht. Wir neigen dazu die Betonung besonders darauf zu legen, dass Jesus unser Bruder sei. Dazu gibt es selbstverständlich entsprechende Aussagen in den Evangelien. Doch selbst wenn Paulus gleich von der Sohnschaft der Gläubigen sprechen wird, also davon, dass die Gläubigen Söhne und Töchter Gottes sind. So spricht Paulus trotzdem nie von „unserem Bruder Jesus Christus“. Er spricht konsequent von Jesus Christus, unserem Herrn. Damit erweist Paulus Jesus grössten Respekt und Hochachtung. Er zeigt damit, auch wenn wir Kinder Gottes sind, so sind wir Jesus nicht gleichgestellt. Die Stellung von Jesus ist und bleibt einzigartig. Jesus ist Gott – wir nicht! Nach dieser Begrüssung beginnt Paulus seine Erläuterungen mit einem Lob Gottes. Er scheint so beindruckt von dem, was er den Christen nun sagen kann, dass er zuerst Gott dafür loben muss. „Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Gepriesen sei er für die Fülle des geistlichen Segens, an der wir in der himmlischen Welt durch Christus Anteil bekommen haben.“ Eph.1,3. Und dann erklärt er, was Gott getan hat, dass wir durch Christus sozusagen mit dem Himmel in Berührung kommen können. Oder anders gesagt: Wie Gott uns den Zutritt in die himmlische Welt geöffnet hat.

Gottes wegweisende Entscheidung

Der Weg zu dieser himmlischen Welt öffnete Gott durch eine grundlegende und wegweisende Entscheidung. Paulus schreibt: „Denn in Christus hat er uns schon vor der Erschaffung der Welt erwählt mit dem Ziel, dass wir ein geheiligtes und untadeliges Leben führen, ein Leben in seiner Gegenwart und erfüllt von seiner Liebe.“ Eph.1,4. Bevor Gott die Welt erschaffen hatte, erwählte er uns! Wir sind keine Zufallsprodukte der Schöpfung. Bevor die Welt erschaffen wurde, hatten wir bereits eine Sonderstellung bei Gott. Aber von wem spricht Paulus hier. Wen meint er mit „uns“? Genau an diesem Punkt gibt es zwei fundamental verschiedene Sichtweise. Es gibt zwei Möglichkeiten, wen Paulus mit dem „uns“ gemeint hat. Die Frage ist: Wer wurde vor der Erschaffung der Welt erwählt? Die einen meinen Paulus spreche von einer individuellen Erwählung. Das ist die Vorstellung, dass Gott vor der Erschaffung der Welt bereits festgelegt hat, dass z.B. Heidy, Hans, Viktor, Claudia usw. zur Rettung erwählt sind. Andere hingegen, Max, Heinz, Margrit usw. wurden nicht erwählt. Mit anderen Worten: Das Schicksal eines Menschen sei bereits vor seiner Zeugung eine beschlossene Sache. Der Reformator Johannes Calvin vertrat diese Sicht. In seine Institutio schreibt er: „So sagen wir denn nach der klaren Lehre der Schrift, dass Gott in seinem ewigen und unabänderlichen Ratschluss ein für allemal festgesetzt hat, welche Leute er zum Heil annehmen, und welche er dem Verderben weihen wollte. Dieser Ratschluss gründet sich für die Auserwählten auf Gottes freie Gnade, nicht auf irgend ein menschliches Verdienst; welche er aber für das Verderben bestimmt hat, denen verschliesst er nach seinem gerechten und über jeden Tadel erhabenen, für uns freilich unbegreiflichen Urteil den Zugang zum Leben.“ (Johannes Calvin: Institutio, III, 21.) Calvin begründete anschliessend seine Überzeugung unter anderem mit diesen Versen im Epheserbrief, die wir jetzt betrachten. Calvin war überzeugt, dass Paulus mit dem „uns“ von einer individuellen Erwählung spricht. Man kann dieses „uns“ auch anders verstehen. Also nicht als eine individuelle Erwählung, sondern als eine kollektive Erwählung. Da bietet sich zunächst einmal der Mensch an. Der Mensch als die Krone der Schöpfung. „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ Gen.1,27. Gott gab dem Menschen von Anbeginn der Schöpfung eine absolute Sonderstellung. Vor der Erschaffung der Welt erwählte Gott den Menschen, der mit seinem Leben Gott ehren sollte. Im Zentrum steht Jesus Christus, wie Paulus den Christen in Kolossä schreibt: „Durch Jesus wurde alles erschaffen, was im Himmel und auf der Erde ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, Könige und Herrscher, Mächte und Gewalten. Das ganze Universum wurde durch ihn geschaffen und hat in ihm sein Ziel. Er war vor allem anderen da, und alles besteht durch ihn.“ Kol.1,16-17. Es ist alles durch und zu Jesus hin geschaffen, deshalb hat die Erwählung ein Ziel: „Dass wir ein geheiligtes und untadeliges Leben führen, ein Leben in seiner Gegenwart und erfüllt von seiner Liebe.“ Eph.1,4. Das „uns“ würde sich also auf uns Menschen – die Menschheit – beziehen. Paulus würde dann sagen: „Uns Menschen hat Gott erwählt.“ Bei der kollektiven Erwählung gibt es noch eine zweite Variante. Das „uns“ könnte auch das Volk Israel meinen: „Uns Juden hat Gott erwählt.“ Das würde gut zur Denk- und Sichtweise der Juden passen. Paulus schreibt z.B. den Galatern. „Unserer Herkunft nach sind wir Juden; wir sind keine Sünder wie die Menschen heidnischer Abstammung.“ Gal.2,15. Israel ist und bleibt das erwählte Volk Gottes. Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass Paulus hier in keiner Art und Weise von einer individuellen Erwählung spricht. Es geht nicht um einzelne Menschen, die selektiert wurden. Paulus spricht von einer kollektiven Erwählung und wie sich die beiden Varianten Menschen und Juden zueinander verhalten, werden wir in der dritten Predigt dieser Reihe sehen. Das Verhältnis der Heiden zu den Juden in Verbindung mit Jesus ist nämlich das Kernthema des Epheserbriefes. Für heute gehen wir der Einfachheit halber von der kollektiven Erwählung der Menschen aus. Paulus betont es noch einmal: „Von allem Anfang an hat Gott uns dazu bestimmt, durch Jesus Christus seine Söhne und Töchter zu werden. Das war sein Plan; so hatte er es beschlossen.“ Eph.1,5. Gott hatte zu Beginn bestimmt, wie wir Menschen mit ihm in Beziehung treten können, nämlich durch seinen Sohn Jesus Christus. Das war sein Plan oder wie es im griechischen Text eigentlich heisst: Das war sein Wille! So will es Gott! Nun müssen wir nur noch die Frage beantworten, ob Gott vor der Erschaffung der Welt auch den Sündenfall geplant hatte, ob der Sündenfall genauso seinem Willen entspricht, wie die Rettung durch seinen Sohn Jesus Christus. Ich sehe das folgendermassen. Gott hatte einen Plan A. Er erschuf die Welt mit Menschen, die seinem Bild entsprechen. Und weil der Mensch als Ebenbild Gottes göttliche Eigenschaften besass, hatte er auch einen freien Willen bekommen. Dieser freie Wille war ein grosses Risiko, denn diesen freien Willen konnte der Mensch missbrauchen und sich gegen seinen Schöpfer auflehnen. Aber ohne freien Willen hätten wir nicht Ebenbilder Gottes sein können. Es war keinesfalls Gottes Wille, dass der Mensch seinen freien Willen missbraucht. Das wäre in meinen Augen absurd. Doch Gott wusste, dass die Möglichkeit bestand, dass sich der Mensch gegen ihn auflehnen würde. Für diesen Fall hatte Gott einen Plan B: „Von allem Anfang an hat Gott uns dazu bestimmt, durch Jesus Christus seine Söhne und Töchter zu werden. Das war sein Wille; so hatte er es beschlossen.“ Eph.1,5. Es war der Plan, dass wir durch Jesus die zerstörte Beziehung zu Gott wieder herstellen können. Wie Gott diesen Plan ausführte, damit werden wir uns nächsten Sonntag beschäftigen.

Gottes lobenswerte Gnade

Diese wegweisende Entscheidung, dass Gott uns vor der Erschaffung der Welt in Christus erwählte, verdient ein grosses Lob. Wer das verstanden hat, der kann nicht anders, als Gott dafür zu loben. „Das alles soll zum Ruhm seiner wunderbaren Gnade beitragen, die Gott uns durch seinen geliebten Sohn erwiesen hat.“ Eph.1,6. Diese wunderbare Gnade, die Gott uns geschenkt hat, hat einen Namen: der geliebte Sohn Gottes, Jesus Christus. Die Gnade Gottes ist immer mit seinem Sohn Jesus Christus verbunden. Wenn wir Jesus loben, dann loben wir die Gnade Gottes. Das Geschenkt Gottes an uns Menschen. Diese Gnade ist so grossartig, weil hier deutlich wird, dass Gott alles dafür getan hat, dass wir unser Ziel erreichen. Was Gott vor der Erschaffung der Welt bestimmt hat funktioniert und kein Mensch kann je etwas daran ändern. Die Erlösung des Menschen ist einzig und allein Gottes Werk! Und es hat Gott gefallen, seinen Sohn zum Zentrum der Erlösung zu machen. Paulus schreibt den Christen in Kolossä: „Ja, Gott hat beschlossen, mit der ganzen Fülle seines Wesens in Jesus zu wohnen.“ Kol.1,19. Und einige Abschnitte weiter: „In Jesus sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen.“ Kol.2,3. Gott wollte das so, weil er uns Menschen von Anfang an eine Sonderstellung geben wollte. Grösser könnte die Zuneigung Gottes zu uns Menschen nicht sein! Mit diesen Versen im Epheserbrief gibt uns Paulus einen tiefen Einblick in das Herz Gottes. Er ist begeistert darüber, dass Gott vor der Erschaffung der Welt sozusagen jedem Menschen durch seinen Sohn Jesus Christus seine Zuneigung zeigt: für jeden Menschen, nicht für einige wenige Auserwählte. Alle Menschen sind von Gott durch seinen Sohn beschenkt. Dass Paulus es so verstand, zeigt auch seine Aussage im Römerbrief: „Genauso, wie eine einzige Verfehlung allen Menschen die Verdammnis brachte, bringt eine einzige Tat, die erfüllt hat, was Gottes Gerechtigkeit fordert, allen Menschen den Freispruch und damit das Leben.“ Röm.5,18. Gott dachte bei seiner Erwählung an alle Menschen auch an dich! Ob ein Mensch sich vor Gott demütigen will und dieses grossartige Geschenk annimmt, muss jeder für sich entscheiden. Jedenfalls heisst es im Johannesevangelium: „All denen, die Jesus aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden.“ Joh.1,12. Die Voraussetzungen für dieses Recht, wurden schon vor der Erschaffung der Welt gelegt. „Von allem Anfang an hat Gott uns dazu bestimmt, durch Jesus Christus seine Söhne und Töchter zu werden. Das war sein Wille; so hatte er es beschlossen.“ Epheser 1,5

Schlussgedanke

Wir werden uns die nächsten beiden Sonntage weiter mit diesen ersten 14 Versen des Epheserbriefes beschäftigen. Für ein gutes und vertieftes Verständnis ist es wichtig, dass ihr bei den nächsten beiden Predigten dabei seid. Übrigens setzt Paulus nicht die Erwählung ins Zentrum dieser ersten sechs Verse, die wir heute angeschaut haben. Im Zentrum steht Jesus Christus. In diesen sechs Versen wird Jesus direkt oder indirekt acht Mal erwähnt! Wenn wir verstehen, was Paulus uns mit diesem Abschnitt sagt, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als in sein Lob einzustimmen: „Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Gepriesen sei er für die Fülle des geistlichen Segens, an der wir in der himmlischen Welt durch Christus Anteil bekommen haben.“ Eph.1,3. Gott hat alles vorbereitet, damit wir im Himmel ankommen werden!