Die Bedeutung von Ruhe und Auszeit im Glauben
Was uns hier in der Freizeit erwartet oder erwarten kann, wollen wir betrachten. Im Alten Testament lesen wir, wie es Elija erging, als er wirklich ziemlich schlecht dran war. Gott gab ihm die Möglichkeit, auszuspannen und aus dem Alltag sowie den Belastungen seines beruflichen Umfelds auszusteigen.
Das wird im Alten Testament häufig betont: Gott schreibt den Menschen sogar vor, Ruhepausen einzulegen. Wenn jemand keine Ruhepause machen will, verordnet Gott sie ihm. Nichts anderes bedeutet das Heiligen des Sabbattages, das wir sogar unter den Zehn Geboten finden – den Feiertag zu heiligen. Gott will, dass wir zur Ruhe kommen. Er möchte nicht, dass wir uns bis ans Ende unserer Tage kaputtmachen.
Manche machen aus einer frommen Haltung heraus Druck und sagen: „Der Teufel schläft nicht, deshalb sollen wir immer aktiv sein und immer das Letzte geben.“ Sicherlich ist es gut, das Letzte zu geben, aber der Teufel sollte nicht unser Vorbild sein. Gott hat nach den sechs Tagen seiner Schöpfung geruht. Dieses Ruhen ist ein Vorbild für uns, das wir ebenfalls beachten sollen.
Heute haben wir es sogar doppelt: Es ist Ferienzeit und Urlaubszeit, weshalb ihr hier seid. Außerdem haben wir noch einen Sonntag – also zwei Gründe, um sich auszuruhen. Doch Ruhe bedeutet im Alten Testament nie nur, die Beine baumeln zu lassen oder, wie man heute sagt, die Seele baumeln zu lassen. Einfach nichts zu tun, sich hängen zu lassen oder alles rauskommen zu lassen, heißt nicht, Ruhe zu finden.
Wer das ausprobiert hat, merkt oft, dass es schwerfällt, innerlich Ruhe zu finden, wenn man wirklich angespannt ist. Die Gedanken verfolgen einen, sie schwirren im Kopf herum, oder man fühlt sich unwohl oder ist womöglich noch angespannt. Gerade heute, angesichts des Ozonlochs und ähnlicher Umstände, sollten wir sowieso vorsichtig sein, uns nicht zu lange in die Sonne zu legen oder uns einfach hinzulegen.
Ruhe als Gemeinschaftserlebnis und Gottesbeziehung
Im Alten Testament finden wir das Thema Ruhe, das eng mit Gemeinschaft und Miteinander verbunden ist. Ruhe zeigt sich beispielsweise beim Feiern, wenn Gott ein Opfer dargebracht worden ist. Wenn man im Alten Testament liest, geht es nicht nur darum, dass das ganze Tier für Gott verbrannt wurde. Vielmehr wurden das Blut und einige Innereien auf dem Altar Gott geopfert. Der übrige Teil des Opfers wurde, je nach Art des Opfers, in dem Dorf verteilt, in dem die Menschen lebten. Anschließend sollte gemeinsam gefeiert werden.
Denn wenn Gott sich über das Opfer freut, das ihm gebracht wurde, sollen sich auch die Menschen untereinander freuen. So stand am Sabbat oder an den Feiertagen immer Gott im Mittelpunkt. Die Menschen sollten nicht einfach aussteigen und leer dastehen, ohne etwas, das diese Lehre ausfüllen konnte. Stattdessen sollten sie sich auf Gott ausrichten und auf ihn konzentrieren.
Im Alten Testament finden wir daher häufig Situationen, in denen Gott den Menschen Ruhe verordnet hat. Ähnlich ist es auch im Neuen Testament. Wir können einen Blick in das Leben mancher Menschen werfen, zum Beispiel auf Paulus, wie wir es noch im Galaterbrief lesen werden.
Paul Timlin deutet es so, dass Paulus, nachdem er zum Glauben gekommen war, nicht sofort zu den Jüngern nach Jerusalem ging. Stattdessen blieb er nur kurz dort und zog dann in die Wüste nach Arabien. Dort verbrachte er eine lange Zeit. Wir wissen nicht genau, was er dort tat. Das Einzige, was wir sagen können, ist, dass er Ruhe mit Gott hatte. Gott bereitete ihn auf seinen späteren Dienst als Heidenmissionar vor.
Nach dieser Zeit war Paulus noch eine Weile in der Gemeinde in Antiochien, bevor er berufen wurde. Er brauchte und erhielt eine Zeit der Ruhe und Vorbereitung von Gott.
Jesus als Vorbild für die Suche nach Ruhe und Gemeinschaft mit Gott
Und sogar Jesus – den wir heute etwas genauer betrachten wollen – ging es genauso. Jesus, obwohl er ja, oder wir könnten sagen vielleicht gerade deshalb, weil er der Sohn Gottes war, immer eine innige Verbindung zu Gott im Himmel, zu seinem Vater, hatte, brauchte trotzdem die Ruhe. Er musste ganz allein sein, um sich zu besinnen auf das, was Gott mit ihm vorhatte. Oder um sich von der Anstrengung zu erholen, die die Aufgaben, die Gott ihm gegeben hatte, auch bei ihm verursacht hatten.
Wenn wir sehen, dass Jesus, der ja viel vollkommener war als wir es sind und der in viel innigerer Beziehung zu Gott stand, als wir das heute je haben können, Ruhe gebraucht hat – und wenn Gott ihm diese Ruhe verordnet hat –, dann müssten wir sagen, dass wir sie umso mehr brauchen.
Ich möchte einen Vers vorlesen, der im Hebräerbrief sozusagen als Zusammenfassung des Lebens Jesu und seiner Verbindung zu Gott geschrieben steht. Hebräer 5,7: „Und er, Jesus, hat in den Tagen seines Fleisches, also als er auf der Erde gelebt hat, Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Tränen geopfert zu dem, der ihn vom Tode konnte aushelfen, und ist auch erhört worden darum, dass er Gott in Ehren hatte.“
Und wie wohl er Gottes Sohn war, hat er doch dem, an dem er litt, Gehorsam gelernt usw. usw.
Was wir da lesen, ist, dass Jesus, als er hier auf der Erde lebte – was hat er getan? Was wird hier zusammenfassend über sein Leben gesagt? Er hat mit Gebet und Flehen, also in der Einsamkeit, in der Stille vor Gott gebetet. In der Gemeinschaft vor Gott hat er, Gott sei Dank, dieses Gebet, diese Zeit von seinem Leben geopfert, weil er wusste: Das ist derjenige, der alleine weiterhelfen kann.
Menschen können nicht helfen, selbst die engsten Freunde – wir werden später noch darauf eingehen, wie sie sich verhalten, wenn Jesus unter Druck ist. Und so ist es manchmal auch bei uns: Wenn wir enge Freunde haben, sind diese plötzlich weg, wenn wir sie brauchen. Plötzlich helfen sie uns nicht weiter.
Hier lesen wir ganz deutlich: Jesus wusste, an wen er sich wenden musste. Und er wusste auch, dass die Zeit, die er mit Gott verbringt, keine vertane Zeit ist. Sondern dass das eine Zeit ist, die sich hinterher allemal auszahlt.
Jesus’ Rückzug in die Stille als Kraftquelle
Wir lesen an verschiedenen Stellen, und ich möchte hier nur einige vorlesen, dass Jesus ganz häufig in die Stille hineingegangen ist.
Im Markus-Evangelium, Kapitel 1, Vers 35, finden wir eine solche Stelle:
Markus 1,35: „Und des Morgens vortage stand er auf und ging hinaus, und Jesus ging in eine wüste Stätte und betete daselbst.“
Petrus und die anderen Jünger eilten ihm nach und fanden ihn dort. Jesus sagt hier nicht, dass er nach all der Arbeit Ruhe braucht. Zuvor hatte er viele Heilungen vollbracht, und die Menschen ließen ihn kaum zur Ruhe kommen. Sie stürmten sogar in das Haus, in dem er war. Doch Jesus sagt nicht: „Jetzt muss ich lange ausschlafen, um wieder zu Kräften zu kommen.“ Ganz im Gegenteil: Früh, noch bevor der Morgen oder die Sonne aufgegangen ist, macht er sich auf den Weg. Die Jünger schlafen noch im selben Haus und merken nicht einmal, dass Jesus aufsteht. Er zieht sich hinaus in die Wüste, um ganz allein zu sein, ohne Ablenkung oder Störung, um auf Gott zu hören.
An einer anderen Stelle, in Markus 6, Vers 46, finden wir wieder, dass Jesus in die Einsamkeit geht:
Markus 6,46: „Und da er sie von sich geschafft hatte, ging er hin auf einen Berg, um zu beten.“
Hier ist die große Volksmenge nach der Speisung der 5000 bei ihm. Sie bedrängen ihn und wollen ihn sozusagen zum König machen, weil sie sagen: „So einen König brauchen wir, einen Brotkönig. Wir müssen nicht mehr arbeiten, wir haben immer genug zu essen, das ist super.“ Jesus aber lässt sich nicht zum König ausrufen oder Ähnliches. Stattdessen geht er weg von den Menschen auf einen Berg, um dort zu beten.
Eine ähnliche Situation finden wir in Matthäus 14, Vers 13:
Matthäus 14,13: „Da es Jesus hörte, wich er von dann auf ein Schiff in die Wüste allein, und da das Volk das hörte, folgten sie ihm nach zu Fuß auf den Stätten.“
Hier ist Johannes der Täufer gerade ermordet worden. Er war Jesu Vorläufer, der die Menschen auf das Kommen Jesu vorbereitet hat. Jesus ist traurig darüber. Was tut er in seiner Trauer? Er geht nicht in eine Depression oder zu seinen Freunden, sondern er zieht sich allein in die Wüste zurück, um dort Zeit mit Gott zu verbringen und auf ihn zu hören. So bewältigt er seine Trauer mit Gottes Hilfe.
Wir sehen das auch noch in Matthäus 15, Vers 21:
Matthäus 15,21: „Und Jesus ging aus von dannen und entwich in die Gegend von Sidon und Tyros.“
Wieder kommen viele Menschen zu ihm, bedrängen ihn und wollen etwas von ihm. Jesus zieht sich erneut zurück in die Einsamkeit. Man könnte fragen: Warum nutzt er nicht die Chance, da sind so viele Menschen – predige ihnen doch, heile sie doch! An anderen Stellen tut Jesus das auch. Aber er kennt seine Grenzen. Er weiß, wann die Zeit für die Einsamkeit mit Gott gekommen ist.
Einen letzten Vers, den ich vorlesen möchte, finden wir im Lukasevangelium:
Lukas 5,16: „Er aber entwich in die Wüste und betete.“
Auch hier ein Beispiel, bei dem Jesus sich zurückzieht, um mit Gott Zeit zu verbringen. Zuvor heilt er gerade einen Aussätzigen. Viele Menschen wollen etwas von ihm. In Kapitel 5 beruft Jesus zudem seine ersten Jünger. Das heißt, er wird stark gefordert, und es beginnt eine neue Phase. Er bereitet sich darauf vor, öffentlich aufzutreten und für das Reich Gottes zu wirken. Bevor er das tut, zieht er sich wieder in die Einsamkeit zurück, in die Wüste, um dort Zeit mit Gott zu verbringen.
Die Versuchung Jesu als Beispiel für die Kraft der Stille mit Gott
So sehen wir das an verschiedenen Stellen, und wir können heute Morgen gar nicht alle Stellen nachschauen, die wir im Neuen Testament finden, die uns zeigen, wie Jesus sich vorbildlich in der Beziehung zu Gott verhalten hat. Deshalb wollen wir heute Morgen nur drei Stellen herausnehmen, die beispielhaft zeigen, in welcher innigen Beziehung Jesus Christus zu Gott, dem Vater, stand und wie er versucht hat, die Jünger mit in diese Engelbeziehung hineinzunehmen.
Diese drei Stellen sind zuerst einmal die Versuchung Jesu, die wir in drei Evangelien finden: Matthäus, Markus und Lukas. Ich lese hier die Begebenheit nach dem Matthäusevangelium, Matthäus 4, Verse 1 bis 11, die Versuchung Jesu. Wir kennen sie meistens unter dem Begriff „die Versuchung Jesu“. Wenn wir aber genauer hineinschauen, müsste es eigentlich „die Stille mit Gott“ heißen, denn wir werden sehen, worum es hier eigentlich geht.
Jesus wurde vom Geist in die Wüste geführt, damit er vom Teufel versucht würde. Nachdem er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Hier merken wir schon einen zeitlichen Unterbruch: Die Versuchung selbst hat vielleicht fünf Minuten in Anspruch genommen. Wenn man es großzügig sieht, vielleicht sogar einen ganzen Tag, wenn er von einem Ort zum anderen geführt wurde. Aber was war vorher? Das steht hier nur ganz nebenbei. Lesen wir das: Vierzig Tage lang in der Wüste – das ist die Vorbereitungszeit, gefastet und gebetet, in enger Gemeinschaft mit Gott, als Vorbereitung auf die Versuchung, die ihm bevorstand.
Ich lese weiter: „Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden! Er antwortete und sprach: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes geht.“
Nach vierzig Tagen Fasten, wohlgemerkt, sagt Jesus das und nicht mit vollem Bauch. Dann führte ihn der Teufel in die heilige Stadt, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: „Bist du Gottes Sohn, so wirf dich herab! Denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln über dir Befehl tun, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“
Da sprach Jesus zu ihm: „Wiederum steht geschrieben: Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen!“ Der Teufel führte ihn ein weiteres Mal mit sich auf einen sehr hohen Berg, zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: „Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.“
Jesus antwortete: „Weiche von mir, Satan! Denn es steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.“ Da verließ ihn der Teufel, und siehe, Engel traten zu ihm und dienten ihm.
Was fällt uns an diesem ersten Text auf? Zunächst die Umgebung, der Ort, an dem das geschieht: Einsamkeit. Nichts ringsherum, was ihn ablenken könnte. Das sollten wir im Kopf behalten, wenn wir Einsamkeit mit Gott suchen. Wenn ich am Schreibtisch sitze, dort die unerledigten Briefe liegen, auf der anderen Seite die Aufgaben, was ich noch alles kaufen und tun sollte, und das Radio dudelt im Hintergrund, während die Kinder schreien – das sind Alltagssituationen, aber keine, in denen ich innere Stille vor Gott finden kann.
Deshalb geht Jesus hier in die Einsamkeit, in die Wüste. Dort war nichts, nicht einmal Tiere, die ihn ablenken konnten – nur Öde. In dieser Einsamkeit sucht er die Nähe Gottes.
Wir merken auch, dass Einsamkeit nicht automatisch zu Gott führt. Denn wir lesen, dass diese Einsamkeit, in der wir ganz auf uns allein gestellt sind, auch schlechte Gedanken hervorrufen kann, auch Anfechtung. Das passiert hier später ja auch. Zuerst sind es 40 Tage Gemeinschaft mit Gott, dann kommt die Anfechtung.
Einsamkeit kann auch Ablenkung sein. Blaise Pascal sagte einmal, dass das Schlimmste für Menschen unserer Zeit sei, allein mit sich zu sein, ohne Ablenkung. Warum? Weil sie dann plötzlich in bodenloser Leere dastehen und nicht mehr wissen, was sie tun sollen oder warum sie überhaupt da sind. Oder es kann sein, dass Schlechtigkeit hervorkommt, wie wir es kennen: Müßiggang ist der Anfang aller Laster. Wenn man nichts tut und einfach nur da sitzt, ohne sich auf etwas zu konzentrieren, wie auf Gott, können schlechte Gedanken und Anfechtung in uns kommen.
So war es beispielsweise auch mit Mohammed, dem Gründer des Islam. Er zog sich in die Einsamkeit der Wüste zurück, richtete sich aber nicht auf Gott aus. Stattdessen erhielt er Offenbarungen von Geistern, und so entstand der Islam. Einsamkeit allein führt also nicht automatisch dazu, dass wir Gott hören. Wir müssen uns bewusst auf ihn ausrichten, dann werden wir ihn hören.
Was uns hier ebenfalls auffällt, ist, dass der Heilige Geist Jesus in die Einsamkeit führte. Das heißt: Der Heilige Geist, der in uns ist, wenn wir Gottes Kinder geworden sind, ruft uns dazu auf, allein mit Gott zu sein. Und er führt Jesus sogar in die Wüste, damit er versucht wird. Doch der Heilige Geist führt ihn auch dahin, um ihn auf die Versuchung vorzubereiten.
Versuchung ist also nicht ausgeschlossen. Sie kann sogar in sehr frommem Gewand kommen, wie wir hier lesen: Der Teufel zitiert Bibelverse und sagt: „Steht da nicht geschrieben?“ Es gibt auch Verführungen im frommen Bereich. Menschen können uns mit frommen Worten unter Druck setzen. Wir müssen prüfen, ob das, was wir hören oder lesen, wirklich Gottes Wort für uns in dieser Situation ist oder ob es uns verführen und von Gott wegbringen will.
In der Einsamkeit ist Jesus vom Heiligen Geist geführt, sein Glaube wird getestet – und das alles, bevor sein Dienst unter den Menschen beginnt.
Ein praktischer Punkt, den wir daraus lernen können, ist das Fasten. Jesus lässt sich nicht vom Essen ablenken. Er opfert das Essen Gott. Er ist bereit, darauf zu verzichten, um sich ganz auf Gott auszurichten. Er sucht die Nähe Gottes, und alles andere wird dagegen leer und bedeutungslos. Er will nur noch auf Gott hören und verzichtet auf alles, was ihn sonst ablenkt.
Das ist auch heute eine Herausforderung: Wie viele Dinge erscheinen uns wichtiger und stehlen uns Zeit? Jesus stellt hier sogar das Lebensnotwendige zurück, um diese Nähe zu Gott zu suchen.
Diese Nähe zu Gott hat auch Auswirkungen. In den Herausforderungen, die der Teufel an Jesus stellt, merken wir das. Beim ersten Mal sagt Jesus: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort Gottes.“ Die Nähe Gottes hat ihn so erfüllt, dass der große Hunger nach 40 Tagen Fasten nichts dagegen ausrichten konnte.
Vielleicht habt ihr das auch schon erlebt: Ihr seid allein, vielleicht nach dem Lesen des Wortes Gottes, oder draußen in der Natur, am Schreibtisch oder im Bett, und ihr merkt, Gott ist da. Wenn ihr beglückt seid, etwas aus der Bibel erkannt habt und spürt, dass Gott zu euch spricht, treten alle anderen Dinge, die wichtig erscheinen, zurück.
Bei der zweiten Bitte geht es in eine ähnliche Richtung. Jesus soll sich zeigen als derjenige, der über die Mächte Gottes herrscht, der die ganze Kraft Gottes in der Hand hat. Doch Jesus rückt die Perspektive wieder gerade: Zuerst Gott, zuerst auf Gott ausgerichtet sein. Es kommt nicht darauf an, wie ich mich präsentiere oder darstelle.
Dasselbe gilt beim dritten Versuch: Alle Reiche der Welt werden ihm gezeigt. Stellen wir uns vor, da sind nicht nur Milliarden von Geld und Gut, sondern die gesamte Ehre der Welt wird Jesus angeboten, wenn er nur niederfällt und anbetet. So ähnlich kann es auch bei uns kommen: Wir sollen einen Kniefall machen, ohne innerlich wirklich zu glauben, nur um nicht aufzufallen. Im Gespräch mit Nachbarn, am Arbeitsplatz oder in der Schule heißt es dann: „Man will doch ein gutes Verhältnis, da muss man nicht so extrem sein.“
Diese Versuchung ist bei Jesus viel stärker: Es geht nicht um Anerkennung von Nachbarn oder Kollegen, sondern um den gesamten Reichtum und die Ehre der Welt. Doch Jesus hat in diesen 40 Tagen die Nähe Gottes so sehr erlebt, dass er weiß: Was bringt mir das alles? Was mich wirklich erfüllt, neu macht und mir Kraft und Perspektive gibt, ist allein die Gemeinschaft mit Gott. Deshalb sagt er: „Nein, nur Gott sollst du anbeten, alles andere steht dahinter zurück.“
Die Fähigkeit, auf Versuchungen zu antworten und sie zu bestehen, kommt bei Jesus aus der Stille mit Gott. Das müssen wir deutlich sehen. Jesus hat sich vierzig Tage und Nächte vorbereitet. Er war nicht der Supermann, der einfach sagt: „Teufel, komm her, versuche mich!“ Er hat sich in der Gemeinschaft mit Gott vorbereitet.
Wenn Jesus das gebraucht hat, wie viel mehr brauchen wir das? Wenn wir in Sünde fallen oder der Versuchung nicht widerstehen, wundert es niemanden, wenn wir nicht die Gemeinschaft mit Gott gesucht und diese Stabilität erfahren haben, um aus ihr heraus der Versuchung zu widerstehen.
Und wie reagiert Gott darauf? Er greift nicht mitten in der Versuchung ein und macht Jesus taub, sodass er den Teufel nicht mehr hören kann. Aber danach greift Gott ein: Er schickt Engel, die ihm dienen. Gott stärkt ihn und gibt ihm Ruhe für den nächsten Auftrag.
Engel sind auch um uns herum. Wenn das Bild nicht zu klischeehaft wäre, könnten wir von Schutzengeln sprechen, die uns bewahren. Ich möchte nicht alle Stellen lesen, aber in 1. Korinther 4,9 lesen wir, dass Engel um uns sind und uns zuschauen, wie wir leben. In 1. Könige 19,5 sind sie für das Wohl des Volkes Israel zuständig. Im Psalm 34,8 heißt es, der Engel des Herrn hilft seinem Volk und denen, die ihm nachfolgen. Im Matthäusevangelium 2,13 und 2,19 erscheint ein Engel Joseph und warnt ihn vor zukünftigen Gefahren, damit sie nach Ägypten fliehen. In der Apostelgeschichte wird Petrus, der gefangen ist, von einem Engel befreit.
Das sind nur einige Beispiele von vielen, die zeigen, dass wir nicht materialistischer sein sollten als andere Menschen. Unsichtbare Mächte und Kräfte sind um uns, Engel, die uns bewahren, helfen und stärken können – so wie Jesus hier gestärkt wurde. Auch wenn wir sie manchmal nicht sehen, sind sie trotzdem da und wollen uns Schutz geben. Das sagt die Bibel ganz deutlich.
Zum Schluss noch ein Punkt, der uns bei der Begegnung Jesu mit Gott auffallen kann. Den lesen wir nicht hier, sondern im Parallelbericht in Lukas 4,13: „Der Teufel wich nur eine Zeitlang von ihm.“ Das sollte uns klar machen: Wenn wir einmal der Versuchung widerstanden haben und in der Stille vor Gott seine Größe erlebt haben, heißt das nicht, dass das für alle Zeit reicht. Jesus hätte sagen können: „Der Teufel ist besiegt, die Sache ist erledigt, jetzt kann ich an die Arbeit gehen.“ Nein! Im Lukasevangelium steht deutlich, dass der Teufel nur eine Zeitlang wich.
Jetzt hat Jesus gesiegt, aber der Teufel gibt nicht klein bei. Wir werden wieder in Versuchung kommen. Deshalb brauchen wir immer wieder die Stille vor Gott, um Kraft zu schöpfen und uns vorzubereiten.
Jesus lehrt die Jünger die Bedeutung der Stille mit Gott
Die zweite Stelle, die ich vorlesen möchte, handelt davon, dass Jesus die Jünger nun mit in diese Stille vor Gott hineinführt. Diese Stille haben wir gerade zu Beginn des Gottesdienstes gehört. Ich möchte aus Matthäus 17, Verse 1 bis 8 vorlesen.
Hier sucht Jesus die Stille vor Gott, um sich erneut auf seine künftige Aufgabe vorzubereiten. Gleichzeitig will er den Jüngern zeigen, was es bedeutet, still vor Gott zu sein. Beim dritten Text werden wir dann sehen, wie gut die Jünger das gelernt haben. Doch dazu kommen wir gleich noch.
Ich lese vor, Matthäus 17, Verse 1-8:
„Nach sechs Tagen nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes, seinen Bruder, zu sich und führte sie beiseite auf einen hohen Berg. Dort wurde er vor ihren Augen verklärt. Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Siehe, da erschienen Mose und Elija und redeten mit ihm.
Petrus antwortete Jesus: ‚Herr, hier ist es gut zu sein. Willst du, so wollen wir hier drei Hütten bauen: eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.‘
Während er noch redete, überschattete sie eine lichte Wolke. Und eine Stimme aus der Wolke sprach: ‚Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Den sollt ihr hören!‘
Als die Jünger das hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sagte: ‚Steht auf und fürchtet euch nicht!‘
Als sie ihre Augen aufhoben, sahen sie niemanden außer Jesus allein.“
Hier sehen wir die zweite Begegnung. Zunächst einmal: Was war in der Zeit davor? Es gab schwere Anforderungen Jesu. Es ging um den Lohn der Nachfolge, also darum, was es bedeutet, Jesus nachzufolgen, alles zu verlassen und zurückzulassen.
Jesus kündigt auch seinen Tod an. Das ist eine schwere Botschaft – sowohl für ihn selbst, denn er weiß innerlich, dass er bald sterben muss, als auch für die Jünger. Danach folgt der Dienst der Jünger, denn Jesus sendet sie aus.
Was steht dazwischen? Dazwischen steht diese Stille mit Gott, diese Stille mit Jesus, in der sie ihren Blick ganz auf ihn richten. So endet auch diese Erscheinung. Die Jünger heben ihre Augen auf und sehen niemanden außer Jesus allein.
Jesus, Gott, steht hier im Mittelpunkt dieses Erlebnisses auf einem einsamen Berg. Sie ziehen sich gemeinsam zurück, sozusagen zu einer Klausurtagung – ähnlich wie manche Politiker, die sich in Klöstern zurückziehen. Allerdings planen diese Politiker wahrscheinlich nicht so still vor Gott, sondern beschäftigen sich mit anderen Dingen.
Prinzipiell können wir sagen: Stille kann auch mit anderen Menschen zusammen erlebt werden, wenn wir uns nicht gegenseitig ablenken, sondern gemeinsam auf Gott ausgerichtet sind. Genau das tun die Jünger hier.
Es gibt keine großen Unterhaltungen oder Diskussionen über Pläne, wie sie am besten die Juden erreichen oder eine Revolution anzetteln könnten. Nein, es geht allein um die Ausrichtung auf Gott.
Der Ort ist ein hoher Berg, sehr wahrscheinlich der Tabor. Heute steigt jeder Israel-Tourist auf den Tabor. Dort wurde eine schöne Kirche gebaut. Wer oben steht, sieht, dass alles ringsherum ziemlich öde ist. Es wächst kaum etwas, es gibt viele Felsen, und meistens scheint die Sonne, so wie es in Israel üblich ist. Sonst ist dort oben nichts.
Damals gab es keine Touristen, die auf Berge stiegen, um die schöne Aussicht zu genießen. Man stieg höchstens auf Berge, wenn es unbedingt notwendig war – zum Beispiel ein Heerführer, um die feindliche Armee zu beobachten, oder ein Spion. Aber sonst ging man nicht auf Berge, weil dort nichts wuchs und es nichts zu holen gab.
Deshalb geht Jesus genau an diesen Ort. Nicht wegen der Aussicht und auch nicht, um eine schöne Wanderung zu machen, sondern um allein zu sein. Niemand ist da, der sie ablenken oder stören kann. So können sie sich gemeinsam besinnen.
Obwohl die Jünger Jesus täglich sehen und mit ihm im Alltag zu tun haben, erkennen sie ihn hier plötzlich in einem ganz anderen Zusammenhang. Genauso kann es uns auch gehen.
Wir kennen Jesus, lesen hoffentlich oft in der Bibel und lernen ihn dadurch näher kennen. Wir beten zu Jesus Christus und erfahren, wie er antwortet. Doch hier erkennen die Jünger Jesus auf eine ganz besondere Art und Weise. Sie sind allein, ohne Ablenkung, und richten sich nur auf Jesus Christus aus.
Sie sehen Jesus umgeben von Licht. Sein Gesicht leuchtet vom Himmel herab. Licht ist in der Bibel immer ein Zeichen für das, was Menschen anzieht. Denken wir an die Hirten auf dem Feld, die das Licht sehen und fasziniert sind. Sie fallen auf die Knie.
Wir lesen, dass Gott in einem unzugänglichen Licht wohnt, zu dem niemand gelangen kann. Das Licht ist ein Zeichen für die Göttlichkeit.
Wir sollen selbst Licht sein, wie auf einem Leuchter, der die Welt um uns herum erhellt und zeigt, was der Wille Gottes ist. Das Licht zeigt aber auch die Fehler in unserem Leben.
Die Jünger sehen hier ganz deutlich: Sie sind nichts. Sie fallen auf die Erde und merken, dass sie schmutzig und weit entfernt von Gott sind. Trotzdem wollen sie in dieser Nähe bleiben.
Es ist der Glanz der Zukunft, der Herrlichkeit Gottes, der hier aufleuchtet. Sie sagen: „Lass uns hier bleiben. Hier ist es so wunderbar.“ Das ist alles, was sie im Leben erwarten können. Sie brauchen nichts anderes mehr.
Wir wissen, dass Petrus verheiratet war. Doch hier sagt er, dass Familie, Arbeit und Auftrag unwichtig sind. Er will allein mit Gott bleiben, bis zum Ende seines Lebens und bis in die Ewigkeit.
So erkennen wir, was für ein Erlebnis es sein kann, allein mit Gott zu sein und ihn zu erfahren.
Dann sehen wir die drei Personen: Jesus, Elija und Mose. Elija ist der Hinweis auf den Messias, der kommen wird. Beim Passafest wird ein Stuhl für Elija freigehalten, der den Messias ankündigen soll.
Mose lenkt die Aufmerksamkeit auf das Gesetz Gottes. Gott begegnet uns auch in seinem Gesetz, also in seinem Wort, das wir im Alten und Neuen Testament finden.
Gott offenbart sich darin nicht als Unterdrücker, sondern als Bereicherer und Befreier.
Petrus’ Reaktion habe ich schon erwähnt: Er will Hütten bauen. Dabei denkt er nicht an sich selbst, sondern hauptsächlich an die anderen. Sie sollen sich wohlfühlen, damit sie nicht weggehen. Deshalb will er für sie eine Hütte bauen.
Gott spricht an dieser Stelle zu ihnen auf eine ganz außergewöhnliche Weise, nämlich mit einer hörbaren Stimme vom Himmel. Ich will hier kein Versprechen geben, dass das jedem so ergehen kann. Aber wir sehen deutlich, dass Gott hier auf besondere Art spricht, wie er es schon bei der Taufe Jesu getan hat.
Die Wirkung ist, dass die Jünger auf ihr Angesicht fallen. In der Bibel ist das ein Zeichen der Anbetung. Sie zeigen damit: „Ich bin nichts vor Gott. Ich lege mich flach auf den Boden. Du kannst über mich verfügen. Ich bin wie Dreck vor deinen Augen.“
Das tun die Jünger hier. Sie sehen die Herrlichkeit Gottes und erkennen, dass ihr Leben dagegen nichts ist. Es ist leer, und es kann nicht so weitergehen.
Dabei kommt auch die Sündenerkenntnis. Sie merken, dass sie durch Jesus gereinigt werden sollen.
Dann blicken sie auf und sehen Jesus Christus allein. Die Sorgen sind verschwunden. Die spektakulären Erlebnisse mit den Erscheinungen vom Himmel sind vergessen.
Sie sehen Jesus mit anderen Augen. Nicht mehr ihre Sünde, nicht mehr ihre Aufgaben, nicht mehr Mose oder Elija, sondern nur noch Jesus.
So soll es uns auch gehen, wenn wir in der Einsamkeit mit Gott sind. Was sollen wir vor Augen haben? Nicht unsere Probleme, sondern Jesus allein.
Diese Zeit ist jedoch begrenzt. Wir sollen uns nicht wie die Mönche und Eremiten im Mittelalter zurückziehen, um auf einer Säule zu meditieren oder in einer Höhle zu beten.
In Beatenberg in der Schweiz gibt es eine solche Höhle, die mit Schaufensterfiguren ausgestattet ist, um sich das Leben eines Eremiten vorzustellen. Dieser predigte im Mittelalter und wollte möglichst ungestört allein mit Gott sein.
Das ist gut. Aber wir sehen bei Jesus immer wieder: Es gibt die Ruhe mit Gott, und dann kommt der Auftrag, hinauszugehen zu den Menschen.
Es geht nicht darum, sich allein mit Gott wohlzufühlen, sondern aus der Gemeinschaft mit Gott heraus den Dienst unter den Menschen anzutreten.
Die Jünger lernen Wachsamkeit und Gebet in der Krise
Nun wollen wir uns ein paar Minuten Zeit nehmen für den letzten Text, den ich hier vorstellen möchte. Es ist der Text, in dem wir sehen können, was die Jünger von dem gelernt haben, was Jesus ihnen beigebracht hat.
In Matthäus 26,36-46 lesen wir von der Zeit im Garten Gethsemane vor der Kreuzigung Jesu. Dort sehen wir, wie Jesus Gemeinschaft mit Gott sucht vor einer schweren Aufgabe, und die Jünger begleiten ihn.
Ich lese vor, Matthäus 26,36-46:
Da kam Jesus mit ihnen zu einem Hof, der hieß Gethsemane, und sprach zu seinen Jüngern: Setzt euch hier, bis ich dorthin gehe und bete. Er nahm zu sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen. Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist so betrübt bis an den Tod; bleibet hier und wachet mit mir!
Und er ging ein wenig weiter, fiel auf sein Angesicht und betete: Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!
Er kam zu seinen Jüngern zurück und fand sie schlafend. Er sprach zu Petrus: Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet! Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Zum zweiten Mal ging er hin und betete: Mein Vater, ist es nicht möglich, dass dieser Kelch an mir vorübergeht? Ich will ihn trinken; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!
Er kam zurück und fand sie wieder schlafend; ihre Augen waren voll Schlaf. Er ließ sie und ging abermals hin und betete zum dritten Mal dieselben Worte.
Dann kam er zu seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, was schlaft ihr denn? Ruht euch aus! Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überliefert wird. Steht auf und lasst uns gehen! Siehe, der ist da, der mich verrät.
Dann folgt der Verrat an Jesus, und er wird danach gekreuzigt.
Wir finden in den Parallelstellen der anderen Evangelien ebenfalls, dass Jesus sich an den Ölberg zurückgezogen hat, so wie es üblich war – wie er es oft getan hat.
Die Zeit davor ist das letzte Passah, die Todesankündigung; danach folgen die Verurteilung, das Leiden, das Quälen und der Tod. Der Ort ist wieder eine einsame Stelle, der Garten, wo das Getriebe der Stadt nicht hinkommt. Es ist ein Ort der Stille. Es gibt keine Störung, nur Gott ist da, ganz in der Nähe des Ölbergs.
Wie wir in Lukas 22,39 lesen, war es üblich, dass er dorthin ging. Seine Begleiter waren seine engsten Freunde, die mit ihm das Leben geteilt haben.
Wir sehen, dass Einsamkeit hier nicht unbedingt bedeutet, ganz allein zu sein, sondern dass es auch andere gibt, die uns unterstützen, mitbeten und mit an der Sache arbeiten, dass wir Gott finden wollen.
Doch letztendlich versagen diese Freunde, und darauf müssen wir auch gefasst sein. Es ist nicht so, dass wir sagen können, wir haben unsere guten Freunde, und dann klappt alles gut. Es kann sogar sein, dass wir von denen verlassen werden, so wie Jesus.
Manchmal sagen wir: "Bete doch darum, mir geht es so schlecht." Und dann merken wir, wenn wir sie eine Woche später treffen, dass sie sagen: "Was, geht es dir gut? Da war ja irgendwas." Plötzlich merken wir, dass sie gar nicht mit dabei sind. Vielleicht sind wir enttäuscht darüber. Jesus ging es genauso.
Aber letztendlich müssen wir sehen: Freunde anzusprechen ist gut, und wir sollen einstehen und beten. Doch unsere Hoffnung ruht letztendlich auf Gott, auf Jesus allein.
Die Seelenlage Jesu ist Todesangst, Ungewissheit, Kampf, Trauer – alles geht verloren, was sein Leben bisher ausgemacht hat, wofür er sich ausgerichtet hat. Er leidet daran. Wir sehen hier ernsthaft, dass er nicht sterben will. Das bringt er vor Gott.
Das Schlimmste, was ihm geschehen kann, kann er nicht allein bewältigen. Er sucht, seine Not mitzuteilen – seinen Freunden, was letztendlich nicht hilft, und Gott, dem er ehrlich gegenübertritt.
Jesus ist hier nicht der Supermann, der ein frommes Heldenepos spielt und sagt: "Hier bin ich, mir kann nichts passieren, ich sterbe gerne, und es macht mir Spaß zu sterben." Nein, wir lesen hier, dass er leidet, Angst hat und es nicht will.
Doch letztendlich ordnet er sich dem Willen Gottes unter.
Auch vor Gott sollten wir ehrlich sein. Wir sollten nichts vorspielen, denn Gott weiß sowieso, wie es uns geht. Stattdessen dürfen wir ehrlich zu Gott sprechen, und dann kann er uns helfen.
Die Haltung, keine falsche Selbstsicherheit zu zeigen, sondern Demut vor Gott zu haben und ernst aufs Angesicht zu fallen – ich denke, auch heute können wir das tun. Wir können uns auf die Knie begeben, wenn wir vor Gott beten, um auszudrücken, wie wir vor ihm stehen.
Die Jünger aber schlafen nach der Mühe und der Einsamkeit ein. Sie sollen ganz auf Gott gerichtet sein, doch das ist nicht so. Die Konzentration auf Gott kommt nicht automatisch, sie müssen darum kämpfen – und das tun sie hier nicht.
Hier lesen wir auch den Zusammenhang, den ich vorhin bei der Versuchung Jesu erwähnt habe: "Wachet, damit ihr nicht in Anfechtung fallt!"
Hier gibt Jesus ihnen genau den Tipp, den er selbst erfahren hat. Er hat gesehen: Ich brauche diese innige Gemeinschaft mit Gott, damit ich, wenn die Versuchung kommt, nicht versage.
Bei den Jüngern sehen wir, dass sie das nicht haben. Und was passiert danach? Sie laufen alle weg, niemand denkt mehr an Jesus. Petrus verleugnet Jesus, weil sie sich nicht in der Gemeinschaft vorbereitet haben auf das, was ihnen bevorsteht.
Der Geist ist willig, sagt er: Mach das, bete zu Gott! Aber das Fleisch ist schwach: "Ach, ich bin so müde, es ist so dunkel hier, Herr Jesus wird schon alleine zurechtkommen." Nur ein bisschen die Augen zumachen, und dann plötzlich schlafen sie ein.
Jesus kommt, rüttelt sie auf, doch wieder schlafen sie ein. Dreimal geht er zu den Jüngern, dreimal gibt Gott ihnen eine Chance. Aber die Liebe Jesu hört nicht auf.
Später ist es so, dass sie, obwohl sie in Anfechtung gefallen sind, wieder neu mit Gott anfangen können. Diese Lektion haben sie gelernt.
Jesus ergibt sich hier dem Willen Gottes. Er bekommt eine neue Perspektive für sein Leben und sein Problem, ausgerichtet auf Gott. Seine eigene Last fällt von ihm ab.
Hier kommen wieder die Engel, die ihn stärken, wie wir in Lukas 22,43 lesen: Ein Engel kam vom Himmel herab, um ihn zu stärken.
Wir sehen, dass die Stille mit Gott Auswirkungen hat.
Lasst uns danach streben, trotz all dem, was schön sein kann in Gemeinschaft – die wir ja haben wollen, in der wir uns gegenseitig erbauen, in der wir Spaß haben beim Spiel, Sport und Ausflügen –, immer auch Zeit für Stille mit Gott zu nehmen.
Denn das gibt eine neue Perspektive.
Alle Probleme, die wir in unserem Leben haben, die Fragen, die wir stellen, und auch das Erleben der Nähe Gottes – gerade in der Stille, allein mit Gott zu sein, kann dort zum Durchbruch kommen.
Wir wollen zusammen beten.