Die Herausforderung der Missionstheologie und die Bedeutung des Römerbriefs
Solche Grundsatzthemen wie „Worum geht es bei der Mission?“ versprechen natürlich die perfekte Langeweile. Eigentlich hat jeder, der hierherkommt, diese Fragen bereits hinter sich gelassen und beschäftigt sich nun mit den Details.
Allerdings gibt es einen wichtigen Grund, sich doch noch einmal damit zu befassen. Einer der bedeutendsten Missionstheologen der Gegenwart, David Bosch aus Südafrika, der inzwischen bereits beim Herrn ist, hat in den 1990er Jahren ein Standardwerk zur Missionstheologie geschrieben. Darin stellt er fest, dass es weltweit in der Christenheit heute etwa 79 verschiedene Definitionen von Mission und Evangelisation gibt. Das heißt auf Deutsch: Es gibt keine Verständigung. Jeder benutzt die Worte, aber es ist etwas anderes gemeint. Es herrscht das totale Durcheinander.
Daher scheint es doch nötig zu sein, noch einmal genau hinzuschauen und zu fragen: Wie macht man das? Das Einfachste ist, den Römerbrief zu lesen. Ich möchte natürlich nicht den ganzen Römerbrief jetzt gemeinsam lesen, dazu reicht die Zeit nicht. Aber wir lesen anderthalb Sätze daraus. Zuvor möchte ich jedoch erklären, warum der Römerbrief geschrieben wurde.
Der Römerbrief verfolgt nur ein einziges Ziel: eine Gemeinde – und zwar die Gemeinde in der damaligen Weltmetropole Rom – zur Weltmission zu motivieren. Paulus war nie dort, die Gemeinde wurde nicht von ihm gegründet, sie existierte bereits vorher. In seiner Missionsstrategie, die er von Gott erhalten hatte, plante Paulus jedoch, irgendwann nach Rom zu kommen. Später wurde er zwangsweise als Gefangener dorthin gebracht. Seine Strategie war es, Rom zu erreichen und von dort aus bis ans Ende der Welt zu missionieren – das war damals Spanien.
Er wollte in Rom eine Basis gewinnen. Das beschreibt er im Römerbrief ganz klar. Könnt ihr erkennen, was seine Absichten sind? Wie macht er das? Was hält er für nötig? Er sagt nicht: „Hallo, ich komme mal vorbei, habt ihr vielleicht ein Zimmer für mich? Kennt sich jemand in Spanien aus? Wart ihr schon mal dort im Urlaub? Könntet ihr mir helfen?“ Nein, das sind nicht die Fragen, die er stellt.
Stattdessen schreibt er ihnen den Römerbrief – die umfangreichste und gründlichste Zusammenfassung dessen, was das Evangelium ist und warum die ganze Welt bis in den letzten Winkel es hören muss. Wenn die Gemeinde das nicht begreift, dann kannst du motivieren, rufen, Strategien machen und Taktiken entwickeln – es ist alles vergeblich.
Deshalb entfaltet Paulus im Römerbrief: „Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht. Es ist eine Kraft, die rettet – zuerst die Juden und dann die Völker.“ So erläutert er, was dieses Evangelium ist.
Wenn ihr also wissen wollt, was Mission ist, worauf es ankommt und warum sie nötig ist, dann lest den Römerbrief. Dort steht es drin.
Die Botschaft des Evangeliums und die Realität der Menschheit
Interessanterweise beginnt er in Kapitel 1 und sagt: Der Zorn Gottes ist offenbar über alle Menschen, die die Wahrheit Gottes in Ungerechtigkeit niederhalten. Sie sollten alle wissen, wer Gott ist. Er hat die Welt geschaffen und dies in ihr Herz gelegt.
Doch sie wollten klug sein und sind zu Narren geworden. Anstatt den Schöpfer zu verehren, haben sie das Geschöpf angebetet und alles verdreht.
Dann spricht er vom Gericht Gottes über die Menschheit, die alles verdreht hat, und erläutert die Konsequenzen davon. Es geht darum, wie die Verdrehung des Verhältnisses zu Gott als Geschöpfen verheerende Folgen in allen Lebensbereichen hat. Er tut dies mit einer Klarheit und Schroffheit, die kaum angenehm zu genießen ist.
Im Römer 1,18 und den folgenden Versen wurde dieser Abschnitt bei einem Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin nur vorgelesen, ohne Kommentar. Dabei gab es heftige Proteste. So ist das, wenn man diese Worte liest.
Er erklärt, dass niemand eine Ausrede hat, weder Juden noch die Völker. Manchmal ist das schwer zu verstehen, aber er sagt klar: Niemand hat eine Ausrede. Wir sind alle verloren und dem Gericht Gottes ausgeliefert. Es gibt nur eine Rettung, und die heißt: Gott war in Christus. Er starb am Kreuz und versöhnt uns mit Gott. Wir dürfen ihm vertrauen. Wir können nichts aus eigener Kraft tun, sondern nur dieses Geschenk annehmen. Aber alle müssen davon hören.
Anschließend entfaltet er, was das bedeutet und wie es wirkt: Ein Geist Gottes kommt in unser Leben und treibt uns an. Wer vom Geist Gottes getrieben wird, ist Gottes Kind, so heißt es in Römer 8.
Dann nimmt er das Thema noch einmal auf und sagt: Seht, es beginnt mit dem Volk Israel. Gott ist treu. In Römer 9 bis 11 erklärt er, was das bedeutet: dass Teile des Volkes Israel, er war ja selbst Jude, den Glauben annehmen, andere ablehnen, und wie sich das auf die Völkerwelt ausweitet. Dabei behält Gott sein Ziel mit Israel im Blick und zeigt seine Treue.
Im zweiten Teil des Briefes wendet er sich der praktischen Lebensgestaltung zu. Er spricht über die Konsequenzen für die Ethik und das Leben in der Gemeinde.
So führt er uns durch den gesamten Römerbrief, von Kapitel 1 bis 16. Das ist kein einzelnes Ziel, das muss man begreifen.
Die zentrale Botschaft der Mission: Jesus als einziger Retter
Und wenn ihr begreift, dass es nur einen Retter gibt, nämlich Jesus, und dass alle Menschen – ganz egal, wie klug oder dumm sie sind oder welcher Kultur sie angehören – in ihm verloren sind, dann braucht ihr nichts anderes mehr zu erzählen.
Wenn ihr das nicht versteht, ist alles andere zwecklos. Er wollte doch nur nach Rom kommen. Von Rom aus wollte er strategisch bis an den Rest der damals bekannten Welt, bis nach Spanien, das Evangelium bringen.
Es wird uns nicht alles weiter erzählt, ob er es tatsächlich bis dorthin geschafft hat. Nach Rom kam er nicht als freier Bürger, sondern wurde als Gefangener dorthin gebracht. Das Letzte, was wir wissen, ist, dass er dort zwei Jahre im offenen Strafvollzug war und die Menschen empfangen konnte. Die letzten Verse der Apostelgeschichte 28 könnten darauf hinweisen, dass er dort auch den Offenbarungsbrief lesen konnte.
Jetzt lest den Römerbrief! Ich meine das ernst. Wenn ihr ihn nicht gelesen habt und nicht versteht, wisst ihr nicht, was Gott mit der Mission vorhat.
Die Sendung des Apostels und die Bedeutung des Namens Jesu
Auf diesem Hintergrund frage ich nun: Worauf kommt es an? Ganz am Anfang stellt sich Paulus vor als Apostel Christi, ausgesondert für das Evangelium Gottes. Er sagt, dies sei zuvor in der Heiligen Schrift verheissen worden. Es geht um Jesus, den Sohn Gottes, den Messias, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch.
Habt ihr die Bibel dabei? Es steht im Römerbrief, aber ihr könnt es auch auswendig oder über das iPhone nachschauen. Es ist ein bisschen kompliziert. Paulus sagt: Durch ihn, durch Jesus, den Sohn Gottes, haben wir Gnade und Apostelamt empfangen. Bei Luther heißt es Apostol, Apostola, Apostolat. Wie vorhin im Geschäftsbuch erwähnt, kommt der Ausdruck „Mission“ nicht direkt in der Bibel vor. Das ist zwar richtig, aber „Mission“ ist ein Fremdwort, abgeleitet aus dem Lateinischen, und bedeutet auf Deutsch „Sendung“.
Wenn man „senden“ übersetzt, dann heißt es auf Griechisch „apostellain“. Das bedeutet nichts anderes als „senden“. Gott sendet Jesus, und Jesus sendet die Jünger. Das ist der Prozess der Mission. Man kann nur mit Jesus verbunden sein und gesandt werden.
So sagt Paulus: Wir haben die Gnade empfangen, also die Vergebung der Sünden. Er hat mich, einen Mörder und Verfolger, einen Besserwisser, einen selbstgerechten Hund, gerettet. Jesus ist am Kreuz für mich gestorben und hat meine Sünden getragen. Wir haben Gnade empfangen, aber das war nicht die Endstation. Sondern wir haben auch die Mission, die Sendung empfangen.
Wozu? Paulus sagt: Was ist denn das? Es ist, in seinem Namen den Gehorsam des Glaubens unter allen Heiden aufzurichten. Wenn Luther „Heiden“ übersetzt, steht im Griechischen dort immer „Völker“. Heiden sind in der biblischen Sprache alle Völker außerhalb des Bundesvolkes Israel. Ganz egal, in welcher Kultur oder Religion sie leben, ob sie eine Hochreligion haben oder eine primitive Religion, oder angeblich keine Religion, oder ob sie Atheisten sind. Das spielt keine Rolle. Es sind einfach die Völker außerhalb Israels.
Was ist also die Sendung, was das Ziel? Im Namen von Jesus, im Auftrag von Jesus, den Gehorsam des Glaubens unter allen Heiden, also Völkern, aufzurichten.
Ich will jetzt nicht schulmeisterlich werden, aber es schadet nicht, Griechisch zu kennen. Lernt das mal, dann könnt ihr die Bibel direkt im Urtext lesen. Das Wort „aufzurichten“, das Luther sinngemäß richtig übersetzt, steht im Griechischen gar nicht. Dort ist es noch viel kompakter: „In seinem Namen für den Gehorsam des Glaubens unter allen Völkern“. Das ist das Ziel.
Die Herausforderung und Realität der Verkündigung
Da fragt man sich jetzt: Ist das nicht zu viel verlangt? Nun, Paulus sagt es am Schluss des Römerbriefes, Kapitel 15, Vers 18 noch einmal. Dort berichtet er, was er getan hat und was er tun wird. Er sagt: „Denn ich werde nicht wagen, von etwas zu reden, das nicht Christus durch mich gewirkt hat.“ Dann fügt er hinzu, dass er die Heiden, also die Völker, zum Gehorsam bringen will – durch Wort und Werk. Auch hier formuliert er es so, dass er den Gehorsam des Glaubens aufrichten möchte.
Da fragen wir uns zunächst: Ist das nicht zu viel verlangt? Können wir das überhaupt? Ich meine, wir können vielleicht verkündigen, bekannt machen, informieren, werben und einladen. Aber kann man wirklich jemanden zum Christen machen?
Aktuell läuft vielleicht der eine oder die andere mit und bekommt eine Debatte mit, die sich um die Übersetzung des Missionsbefehls in Matthäus 28 dreht. Es gibt jetzt zum Jahr der Reformation eine neue Lutherbibel. An manchen Stellen wurde sie verändert. Ich will das gar nicht beurteilen, aber eine Tendenz war auch, in einigen Dingen wieder zum älteren Luthertext zurückzukehren. Ob das Sinn macht oder nicht, darüber kann man streiten. Das will ich jetzt auch nicht bewerten.
In Matthäus 28 hat das jedoch eine Wirkung, und es gibt erstaunliche Kommentare dazu. Dort heißt es: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, darum geht hin und macht zu Jüngern alle Völker.“ Im Moment steht hier in der Lutherbibel von 1984: „Geht hin und macht zu Jüngern alle Völker.“ Früher hieß es in der Lutherbibel von 2017 wieder: „Darum geht hin in alle Welt, lehret alle Völker und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch geboten habe. Ich bin bei euch alle Tage.“
Früher stand also zweimal „Lehret!“ Da sagen manche, halb neu und kritisch, in einer Diskussion mit einer Oberkirchenrätin aus der Kirchenleitung: „Jetzt ist das ja endlich wieder richtig. Diese ewige Missioniererei und Arroganz, als müssten wir alle Leute bekehren und könnten das auch nur, das steht ja gar nicht im Missionsbefehl drin. Wir sollen sie lehren. Das heißt also informieren. Es ist ein Erziehungsauftrag, wir haben einen Bildungsauftrag – und mehr nicht.“
Nun, da steht ein hochinteressantes Wort: „Matheteuern“, das heißt „zu Jüngern machen“. Eigentlich bedeutet das „zu Schülern machen“. Das ist so, als wenn du dein Abitur gemacht hast und jetzt studieren willst. Dann lässt du dich an einer Hochschule einschreiben, wirst angenommen. Das heißt, jetzt bist du Student an dieser Schule und kannst studieren. So ist das gemeint.
Paulus sagt also: Macht zu Schülern! Natürlich sollt ihr lehren, aber macht das so, dass sie lernen wollen und tatsächlich lernen. Wie kommt man dazu?
In der Bibel ist völlig klar, dass es keinen Zwang und keine Manipulation gibt. Wir können niemanden zum Christen machen. Interessanterweise haben in Europa viele geglaubt, die Kirchen könnten Menschen zu Christen erziehen. Wenn du in einer christlichen Familie geboren bist, wo die Eltern Christen sind – ja, Gott sei Dank! Wir sollten dankbar sein. Aber wir wissen alle, dass das nicht automatisch funktioniert.
Auch wenn du in einer christlichen Familie aufwächst – ich kenne viele, und als Jugendpfarrer und Evangelist habe ich viele kennengelernt –, gibt es zahlreiche Menschen, die in christlichen Familien aufgewachsen sind und später nichts mehr mit dem Glauben zu tun haben wollen. Sie jammern ihr Leben lang und arbeiten sich an ihren Eltern ab, die ihnen nichts erlaubt haben und wo alles so eng war in den Gemeinden. Sie wollen sich endlich freischwimmen.
Das ist heute große Mode: sich aus diesem ganzen bornierten, engen, gesetzlichen Christentum freischwimmen. Das hat geradezu eine riesige Resonanz.
Das heißt: Es ist überhaupt nicht automatisch, Christ zu sein. Sei dankbar, wenn du Eltern hattest, die Jesus nachfolgen. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem du die Entscheidung treffen musst: Glaube ich an Jesus oder folge ich der Tradition meiner Familie oder etwas anderem?
Das bedeutet: Keiner kann zum Christen erzogen werden. Wir können Jesus in vielerlei Weise vorstellen, bekannt machen, erzählen, biblische Geschichten in Wort und Tat weitergeben und das Leben mit Jesus deutlich machen. Vor allem können wir dafür beten. Aber der Beginn des Christseins ist immer die neue Geburt.
Jesus sagt von der neuen Geburt zu Nikodemus in Johannes 3. Geburt ist etwas, das du weder selbst machen kannst noch kaufen kannst. Du bist zwar höchst aktiv beteiligt, aber es geschieht dir. Niemand hat selbst gewollt oder verursacht, dass er geboren wurde. Es geschieht dir. Du bekommst das Leben geschenkt.
Ob du dieses Geschenk annimmst oder es eher als Fluch betrachtest, den du wieder loswerden willst, ist eine andere Geschichte. Aber du hast es nicht selbst gemacht. Du bekommst es geschenkt.
So ist es auch mit dem Christwerden: neue Geburt, Vergebung der Sünden und Heiligen Geist. Dadurch wird ein Mensch neu geboren. Er wird ein Kind Gottes durch Jesus.
Die Kraft des Wortes Jesu und die Freiheit der Entscheidung
Und nun hat Jesus gesagt: Pass auf, wenn ihr von mir redet, ist das nicht nur irgendeine Information oder ein bisschen Propaganda oder Werbung. Er hat schon seinen Jüngern gesagt – das könnt ihr nachlesen in Lukas 10,16 – dass das Reden von ihm eine ganz besondere Bedeutung hat.
In Lukas 10,16 sagt Jesus: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich, und wer mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat.“ Das heißt, der Vater sendet den Sohn. Wenn der Sohn spricht, spricht der Vater. Und Jesus, der Sohn, sendet die Jünger aus. Er sagt, das ist eine totale Identifikation: Wenn ihr redet, rede ich. Wer euch hört, der hört mich.
Das gilt, egal ob du ein Gespräch unter vier Augen führst, eine Andacht in der Jugendstunde hältst oder biblische Geschichten erzählst – was auch immer du tust. Pfarrer, die predigen, oder Menschen, die von Jesus reden – das Evangelium verspricht, dass Jesus höchstpersönlich spricht. Und wenn er spricht, dann redet der Schöpfer und Retter der Welt. Da ist Kraft drin. Da schafft er, was er sagt.
Die Wirkung von Jesus kann man im Neuen Testament sehen. Wie ist sie? Sehr unterschiedlich. Da kommen Leute zum Glauben, erweckt Tote werden, Kranke werden geheilt. Ein sehr interessierter junger Mann kommt und stellt die richtigen Fragen: „Was muss ich tun, damit ich das ewige Leben bekomme?“ Jesus liebt ihn und sagt ihm, weil er ihn liebt, was ihm fehlt: „Verkaufe alles, was du hast, komm und folge mir nach.“ Das sagt Jesus, der Sohn Gottes, der in der Vollmacht Gottes spricht.
Was war die Wirkung? Der junge Mann war sauer und ging traurig weg. Hatte Jesus nicht genug Vollmacht? War Jesus nicht seelsorglich oder empfindsam genug? Hatte er nicht die richtige Gesprächsmethode? Hätte er nicht wenigstens nachgehen sollen und sagen: „Hör mal, bleib doch mal kurz, du bist doch schon fast drin im Reich Gottes, ich erkläre dir das noch mal, dann kriegen wir das hin.“ Nein, er lässt ihn gehen.
Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Leichter kommt ein Kamel durchs Nadelöhr als ein Reicher ins Reich Gottes.“ Die Jünger erschrecken, weil sie merken: Wir sind alle reich. Da sagt der Tröster: Was bei den Menschen unmöglich ist, ist bei Gott möglich.
Aber wenn Jesus in Vollmacht redet, schafft er die Freiheit, die kein Mensch hat. Freiheit heißt Freiheit, Ja und Nein zu sagen. Der reiche junge Mann geht weg, obwohl Jesus ihn mit der gleichen Vollmacht gerufen hat, mit der er später auch zu Zachäus gesprochen hat.
Zachäus, ein reicher Mann, kehrt um und sagt: „Die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, und wo ich betrogen habe, gebe ich vierfach zurück.“ Was ist der Unterschied? Es war die gleiche Vollmacht. Der eine hört es und geht weg, und Jesus respektiert das. Das ist unsere Würde.
Das heißt, es gibt keine Möglichkeit, Menschen zu manipulieren oder zu zwingen. Es gibt keine Methode dafür. Es ist kein Mangel an Vollmacht. Wir können immer fragen: „Herr, bin ich ein Hindernis? Ich möchte natürlich aus Liebe hilfreich sein.“ Aber es gibt keine Methode, mit der man Menschen absolut herumkriegen kann.
Wer das sucht, sucht eine Götzenvorstellung. Willst du vollmächtiger sein als Jesus? Paulus sagt: „Wir bitten an Christus, die Stadt, lasst euch versöhnen mit Gott.“ Und bitten kann man ablehnen.
Wenn dir das zu wenig ist, bist du falsch in diesem Job. Wenn du dir das nicht zumutest, dass du bittest und die Leute sagen: „Brauche ich nicht“, bist du falsch in diesem Dienst. Du musst ertragen können, dass er die Freiheit gibt.
Aber glaube nicht, dass du ein schwaches Wort hast. Es ist immer die Kraft, mit der Jesus vor dem Grab des Lazarus gesagt hat: „Lazarus, komm heraus!“ Wie viel Entscheidungsfreiheit hat ein Toter? Er kann nur verwesen, das ist seine einzige Perspektive.
Aber die Entscheidungsfreiheit liegt nicht bei Lazarus, nicht beim reichen Jüngling, nicht bei Zachäus, sondern liegt im Wort des Retters und Schöpfers Jesus. Wenn er spricht, kannst du gar nicht tot genug sein für die Auferstehung. Du kannst gar nicht gottlos genug sein, um umzukehren. Er schafft diese Freiheit.
Die frühe Gemeinde und das Lernen nach der neuen Geburt
Und deshalb passiert es auch schnell. Ja, es passiert schnell. An Pfingsten nehmen an einem Tag dreitausend Menschen das Wort der Verkündigung durch die Apostel auf. Sie bekehren sich und werden getauft, so wie es geschehen ist.
An einem Dach in Jerusalem gibt es weit und breit keinen Fluss, nur einen kleinen Siloateich. Dreitausend Leute zu taufen – das war wirklich keine richtige Taufe im klassischen Sinn. Vielleicht haben sie alle nur ein paar Tropfen Wasser erhalten, ähnlich wie in einer lutherischen Kirche oder so. Baptistischer Taufe wäre die erste Gemeinde vielleicht gar nicht ernst zu nehmen gewesen, denn im Wort steht kein Hinweis darauf, wie genau getauft werden soll.
Dann predigt Paulus im Gefängnis in Philippi. Nach dem Erdbeben, das Gott bewirkt, erzählt er nachts in einer Stunde dem Gefängnisaufseher und seiner ganzen Familie das Evangelium. Noch vor Morgengrauen werden alle getauft.
Darf man Menschen so schnell taufen? Philippus ist unterwegs auf einem Ochsenkarren mit dem Finanzminister Äthiopiens. Gott sei Dank haben wir vorhin gehört, was in Äthiopien daraus geworden ist. Ich hätte gesagt: Herr Jesus, das ist völlig unverantwortlich. Kein Evangelist arbeitet so, dass man jemanden nach einer einstündigen Unterweisung unterwegs in einem Auto tauft. Dabei wird an einer halben Bibelstelle ein Kapitel erklärt und dann gleich getauft. Wo bleibt da die Nacharbeit?
Philippus zieht fröhlich seine Straße entlang, wird vom Heiligen Geist entrückt. Was ist das für ein Heiliger Geist, der Philippus nicht sagt: „Jetzt musst du aber mit nach Äthiopien und dort eine gründliche Gemeindegründung machen. Das dauert mindestens 25 Jahre.“ Wer weiß, was daraus geworden ist? Jedenfalls wissen wir von Mekane Yesus Kirche und anderen, dass es 22 Millionen lebendige Christen in einem Land wie Äthiopien gibt. Es ist verrückt, dass wir so etwas heute gerade hier hören.
Im großen Bogen der Geschichte ist das ein Abenteuer.
Was will ich damit sagen? Wir fragen: Macht zu Jüngern alle Völker! Also macht sie zu Schülern des Herrn Jesus. Richtet den Gehorsam des Glaubens unter den Völkern aus. Es beginnt mit der Verkündigung des Evangeliums auf alle Weise. Dabei muss Klartext geredet werden: Der Name Jesus muss genannt werden, was er getan hat am Kreuz und durch seine Auferstehung. Das ist das, was Paulus im Römerbrief entfaltet: Er allein ist der Retter.
Dann passiert das Wunder, dass Menschen sagen: „Danke, nein, das will ich nicht.“ Andere sagen: „Ja, Halleluja!“ Sie bekehren sich und werden von neuem geboren.
Und dann fängt das Lernen an.
Die Bedeutung des Lernens im Glaubensleben
Das ist jetzt der nächste Punkt. Was bedeutet es denn, wenn Paulus sagt, er wäre gekommen, um den ganzen Völkern das Evangelium zu verkünden? Er hätte auch einfach sagen können: Ich bin gekommen, damit alle Völker das Evangelium kennen.
„Nein, das ist nicht genug“, sagt er. Paulus war nicht nur Evangelist. Wir Evangelisten, also ein Teil meiner Lebensberufung, verkünden das Evangelium und wirken dabei auch als Hebammen mit. Wenn jemand zum Glauben kommen will, beten wir mit ihm und helfen ihm, die Entscheidung zu treffen. Aber dann ziehen wir uns zurück und überlassen der Familie das Weitere – so wie die Hebammen es tun.
Ja, die Hebammen sind Geburtshelfer. Sie sind vielleicht manchmal noch danach ein bisschen da und unterstützen die Mutter bei ihrem schweren Job. Aber im Grunde sind sie nicht für die Erziehung des Kindes insgesamt verantwortlich. Evangelisten sind so ähnlich wie Hebammen.
Paulus war nicht nur Hebamme, er war als Apostel der ersten Generation Gemeindegründer. Deshalb beschreibt er seinen Auftrag, den die Gemeinde insgesamt hat. Die Evangelisten haben dabei einen Teil, die Hebammen wirken mit, aber dann kommen auch die Lehrer, die Seelsorger, die Hirten, die Leiter der Gemeinde und viele andere hinzu.
Der Auftrag heißt insgesamt, den Gehorsam des Glaubens unter den Völkern aufzurichten. Wie war das denn in der ersten Gemeinde? In Apostelgeschichte 2 sehen wir: Natürlich ging das schnell. An einem Tag wurden die Menschen getauft. Und dann heißt es in Vers 42: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft und im Gebet.“
Das bedeutet: Nachdem sie geboren wurden, begann das Lernen – so wie im Leben. Du kannst das Leben nicht lernen, bevor du nicht geboren bist. Wenn du aber geboren bist, ist das nichts anderes als Lernen.
Die Neugeborenen fangen an zu strampeln. Sie können noch nicht laufen oder kriechen. Es dauert etwa ein Jahr, bis ein gesundes Baby stehen kann. Dann wackelt es durch die Gegend, halb unsicher, fällt ständig hin, bis es richtig gehen kann. Das dauert lange.
Ist das eigentlich eine echte Geburt, würden wir sagen? Und wie ist das mit dem Sprechen? In der Regel dauert es etwa ein Jahr, bis ein Baby „Mama“ oder „Papa“ sagt. Ein Jahr lang lebt es schon in diesem „Babbel, babbel, babbel“. Die Eltern sind begeistert und reden mit dem Kind. Sie sagen vielleicht auch mal „Halt den Mund“ oder „Red ganze Sätze“ oder „Schweig“. Nein, das sagen sie nicht. Sie haben Geduld und Liebe mit dem Baby.
Die Schwaben lernen ja nie Hochdeutsch, hat man gesagt. Ja, habt ihr recht, habe ich gesagt, meine Frau war schwäbisch, das ist schön. Das heißt: Sprache und Leben sind Lernen. Das gilt nicht nur fürs Gehen und Sprechen, sondern in allen Bereichen.
Du kannst es nicht einfach. Du entwickelst dich nur durch Üben, Üben, Üben und immer wieder Fehler machen, scheitern und trotzdem ermutigt werden von Leuten, die sagen: „Ja, so geht es, so geht es, so geht es.“ Trainieren kannst du nur, wenn du an deine Schmerzgrenze gehst. Wenn du diese Schmerzgrenze überschreitest, fällt es dir leichter.
Dann läuft es. Ich treffe oft Leute, die süchtig sind nach dem Laufen. Die sehen für mich aus wie Halbtote, die nach acht Kilometern auf der Laufbahn noch weiter machen, zehn Kilometer, mit so vielen Glückshormonen, als hätten sie Ecstasy genommen. Das heißt: Wenn du trainiert hast, fällt es dir leichter. Dann geht es auch. Wenn du nicht trainierst, ist alles eine Katastrophe.
So ist es im normalen Leben: Du wirst geboren und dann übst und lernst du. So war es auch in der ersten Kirche. Sie blieben beständig in der Apostellehre. Ja, sie kannten Jesus. Sie hatten erfahren, dass sie durch die Kraft des Heiligen Geistes neu geboren wurden.
Jetzt hatten sie ein großes Verlangen, diesen Jesus besser kennenzulernen. Ganz praktisch gingen sie zu den Aposteln, saßen in den Häusern und fragten: „Was hat er denn gesagt? Erzählt, erzählt!“ Und die Apostel erzählten genau das, was wir in den vier Evangelien lesen: Was Jesus gesagt hat, was er getan hat, wie er gelitten hat, wie er gestorben ist und wie es mit der Auferstehung war.
Sie erklärten alles, und die Leute fragten immer wieder nach. Dann wurde das alles aufgeschrieben. Das nennt man Apostellehre – das, was wir heute in der Bibel lesen.
Sie lasen auch das Alte Testament. Es ist erstaunlich, wenn man das hört. Sie lasen die Schriften des Alten Testaments, weil man Jesus nicht versteht und die Leute nicht kennenlernt, wenn man nicht lernt, wie von Abraham an, von der Schöpfung an, alles vorbereitet wurde. Wie Gott spricht, den geschichtlichen Zusammenhang baut und auf Jesus hinweist.
Von Jesus an bezieht Gott dich und die Völker mit ein bis zu seinem Ziel: Wenn er wiederkommt, Gericht hält und den neuen Himmel und die neue Erde schafft.
Du musst lernen, lernen, lernen – von Anfang bis Ende.
Die Entwicklung der Taufe und der Glaubensunterricht in der Kirchengeschichte
In der alten Kirche gab es den sogenannten Katechumenat. Das bedeutet, es gab Unterricht vor der Taufe, der vor allem nicht auf intellektuelles Lernen abzielte. Dieser Unterricht fand immer in regelmäßigen Gottesdiensten statt und konzentrierte sich mehr auf die Lebensgestaltung mit Christus. Dieser Prozess dauerte zwei bis drei Jahre, in denen man lernen sollte, wie das Leben mit Christus funktioniert, bevor man getauft wurde.
Diese Praxis entwickelte sich jedoch zu einer Fehlentwicklung. Die Vorstellung entstand, nicht zu schnell zu taufen, vermutlich aus Sorge und Erfahrung, dass es auch Mitläufer und Oberflächliche gab. Man wollte sicherstellen, dass die Taufe wohlüberlegt war. Heute haben wir Tausende internationale Freunde, die in unser Land gekommen sind, sich auf die Suche gemacht und getauft wurden. Ich habe beispielsweise einen kurdischen jungen Mann getauft, was eine große Freude war. Oft wird die Frage gestellt: Geht es zu schnell? Aber das ist es nicht. Es gibt keine Bedingungen im Lernen für das Geborenwerden; Christsein ist ein Geschenk.
Im Neuen Testament wird nach der Bekehrung, nach dem Empfang der Vergebung der Sünden und der Annahme des Wortes Gottes, sehr schnell getauft. Danach beginnt das Lernen. Interessant ist, wie sich die Geschichte entwickelte: In den ersten drei bis vier Jahrhunderten war das noch sehr stark ausgeprägt. Als das Christentum dann Staatsreligion wurde, wechselte man auf die andere Seite und hatte Macht. Man dachte: „Das geht jetzt praktisch, es ist nicht mehr so schwierig.“ Man musste nicht mehr einzelne Menschen evangelisieren oder Absagen kassieren.
Jetzt war man an der Macht und konnte kommandieren: Die Leute mussten Christen werden. Wer nicht wollte, wurde bestraft. Die Verfolgten wurden schnell selbst zu Verfolgern. So entstand die Staatskirche. In diesem Zusammenhang entwickelte man eine Vorstellung von der Taufe als Schluckimpfung und magischem Akt. Kinder wurden getauft, und dies galt als Wiedergeburt. Plötzlich gab es kaum noch Lehre. Im Mittelalter spielte das kaum noch eine Rolle. Selbst bei der Missionierung Europas oder der Germanen wurden die Einzelnen nicht mehr gefragt. Nur die Fürsten wurden bekehrt, und die ganzen Volksstämme mussten zwangsweise folgen. Wer nicht wollte, bekam von Karl dem Großen „die Rübe abgemacht“. So ging das über Jahrhunderte, unter Missachtung des Evangeliums und des Wortes Gottes, wie es klar im Neuen Testament steht.
Dann brach es in der Reformation neu auf. Die Reformatoren sagten: So geht das nicht. Martin Luther hielt an der Kindertaufe fest, sagte aber: „Wenn der Glaube nicht zur Taufe kommt, ist die Taufe nichts nütze.“ Das ist ein Originalzitat von ihm. Die Lehre, dass die Taufe wie eine Geburt ist und jeder Christ sei, egal was danach passiert, ist eine Lüge und Irrlehre, die das Gewissen betäubt. Deshalb sagten die Reformatoren: Wenn Christen ihre Kinder taufen, kann man das verstehen. Das Baby im Mutterleib gehört ja auch in die Beziehung zu Jesus durch die Eltern. Wenn es geboren ist, kann es noch nicht mündig entscheiden, bleibt aber selbstverständlich in der Gemeinschaft. Deshalb wurde es getauft, und das fand man gut.
Die Taufe von Kindern gläubiger Christen kann man nach dem Neuen Testament vertreten. Aber wenn sie wachsen, müssen sie unterwiesen werden. Wenn sie mündig werden, sollen sie öffentlich vor der Gemeinde bekennen, ob sie Jesus nachfolgen wollen. Das nennt man Konfirmation.
Ich will mich nicht damit aufhalten, was daraus geworden ist. Es war nicht die Absicht, Verwandtschaft abzukassieren oder den ersten Schnaps zu trinken oder daraus ein Mannbarkeitsritual zu machen. Es war der Versuch zu sagen: Es gibt kein Wachstum im Glauben ohne Lehre. Das ging mehr schlecht als recht.
Mit dem Aufbruch der Erweckung, des Spiritismus und der Missionsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert sagten die Missionare: Wenn wir Menschen weltweit taufen, dann heißt das, sie zu lehren.
Heute stellt sich die Frage: Was brauchen wir eigentlich? Was ist nötig, wenn Menschen in einer Mehrheitsgesellschaft zum Glauben kommen, die von den Geboten Gottes nichts weiß? Am Anfang war das auch so. Die einen waren Juden, die das Alte Testament und die Gebote Gottes kannten und im Bund Gottes lebten. Für sie war Jesus der Messias des jüdischen Volkes. Nun lehrte man sie, was Jesus gesagt hat: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist... Ich aber sage euch...“ (vgl. Matthäus 5).
Die anderen kamen aus den Völkern, die keine Ahnung hatten. Sie brachen Ehen, trieben ab, Kindstötung war, wie bis heute in vielen Kulturen üblich, weit verbreitet. Besonders die Tötung von Mädchen war häufig. Im Römischen Reich war die Sexualität oft homosexuell geprägt, wie wir im Neuen Testament lesen. Das war die Norm der Mehrheitsgesellschaft.
Diese Menschen bekehrten sich, kamen zum Glauben, lernten die Gebote Gottes und das Evangelium und stellten fest, dass das ganz anders war als das, was die Umwelt dachte und tat. In vielen Kulturen gibt es bis heute Polygamie als soziale Einrichtung, die oft legal ist. Wenn sich Menschen in diesen Kulturen bekehren, müssen Gemeinden Wege finden, wie sie vom Leben in Vielehe zu einem gehorsamen Leben mit Jesus kommen.
Ich sage das nicht nur historisch, sondern weil viele Christen heute das nicht verstanden haben. Mit der Meinung „Wir leben im christlichen Abendland, wir sind ein christliches Land“ meinen sie, dass die gesellschaftliche Ethik mehr oder weniger mit den Geboten Gottes übereinstimmt. Wenn der Staat nun Gesetze beschließt, die ganz anders sind, zum Beispiel die Homo-Ehe oder den Umgang mit Geld oder Eigentum – in Schwaben gilt das Recht auf Eigentum als wichtig – glauben manche, das sei ein christliches Grundrecht.
Dabei war das Grunderlebnis der Bekehrung in der ersten Gemeinde, dass niemand sein Eigentum als sein eigenes betrachtete. Das Recht auf eigenes Haus und Bankkonto ist kein christliches Grundrecht. Viele halten das jedoch für wahres Christentum.
Heute leben wir im 21. Jahrhundert. Selbstverständlich können auch Frauen Frauen oder Männer und Frauen heiraten, und manche Kirchen segnen das bereits. Über die Geschichte hinweg haben Kirchen alle Sünden gesegnet, die gerade en vogue waren. Sie hielten immer den Finger in den Wind, um der Mehrheitsmeinung zu gefallen. Das hat sich nie geändert. Die Mehrheitsgesellschaft bestimmt die Mehrheitsmoral.
Wer die Bibel liest, muss verstehen, dass es überall in der Weltmission normal ist, dass Menschen sich bekehren, aufwachen und in der neuen Geburt feststellen: Wir leben in einer Mehrheitsgesellschaft, die völlig anders denkt. Wenn sie gelehrt werden, verstehen sie das.
Aber was ist, wenn es keine Lehre gibt? Wenn man den Glauben pauschalisiert oder Stimmung macht und sagt, das Problem heute sei, dass Glaube vor allem Gefühl und Begeisterung ist? „Was soll ich da Bücher lesen? Das ist ja langweilig.“ Christwerden war immer ein Bildungserlebnis. Überall auf der Welt wird daran gearbeitet, dass der letzte Volksstamm die Bibel in seiner Muttersprache bekommt.
Es gibt kein mündiges Christsein ohne das Lernen, die Bibel zu lesen. Deshalb müssen Menschen lesen und schreiben lernen, um selbständig zu werden. Unser heutiges Problem ist, dass viele, die zum Glauben an Jesus kommen, nicht aus christlichen Familien oder Traditionen stammen. Sie kommen aus einem Umfeld, in dem es normal ist, egoistisch zu leben: im Blick auf Geld, Besitz, Freizeit. „Mein Körper gehört mir, meine Zeit gehört mir, ich tue, was ich will. Wichtig ist, dass ich mich entfalten und Spaß haben kann.“
Wenn man dann zum Glauben erwacht, fragt man sich: „Machen wir das jetzt so?“ Wenn Glaube nur noch Gefühl ist, hat man keine Lust zu lernen. Deshalb beobachte ich, dass Gemeinden sich sehr unterscheiden, ob sie biblische Lehre praktizieren.
Wo das nicht der Fall ist, reichen ein paar siebenminütige Denkanstöße zur Aufmunterung nicht aus. Das reicht nicht zum Leben in unserer Zeit. Es geht darum, den Gehorsam des Glaubens aufzurichten. Glauben heißt: Herr, ich vertraue dir, ich höre dich mit deinem Wort, ich höre darauf und tue es.
Jesus sagte: „Wer diese meine Rede hört und tut sie, den vergleiche ich mit einem klugen Menschen, der sein Lebenshaus auf Felsen baut.“ (Matthäus 7,24) Hören und Tun – das ist die Schule, die Jüngerschule bei Jesus. Es bedeutet Wissen, „knowing by heart“, wie die Engländer sagen, also vom Herzen her Wissen.
Was ich nicht auswendig weiß, kann ich im Alltag nicht anwenden. Keiner von uns kann in den Konflikten des Alltags zur Bibliothek rennen, ein Buch oder eine Konkordanz holen und nachlesen, was die Bibel zu diesem Problem sagt. Man muss es auswendig gelernt haben, vom Herzen her kennen und dann anwenden können.
Wenn man das nicht gelernt hat, wenn man nicht vertraut ist mit dem Wort Gottes, wenn man die ganze Bibel von Anfang bis Ende nicht studiert und gelesen hat, wird sie einen nicht prägen.
Wenn niemand in der Gemeinde daran arbeitet, dass Menschen, die zum Glauben gekommen sind, mündig werden und biblische Lehre lernen, dann werden sie nicht wachsen. Sie werden Beute jeder beliebigen Modeströmung.
Auch innerhalb der christlichen Gemeinden kommt jede Woche eine neue Mode, die sehr beeindruckend ist und die Herzen wegschwemmt. Wenn wir sagen: „Toll, so eindrücklich wie das ist, und die Leute haben Visionen und Gefühle“, dann brauchen wir dennoch den Gehorsam des Glaubens, um ihn unter den Völkern aufzurichten.
Die aktuelle Chance und der Auftrag der Mission
Ich glaube, wir haben eine Riesenchance. Die Türen sind wahnsinnig offen, die Leute sind hungrig. Wir sind außerdem die Generation, die zum ersten Mal mit eigenen Augen erlebt, dass sich Menschen aus Kulturkreisen, in denen sich jahrhundertelang nichts bewegt hat, verändern – wie etwa in der islamischen Welt.
Seit dem siebten oder achten Jahrhundert hat sich dort kaum etwas bewegt. Die Missionare sind verblutet und haben im Dienst ihrer Liebe gearbeitet. Wir sind die Generation, die in den letzten 25 Jahren erlebt, wie Tausende von Muslimen sich zu Jesus bekehren – etwas, das es so in der Geschichte bisher nie gegeben hat. Trotz Verfolgung und Schwierigkeiten entstehen im Iran und auch in Nordafrika neue Gemeinden. Es ist unglaublich.
Es ist toll, dass es diese Jumitko gibt. Es ist eine Veranstaltung, die wirklich am Puls der Zeit ist, an der Zeit, die Gott schreibt. Ihr könnt nur gut daran tun, wenn ihr sagt: Da will ich dabei sein, wo Gott Geschichte schreibt. Da möchte ich, dass er mein Leben nimmt. Aber dann will ich auch seine Ziele haben.
Wir wollen das Evangelium verkündigen in der Zuversicht, dass er es schafft, dass neues Leben entsteht. Wir wollen es mit Schmerzen erleiden und hinnehmen, dass wir niemanden zwingen können. Das Evangelium verträgt keine Manipulation, keinen Zwang.
Wir brauchen keine Staatsreligion. Wir sind keine Salafisten und wollen nicht, dass dieser Staat in einen christlichen Staat verwandelt wird, der den Leuten etwas aufzwingt. Das haben wir hinter uns, und das Ergebnis ist verheerend: Kein Mensch in Europa glaubt den Christen mehr.
Aber wir haben den Herrn, der in der Kraft der Auferstehung die Toten aus den Gräbern ruft. Deshalb lohnt es sich, in einer Schule, an der Universität, in der Nachbarschaft, in den Gemeinden, bei öffentlichen Veranstaltungen sowie mit Literatur und Medien das Evangelium zu verkünden. Wir werden erleben, wie Menschen zum Glauben kommen.
Und wenn neue Menschen geboren werden und Christen werden, dann lasst uns helfen, dass sie lernen, lernen, lernen. Und wenn wir selbst mitten drin sind, lasst uns selber lernen. Gönne dir keinen Tag, an dem du keine Zeit hast, das Wort Gottes in der Bibel zu lesen.
Lass nichts aus in der Bibel. Die strubbeligen Texte sind oft die wichtigsten, weil Gott dir dort am meisten sagen will. Wenn du nur das liest, was deine Seele streichelt, brauchst du vielleicht gar nicht aufzuschlagen. Dann kannst du ja selber die Sprüche sagen, die du hören willst.
Aber Gott redet zu dir und sagt dir das, was du wirklich brauchst. Wenn du selbst bereit bist zu lernen, dann wirst du diese Freude kennen, die darauf brennt, auch neue junge Christen zu lehren und ihnen zuzuhören.
Als ich mit 14 zum Glauben gekommen bin, hätte ich das nie ohne Freunde geschafft, die mir gesagt haben: Pass auf, jetzt kaufst du dir einen Wecker. Dann stehst du morgens eine Viertelstunde früher auf und liest deine Bibel. Ich hätte das nie begonnen und auch nicht durchgehalten.
In den ersten drei Jahren meines Teenagerlebens sind sie regelmäßig gekommen und haben gefragt: Hast du deine Bibel gelesen? Hast du Zeit gehabt? Du brauchst das. Der Herr will zu dir reden. Du weißt doch, er kann dein Leben nur bestimmen. Deine Kraft wirst du nur erfahren, wenn du es zulässt, dass er zu dir spricht.
Aber er hat immer keine Lust. Er sagt: Der Teufel bringt dich mit deiner Lust in die Hölle. Aber das Wort Gottes bringt dich in den Himmel.
Herr Jesus, hilf uns, dass wir dein Wort ehren, lernen und tun. Amen.