Na, na, jetzt kommt es, so langsam kommt es. Ich darf Sie ganz herzlich an diesem Nachmittag begrüßen. Ich freue mich, dass Sie da sind. Sie sehen gut erholt aus, man hat den Eindruck, der Kaffee und der Kuchen haben Ihnen gut getan, der Koffeinspiegel stimmt.
Wir können nun zur nächsten Etappe unseres Seniorentags übergehen. Wir wollen diese Etappe beginnen, indem wir gemeinsam singen: Nummer 420 aus unserem grünen Liederbuch.
Wir singen die ersten zwei und die letzten zwei Strophen, also die Strophen 1, 2, 5 und 6, von „Nicht der Anfang, nur das Ende krönt des Christenglaubens Streit“, Liederbuch Nummer 420.
War ich einst erkannt, so der Weide aufgestanden, dass ich, bis ich heizte, kalt war. Wer wird ein Kämpfer? Der Sieger landet. Kommt es dann zur letzten Not, so verzehren wir den Tod, dass sich hier geglaubt auf werden und dass es zum Schauen werden.
Rückblick auf den Vormittag und Einführung des Themas
Wenn wir auf den Vormittag zurückblicken, dann hat uns Prälat Rolfs Chefbuch den Wert des Seniors ganz deutlich vor Augen geführt. Gott hat einen ganz anderen Blick auf den Senior. Er sieht ihn nicht einfach als jemanden, der bald abtritt, sondern als jemanden, mit dem er noch viel vorhat. Der Senior ist wertvoll in Gottes Augen – nicht nur als einer der wenigen Alten, die noch da sind, sondern als ein ganz wertvoller, auserwählter Mensch des Herrn, mit dem Gott noch sein Programm hat.
Prälat Rolfs Chefbuch hat uns gezeigt, dass dieses Programm nicht nur aus Verwalten besteht, sondern auch aus dem aktiven Annehmen des Alters und seiner Chancen. Ich erinnere noch einmal an die Stelle, die er aus dem zweiten Petrusbrief genannt hat. Dort sagt der alte Petrus: „Wachset, wachset in der Gnade und Erkenntnis.“ Das bedeutet, im Alter aktiv zu wachsen und die Gnade sowie die Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus anzunehmen.
Das war auch das große Thema: „Bei dir, Jesus, will ich bleiben.“ Das Wesentliche im Alter ist nicht, sich mit einzelnen Themen zu beschäftigen, sondern bei Jesus zu bleiben – im Alter, im Sterben und auch im Heimgehen.
Wir hatten dann sehr intensive Seminare, die gut besucht waren. Wenn ich an mein Seminar denke, erinnere ich mich an einen regen Austausch. Der eine oder andere wird sicher froh sein, dass jetzt die Kaffeepause dazwischen ist, bevor wir hier mit dem jüngeren Bruder von Rolf Schäffbuch fortfahren.
Begrüßung des Gastredners und Bedeutung seiner Arbeit
Also, ich möchte nicht sagen, dass der Ältere der Pharisäer und der Jüngere der Verlorengegangene ist. Aber tatsächlich ist es so: Der ältere Bruder – ich habe Rolf extra gefragt – und du bist der Jüngere, sogar der Jüngste, der kleine Bruder, ja.
Ein ganz herzliches Willkommen an dich, Pfarrer Winrich Schäffbuch, zusammen mit deiner Frau Beate. Auch dir ein herzliches Willkommen hier in unserer Mitte.
Es hat gerade eben noch so gereicht. Wir haben wieder auf der Acht gewartet, auch am Samstag ging es los. Aber du hast es genau geschafft, rechtzeitig zum Seminar da zu sein. Wir freuen uns, dass du da bist, und wir freuen uns auf dein Zeugnis.
Wenn ich Winrich Schäffbuch sehe, dann ist das für mich, der ich sonst nicht viel mit Weltmission zu tun habe, so ein bisschen die verkörperte Weltmission. Wenn er hier auf die langen Steinbaren Höhen kommt, dann schnuppere ich auch die Luft der weiten Welt. Aber nicht einfach nur die weite Welt im weltlichen Sinne, sondern die weite Welt der Evangeliumsverkündigung. Auch der schwierigen Umstände, unter denen Geschwister das Evangelium, das Wort Gottes, sagen und ihr Christsein leben.
Mir persönlich tut das unheimlich gut, weil es meine eigenen Probleme und meine eigene Sicht der Welt relativiert. Wenn ich sehe und von dir höre – und du hast wahrscheinlich auch im Seminar gesagt, was Christsein in anderen Ländern bedeutet – dann relativiert sich, wie ich hier lebe. Ich kann meinem Herrn wieder ganz neu dankbar sein.
Ich freue mich jedes Mal, wenn du da bist. Du bist so aktiv, so lebendig. Mit dir ist es nie langweilig. Du bist eigentlich ein Senior, aber ein ganz aktiver Senior. Einer, mit dem es richtig schön ist, Gemeinschaft zu haben.
Du hast dir ja ein Thema vorgenommen: „Halte mich, Herr, beim Herrn bleiben“. Das ist ein Thema, das diesen Seniorennachmittag, diesen Seniorentag, wirklich gut abschließen kann.
Wir wollen zu diesem Thema auch noch einmal singen: „Ich brauche dich alle Zeit“ aus dem Grünen Liederbuch, Nummer 272. 272, „Ich brauche dich alle Zeit“. Sieg!
Gebet zum Beginn der Fortsetzung
Wir wollen beten, Herr Jesus. Das ist noch viel mehr Realität, als wir es gesungen haben und wie wir es glauben. Wir brauchen dich total und vollständig. Ohne dich könnten wir nicht bestehen vor deinem Vater, könnten nicht bestehen vor der himmlischen Majestät. Ohne dich hätten wir kein natürliches Leben.
Ohne dich hätten wir nicht die Gerechtigkeit, die du durch deinen Kreuztod und deine Auferstehung erwirkt hast. Ohne dich könnten wir einpacken. Herr Jesus, wir danken dir, dass du das Antlitz des gnädigen und barmherzigen Herrn bist und dass du in diese Welt gekommen bist, um Sünder selig zu machen.
Wir danken dir, dass du die Liebe des Vaters und deine Liebe damit auch geoffenbart und gezeigt hast. Danke, lieber Vater, dass am Kreuz dein Herz offenbar wird – das Herz der Gnade und Barmherzigkeit, das Herz der Liebe, das Herz der Zuwendung, das Herz, das den Verlorenen retten möchte.
Nun hab du Dank, dass du in unser Leben gegriffen hast, dass du uns herausgerufen hast, dass wir das Evangelium hören durften und dass die meisten von uns ein Ja haben durften. Du willst uns nun versorgen auf dem Weg hin ins himmlische Kanaan.
Und nun habe du auch Dank für diesen Nachmittag, dass du in unser Leben reden möchtest. Danke für Winrich Schäffbuch, dass du ihn ausrüstest und ihm Vollmacht gibst, von dir her zu reden – das, was du gesagt haben möchtest –, so dass ein Strahl der Ewigkeit in unser Herz, in diese Zeit und in unsere Situation hineinkommen darf.
Wir bitten dich auch um die seelischen Spannkräfte und um die Aufmerksamkeit, das aufzunehmen, was du uns zu sagen hast. Wir wollen dich loben und preisen und noch einmal bekräftigen, was wir gesungen haben: Wir brauchen dich heute, morgen und in alle Ewigkeit. Gepriesen seist du, Amen!
Gedanken zum Alter und zur Annahme der Lebensphase
Das ist so schön bei solch einem Zusammentreffen, dass man ein Lied mitnimmt und sich immer wieder daran erinnert. Die Verse bleiben dann leichter im Kopf hängen, die Reime. Heute Mittag: "Herr, mach aus mir ein Gefäß, wie du willst."
Da gibt man die Verfügung über das eigene Leben aus der Hand. Danach darf man nicht meckern, sondern man hat gesagt: Herr, Du machst es recht.
Ich las neulich irgendwo in einer Zeitschrift einen Satz, der mich ungemein getröstet hat: Senioren fühlen sich grundsätzlich dreizehn Jahre jünger, als sie wirklich sind. Da dachte ich: Das stimmt genau bei mir. Ich fühle mich fast fünfzehn Jahre jünger. Aber bei Ihnen ist es so schön, dass Sie auch so aussehen – Sie sehen fünfzehn Jahre jünger aus, herrlich!
Das zeigt aber auch, dass wir ein wenig Schwierigkeiten haben, diesen Lebensabschnitt anzunehmen. Ich glaube, dass es für viele der schwierigste Schritt in der ganzen Lebensphase ist.
Wir gehören ja zu jener Generation, die den Zusammenbruch Deutschlands miterlebt hat und dann diese Riesenkraftanstrengung, bei der die ganze Willenskraft da war: Wir wollen noch einmal etwas aufbauen. Und plötzlich sagt man einem: Man braucht dich nicht mehr.
Mein Vater, dem durch die politische Verfolgung im Dritten Reich zwölf Jahre seines Lebens gestohlen wurden, in denen er kein Lehrer werden konnte, ist sehr früh mit 57 Jahren verstorben. Als der Arzt ihm die Diagnose mitteilte, hatte er noch drei Stunden Zeit, um den Schreibtisch im Neuen Schloss in Stuttgart zu ordnen. Dann wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Er wusste, dass es eine Krankheit war, die zur Herrlichkeit führt.
Er dachte: Wenn ich das vergleiche – wenn man so mitten in der Fülle des Lebens aus der Arbeit heraus abgerufen wird –, ist es doch eine herrliche Zeit, wenn Gott uns noch einmal eine Zeit schenkt, die wir nutzen können. Eine große, von Gott gestaltete Zeit.
Heute Mittag ist es mir wichtig, dass wir das auch annehmen – mit allen Konsequenzen. Ich habe als Wort 2. Korinther 4,7. Wenn wir beten: Herr, mach aus mir ein Gefäß, wie du willst, dann haben wir dieses Wort aus 2. Korinther 4,7 oft gelesen. Aber wir wollen es heute Mittag noch einmal ganz bewusst lesen, im Blick auf unsere Situation und unseren Weg durch diese letzte Lebenszeit.
Das Bild des tönernen Gefäßes und seine Bedeutung
Wir haben aber diesen Schatz, das helle Licht, das aus der Finsternis hervorleuchtet – der helle Schein in unseren Herzen, die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi. Diesen Schatz haben wir in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.
Unsere großen Wissenschaftler arbeiten schon lange daran, durch Genmanipulation etwas zu verändern. Wahrscheinlich werden wir erleben, dass es so geordnet wird, dass man mit 80 noch so aussieht wie mit 20. Sicher kann man vieles am Menschen manipulieren. Trotzdem bleibt das Wort Gottes wahr.
Und das nicht nur im Alter, sondern schon von den ersten Tagen als kleines Baby an. Unser Menschsein, auch unser Christsein, ist in ein sehr tönernes Gefäß gepackt. Nun weiß das jeder: Wir sind Staub und Asche. So sind wir geschaffen, aus Erde sind wir, und wir werden wieder zu Erde werden.
Aber natürlich ist das in vielen Jahren unseres Lebens ein wenig ausgeblendet. Wir sehen das gar nicht – die Begrenzung unserer Kraft, unseres Wesens, das mit dem tönernen Gefäß verbunden ist. Das möchte ich zunächst einmal überlegen.
Was meint denn Paulus mit diesem Tönernen? Er meint irdisch, natürlich, vergänglich. Im Griechischen wird dafür ein Wort benutzt, das an Scherben erinnert. Sie wissen, wie ein tönernes Gefäß so schnell zu Scherben zerschlagen wird. Dann ist nichts Leuchtendes mehr da. Das ist erbärmlich, elend und arm.
Schauen wir noch einmal, wo das in der Bibel vorkommt. Wir finden es in den Klageliedern des Jeremia, Kapitel 4, Verse 1 und 2. Rembrandt hat diese Situation wunderbar gemalt. Es ist eine grausame Situation: Jeremia vor den Trümmern Jerusalems. Im Hintergrund brennt Jerusalem. Das Bild hängt in Amsterdam. Man kann es auch als Kopie dort kaufen. Ich habe es immer gerne in meiner Wohnung aufgehängt: Jeremia über dem zerstörten Jerusalem.
Unten liegen Goldgefäße zu seinen Füßen auf dem Boden. Rembrandt hat ja seine Bibel gelesen, und in den Klageliedern steht ein ganz wichtiger Satz: „Wie ist das Gold so ganz dunkel und das feine Gold so hässlich geworden, und wie liegen die Edelsteine an allen Straßenecken zerstreut, die edlen Kinder Zions dem Golde gleich, wie sind sie nun den irdenen Töpfen gleich, die ein Töpfer macht?“
Aber noch viel schlimmer: Wir müssen selbst miterleben, wie diese irdischen Töpfe zu Scherben geschlagen werden. Es ist manchmal schwer, wenn einige unserer lieben Freunde plötzlich gepflegt werden müssen – wie die Babys. Man will gar nicht darüber reden. Und das ist ein Jammer.
Die ganze Herrlichkeit eines Menschen – das waren ja alles mal große Leute, berühmt, vom Fernsehen gesucht für Interviews – und dann liegen sie da, erbärmlich und schwach.
Beim Hiob steht so ein schönes Wort, das beschreibt, wie das manchmal ist, wie Gott mit uns umgeht: „Wenn ich ausging zum Tor der Stadt und meinen Platz auf dem Markt einnahm, dann sahen mich die Jungen und verbargen sich scheu. Die Alten standen vor mir auf, die Oberen hörten auf zu reden und legten ihre Hand auf ihren Mund. Die Fürsten hielten ihre Stimme zurück, und ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen.
Denn wessen Ohr mich hörte, der pries mich glücklich, und wessen Auge mich sah, der rühmte mich. Sie hörten mir zu und schwiegen und warteten auf meinen Rat. Nach meinen Worten redete niemand mehr.
Wenn ich ihnen zulachte, fassten sie Vertrauen, und das Licht meines Angesichts tröstete die Drohenden. Wenn ich zu ihnen kommen wollte, musste ich oben sitzen und thronte wie ein König unter der Schar.“
So war das ganze Leben: Man wurde immer in die Weide geführt, man bekam Aufgaben von Gott anvertraut. Das war Stolz, geachtet und geehrt. Und dann wird der Lebensradius plötzlich ganz eng abgesteckt. Das ist schwer zu akzeptieren und schwer zu übernehmen.
Neulich sagte mir ein ganz großer Mann: „Ich kann nur noch beten: Herr, bewahre mich vor der Torheit des Alters. Ich möchte nicht der Kinderleins Spott werden. Ich möchte nicht so schwach werden, dass meine eigenen Enkelkinder über mich lachen müssen.“
Das ist schwer, das Hergeben.
Die Herausforderungen des Alters und die Haltung dazu
Mein Bruder Rolf hat heute Morgen schon darüber gesprochen, dass das Hergeben mit den körperlichen Einschränkungen einhergeht: Das Hören lässt nach, die Gestalt verfällt, das Herz kann nicht mehr so wie früher, und im Seelischen hört die Kraft auf, all das zu tragen. Das Gedächtnis lässt nach, und man hat keine Beweglichkeit im Denken mehr.
Ganz schlimm ist auch, wenn unsere Selbstbeherrschung nachlässt. Das spüren wir ja selbst. Oft hätten wir manches lieber nicht gesagt, was wir doch aus Dummheit gesagt haben. Wenn die Gesundheitsnöte mit zunehmendem Alter zunehmen, sind wir angeschlagen. Paulus sagt jedoch, dass dies der Weg ist, den Gott seine Leute führt.
Wenn Gott uns diesen Weg führt, ist das kein Verhängnis. Vielmehr enthält es eine ganz große Verheißung. Wir dürfen nur Ja dazu sagen. Wir dürfen nicht denken, Gott hätte irgendeinen Fehler gemacht, er hätte nicht aufgepasst oder unsere Gebete und Wünsche nicht richtig erhört. Wir tragen einfach dieses sterbliche Fleisch.
Es ist ganz wichtig, dass wir Alten das auch in unseren Gemeinden immer wieder sagen. Das war jetzt nicht das große Wort, aber wir wollen es Einzelnen immer wieder sagen. Besonders denen, die vielleicht im Überschwang ihrer religiösen Begeisterung über das Ziel hinausschießen und so tun, als könnten sie Gott mit ihren Siegen manipulieren. Wir sagen dann: Es ist Gottes Art.
Jeder von uns muss auch noch durchdenken, dass wir die Schwachheit unseres Leibes tragen müssen. Diese tönernen Gefäße werden nicht nur rissig, sodass das Wasser durch die Ritzen läuft, sondern sie werden zu Scherben geschlagen. Warum macht Gott das? Weil der Inhalt, den er hineingibt, umso mehr strahlen soll. Umso mehr strahlen soll.
Gottes Wirken in schwachen Gefäßen
Es ist sehr interessant: Wenn Sie bei Lidl, Aldi, Kaufland oder Metro einkaufen, werden Sie feststellen, dass viele Menschen immer die Packung wählen, die am attraktivsten aussieht. Das ist sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen. Das Attraktive, das gut Aussehende, muss farblich hervorstechen.
Diese Haltung haben wir längst auf das Geistliche übertragen – und das ist falsch. Es ist etwas Falsches eingedrungen, das unbiblisch ist. Das müssen wir erkennen, dafür müssen wir Buße tun und umdenken. Vielleicht haben wir lange Zeit, gerade in unserer Jugend, gedacht, dass jemand, der so toll, leuchtend und strahlend auftritt, ganz bestimmt durch den Gott spricht. Doch die Bibel zeigt ein anderes Bild.
Schon Paulus konnte nichts vorweisen, was Eindruck macht oder imponiert. Er betont einen großen Gegensatz. Es handelt sich um einen Gottesschatz – nicht um einen Schatz von Menschen, nicht um einen Schatz der Deutschen Bank oder von Mercedes oder irgendjemand anderem. Den größten Schatz, den Gott einsetzen kann, verpackt er in eine unattraktive Hülle.
Das ist so unsinnig, wenn wir es nicht verstehen. Keiner von Ihnen würde edlen badischen Wein aus einer rostigen Blechbüchse trinken – das würde doch nicht schmecken. Und niemand würde Pralinen kaufen, die in einem schmutzigen Tempotaschentuch verpackt sind. Die Verpackung macht den Unterschied!
Warum legt Gott seinen Schatz in solche zerbrechlichen Töpfe, wie wir es sind? Gott ist kein schlechter Geschäftsmann, aber er macht es ganz anders als die Wirtschaft.
Der Bäcker bei uns in der Nähe hat einen Stehimbiss. Dort kann man im Stehen eine Tasse Kaffee trinken. Seit wenigen Tagen gibt es dort Gourmetkaffee. Manche sagen, wenn sie 50 Cent opfern, seien sie schon Weltveränderer. Das ist etwas übertrieben – mit 50 Cent kann man das Elend dieser Welt nicht vollständig beheben.
Andere meinen, wenn sie einen Kongress besucht haben, seien sie schon christliche Führungskräfte. Man kann das alles hoch bewerten und sagen: „Was sind wir doch für tolle Leute!“ Aber Gott macht es genau umgekehrt. Er vollbringt seine großen Werke in ganz unscheinbaren, unattraktiven und zerbrechlichen Gefäßen.
Die Haltung zum Murren und Vertrauen auf Gottes Führung
In Jesaja 45 spricht Gott und warnt uns vor der großen Gefahr des Haderns und Murrens. Wir Schwaben brudeln so gerne und wehren uns gegen den Gedanken: „Spricht denn der Ton zu seinem Töpfer: Was machst du?“ Haben Sie schon einmal daran gedacht, wenn der Arzt plötzlich bedenkliche Entwicklungen an Ihrem Körper feststellt? Sagen wir dann zu Gott: „Warum lässt du das zu?“ Oder spricht auch der Ton zu seinem Töpfer: „Was machst du?“
Murren in den täglichen Lasten des Alters ist nicht erlaubt. Das Murren ist zwar verständlich, aber es ist uns nicht erlaubt, weil es uns den Segen verhindert und verschließt. Wir sollten darauf achten, nicht zu quengeln oder zu klagen gegen Gott, in dessen Hand wir sind – wie der Ton, der von ihm geformt wird. Auch dann, wenn wir aus Diensten und Verpflichtungen herausgenommen sind.
Deshalb muss ich noch etwas hinzufügen: Wir sind in den Händen des Meisters. Herr, mach aus mir ein Gefäß, wie du willst. Das ist ein tröstlicher Gedanke. Wenn wir sagen: „Gott hat mich gemacht, er hat mich schon im Mutterleib so gebildet, wie ich bin, mit allen Beschränkungen und Behinderungen meines Wesens, mit allen Belastungen.“ Gott hat mich so gewollt. Ich bin ein Original. Du bist du.
Das ist klug: Gott hat mich gemacht. Auch im Alter bin ich in seiner Hand. In dieser Lebenszeit wirkt er an mir und meinem Körper. Nicht immer nur, indem er alles in Herrlichkeit verwandelt, sondern auch, indem er mir dieses tönerne Schicksal lässt. Und das wird ganz besonders schwer, wenn man seinen eigenen Willen unter den Willen Gottes beugen muss.
Das Schwierige daran ist: Es ist viel leichter zu sagen: „Herr, du musst tun, was ich will.“ Aber das kommt in der Bibel nirgendwo vor. Verfolgen Sie es mal im Johannesevangelium, wie wichtig es dem Gottessohn Jesus Christus war, zu warten, bis er wusste, was der Vater will. Jesus hat gesagt: „Jesus kann nichts aus sich selbst tun.“
Doch Jesus ist doch ein Alleskönner, wenn er alle Macht hat? Er kann nichts tun außer das, was er vom Vater sieht. Jesus wollte ganz gehorsam sein gegenüber dem Vater. Darum ist für uns gerade in dieser Lebenszeit ein großer Segen wichtig: „Herr, nur was du willst, wollen wir.“
Dabei beten wir doch alle so, zum Beispiel vor einer Operation, wenn wir sagen: „Herr, dein Wille geschehe.“ Wir wissen doch, dass es gut ausgehen muss. Und dann kommt plötzlich aus unserem Herzen heraus, dass wir Gott gar nicht zutrauen. Haben wir vielleicht Zweifel, ob Gott böse Gedanken mit uns hat? Kann das sein, dass Gott etwas Böses will?
Das ist gar nicht möglich. Gott liebt uns wie ein Vater sein Kind – nein, sogar noch viel mehr. Darum ist es jetzt ganz wichtig, dass wir zunächst den Unglauben unseres Herzens im Alter besiegen. Den Unglauben, der Gott wie ein schwarzes Gespenst erscheinen lässt.
Woher weiß ich das? Ich sage es noch einmal: Es hat nichts mit dem Fühlen zu tun. Unser Herz mag noch so sehr unruhig sein. Wir müssen es wissen. Das Gefühl ist heute ein großer Irrtum, wenn wir danach suchen. Wir brauchen das Wissen: Gott hat Gedanken des Friedens und nicht des Leides mit mir. Er hat Segensgedanken mit mir. Er will mich beschenken, auch wenn er mir Lasten auferlegt, auch wenn ich es nicht verstehe.
Und ich weiß das, weil er seinen Sohn für mich dahingegeben hat. Wir sind die bestbezahltesten Menschen dieser Welt – besser bezahlt als die Direktoren der Deutschen Bank. Denn Jesus hat den größten Preis bezahlt. Der Sohn Gottes hat sein Leben für uns hingegeben. Darum weiß ich: Er hat Gedanken des Friedens mit mir. Und deshalb kann ich akzeptieren, dass er mit mir so umgehen kann.
Vertrauen und Frieden im Alter
Im Alter haben wir eine merkwürdige Stachheit. Die biologischen Ursachen dafür kenne ich nicht. Aber in Jesaja 64 steht so schön: „Aber nun, Herr, du bist unser Vater, wir sind der Ton, du bist unser Töpfer, wir alle sind deiner Hände Werk.“ Keine Angst, keine Angst!
Mein Schwiegervater hat in seiner letzten Zeit, als er nicht einmal mehr Flüssigkeit zu sich nehmen wollte, immer wieder einen Vers aus dem Gesangbuch zitiert. Er sagte: „Mir geht es so.“ Er wusste, wie schwer er krank war. Das Lied lautet: „Wie Gott mich führt, so will ich gehen und alles eigen wählen.“ Ich kannte das Lied eigentlich gar nicht.
Mir ist es so groß geworden, wenn ein Mensch diesen Sieg hat – mit 80 Jahren, wenn er weiß, es geht zu Ende, aber er geht diesen Weg, und Gott geht ihm voran. Und er hat keine Angst, weil er weiß, dass Gottes Liebe ihm durch Jesus gewiss ist. Darum sagt er auch: „Ein Gefäß wie du willst, nicht wie ich will.“ Er möchte diesen Gehorsam des Glaubens einüben.
Wissen Sie, es steht im Neuen Testament, wie Jesus im Garten Gethsemane gekämpft hat, wie ihm der Schweiß über die Stirn lief. Das ist so wichtig, weil wir heute immer meinen, wir müssten uns wohlfühlen. Jesus hat sich im Garten nicht wohlgefühlt. Jesus hat sich bei der Kreuzigung nicht wohlgefühlt.
Es gibt Situationen, in denen sich unser ganzer Leib auflehnt. Aber ich habe Frieden im Glauben, nicht im Gefühl. Ich habe den Frieden im Glauben. Und dann kann der Herr als Frucht schenken, dass er uns durch seinen Geist auch den Frieden schenkt.
Ich habe es oft erlebt in schweren Leiden, wie Leute sagen: „Ich bin ganz geborgen und habe den Frieden.“ Aber das Erste ist der Glaube. Und ich glaube es, weil ich auf Jesus blicke, auch in schwierigen Zeiten, auch wenn es oft schwer wird. Also: „Mach aus mir ein Gefäß, wie du willst.“
Jetzt sagt Paulus: „Aller Schaden kann mir zum Gewinn werden.“ Warum kann das zum Gewinn werden? Damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.
Der Schatz in irdenen Gefäßen und die Berufung im Alter
Ich möchte noch einmal an Psalm 100 erinnern, den schönen Dankpsalm. Dort heißt es: Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide. Wenn er sich nicht zuerst an uns gehängt hätte, hätten wir ihn ja gar nicht gesucht. Gott hat uns gewollt, und Gott hat auch diese Zeit für uns vorbereitet. Er hat sie für uns bemessen, und das gehört zum Glaubensleben dazu. Das ist kein Ausleben Ihres Christenlebens, sondern eine ganz wichtige Segenzeit.
Für die ganze Gemeinde ist es wichtig, was wir leben und auch durchmachen. Er hat uns gemacht, und darum wollen wir das Altwerden bejahen, mit all seinen Schwächen und Nöten, weil Gott das Beste für uns vorhat. Dabei gilt: Er hat mich berufen. Im Alter möchte ich noch einmal wissen: Er hat mich berufen.
Als junge Leute – ich weiß nicht, wann es bei Ihnen war, mit sechzehn oder achtzehn – haben wir es festgemacht: Jesus will mich, Jesus braucht mich. Ja, aber jetzt erst festzumachen: Er hat mich berufen zu einer lebendigen Hoffnung, zu einer lebendigen Zuversicht durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Und dieser Schatz kann erst im Alter richtig leuchten.
Was ist das, wenn in einem gebrochenen Leib diese Hoffnung immer größer und immer wunderbarer wird und immer mehr strahlen kann? Wir haben neulich unsere alte Gemeindeschwester im Pflegeheim in Stuttgart besucht, 95 Jahre alt. Sie sieht nichts mehr, geht nur noch ein bisschen mit dem Gehwagen, wenn sie geführt wird. Aber so etwas habe ich überhaupt nicht erlebt. Da hat es nur so gesprudelt – ein völlig klarer Geist, Liedverse, Bibel und so weiter. Ich bin so froh. So habe ich unsere Schwester Else früher gar nicht gekannt.
Das ist herrlich, wenn das zu solch einer Dichte führt. Wenn sie sagt: Ich kann nur danken und freue mich auf das, was vor mir liegt. Und das Stehenbleiben an den kleinen Beschwerden des Tages und all dem, was man machen kann und was man durchmachen muss, steht plötzlich nicht mehr das fromme Ich im Mittelpunkt. Das ist die große Gefahr unseres Ichs mit all meinen Nöten und all meinen Problemen, sondern Christus, der auferstandene Herr.
Durch ihn haben wir diese lebendige Hoffnung, dass Christus immer mehr Raum in mir gewinnt – der Schatz in irdenen Gefäßen. So lebe nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir. Das Größte, was wir im christlichen Glauben überhaupt haben, ist der auferstandene Christus. Und der will in alten Menschen noch ganz seine Herrlichkeit entfalten – in einer überwältigenden und großartigen Weise.
Nicht durch äußeren irdischen Glanz, nicht durch die Schau, die diese Welt immer wieder sucht – im glänzenden und jugendlichen Körper –, sondern durch die große Gabe, wie es Christus tut, verborgen in der Kreuzgestalt und auch in einer ganz herrlichen Sichtbarkeit. Oft erscheint uns dies nicht als Freude, heißt es im Hebräerbrief, sondern als Traurigkeit oder Züchtigung Gottes. Aber daraus entsteht eine friedsame Furcht der Gerechtigkeit.
Wachsamkeit und Buße im Alter
Wie schwer musste das für Johannes den Täufer gewesen sein! Er ist ja eine Figur, die wir wirklich brauchen. Es wird oft behauptet, dass auch er gezweifelt habe, als er im Gefängnis war. Doch Johannes war so reif, dass er wusste, das Gefängnis müsse sein. Er wusste, dass er wachsen müsse und dass er selbst abnehmen müsse.
Wenn bei uns dasselbe geschieht, dass Christus immer mehr zunimmt, dann nehmen wir gerne auch das Abnehmen in unseren äußeren Kräften an.
Dabei sollten wir auch daran denken, wenn es um den Töpfer geht, dass das Gefäß missraten kann. Das erleben wir oft, auch in der Bibel finden wir Beispiele dafür. Zum Beispiel der alte Eli, der so schwach und töricht war, dass er aus der Zucht Gottes ausgeschlossen wurde.
Auch bei Noah erleben wir fast anstößliche Dinge, wenn wir sie in der Bibel lesen, ebenso bei Gideon und Salomo.
Ich bete: Er bewahre mich vor dieser Torheit im Alter, vor dem Verlust der geistlichen Wachsamkeit, damit ich nicht mehr für Gott unbrauchbar werde.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir im Alter Buße tun, die Vergebung unserer Schuld suchen und auch die heimlichen Sünden vor Gott bringen. Dazu gehören auch die Starrheit und Unbeweglichkeit, durch die wir uns versündigen, oft auch in der Familie.
Wir sollten diese Lasten ablegen und wieder ganz unmittelbar vom Heiligen Geist getrieben sein – Gefäße in der Hand des Töpfers.
Die Bedeutung von Gefühlen und geistlicher Ordnung im Alter
Ich möchte daran erinnern, wie besonders es heute ist, dass wir ständig über unsere Gefühle sprechen. Unsere Gefühle sind zum beherrschenden Thema geworden, auch in der Christenheit. Immer wieder hören wir Fragen wie: „Wie fühlst du dich?“ oder „Fühle ich Christus und Gott?“
Im Neuen Testament finde ich diese Kategorie des Fühlens jedoch nirgendwo. Es ist schön, wenn der Herr einem das Fühlen schenkt, aber oft ist dieses Fühlen auch nicht da. Besonders im Alter erleben wir häufig, dass wir in seelische Depressionen abstürzen. Das ist eine große Not.
Doch Generationen vor uns haben das ebenfalls erlebt. Es ist wunderbar, wenn Gott unsere Gefühlswelt wieder ordnet und unsere Herzen gehorsam auf ihn ausgerichtet sind. Das ist ganz wichtig und ein großes Geschenk.
Man kann abends mit großen Sorgen einschlafen. Wie oft liege ich nachts wach, und dann lasten Zentner Lasten auf mir – Sorgen, Ängste. Doch morgens ist alles wieder weg, und man kann fröhlich aufstehen.
Wir können beten: „Herr, ordne du mein Gefühlsleben, auch meine finsteren Gedanken. Ich will meinen Blick auf dich nicht durch dunkle Gefühle trüben lassen.“ Der Teufel spielt auf der Klaviatur unserer Seele und nimmt uns oft die Freude.
Dann brauchen wir Gottes Worte und die Lieder. Wir sagen uns zu: „Warum sollte ich mich grämen, habe ich doch Christus noch? Wer will mir den nehmen?“ Der Blick auf Christus muss frei sein, und dann ordnen sich auch die Gefühle wieder.
Trost durch geistliche Lieder und Hoffnung
Ich bedaure sehr, dass viele dieses Lied von Paul Gerhardt gar nicht mehr kennenlernen, das wir als Kinder lernen mussten. Es entstand in dem schrecklichen Geschehen des Umsturzes in Deutschland, in einer Zeit, in der auch unsere Mutter sicher durch viele Nöte ging – in der Vater- und Christgefangenschaft.
Ich möchte einige Verse daraus vorlesen. Ich sage, das ist das Lied, das Paul Gerhardt gegen die Schwermut gedichtet hat:
Schwing dich auf zu deinem Gott, du betrübte Seele!
Warum liegst du Gott zum Spott in der Schwermutshöhle?
Merkst du nicht des Satans List?
Er will durch sein Kämpfen deinen Trost, den Jesus Christ dir erworben, dämpfen.
„Schüttle deinen Kopf und sprich: Flieh, du alte Schlange!
Was erneuerst du deinen Stich? Machst mir Angst und Bange?
Ist dir doch der Kopf zerknickt,
und ich bin durchs Leiden meines Heilands dir entrückt
in den Saal der Freuden.
„Stürme, Teufel, und du Tod, was könnt ihr mir schaden?
Deckt mich doch in meiner Not Gott mit seiner Gnaden,
der Gott, der mir seinen Sohn selbst verehrt aus Liebe,
dass der ewige Spott und Hohn mich nicht dort betrübe.“
In diesen Liedern ist etwas ausgesagt, das uns durch die Schlaflosigkeit der Nacht hilft. Es gibt viel, was Sie leiden können. Die Gedanken, die Hilti einst für die schlaflosen Nächte geschrieben hat, bringen immer wieder den Trost, den Christus gibt. So kann ich wissen:
Gottes Kinder säen zwar traurig und mit Tränen, aber endlich bringt das Ja, wonach sie sich sehnen. Denn es kommt die Erntezeit, da sie Garben machen. Da wird all ihr Kram und Leid zu lauter Freude und Lachen.
Die Ehre und Berufung im Alter
Liebe Schwestern und Brüder,
vor uns liegt eine große Ehre. Trotz des Zerfalls unseres irdischen Gefäßes legt Gott seine größte Gabe in uns hinein. Im zweiten Timotheusbrief heißt es, dass Gott uns als Gefäße seiner Ehre zubereitet hat – Gefäße der Barmherzigkeit. Wir sind getragen von seiner Güte.
Vielleicht haben Sie selbst in Ihrem Leben solche Bilder vor Augen und denken daran, was Ihre Großmutter Ihnen bedeutet hat. Ich habe selbst eine Großmutter gehabt, die mein ganzes Leben geprägt hat. Eine alte Frau, die kaum noch etwas hörte, aber durch sie habe ich die leuchtende Jesusliebe erfahren – durch eine Frau mit vielen Falten im Gesicht.
Plötzlich merkt man, dass es bei Gott ganz anders läuft: wie er segnet, wie er gibt und wie sich eine Herrlichkeit entfaltet. Der Schöpfer, der Töpfer, kann in meinem Leben dieses Gefäß so formen. Darum ist der größte Schatz, dass Christus in mir leben will. Das ist so groß.
Durch die große Barmherzigkeit Gottes dürfen wir auch unsere angeschlagenen Leiber Gott hingeben zu einem Gottesdienst. Römer 12 nennt das unseren vernünftigen Gottesdienst: Gebt eure Leiber hin und lasst Christus daraus machen, was er will.
Die überbordende Kraft, das, was über alles Maß hinausgeht, kommt immer wieder von Gott. Man staunt und sagt: „Ich hätte nie gedacht, dass das geht.“ Jeden Tag komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Jeder Schritt, jedes Wegstück wird zu einem wunderbaren Zeichen seines mächtigen Wirkens. Christus wohnt durch Glauben und Liebe in unseren Herzen, und seine Kraft vollendet sich in meiner Schwäche.
Diese Kraft kommt erst richtig zum Leuchten, zum Ziel, wenn meine Kraft gebrochen ist. Es ist keine Verwechslung mehr zu glauben, dass wir es sind. Es ist alles nur noch das wunderbare Wirken des Herrn, der gnädig an uns arbeitet, uns braucht und benutzt.
Darum ist es so wichtig, dass wir offen darüber sprechen – auch in unseren Gemeinden. Das gehört dazu. Unsere Gemeinden sind im Moment in großer geistlicher Schwäche. Wir sind nicht mehr die strahlenden Gemeinden, die wir einmal waren. Das kann man eine Zeit lang noch vortäuschen, doch dann merkt man das Elend: Wir sind alle schwache Menschen.
Vielleicht können wir manchen jungen Leuten helfen, die dem Trugschluss erliegen, sie seien die Kraftmeier des Reiches Gottes. Sie brauchen Christus. Christus kommt erst bei schwachen Menschen richtig zum Zug. Nicht die Sonnibären, nicht die Strahlenmänner sind es, die im Reich Gottes wirken, sondern wie Jesus in schwachen Menschen mächtig wirkt.
Diese Kraft ist so groß, dass ich jetzt nur theoretisch davon sprechen kann. Sie können es durch unzählige Lebensbilder ergänzen, wie Gott oft durch das Leben schwerer Menschen große Freude weckt und schenkt.
Wir haben oft entdeckt, dass viele Lieder erst entstehen konnten, wenn Menschen an ihrem letzten Punkt waren und sich fragten: „Was bin ich noch?“ Und dann kommt die jubelnde Freude: In dir ist Freude, auch in allem Leid. Wenn wir dich haben, kann uns nichts mehr schaden. Ich kann ohne Jesus gar nichts mehr.
Annie Hawkes, die dieses Lied geschrieben hat, bringt es auf den Punkt: Es geht alles auf einen Punkt zu – nur Jesus allein. Das ist das Geheimnis, durch das unsere Gemeinde wächst: Immer mehr Christus erkennen, immer mehr ihn finden.
Dann sagen wir plötzlich: Wie viel Unnötiges und Unwichtiges haben wir oft in unserem Dienstleben betont, während es nur darauf ankommt, mit dem Übel dieser Welt umzugehen. Das gehört dazu.
In der Passionswoche gab es eine Bibelwoche morgens und abends, die nicht über das Leiden sprach. Bei der Eröffnung sagte die Leitung, das Thema Leiden sei ja nicht attraktiv. Doch ich behaupte nicht, dass Leiden attraktiv ist. Aber ich sage: Es ist das aktuellste Thema.
Es gibt keinen Menschen, auch keinen jungen, der nicht leidet. Jeder Christ muss sich mit dem Leiden auseinandersetzen – in welcher Form auch immer. Ob er von Untreue erschüttert wird, ob er mit Schwierigkeiten kämpft oder nicht an seinen Platz kommt. Das Leben hat seine Grenzen, und der Umgang mit dem Übel und dem Bösen in dieser gefallenen Welt ist der Punkt, an dem der Glaube wächst und sich entfaltet.
Denken Sie an einen Psalm, zum Beispiel Psalm 73, in dem Asaph das Elend beklagt: Wie schrecklich ist es in dieser Welt. Die Gottlosen machen große Schau, und die wahren Treuen leben schwer. Doch dann kommt der Jubel: „Dennoch bleibe ich stets bei dir, denn du hältst mich bei deiner Hand. Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren.“
Das kann nur empfinden, wer durch Schwachheit und Tiefe gegangen ist. Das ist meine Freude: Ich halte mich an Gott und setze meine Zuflucht auf den Herrn. Kein Gegensatz wird genau dort erlebt – in dieser Tiefe.
Das dürfen Sie erleben. Es ist keine bloße Möglichkeit, sondern eine Realität. Ich habe es oft bei jungen Leuten erlebt, die aus gottlosen Familien kamen und an Gemeindefreizeiten teilnahmen. Sie sagten, das Wertvollste bei der Freizeit seien nicht die jungen Leute, die oft 60 oder 70 waren, sondern die alten Menschen. „Ich habe noch nie mit einem alten Menschen beten können. Was die mir oft raten, kommt aus solch einer Tiefe.“ Solche Worte können oft nur Menschen sagen, die aus einer gottlosen Umgebung kommen.
Ich möchte Ihnen Mut machen: Gehen Sie auf junge Mitarbeiter zu, sagen Sie: „Ich will nur für dich beten, und du darfst immer zu mir kommen, wenn du Schwierigkeiten hast.“ Erzählen Sie ihnen auch, wie Sie Jesus verstehen.
Neulich sagte einer der Engel: „Ha, du hast im Leben aber Schönes gemacht.“ Ich antwortete: „Es ist gut, dass wir sagen können, es ist alles unverdiente Gnade.“ Wenn du jetzt dein Abi machst, brauchst du dir keine Sorgen zu machen, wenn du deine Entscheidungen Jesus in die Hand legst. Das ist unser Lebenszeugnis: Es ist nie etwas, was wir selbst gekonnt oder gemacht haben. Alles ist Gnade.
Wenn wir das den Jungen weitergeben können und sagen: „Gib dein Leben in die Hand dieses Töpfers“, dann ist das Wort vom Gefäß noch einmal schön: „Mach aus mir ein Gefäß, wie du willst, Herr. Du bist viel größer als die Situation, die mich erschrecken mag.“
Das zeigt sich auch bei der Berufung des Saulus. Er ist ein auserwähltes Werkzeug. Wir könnten sagen: ein auserwähltes Gefäß. Du bist wie Saulus von Gott erwählt – ein Werkzeug. Und du musst wissen, was auch kommt. Jesus macht etwas Großartiges daraus: zur Offenbarung seiner Herrlichkeit, zu einem Zeugnis für viele.
Ich will nur auf den Herrn blicken und ihm treu sein. Eine Ermutigung für viele Alte möchte ich sein und für viele junge Leute erst recht ein Wegweiser zur Quelle, wenn sie Leben und Fülle suchen.
Ich vergesse nicht, wie Festo Kivinsre im Neckarstadion einmal von Uganda erzählte. Er sagte: „Bei uns in Uganda ist es so, dass die ganz alten Leute, wenn sie Jesus aufnehmen, die jungen Leute sich umdrehen und sagen: ‚Mensch, bei denen herrscht eine Lebensfülle.‘ Und die jungen Leute sagen: ‚Mensch, wie die sind, so will ich auch Frieden, Freude und Geborgenheit haben.‘“
Das dürfen Sie ergreifen. Das will Gott aus Ihnen machen. Das ist sein Plan, seine Absicht, und Sie dürfen fröhlich darauf zugehen.
Wir brauchen nicht mehr zu klagen, auch nicht über das Leiden. Im Neuen Testament heißt es immer: Freut euch, wenn ihr mit Christus leidet. Freut euch, wenn ihr das Kreuz tragen müsst. Freut euch, denn umso mehr kommt die Herrlichkeit von Jesus zum Vorschein.
In einem zu Scherben geschlagenen Gefäß kommt umso mehr der Schatz zum Leuchten. Und was ist der Schatz? Jesus – und sonst nichts mehr. Dass ich mit meinem Leben diesen Schatz fassen darf bis zu den letzten Minuten meines irdischen Lebens.
Und dann, wenn ich zum Schauen kommen darf und ihn von Angesicht zu Angesicht sehe – das ist wunderbar. Das ist die Freude meines Lebens.
Schlussgebet und Segenswunsch
Und wir wollen noch beten, lieber Herr, dass du der Macher in unserem Leben bist. Das erbitten wir, dass nicht irgendwelche Krankheitsmächte oder Schicksalsmächte uns hin und her wirbeln. Sondern wir stehen unter deiner Berufung.
Wir wollen das ganz neu fassen, Herr. Wo auch immer etwas zwischen dir und uns steht, wollen wir es heute ablegen. Wir wollen es vor dir bewältigen – auch das Murren, das Klagen und das Bange sein. Wir wollen dir vertrauen, ganz fest vertrauen, denn du hast uns alle Zeichen deiner Liebe gegeben.
Nun dürfen wir fröhlich unseren Weg gehen. Herr, wenn du es schenkst, wollen wir ein Zeichen sein für viele, auch für die junge Generation. Dass das der Höhepunkt deines Wirkens ist: dass du immer größer wirst und wir immer kleiner.
Herr, lass das doch in unseren Gemeinden geschehen, dass wir nicht mehr von uns reden, sondern nur noch von dir und dem, was du tust, was du baust, was du machst und wie du führst.
Ach Herr, wie wunderbar ist es, dass du jedem von uns begegnest. Und wenn wir nach Hause kommen, bist du schon da. Wir dürfen die Wegstrecke mit dir zurücklegen – zu deiner Ehre und zu deinem Lobe. Amen.